Protocol of the Session on February 5, 2010

Meine Damen und Herren, ich resümiere: Das ist ein trauriges Kapitel rheinland-pfälzischer Sozialpolitik.

Danke sehr.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP – Staatsministerin Frau Dreyer: Das ist unglaublich!)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Ebli für die SPDFraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Menschen haben in jedem Stadium ihres Lebens ein Anrecht auf respektvolle und würdevolle Pflege. Mit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz, das am 1. Juli 2008 in Kraft trat, sollte sich die Pflegeversicherung stärker auf die Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen ausrichten.

Eine Regelung aus diesem Pflegereformgesetz wies der Qualität in der Pflege eine ganz besondere Bedeutung zu. Man kann nicht sagen, dass die Pflege in der ambulanten oder stationären Behandlung bis dahin unkontrolliert oder schlecht war. Es wurden auch schon früher unangemeldete Überprüfungen der Einrichtungen durch

den Medizinischen Dienst der Krankenkassen vorgenommen. Man wusste durchaus, wo gute und schlechte Pflege stattfand. Allerdings durften die Ergebnisse nicht veröffentlicht werden.

Es dauerte im schlimmsten Fall recht lang, bis eine Einrichtung geschlossen werden konnte. Zunächst waren es Gerüchte, die kursierten, bis letztendlich eine qualifizierte Prüfung die Missstände offenkundig machte.

Gute Einrichtungen waren immer auf das Weitersagen von Mund zu Mund angewiesen. Woran sonst hätten sich Pflegebedürftige oder ihre Angehörige orientieren sollen? Manchmal wurden Pflegebedürftige dort untergebracht, wo ein Platz frei war, also nach dem Prinzip Zufall. Das war wohl nicht das Wahre.

Wenn man sich im Rückblick die frühere Situation vor Augen führt, war letztendlich die Einführung des PflegeTÜVs mit der angekündigten Benotung der einzelnen Leistung ein wahrer Segen, vor allem auch deswegen, weil bis dahin die Prüfer und Prüferinnen des MDK nur gezielt aufgrund vorliegender Beschwerden tätig wurden.

So wurden nun nach dem Pflegereformgesetz alle Pflegeheime und ambulanten Einrichtungen überprüft und bewertet. Es wurden Noten – Herr Dr. Schmitz hat es gesagt – ähnlich wie in der Schule von sehr gut, gut bis mangelhaft vorgenommen. Die Heime wurden in vier Teilbereiche aufgeteilt. Die Gesamtnote in der stationären Pflege wurde aus 64 Einzelkriterien gebildet. Bei den ambulanten Diensten waren es drei Teilbereiche und 49 Einzelkriterien.

Mit den zunehmenden Prüfungen wurde aber auch bald festgestellt, dass das sicher gut gemeinte Transparenzsystem zu viel mehr Verwirrung als zu einer bundesweit vergleichbaren Pflegequalität im ambulanten und stationären Bereich beitrug.

Wir sind sehr froh, dass unsere Ministerin Malu Dreyer, als diese Verwirrung bekannt wurde, sofort die sogenannte Reißleine gezogen und erreicht hat, dass die Veröffentlichungen der Bewertungen der Einrichtungen erst einmal gestoppt wurden. Herr Dr. Schmitz hat es angesprochen.

Es konnte nicht sein, dass beispielsweise Einrichtungen nur deshalb zu guten Gesamtnoten gekommen sind, weil sie sich in weniger wichtigen Bereichen gut darstellen konnten, während sie in wichtigen Kriterien nur ein Mangelhaft erreichten.

(Beifall des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Klar ist, dass die Vereinbarungspartner auf Bundesebene Neuland betreten haben. Es gab bis dahin keine pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse. Deshalb war es richtig, dass man dieses System als lernendes System gewählt hat.

Das Land hat durch Ministerin Malu Dreyer frühzeitig auf die Kritiken und die Hinweise reagiert und auf Bundesebene Nachbesserungen eingefordert.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Natürlich.

