Meine sehr geehrten Damen und Herren, was bedeutet die Schuldenbremse bis 2020, das heißt, der Abbau der Neuverschuldung bis 2020? Konsolidierung bedeutet zunächst Ausgaben senken und/oder Einnahmen erhöhen. Ich bin fest davon überzeugt, das „oder“ können wir uns schenken. Es muss beides sein. Ausgaben senken wird die vornehmste Aufgabe der Landespolitik sein, weil
wir auf der Ausgabenseite Herr des Verfahrens sind. Es wird Möglichkeiten der Ausgabenreduzierung geben, die in Anspruch genommen werden müssen, die leichter sind. Zusätzlich sind Effizienzpotenziale auszuschöpfen. Es wird Minderbedarfe geben, die man nutzen muss, die demografiebedingt und fortschrittsbedingt sein mögen. Es wird natürlich auch Minderausgaben dadurch geben, dass die Zinsausgaben niedriger ausfallen werden, als sie ausgefallen wären, wenn man den Konsolidierungsprozess nicht vollzogen hätte. Das ist logisch, weil das Sinn und Zweck der Übung ist. Das ist nämlich das, was man damit erreichen will.
Es wird aber ein ganz großer Brocken an Konsolidierungsbedarf auf der Ausgabenseite übrig bleiben, der uns gemeinsam – das prophezeie ich Ihnen – sehr schwerfallen wird, weil wir an Dinge herangehen müssen, von denen wir alle nicht sagen werden, dass es sie nicht braucht oder es sich um Leistungen handelt, die wir dem Bürger nicht zur Verfügung stellen wollen, sondern weil das Dinge sind, bei denen es wehtun wird.
Gerade deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass die Konsolidierungsaufgabe keine reine Ausgabenkürzungsaufgabe sein wird. Das hat etwas mit der Struktur der öffentlichen Haushalte zu tun. Die öffentlichen Haushalte sind auf der Ausgabenseite tendenziell so konstruiert, dass Kürzungen eher zulasten derjenigen gehen, die Bezieher niedriger Einkommen oder die Empfänger von Sozialleistungen sind. Auf der Einnahmeseite ist das System eher so konstruiert, dass tendenziell diejenigen mehr geben müssen, in Form von Steuern mehr abgeben müssen, die Bezieher höherer Einkommen sind.
Wenn wir auf die Einbeziehung der Einnahmeseite im Konsolidierungsprozess komplett verzichten würden, prophezeie ich Ihnen für die gesellschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik eine sehr düstere Zukunft. Beim Bund würde das dazu führen, dass es unglaublich harte Einschnitte bei den Sozialleistungen geben würde. Angesichts der Struktur der Länder würde das dazu führen, dass wir sehr harte und unvertretbare Einschnitte bei der Bereitstellung eines vom Einkommen unabhängigen und qualitativ hochwertigen Bildungsangebots hätten. Bei den Kommunen, die sich schon jetzt in einer unglaublich schwierigen Situation befinden, wäre das das Ende der elementaren kommunalen Daseinsvorsorge.
Das wird nicht nur von mir so gesehen, sondern das wird auch beispielsweise von Bundesminister Schäuble so gesehen oder auch von dem vorhin zitierten Kollegen Thomas Schäfer, der in seiner Stellungnahme gesagt hat, dass man auch die Einnahmepotenziale ausschöpfen muss.
Deshalb habe ich auch grundsätzliches Verständnis dafür, dass der Bundesfinanzminister hingeht und ein Drittel dessen, was er in seinem Konsolidierungskonzept stehen hat, über die Einnahmeseite darstellt. Ich kann aber nicht nachvollziehen – das kritisiere ich massiv –, dass er nur solche Einnahmen bemüht, die in ihrem Aufkommen ausschließlich dem Bund zustehen.
