Protocol of the Session on February 4, 2010

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Mündliche Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt. Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung. Die Unterrichtsversorgung an öffentlichen berufsbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz ohne agrarwirtschaftliche Schulen weist zum 1. November 2009 ein Defizit von 6,2 % aus. Dies bedeutet eine Verbesserung um 0,7 % gegenüber dem Vorjahr. Auch aus Sicht der Landesregierung wäre eine noch deutlichere Verbesserung wünschenswert gewesen.

Neben der bundesweit angespannten Situation gerade im Bereich der Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen

muss aber gesehen werden, dass vom Schuljahr 1999/2000 (damals 115.000 Schülerinnen und Schüler) bis zum Schuljahr 2009/2010 (123.660 Schülerinnen und Schüler) die Zahl der Schülerinnen und Schüler an den öffentlichen berufsbildenden Schulen um 8.690 Schülerinnen und Schüler gestiegen ist.

Dabei ist darauf hinzuweisen, dass der Aufwuchs an Schülerinnen und Schülern überwiegend in den Vollzeitbildungsgängen des Wahlschulbereichs an den berufsbildenden Schulen erfolgte. So stieg zum Beispiel die Zahl der Schülerinnen und Schüler vom Schuljahr 2002/2003 bis zum Schuljahr 2009/2010 in den höheren Berufsfachschulen um 2.996 Schülerinnen und Schüler und in den beruflichen Gymnasien um 2.481 Schülerinnen und Schüler. Dies entspricht einem Aufwuchs um 160 Klassen in den höheren Berufsfachschulen und um 99 Klassen in den beruflichen Gymnasien.

Gerade die Beschulung in diesen Bildungsgängen bindet erhebliche personelle Ressourcen. So werden für die Beschulung einer Klasse sowohl der höheren Berufsfachschule als auch des beruflichen Gymnasiums ca. 1,5 Lehrerstellen benötigt. Damit werden allein durch den Ausbau des Wahlschulangebots in diesen Schulformen ca. 388 Lehrerstellen gebunden.

Außerdem wurden den berufsbildenden Schulen in den vergangenen Jahren nicht unerhebliche Ressourcen zur Verfügung gestellt, die nicht direkt in die Unterrichtsversorgung geflossen sind. So wurde zum Beispiel zum Schuljahr 2008/2009 der Faktor für den fachpraktischen Unterricht in gewerblich-technischen Berufsfeldern und im Berufsfeld Agrarwirtschaft gestrichen, was 28 Stellenäquivalenten entspricht. Zur Verbesserung der Schulleitungsanrechnungspauschale wurden inzwischen 24 Stellenäquivalente zur Verfügung gestellt.

Zu Frage 1: Um der schwierigen Personalsituation zu begegnen, hat das Land Rheinland-Pfalz vielfältige Initiativen ergriffen, wie zum Beispiel

das Fachlehrerprogramm und das Seiten- und Quereinsteigerprogramm, aus denen sich zeitweise ca. die Hälfte der Studienseminarteilnehmerinnen und -teilnehmer rekrutierten. Mit den so gewonnenen Lehrkräften wurden in den Schulen überwiegend gute Erfahrungen gemacht.

Die Verbeamtungsgrenze ist für alle Bewerberinnen und Bewerber um eine Beamtenstelle wieder auf das 45. Lebensjahr angehoben worden. Diese höhere Altersgrenze galt jedoch auch bisher schon für Lehrkräfte mit Mangelfächern. Daran mag man den Stellenwert erkennen, welcher der Lehrkräfteversorgung seitens der Landesregierung gerade an den berufsbildenden Schulen zugemessen wird.

Das „Koblenzer Modell“ konnte aufgrund einer Änderung der KMK-Rahmenvereinbarung über die Ausbildung von Lehrkräften des Lehramttyps 5 geschaffen werden. Hier werden seit dem Wintersemester 2008/2009 zukünftige Lehrerinnen und Lehrer für die Fächer Metalltechnik, Elektrotechnik, Holztechnik und Bautechnik in einer Kooperation zwischen der Fach

hochschule Koblenz und der Universität Koblenz-Landau ausgebildet.

Diese Maßnahme hat der zukünftigen Lehrerversorgung einen starken Impuls verliehen. Insgesamt haben mittlerweile 53 Studierende in Koblenz an technischwissenschaftlichen Fachrichtungen ihr Studium aufgenommen. Im Einzelnen studieren 15 junge Menschen Bautechnik, sechs Elektrotechnik und jeweils 16 Holz- oder Metalltechnik. Das sind allesamt stark nachgefragte Bereiche.

