Protocol of the Session on September 10, 2010

Sie wissen, wir sind als Landesparlament nicht der Steuergesetzgeber. Die Einnahmesituation wird bestimmt durch Regelungen des Bundes. Der Finanzminister hat uns dies des Öfteren am Beispiel der Mehrwertsteuer erläutert: Wenn die Mehrwertsteuer um einen Punkt gesenkt würde, würde dies für das Land Mindereinnahmen in Höhe von etwa 200 Millionen Euro pro anno bedeuten.

Diesen Sachverhalt könnte man anhand vieler weiterer Beispiele belegen. Dies kann man im laufenden Haushalt – mit Ausnahme im Investitionsbereich, wo man gegebenenfalls Komplettstreichungen vornehmen könnte – nicht bewegen, und deshalb ist es sinnvoll, dass eine solche Klausel in der Verfassung enthalten ist, damit man als Haushälter, als Regierung, vernünftig darauf reagieren kann und sich nicht selbst erdrosselt.

Gleiches gilt auch für die Maßgabe, bis zu der Wirksamkeit dieser Regeln, nämlich bis zum Ende des Jahres 2019, bis zu welchem man das Ziel erreichen will, keine Nettoneuverschuldung mehr aufzunehmen. Insbesondere die CDU, namentlich Frau Klöckner, hatte in der öffentlichen Diskussion mehrfach gefordert, eine Regelung ähnlich wie beim Bund einzuführen, in festgelegten Schritten. Dies trägt aber nicht der Tatsache Rechnung, dass die Haushaltssituation auf der Einnahmenseite sehr schwankend ist und wir starre Festlegungen in den Haushalten des Landes im Ausgabenbereich haben, die nicht so schnell steuerbar sind.

Deshalb ist es bei gleicher Anstrengung, das Ziel zu erreichen, das wir bis 2020 erreichen müssen und wollen, sinnvoll, dass es auch ein atmendes System ist, in dem es Jahre gibt, in denen die Konjunktur besser ist, ohne dass es eine Notlage ist, wo man sich mehr dem Ziel nähert, und Jahre, die vielleicht etwas schwieriger sind, ohne eine Notsituation darzustellen, wo man das nicht ganz so machen kann. Darüber werden wir im Übrigen im Parlament immer entscheiden.

Die Rolle der Parlamente kann durch eine solche Regelung gegenüber der eigenen Regierung gestärkt werden. Das wäre sicherlich eine erfreuliche Entwicklung. Das sage ich ganz selbstbewusst für ein Parlament. Aber es kann natürlich auch bedeuten – da sind die Karten noch gar nicht so entschieden –, dass die Spielräume der Landesparlamente durch dieses übergeordnete Ziel so eingeengt werden, dass verfassungsrechtliche Probleme damit verbunden sein können. Das wird in der Literatur von Fachleuten auch unter diesem Hinweis diskutiert. Es ist sicher eine enorm spannende Frage, in welcher Form sich das Bundesverfassungsgericht mit dieser Frage letztlich auch auseinandersetzt und wie andere Landtage die Frage entscheiden werden.

Es ist natürlich so, als ob ich es fast bestellt hätte, dass auf der anderen Rheinseite Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) laut Presse gesagt hat: „Neuer Finanzminister wirbt mit Ausnahmeregelung für Schuldenbremse.“ Ohne Schuldenbegrenzungsregelung der hessischen Verfassung gilt das ausnahmslose Schuldenverbot im Grundgesetz. – Das wäre in der Tat der Fall. Herr Schäfer sagt: „Es ist ökonomisch sinnvoll und sogar geboten, und das Grundgesetz gibt uns diese Möglichkeiten, dass man eine solche Regelung, wie ich sie vorhin genannt habe, die Schwankungen erlaubt, in die eigene Verfassung aufnimmt. Es ist ein Grundsatz, das zu machen.“ –

Deshalb bin ich sehr froh, dass Ihnen am Ende langer Gespräche in diesem Verfassungsvorschlag eine solche Regelung auch unterbreitet werden kann. Ich glaube, wir werden in der rheinland-pfälzischen Verfassung eine Regelung bekommen, die uns das politische Gestalten auch in Zukunft unter deutlich erschwerten Bedingungen möglich macht, die aber das Ziel, das wir alle miteinander verfolgen, dass die Verschuldung in unserem Land, in unserem Bundesstaat im Sinne von Generationengerechtigkeit zurückgefahren wird, dass wir nämlich den nach uns Kommenden nicht einen zu großen Berg an Schulden hinterlassen, auch erreichen.

Man wird sicherlich auch – da brauche ich keine prognostischen Fähigkeiten zu bemühen – im Laufe der Jahre, ich werde dann nicht mehr an diesem Rednerpult sein, auch im Jahre 2020 oder 2025 einmal sehen, ob ein absolutes Neuverschuldungsgebot volkswirtschaftlich überhaupt so sinnvoll ist oder nicht. Im Moment dient es der Zielerreichung. Das ist vernünftig. Deshalb unterstreiche ich es. Deshalb wird die SPD-Fraktion eine solche Regelung, wie im Antrag und im Entschließungsantrag aufgeführt, tragen.