Daraufhin wurde bereits im Mai vergangenen Jahres ein Ombudsmann – ich habe mich noch einmal versichert, dass es auch ein Mann ist, also ein sogenannter Kümmerer – beim GKV Spitzenverband installiert – Herr Voß –, der alle Anregungen und Beschwerden einsammelt und sie in die vereinbarte, breit angelegte Evaluation einbringt.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Natürlich hat das Land die erkannten Probleme und Schwachstellen des Systems sofort an den Kümmerer weitergegeben. Aber dabei ließ es die Landesregierung nicht bewenden.

Frau Dreyer ergriff dahin gehend die Initiative, dass recht kurzfristig zumindest auf Landesebene ein Weg gefunden werden konnte, der wieder eine Veröffentlichung von Prüfergebnissen ermöglichte, bis die Selbstverwaltung auf Bundesebene so weit ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Natürlich ist es ein Bundesthema, Herr Dr. Schmitz.

Wir wollen, dass in der neuen Systematik eindeutig und zuverlässig gute Pflege als gute und schlechte Pflege als schlechte erkennbar ist. Ambulante Dienste dürfen in der Bewertung gegenüber stationären nicht benachteiligt werden, vor allem wenn man sich vor Augen führt, dass manche Kriterien für kleinere Pflegedienste überhaupt nicht zutreffen.

Die Landesregierung hat zusätzlich eine Bundesratsinitiative ergriffen, die die Vertragspartner zur weiteren Verbesserung veranlassen soll, wie beispielsweise konkrete Ausfüllanleitungen der Bewertungsbögen, soweit wie möglich eine Entkoppelung des Pflegezustandes und der Pflegedokumentation, Kriterien für kleinere Pflegedienste – das hatte ich schon angesprochen –, und dann soll es eine weitere Ebene geben, die Aufschluss über das Zustandekommen der Einzelnoten gibt. Dann muss darauf geachtet werden, dass der Schwerpunkt der gewichteten Prüfkriterien auf der Ergebnisqualität liegt.

Letztendlich wollen wir, dass pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen anzuhören sind und nach Möglichkeit beratend mitwirken können. Auch das ist ein Beitrag zur zuverlässigen Transparenz.

Abschließend lassen Sie mich feststellen, dass die Fraktionen der FDP und CDU anscheinend ein großes Vertrauen in diese Landesregierung haben. Wie sonst soll man ihren Antrag verstehen, den sie an die Landesregierung stellen, mit dem wir grundsätzlich konform ge

hen, wo sie doch eigentlich einen sehr engen Draht zur Bundesregierung haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Wir freuen uns auf die weitere Beratung im Ausschuss, Herr Dr. Schmitz.

(Beifall der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Enders für die CDUFraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Sozialgesetzbuch fordert klar eine verständliche, eine übersichtliche und auch eine vergleichbare Darlegung der Qualität von Pflegeeinrichtungen. Auch die Veröffentlichungspflicht ist gesetzlich klar geregelt.

Die große Frage ist nur, wie die Aussagekraft der Veröffentlichung und die Transparenz der Ergebnisse ist. Da gehen die Meinungen noch ein bisschen auseinander.

Ich behaupte, und ich kann das auch belegen, dass die Anforderungen des Gesetzgebers durch die Transparenzvereinbarung so, wie es jetzt geprüft und auch veröffentlicht worden ist, nicht erfüllt sind. Sie werden in keiner Weise erfüllt werden.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt plante offensichtlich im letzten Jahr den Pflege-TÜV als großen Wurf. Der wurde es nicht.

Frau Dreyer, in der letzten Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses haben Sie festgestellt – das war sehr offen; ich danke Ihnen dafür –, dass jetzt Einrichtungen, die schlechter als 3,5 bewertet werden, vorerst nicht veröffentlicht werden, sondern dass man ein Verfahren der Anhörung entwickelt hat, in dem Gespräche zwischen denjenigen, die geprüft haben, und denjenigen, die geprüft worden sind, stattfinden, also eine gewisse Moderation.