Zu Frage 2: Wenn es schon an anderen Schularten höchst fragwürdig ist, einfach Stellenanteile aller einzelnen Schulen aufzusummieren, ist dies für die berufsbildenden Schulen mit ihrem differenzierten Fächerspektrum schier unmöglich. Es wird eben nicht irgendeine Lehrkraft gesucht, sondern eine Lehrkraft mit bestimmten Fächern in einem bestimmten Umfang.

In meinem jährlichen Schreiben an den Landtag zur „Unterrichtsversorgung an den allgemeinbildenden und an berufsbildenden Schulen“ für das Schuljahr 2009/10 sind als Gesamtsumme der Soll-Ist-Differenz 298,67 Stellen ausgewiesen. Ich verweise auf die Vorlage des Landtags 15/4547.

Zu Frage 3: Um den Mehrbedarf an Lehrkräften an berufsbildenden Schulen durch die Einrichtung der Fachoberschulen an den Realschulen plus abzudecken, erfolgt für Lehrkräfte des gehobenen Dienstes ein Weiterbildungsangebot, mit dem die Unterrichtserlaubnis in berufsübergreifenden Fächern erworben werden kann. Das Angebot zielt auf die für den Unterricht an der Fachoberschule erforderliche berufspädagogische und fachdidaktische Qualifizierung ab.

Mit dem erfolgreichen Abschluss dieser Maßnahme kann die Lehrkraft gemäß Verwaltungsvorschrift zur Fort- und Weiterbildung die Unterrichtserlaubnis bzw. Unterrichtsbefugnis für den Unterricht in beiden Fächern an der Fachoberschule der Realschule plus erwerben.

Dass zum Schuljahresbeginn 2011/12 die Ansparstunde an die Lehrkräfte der berufsbildenden Schulen zurückzugeben ist, ist in der Personalplanung berücksichtigt. Die hierfür erforderlichen Ressourcen stehen im Schulbereich zur Verfügung.

Auf die Gewinnung von Lehrkräften habe ich bereits zu Frage 1 geantwortet.

Im laufenden Schuljahr stehen an den Fachschulen für Sozialwesen mit den Fachrichtungen Sozialpädagogik und Heilerziehungspflege insgesamt 4.380 Schulplätze zur Verfügung, die auch mit entsprechend vielen Lehrkräften versorgt sind.

Belegt sind diese Plätze mit 3.430 Schülerinnen und Schülern, was einer Auslastung von 78,3 % entspricht.

Mit den vorhandenen Kapazitäten bezüglich der Schulplätze und der Lehrerversorgung können demnach die rheinland-pfälzischen Fachschulen für Sozialwesen noch weitere Erzieherinnen und Erzieher ausbilden.

Im Übrigen wissen Sie, dass wir ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gegeben haben, um den Erzieherinnen- und Erzieherbedarf der Zukunft exakter prognostizieren zu können.

An den staatlichen Studienseminaren für das Lehramt an berufsbildenden Schulen werden derzeit 15 Anwärterinnen und Anwärter in den Fächern Sozialpädagogik und Pädagogik ausgebildet. Damit wird gewährleistet, dass auch zukünftig ausreichend Lehrkräfte für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern zur Verfügung stehen.

Zum Ausbau der vollzeitschulischen Bildungsgänge an berufsbildenden Schulen verweise ich auf die Vorbemerkung.

Zu Frage 4: Die Landesregierung ist bestrebt, soweit möglich, die Fachklassenbildung an den örtlichen berufsbildenden Schulen sicherzustellen.

Sinkt die Zahl abgeschlossener Lehrverträge in einzelnen Ausbildungsberufen unter ein Mindestmaß, bei dem trotz der Möglichkeit einer gemeinsamen Grund- und Fachausbildung in den ersten beiden Ausbildungsjahren keine angemessene berufsspezifische Differenzierung in der Berufsschule vor Ort geleistet werden kann, erfolgt die Beschulung in jahrgangsübergreifenden Fachklassen. Wenn auch dies nicht möglich ist, kommt es zur Einrichtung von Bezirksfachklassen, Landesfachklassen oder länderübergreifenden Fachklassen. Dies ist die einzige Möglichkeit, um die erforderliche Qualität in der Ausbildung am Lernort Berufsschule weiterhin zu gewährleisten.

In Rheinland-Pfalz erfolgt die Entscheidung für eine Beschulung in Bezirks-, Landes- oder Berufsfachklassen im Konsens durch kontinuierliche Absprachen zwischen den Kammern, der Schulaufsicht und der Fachabteilung des Bildungsministeriums. Ziel dieser Absprachen ist es, für so viele Berufe wie möglich und so lange wie möglich eine Beschulung vor Ort aufrechtzuerhalten.

