Protocol of the Session on February 4, 2010

Frau Ministerin, die seinerzeitige verantwortliche SPDGesundheitsministerin Ulla Schmidt hat dieses Gesetz verantwortet. Wie hat sich die Landesregierung damals im Bundesrat dazu verhalten? Gibt es beispielsweise eine Protokollnotiz, mit der sie sich zu diesen Zusatzbeiträgen negativ geäußert haben, oder Ähnliches?

Selbstverständlich ist dieser Kompromiss gemeinsam getragen worden. Davon distanziere ich mich auch nicht. Ich nenne aber diesen Punkt „Kopfprämie“ hier ganz ausdrücklich,

(Pörksen, SPD: Sehr richtig!)

um auch der Legende, die im Moment öffentlich geschnürt wird, entgegenzuwirken.

(Beifall der SPD)

Ich erinnere mich an stundenlange nächtliche Debatten über die Frage, ob die Zusatzprämie in das System aufgenommen werden soll oder nicht. Es war damals ausgesprochene CDU-Position, dass die gesetzliche Krankenversicherung ohne diese „Kopfprämie“ nicht weiterentwickelt werden kann. Ich sage noch einmal ausdrücklich, sie ist damals – auch wenn Sie die Medien nachverfolgen – kleine Kopfpauschale genannt worden, und Frau Merkel persönlich hat überall propagiert, sie steht hinter dem Fonds, sie will auch den Fonds, weil sie nach einem Regierungswechsel auch die Möglichkeit hätte, in das System der Kopfpauschale einzusteigen. Deshalb gibt der Fonds einerseits die Chance, in die Bürgerversicherung, andererseits in die Kopfpauschale einzusteigen. Ich will nicht missverstanden werden, die Gesundheitsreform war, wie so oft, ein Kompromiss, den wir auch mitgetragen haben, aber die Kopfprämie geht auf das Konto der CDU, auch wenn wir das als SPD am Ende mitgetragen haben.

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Ebli.

Frau Ministerin, glauben Sie, dass das System der Kopfpauschale das Problem lösen würde?

(Bracht, CDU: Gesundheitsprämie heißt das Ding! – Pörksen, SPD: Die Leute wissen genau was Sie meinen, wenn Sie „Kopfprämie“ sagen!)

Nein, natürlich löst ein neues System der Kopfpauschale nicht das grundsätzliche Problem. Das ist selbstverständlich.

(Licht, CDU: Gesundheitsprämie!)

Bei uns heißt es halt Kopfpauschale. Die Kopfpauschale – – –

(Pörksen, SPD: Das tut weh, Ihr Kopfjäger!)

Davon abgesehen bringt die Kopfpauschale einfach das Problem mit sich, dass sie am Ende nicht finanzierbar ist, und schon gar nicht in Verbindung mit Steuersenkungen, weil zum Zeitpunkt der Umstellung – das ist öffentlich inzwischen auch sehr häufig kommuniziert worden – über 30 Milliarden Euro an Steuermitteln für den Sozialausgleich bereitgestellt werden müssen. Unabhängig davon sieht man daran schon eindeutig, dass es nicht möglich sein wird, eine Kopfpauschale zu konstruieren,

(Bracht, CDU: Gesundheitsprämie! – Pörksen, SPD: Das nützt nichts! Das können Sie tausendmal sagen! Das ist vorbei!)

die die Einnahmensituation der gesetzlichen Krankenversicherung verbessert. Ich möchte dazu vielleicht doch noch etwas erklärend sagen.

(Pörksen, SPD: Kopfpauschale! Alles andere ist Schwindel, sprachlicher Schwindel!)

Wir haben zurzeit in der gesetzlichen Krankenversicherung wie eigentlich fast immer diesen Spagat zwischen der Einnahmensituation und der Ausgabensituation zu bewältigen. Die Ausgaben steigen, wie das eben auch so ist im Gesundheitswesen, und die Einnahmen gehen tendenziell im Moment zurück. Wir haben uns aber damals in der Großen Koalition eben auch auf einen anderen Kompromiss eingelassen. Der Gesundheitsfonds ist nur im Jahr 2009 zu 100 % ausgestattet worden. Auch das war ein Riesenkampf in der Diskussion. Die SPD hatte dann vorgeschlagen, wenigstens zu 98 % den Gesundheitsfonds regelmäßig auszustatten. Der Kompromiss war dann auf Druck der CDU 95 %. Das bedeutet, dass es damals nicht nur CDU-Wille war zu sagen, wir führen diese Zusatzprämie ein, sondern auch, dass

die Differenz zwischen 95%iger Ausstattung und 100%iger Ausstattung über die Zusatzprämie bezahlt wird, die jetzt erhoben wird.