Ich nenne die Erhöhung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, die Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, die Erhebung einer Luftverkehrsabgabe, einer Brennelementeabgabe, einer Bankenabgabe und einer Finanztransaktionssteuer sowie die Beseitigung von Ausnahmen bei der Ökosteuer. Das sind alles Maßnahmen, die auf der Einnahmeseite eine Verbesserung für den Bund darstellen, während das für die Länder und die Kommunen zusätzliche Mindereinnahmen bedeutet, weil durch diese Abgaben zum Teil die Bemessungsgrundlage für die ertragsabhängigen Steuern vermindert wird, an der die Länder und Kommunen beteiligt sind.
Ich bin der Meinung, dass die Verschuldungsregelung im Grundgesetz, die vom Bundestag und Bundesrat gemeinsam beschlossen worden ist, den Bundesgesetzgeber verpflichtet, der nun einmal bei der Steuergesetzgebung über das Monopol verfügt, da die Länder ohne den Bund keine Steuern verändern können, bei der Konsolidierung und der Inanspruchnahme der Einnahmeseite für die Konsolidierung dies in einer föderalen Kooperation mit den Ländern vorzunehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt einen zweiten Punkt. Das ist die Frage, wie es mit der Akzeptanz für die vor uns stehende Konsolidierung aussieht. Ich garantiere und prophezeie Ihnen, das wird schwer werden, weil die Vorteile der Konsolidierung für die Unternehmen und für die Bürger, denen wir Leistungen, die sie bisher erhielten, vielleicht vorenthalten müssen, abstrakt bleiben. Wenn Sie heute die Menschen fragen, ob sie dafür sind, dass der Staat Schulden abbaut, werden sie alle Ja sagen. Wenn Sie das tun und die Menschen spüren, was das bedeutet, werden alle sagen, besser nicht an dieser Stelle.
Die Dinge, die wir tun, sind konkret. Diejenigen, die Zinsausgaben sparen und irgendwann einmal zu einem geringeren Schuldenberg führen, sind vergleichsweise abstrakt.
Früher, zu Zeiten der alten Schuldenbremse – das war durchaus ein Problem –, ist man mit einer solchen Konfliktsituation so umgegangen, dass man tendenziell von den Gestaltungsspielräumen Gebrauch gemacht hat und sich der Verschuldung bedient hat.
Meine Damen und Herren, ich bin mir aber ganz sicher, dass wir dann, wenn wir alle gemeinsam in diesem Parlament ein Interesse daran haben – dieses Interesse ist noch einmal durch den vorliegenden Gesetzentwurf dokumentiert worden –, dass es eine Neuverschuldung von null im Jahre 2020 geben soll, in der politischen Auseinandersetzung im Land in solchen Haushalts- und Finanzfragen eine andere Konsenskultur benötigen als die, die wir in der Vergangenheit hatten. Wenn wir der Versuchung nicht widerstehen können, all das, was der andere vorschlägt, zu verteufeln, werden wir natürlich bei den Menschen nach wie vor den Eindruck hinterlassen, dass ihnen nur etwas genommen wird und es irgendwie auch anders ginge.
Angesichts des hohen Konsolidierungsbedarfs sage ich Ihnen, wir können noch darüber streiten, wo wir am günstigsten den ersten Euro, die erste Million und viel
leicht auch die ersten zehn oder 100 Millionen Euro konsolidieren. Bei den letzten zehn Millionen, der letzten Million und beim letzten Euro wird die Auswahl so gering sein, dass wir das am Ende ohnehin einvernehmlich machen müssen, weil wir sonst keine Chance haben, das umzusetzen. Ich wünsche mir deshalb, dass sich der überparteiliche Konsens, der durch den heutigen Gesetzentwurf zum Ausdruck kommt und der formaljuristisch notwendig war, weil eine Zweitdrittelmehrheit in diesem Landtag notwendig ist, auch dann fortsetzt, wenn es nicht um formaljuristische Grundvoraussetzungen geht, sondern wenn er notwendig ist, um etwas gesellschaftspolitisch Verträgliches umzusetzen, das für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen im Lande schwierig wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Überweisungsvorschlag lautet: Rechtsausschuss – federführend – und Haushalts- und Finanzausschuss. Gibt es Gegenstimmen? – Dann ist das so beschlossen. Danke schön.
a) Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes des Untersuchungsausschusses 15/2 „Nürburgring GmbH“ Antrag der Fraktionen der CDU und FDP – Drucksache 15/4908 –
b) Untersuchungsausschuss 15/2 „Nürburgring GmbH“ Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/4945 –
Wir haben eine Grundredezeit von zehn Minuten je Fraktion vereinbart. Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Baldauf das Wort.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Untersuchungsausschuss 15/2 „Nürburgring GmbH“, der Landesrechnungshof, die Staatsanwaltschaft, aber auch Medienvertreter haben in den vergangenen Monaten mehr Licht in die Angelegenheit gebracht, als wir uns das vor einem Jahr haben vorstellen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben zwischenzeitlich so viele Einzelheiten zu diesem Fiasko am Nürburgring erfahren, dass man teilweise nur noch kopfschüttelnd dastehen und sich fragen kann, wie eine Landesregierung so naiv sein konnte, solch einem Konstrukt aufzusitzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Fiasko ist mehr als eine bloße Abfolge von Missmanagement, falscher Geschäfts- und Finanzierungsmodelle und
windiger Berater. Es ist – das muss an dieser Stelle noch einmal wiederholt werden – eine Chronologie des Versagens.
Es ist – das hat sich gestern sowie auch vorgestern in der Debatte herausgestellt – die Chronologie des Versagens eines Systems Beck.
Wie begründet sich das? Lassen Sie mich zunächst einige Punkte ansprechen, die sich in diesem Jahr ergeben haben. Es sind Millionen in die Schweiz überwiesen worden. Es war von Luxemburg, Dubai, USA, Liechtenstein, DuPont und Lebensversicherungen die Rede. Finanzberater mit dubiosem Hintergrund traten auf die Bühne. Ungedeckte Schecks tauchten auf. Investoren mit nie belegten Sicherheiten wurden gefragt, wie Barandun. Luxusherbergen in der Schweiz hielten dafür her, sich zu treffen. Bisher sind Spesen und Beratungskosten von sage und schreibe 25 Millionen Euro aufgelaufen.
Eine Privatfinanzierung steht in den Sternen. Nichts davon ist übrig geblieben. Es wurden ungesicherte Kredite vergeben. Kai Richter hat unabhängig davon, dass Millionen aus Zinsgewinnen erwirtschaftet wurden, nochmals zusätzlich jedes Jahr 600.000 Euro bekommen. Boris Becker hat 500.000 Euro erhalten. Ich frage mich, in welcher Form er sie erhalten hat und ob das zum Nutzen für das Land war. Elf stille Einlagen der RIM wurden zur Rettung eines Systems, das kein System gewesen ist, nämlich kein Privatsystem, durchgeführt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, all das kann, wenn Sie sich das auf der Zunge zergehen lassen, nur einen Schluss zulassen: Auch hier haben wir es mit einem System zu tun. Dieses System nennt sich System Beck.
Herr Pörksen und Herr Noss, man hört es nicht gern, aber von Aufklärungswillen ist bei der SPD-Fraktion nichts zu spüren.
Ich zitiere aus einer Pressemitteilung vom 18. März 2010 mit Erlaubnis des Präsidenten: „Zum heute eingebrachten Beweisantrag von CDU und FDP, in dem keine neuen Fragen aufgeworfen, sondern nur ,alte Kamellen’ aufgewärmt werden, äußert sich der Obmann der SPDFraktion Clemens Hoch.“ „Dass CDU und FDP in ihrer Pressemeldung zu diesem Beweisantrag dann auch noch behaupten, man käme damit zu den wesentlichen Fragestellungen und treibe die Aufklärung voran, grenzt schon an Selbsttäuschung.