So weit die Antwort der Landesregierung.

(Beifall der SPD)

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Morsblech.

Danke schön, Herr Präsident.

Frau Ministerin, Sie sprachen einen in den vergangenen Jahren stattgefundenen Aufwuchs an Schülerzahlen vor allem in der höheren Berufsfachschule und dem beruflichen Gymnasium an. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, wenn diese Angebote sehr gut angenommen und die Schülerzahlen künftig eher zurückgehen werden, aus welchen Gründen Sie glauben, dass man noch zusätzlich eine Fachoberschule und zusätzliche Angebote gymnasialer Oberstufen an Integrierten Gesamtschulen

braucht. Wie prognostizieren Sie vor diesem Hintergrund die künftigen Zahlen abgeschlossener Lehrverträge und die Möglichkeiten, die die berufsbildenden Schulen in diesem Bereich haben werden? Glauben Sie, dass es einen Rückgang geben wird? Wie stellen Sie sich künftig die Landschaft vor diesem Hintergrund vor?

Erst einmal ist Schule Gott sei Dank nicht etwas Statisches und nicht etwas mit statischen Übergangsquoten, sondern das hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert. Wenn man sich anschaut, wie sich das in Deutschland mit der Hochschulzugangsquote darstellt, dann ist es leider immer noch so, dass, wenn das so fortgeschrieben wird, wir in der Zukunft bei demografisch veränderter Entwicklung den Bedarf nicht werden decken können, das heißt, wir haben einen Bedarf an Höherqualifizierung, der den gesamten schulischen Bereich betrifft. Deswegen muss es unser Interesse sein, möglichst viele Schülerinnen und Schüler zu guten und zu höheren Abschlüssen zu führen, das heißt auch, unterschiedliche Wege anzubieten.

Der eine Weg ist die gymnasiale Oberstufe und das berufliche Gymnasium an den berufsbildenden Schulen. Ein weiterer ist der, dass wir über Berufstätigkeit den Zugang zu den Hochschulen ermöglichen. Ein neuer wird der sein, dass wir über die Fachoberschule mit einem stark praktisch geprägten Ansatz einen Weg zur Fachhochschulreife eröffnen, der danach die Möglichkeit für die allgemeine Hochschulreife offen hält.

Ich sehe einen steigenden Qualifizierungsbedarf in unserer Gesellschaft. Insofern gilt das, was ich bei der vorhergehenden Mündlichen Anfrage gesagt habe, man wird sich jeweils in der Region anschauen müssen, wo dies liegt, wie groß er ist, und man wird mit der Angebotspalette, die man hat, die regional bestabgestimmte Lösung realisieren.

Ich sehe sehr wohl noch Ausbaubedarfe, auch bei demografischer Entwicklung, wie sie sich jetzt abzeichnet.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordnete Dickes.

Frau Ministerin, wie viele Zwangsansparstunden werden in den künftigen Schuljahren in welchem Schuljahr jeweils zurückgegeben, und wie viele Vollzeitlehrerstellen würde dies ausmachen?

(Pörksen, SPD: Haben Sie Zwangsneurosen?)

Sie meinen sicherlich die Ansparstunde, die wir für die Lehrerinnen und Lehrer vor vielen Jahren festgelegt

haben. Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern oder einigen, muss man sagen, haben wir das Wort gehalten, dass die Ansparstunde zurückgegeben wird. Das haben bisher alle Schularten getan. In der berufsbildenden Schule ist das noch zu tun.

Ich denke, auf diese Konstellation bezog sich Ihre Frage.

Die Ansparstunde wird ab dem Schuljahr 2011/12 zurückgegeben. Wie sich das in den einzelnen Schuljahren auswirkt, kann ich Ihnen gerne nachreichen, aber hier jetzt nicht im Detail vortragen.

Es liegen keine weiteren Zusatzfragen vor. Damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Thelen hat sich für heute entschuldigt, sodass ihre Mündliche Anfrage in eine Kleine Anfrage umgewandelt wird.

Ich rufe nun die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Marianne Grosse und Frau Ingeborg SahlerFesel (SPD), Zerschlagung der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung – Nachteile für die Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in RheinlandPfalz – Nummer 5 der Drucksache 15/4224 – betreffend, auf.

Wer trägt vor? – Frau Grosse, Sie haben das Wort.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung das im jetzigen Entwurf der Bundesregierung beschriebene Vorhaben zur Neuorganisation der Jobcenter?