Ich denke, wir können das dann im November auch in diesem Parlament umsetzen und haben unsere Hausaufgaben sehr erfolgreich gemacht. Ich danke insoweit allen Beteiligten.

Ich möchte aber auch nicht ein gewisses Schmunzeln verhehlen, wenn ich mir die aktuelle Debatte angeschaut habe, gestern die Reden zu den kommunalen Finanzen, da einmal 100 Millionen drauf. Heute Morgen – ich sage jetzt nur einmal Beispiele – vorhin bei den Einstellungen möglichst jeder eine Beamtenstelle, und, und, und. Wie viele Wünsche gibt es!

Meine Damen und Herren, beim Haushalt im Herbst und nächstes Jahr und übernächstes Jahr und viele Jahre drauf werden wir, gestützt und ermahnt vom Finanzminister, ganz schwere Hausaufgaben haben, bei denen wir Prioritäten setzen und Einsparungen vornehmen müssen, damit wir dieses Ziel erreichen können.

Wir dürfen darüber nicht vergessen, dass wir hier Politik gestalten, dass wir in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Fortschritte erreichen müssen, ob Bildung, ob Infrastruktur, ob Arbeit, damit unser Land nach vorne kommt. Dafür brauchen wir nun einmal Geld. Diesen Spagat haben wir dann noch schwieriger zu meistern, als es in der Vergangenheit schon der Fall

war. In bin so optimistisch, dass es uns mit vereinten Kräften gelingen wird.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende Baldauf von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hartloff, nachdem Sie diese süffisanten Bemerkungen angedeutet haben,

(Hartloff, SPD: Das waren Beispiele!)

so sollte man doch immer auch daran denken, dass man in einem Land Schwerpunkte setzen sollte.

(Frau Spurzem, SPD: Das hat er doch gesagt!)

Diese sehen wir bei den kommunalen Angelegenheiten und im Bereich der Bildung, vielleicht ein bisschen weniger bei der Subventionierung von Gaststätten oder Freizeitparks. Das wollte ich an dieser Stelle vielleicht nur noch eingeführt haben.

(Beifall der CDU)

Sie gestatten mir noch eine Bemerkung. Es zeichnet uns aus, auch wenn ich mir mehr gewünscht hätte. Ich sage auch noch gleich einiges dazu. Ich habe auch in diesem Artikel aus Hessen vernommen, dass die dortige SPD nicht bereit ist, die Schuldenbremse mitzumachen. Also dort scheint man doch einen anderen Weg zu gehen. Da frage ich mich natürlich, ob das an der Sache orientiert ist. Aber vielleicht haben Sie Einfluss darauf, auch dafür zu sorgen, dass das in diesem Bereich passiert.

(Beifall der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ziel war im letzten Jahr – ich möchte auch einen Dank an den Präsidenten aussprechen, der das zunächst federführend eingeleitet hat –, dafür Sorge zu tragen, dass eine Neuverschuldung in diesem Land zurückgeführt wird, sodass sie im Jahr 2020 auch an Null ankommt. Warum? Meine sehr verehrten Damen und Herren, weil wir der Meinung sind, dass ein funktionierender Staat und ein funktionierender Apparat nur dann funktionsfähig sind, wenn wir unseren Nachkommen nicht nur Schulden mit Zinszahlungen hinterlassen, sondern wenn wir die Sache handlungsfähig erhalten.

(Beifall bei der CDU)

Nachdem der Bundesgesetzgeber im Grundgesetz Regeln geschaffen hatte, war für uns die große Herausforderung, wie wir denn in unserem Land mit diesen Regeln umgehen. Natürlich sind wir eigenständig. Natürlich

sind wir ein Landtag, der auch eigene Regeln aufstellen darf, ja können muss. Deshalb war es in den einzelnen Punkten auch erforderlich, sich über die Ausgestaltung zu unterhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist nun mal heute so, dass es im Moment unverantwortlich ist – an- ders kann man es nicht bezeichnen –, im Jahr 2010 ein so hohes Neuverschuldungsniveau von beinahe 2 Milliarden Euro in diesem Lande vor uns hertragen, was auf Dauer nicht dazu führen darf, dass wir gelähmt sind.

Ich habe es gesagt, wir haben in dieser Diskussion immer auch die Eigenverantwortlichkeit des eigenen Landes in den Vordergrund gestellt.