Das bedeutet, man kann den Kassen nicht wirklich einen Vorwurf machen. Man muss als Aufsicht genau prüfen, wie sich ihre Einnahmen- und Ausgabensituation darstellt. Das ist selbstverständlich. Sie haben im Moment aber keine andere Möglichkeit, als die Einnahmen über diese Prämie abzudecken, weil es keine zusätzliche Ausstattung des Fonds gibt. Auch das war damals gegen unsere Auffassung gewollt. Auch das sage ich sehr klar. Man kann mit der Einführung der Kopfpauschale nichts verändern, weil man letztendlich vom Gesamtvolumen her die Einnahmensituation der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verbessert. Aus meiner Sicht wird man es auch nicht schaffen, wirklich einen adäquaten Sozialausgleich zu schaffen.

(Beifall der SPD)

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Ebli.

Frau Ministerin, gestern gingen auch die Überlegungen verschiedener Rundfunkanstalten durch den Äther, dass manche Kassen sich nicht nur mit dem 8-Euro-Beitrag befrieden wollen, sondern auch über eine prozentuale Erhöhung nachdenken. Haben Sie eine Vorstellung davon, wie hoch der bürokratische finanzielle Aufwand gegenüber den zu erwartenden Einnahmen ist?

Ja, da laufen so Schätzungen durch die Medien. Vor allem, wenn man über die Pauschale hinausgeht, müssen sogenannte Einzelkonten eingerichtet werden. Nach dem Gesetz darf man bis zu 1 % des Einkommens sozusagen als Zusatzprämie erheben. Das bedeutet Einzelkonten. Das bedeutet Einkommens- bzw. Vermögensüberprüfungen. Herr Rebscher, der häufig in der Zeitung zu sehen und zu hören ist, hat es so diskutiert, dass von den 8 Euro ungefähr 2 bis 3 Euro an Verwaltungsaufwand erforderlich sind, sodass nur noch dieses Restgeld letztendlich bei der Kasse bleibt. Ich kann das aber in Gänze nicht ganz nachvollziehen. Aber selbstverständlich ist es ein erheblicher bürokratischer Aufwand, diese Einzelkonten zu schaffen, um die Prämie zu erheben.

Eine weitere Zusatzfragen der Kollegin Grosse.

Frau Ministerin, Sie haben eben ausgeführt, dass die Krankenkassen, die über keine Rücklagen verfügen, die

Beiträge erhöhen müssten. Welche könnten das in nächster Zukunft neben den acht eben genannten sein, und wie würden die Auswirkungen auf die privaten Haushalte nach Ihrer Einschätzung aussehen?

Ich kann mich da jetzt auch nur auf Medienberichte beziehen. Es gab einen größeren Artikel – wenn Sie erlauben, Herr Präsident – im Magazin „FOCUS“ in der Ausgabe vom 25. Januar. Dort hat eine Umfrage unter 161 gesetzlichen Krankenkassen ergeben – also eine Vielzahl von Kassen –, 27 Kassen schließen zumindest nicht aus, im Laufe des Jahres eine Zusatzprämie zu erheben. Ich kann die gern nennen, aber das sind jetzt 27 Kassen. Ich weiß nicht, ob das hier erwünscht ist.

Okay. Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Pepper.

Frau Ministerin, die DAK hat zum Ende des Jahres die Hamburg-Münchner Krankenkasse geschluckt und war dann eine der ersten Krankenkassen, die diese Zusatzprämie erheben wird. Kann es sein, dass der Konzentrationswettbewerb der Krankenkassen auf Kosten der Versicherten ausgetragen wird?

Normalerweise dient die Konzentration von Krankenkassen grundsätzlich eher dem Versicherten selbst, weil sehr kleine Krankenkassen eigentlich eher das Problem haben, dass es schwierig ist, auch tatsächlich Schritt zu halten.

(Beifall des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Herr Dr. Schmitz, das habe ich schon immer vertreten. Wir haben jetzt noch 161 Krankenkassen. Man muss jetzt auch nicht die Sorge haben, dass wir zu wenig Krankenkassen hätten. Ich kann mich nicht zur DAK äußern. Sie untersteht der Bundesaufsicht und nicht der Landesaufsicht. Aber nichtsdestotrotz bin ich davon überzeugt oder befürchte es zumindest, dass man natürlich, wenn man schon im Januar ankündigt, eine Zusatzprämie zu erheben, auch noch einmal schauen müsste, was eigentlich innerhalb der Krankenkasse auch an Potenzialen der Effizienz oder Ähnliches passiert.