Wenn dieser Antrag von der SPD gekommen wäre, würde man uns sicher zu Recht Verzettelungs-, Verschleierungs- und Verschleppungstaktik vorwerfen.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, so geht die regierungstragende Fraktion mit diesem Thema um, um ein System Beck nicht auf die Waagschale zu bringen. Das ist unerhört und hat mit Aufklärung nichts zu tun.
Dann geht es gleich weiter. Wir haben erfahren, dass Beamte dieses Landes Bedenken hatten – das LKA hat mehrfach recherchiert –, man hätte über Google feststellen können, mit wem man es überhaupt zu tun hat. Das möge man sich einmal vorstellen. Es gab 80 Briefkastenfirmen. Dann gab es einen falschen Prinzen, einen „Fat Frank“ und viele andere, die in einem großen Konstrukt gemeinsam versucht haben, diese Landesregierung hinters Licht zu führen.
Laut einer Aussage eines LKA-Beamten sei es greifbar gewesen, dass eine mögliche Gefahr für Gelder des Landes bestanden hat. Wir erfahren im Frühjahr 2009, dass Staatssekretär Lewentz der Sache nachgeht und verfügt hat, man möge der Sache nicht weiter nachgehen.
Dann geht es weiter. Bei lebensnaher Betrachtung für eine Verlagerung der Haftungs- und Handlungsverantwortung ist dieses Konstrukt zum Betrug geeignet. Das landet bei Staatssekretär Lewentz. Staatssekretär Lewentz unterbindet die Weiterleitung an Staatsminister Bruch. Alles stoppt an irgendeiner Stelle, obwohl – ich wiederhole es noch einmal – sehr große Bedenken aus dem Beamtenapparat von LKA und Polizeipräsidium Rheinpfalz geäußert wurden.
Dann geht es weiter. Am Morgen des 23. Juni 2009, einen Tag vor der Landtagssitzung, geht eine Geldwäscheverdachtsanzeige aus Hessen beim LKA Rheinland-Pfalz ein. Darin steht etwas von landespolitischer Brisanz. Vonseiten der Landesregierung erfolgt wieder keine Information. Minister Hering weiß von der Anzeige, verteidigt aber am 24. Juni im Plenum alles noch einmal und sagt, alles sei sauber.
Herr Ministerpräsident, im Übrigen sagten auch Sie am 24. Juni trotz des Wissens Ihrer Landesregierung, dass es diese Anzeigen gibt, es sei alles sauber und alles in Ordnung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann geht es „lustig“ weiter, weil einem wirklich der Spaß flöten geht. Dann hat Herr Deubel uns groß erklärt, dass alles sauber ist. Zwischenzeitlich ermittelt die Staatsanwaltschaft nicht nur gegen Herrn Deubel, sondern gegen viele andere, die in diesem Konstrukt ebenfalls zutage getreten sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es soll vorkommen, dass es Zeugenaussagen gibt, die einem nicht passen. Damit ist aber noch nicht klar, dass sie nicht wahr sind. Dann erlaubt sich Ministerpräsident Beck in
diesem Verfahren etwas, was ich geradezu als doppelzüngig ansehe und meine, es zeugt von purer Arroganz. Es hat nämlich eine Staatsanwältin aus Hessen eine Aussage gemacht. Diese Staatsanwältin erklärt, warum sie der Meinung ist, dass in Rheinland-Pfalz nichts passiert ist.
Nur drei Tage später erklärt Ministerpräsident Beck anlässlich des 30. Jahrestages zur Verabschiedung des Gesetzes zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern, nachdem er davor behauptet hat, es handele sich um eine junge unerfahrene Staatsanwältin aus Frankfurt, die die Chance hatte, auch mal etwas zu sagen – ich zitiere –: „Es gibt immer noch viel zu wenig Frauen in Führungspositionen, was ein Zeichen dafür ist, dass es Frauen, die beruflich aufsteigen wollen, nach wie vor schwer haben.“