Ich möchte an dieser Stelle aber nicht verhehlen, Herr Kollege, weil Sie das vorher mit der sogenannten dritten Ausnahme angesprochen haben, für uns war von Anfang an eines ganz wichtig: Wir wollten eine klare, eine eindeutige Schuldenbremse, die wenig Ausnahmen, am besten keine zulässt, die eine klare Definition, was denn überhaupt Schulden sind, mit sich bringt, und die auch ganz eindeutig klarstellt, dass wir kontinuierlich die Schulden zurückführen und diejenigen Schulden, die in den Ausnahmetatbeständen aufgenommen werden müssen, auch tilgen.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage an dieser Stelle auch ganz eindeutig und bewusst so, ich hätte mir gewünscht, dass wir uns darauf verständigt hätten, dass wir nur die beiden Ausnahmen, die auch im Grundgesetz vorgesehen sind, in diese Verfassung mit aufgenommen hätten, weil ich der Meinung bin, dass all das, was dazugekommen ist, durchaus auch die Gefahr birgt, dass es löchrig wirken kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nichtsdestotrotz haben wir dann im Endeffekt diesem jetzt vorliegenden Entschließungsantrag und auch der Verfassungsänderung aus folgenden Gründen zugestimmt:

Es ist uns erstens gelungen – das begann im Januar mit einem Brief von mir an die Kollegen und auch an den Landtagspräsidenten –, dass die Definition der Schulden in der Verfassung verankert wird. Es geht uns darum klarzustellen, Schulden sind nicht nur Schulden des Kernhaushaltes, sondern Schulden sind immer auch Schulden der Eigenbetriebe.

(Hartloff, SPD: Wer so alles was veranlasst hat!)

Für uns ist ganz wichtig – ich sage dazu, das Beispiel Nürburgring GmbH zeigt es –, es muss auch klar sein, dass dann, wenn das Land in landeseigenen GmbHs Schulden aufnimmt, diese auch als Schulden zählen und nicht ausgelagert werden, sodass wir hinterher sagen können, wir haben weniger Schulden gemacht, als es tatsächlich der Fall ist. Es ist uns gelungen, dass das jetzt aufgenommen wird. Das halten wir für einen Erfolg.

(Beifall der CDU)

Herr Kollege Hartloff, des Weiteren haben wir uns darüber unterhalten oder gestritten – irgendwo dazwi

schen –, wie lange es erforderlich ist, diese zurückzuführen, wenn man Schulen machen muss. Zunächst gab es einen Dissens. Sie hatten fünf Jahre im Blick, wir haben gesagt nein, maximal zwei Doppelhaushalte, also vier Jahre. Darauf haben wir uns jetzt verständigt. Es war für uns ein wichtiger Faktor zu sagen, wenn es diese Not- bzw. Ausnahmesituationen gibt, dann sorgen wir dafür, dass wir nach vier Jahren wieder da ankommen, wo wir vorher gewesen sind, dass die Schulden zurückgeführt sind. Das halten wir für einen weiteren wichtigen Aspekt.

(Beifall der CDU – Hartloff, SPD: … Herr Mertin die Zeiten vorgeschlagen hat!)

Herr Kollege Mertin war sehr darauf aus, unsere beiden unterschiedlichen Positionen zu begleiten. Dazu wird er nachher sicher noch etwas sagen.

(Zuruf des Abg. Mertin, FDP)

Das ist so. Er kommt nach mir. Er kann das dann noch sagen.

Sie gestatten auch die Bemerkung, er sprach von einer Tilgungszeit, einer Befristung. Die vier Jahre kamen von uns. Darauf erhebe ich Anspruch. Das passt dann wieder zusammen, wie das im Einzelnen gewesen ist.

(Hartloff, SPD: Wir haben ein bisschen hin und her gestritten über ein paar Punkte, und wir haben uns geeinigt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Fazit möchte ich eines festhalten. Wir hätten uns gewünscht, einen größeren Wurf zu erreichen, indem wir die dritte Ausnahme nicht machen. Enger wäre für uns besser gewesen. Aber aus den gerade angesprochenen Gründen meinen wir, dass wir viel mehr erreicht haben, als die grundgesetzliche Regel vorsieht.

Wir werden jetzt eines von der Regierung einfordern. Das ist unabhängig davon der Fall, dass ich davon ausgehe, dass wir das alles sehr zügig umsetzen werden. Wir erwarten von der Landesregierung, dass diese Regeln, die wir hier aufstellen, bereits im jetzigen Haushalt 2011 beachtet werden, sodass wir eine Kontinuität bis zum Jahr 2020 vorweisen können und jetzt schon klargestellt ist, dass der Sparwille ehrlich bei der Landesregierung ankommt.

Bisher haben wir uns als Fraktionen und Landtag unterhalten, wir beschließen das als Landtag, aber meine Aufforderung geht an Sie, Herr Ministerpräsident. Das, was jetzt in der Verfassung geändert werden soll, hat bereits für 2011 zu gelten. Damit würden Sie dokumentieren, dass Sie einen Sparwillen an den Tag legen. Das wäre ehrlich, nachhaltig und würde uns im Gesamtkontext bis 2020 helfen.

Wir werden dieser Drucksache selbstverständlich zustimmen. An dieser Stelle möchte ich mich sehr herzlich beim Wissenschaftlichen Dienst bedanken, der eine hervorragende Vorbereitung geleistet hat. Er hat uns an vielen Stellen unterstützt. Das mache ich unabhängig

davon, dass ich den Dank an den Präsidenten schon ausgesprochen habe.