Was mich sehr gestört hat – das muss ich auch noch einmal deutlich sagen –, es ist einfach auch der Anschein entstanden, dass es im Januar Absprachen unter Krankenkassen gab, damit nicht eine Krankenkasse sozusagen das ganze Thema eröffnet und dadurch vielleicht auch zu einem Wettbewerbsnachteil kommt. Das ist natürlich nicht im Sinne des Erfinders. Das ist

jetzt einfach nur eine Hypothese, aber der Anschein hat auf jeden Fall bestanden.

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Enders.

Ich muss noch einmal zur IKK Südwest nachfragen. Ist Ihnen bekannt, dass die IKK Südwest aufgrund vertraglicher Bedingungen seit vielen Jahren aufgrund der früher sehr gesunden Versichertenstruktur eine – hier trifft der Begriff, den Sie laufend verwenden, in der Tat zu – viel niedrigere Kopfpauschale für ihre Versicherten bezahlt, als andere Kassen das tun, und deswegen auch günstigere Tarife anbieten kann? Warum wird das nicht geändert?

Ja, das ist mir bekannt. Da geht es jetzt nicht um die Kopfpauschale der Versicherten, sondern um die Kopfpauschale, die für die Ärzte an die Kassenärztliche Vereinigung bezahlt wird.

Das liegt leider nicht in meiner Macht. Das ist damals von der saarländischen KV so abgeschlossen worden. Das hat bedeutet, dass in den Gesamtvergütungstopf der niedergelassenen Ärzteschaft erheblich weniger Geld geflossen ist als durch andere Krankenkassen. Sie legen da wirklich den Finger auf eine Wunde. Bei Kassen, die nur den Blick auf niedrige Beiträge haben, hat man die Folgeerscheinung, dass für eine inzwischen unglaublich hohe Anzahl von Versicherten reduzierte Kopfpauschalen in die Gesamtvergütung niedergelassener Ärzte fließen. Damit steht einfach weniger Geld für Honorare zur Verfügung. Im Nachhinein ist es mir ein absolutes Rätsel, wie die Saarländer damals da mitmachen konnten.

Ich erteile Herrn Kollegen Dr. Schmitz für eine weitere Zusatzfrage das Wort.

Frau Ministerin, treffen Fachpublikationsmeldungen zu, dass der Teil der Steuerzuschüsse, der bis zur Bundestagswahl 2009 geflossen ist, in Bezug auf das ganze Jahr 2009 überproportional war, oder ist das üble Nachrede?

Herr Dr. Schmitz, da muss ich kurz nachsehen. – In der Großen Koalition gab es die Verabredung, dass die

Steuerzuwächse aufbauend über die Jahre hinweg zusätzlich gezahlt werden. Dazu gab es klare Verabredungen. Ich nenne Ihnen kurz die Zahlen.

Im Jahr 2007 waren das 2,5 Milliarden Euro, im Jahr 2008 2,5 Milliarden Euro, im Jahr 2009 7,2 Milliarden Euro – das ist damals durch das Konjunkturpaket II maßgeblich mit initiiert worden, weil man erhebliche Einnahmenausfälle befürchtet hatte –, im Jahr 2010 11,8 Milliarden Euro – da spielen auch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz und die Konjunkturkrise eine Rolle, wobei auch die neue Bundesregierung beschlossen hat, dass mehr Geld in die GKV fließen soll –, für das Jahr 2011 sind 13,2 Milliarden Euro an Steuerzuschuss und für das Jahr 2012 14 Milliarden Euro an Steuerzuschuss vorgesehen.

Damals hat man klar vereinbart, dass man versucht, alle Leistungen, die eigentlich versicherungsfremd sind, über Steuermittel zu kompensieren. Man hat damals einen Plan erstellt, wie viele Steuern aufwachsend pro Jahr bezahlt werden sollen. Die zusätzlichen Steuern sind jetzt über das Thema „Wirtschafts- oder Konjunkturkrise“ für 2009 und 2010 vorgesehen.

(Dr. Schmitz, FDP: Das war nicht meine Frage!)

Was denn?

(Dr. Schmitz, FDP: Ich darf das präzisieren!)

Ausnahmsweise.

Danke sehr. – Es geht mir um die Frage, ob in Verantwortung von Frau Ulla Schmidt (SPD) der für 2009 gezahlte Steuerzuschuss überproportional bis zur Bundestagswahl ausgezahlt wurde und unterproportional nach der Bundestagswahl. Es ist für viele erstaunlich, dass das Thema „Gesundheitsprämie“ erst nach der Bundestagswahl auf die politische Agenda kam.

Ich kann diese Frage nicht beantworten. Ich will das gerne nachvollziehen und die Information nachliefern.