Das Problem sehe ich darin, dass, wenn der interessierte Leser ins Internet geht und sich die Berichte anschaut, er dann bestimmte Pflegeeinrichtungen nicht vorfindet. Wenn er ein bisschen nachdenkt, muss bei ihm sofort der Eindruck entstehen, dass es offensichtlich diejenigen sind, die schlechter als 3,5 waren, weil sie fehlen. Ich will nicht vom Datenschutz sprechen, aber ich halte das für sehr problematisch.

(Beifall des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Darauf wurde ich hingewiesen. Ich wurde deswegen angerufen.

Die Systemmängel sind nicht abgestellt.

Die Berichte müssen andererseits zügig veröffentlicht werden. Da sind wir uns einig. Aber es können nur Berichte veröffentlicht werden, die das Papier wert sind, auf dem sie stehen. Ich werde das gleich anhand von ein paar Beispielen erläutern. Dann wird auch klar, warum wir in aller Sachlichkeit auf Nachbesserung drängen.

Nehmen wir den Bereich der stationären Pflege, Pflege und medizinische Versorgung bei stationären Einrichtungen. Da gibt es 35 Kriterien. Das Kriterium Nummer 9 beschreibt die Dokumentation von Pflegeleistungen bei Dekubitus, beim sogenannten Wundliegen. Da kann man zehn Punke bekommen.

Das Kriterium 10 beschreibt, ob die Behandlung des Dekubitus nach dem aktuellen medizinischen Wissensstand durchgeführt worden ist. Da kann man auch zehn Punkte bekommen oder alternativ null. Das hat aber zur Konsequenz, dass jemand, der hervorragend nach dem medizinischen Wissensstand pflegt, aber keine Zeit hat, vernünftig zu dokumentieren, vom Ergebnis her gut behandelt, zehn Punkte bekommt. Derjenige, der nicht nach den Regeln der Kunst pflegt, aber alles aufschreibt, bekommt auch die zehn Punkte. Das kann doch nicht sein. Dieses Beispiel macht die Absurdität wirklich deutlich.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich werde ein weiteres Beispiel nennen. Nehmen wir einmal an, ein endsiebzigjähriger Patient, der Pflegestufe 1 hat, kann alternativ in einem Pflegeheim sein, aber auch ambulant betreut werden. Nehmen wir einmal an, jemand, der nur Unterstützung bei der Morgentoilette braucht, zu Hause seine Medikamente selbst zusammenstellt, in der Pflegeeinrichtung aber, weil es so üblich ist, die Medikamente hingestellt werden, wird nach den derzeitigen unterschiedlichen Transparenzkriterien ambulant mit „mangelhaft“ bewertet, und stationär gibt es eine Eins.

Das hängt damit zusammen, dass es für den stationären Bereich 35 Transparenzkriterien gibt und für den ambulanten nur 17. Es sind manche Dinge gar nicht abprüfbar. Also kann es auch keine Punkte geben. Da muss auch dem unbedarften Leser klar werden, dass etwas nicht stimmt.

Deswegen will ich folgendes Fazit ziehen: Es darf keine Mittelwertbildung geben. Es dürfen ganz schlechte Leistungen nicht wie in der Schule mit guten verrechnet werden. Wir brauchen vier Graduierungen, anstatt null oder zehn bei der Punktevergabe, und wir brauchen ganz klar – wie es Herr Dr. Schmitz eben äußerte – K.o.Kritierien. Es darf keine Punkte für Selbstverständlichkeiten geben, und die Prüfsystematik ambulant/stationär muss abgeglichen werden, unabhängig von einer dringend notwendigen Evaluation.

Ich komme zum Schluss. Wir unterstützen die Landesregierung selbstverständlich darin, dass sie jetzt in Berlin initiativ wird.