1. Wie bewertet die Landesregierung das im jetzigen Entwurf der Bundesregierung beschriebene Vorhaben zur Neuorganisation der Jobcenter?
2. Welche Konsequenzen wird die vorgesehene getrennte Aufgabenwahrnehmung nach Einschätzung der Landesregierung für die Betreuung und Vermittlung langzeitarbeitsloser Menschen in RheinlandPfalz haben?
3. Ist die vorgeschlagene Kooperation der Träger vor Ort auf freiwilliger Basis aus Sicht der Landesregierung eine praktikable und geeignete Fortführung der Arbeit der Jobcenter?
4. Hat die Landesregierung Erkenntnisse über die finanziellen Folgen der geplanten Neustrukturierung?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Herren und Damen Abgeordnete! Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Marianne Grosse und Frau Ingeborg Sahler-Fesel beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1: Das Prinzip der Arbeitsgemeinschaft mit der Leistung aus einer Hand hat sich aus Sicht der Landesregierung und der Kommunen insgesamt bewährt.
Die von der Bundesregierung jetzt vorgesehene Lösung, die Aufgaben bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende von Arbeitsverwaltung und Kommunen künftig wieder getrennt wahrnehmen zu lassen, wäre ein Rückschritt, also ein Schritt in die falsche Richtung. Die getrennte Trägerschaft ist in höchstem Maße bürgerunfreundlich, fehleranfällig und bürokratisch.
Dazu kommt, dass eine getrennte Aufgabenwahrnehmung bei freiwilliger Zusammenarbeit von Arbeitsagenturen und Kommunen auf Vertragsbasis, wie sie jetzt von Bundesarbeitsministerin von der Leyen vorgelegt wurde, aller Voraussicht nach wieder zu neuen jahrelangen Debatten und Rechtsstreitigkeiten führen würde.
Bei einer solchen einfachgesetzlichen Regelung steht zu befürchten, dass auch diese wiederum als verfassungswidrig eingestuft würde. Verfassungsrechtliche Bedenken haben inzwischen auch die drei Bundesminister, Frau von der Leyen, Herr Dr. de Maizière und Herr Dr. Schäuble, geäußert.
Zitat – mit Erlaubnis des Präsidenten –: Vor diesem Hintergrund muss es darum gehen, für die Grundsicherung für Arbeitsuchende die verfassungsrechtlichen Unwägbarkeiten so gering wie möglich zu halten. –
Auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch kam gemeinsam mit seinen hessischen Ministerkollegen Jörg-Uwe Hahn und Jürgen Banzer in einem Schreiben an Bundesministerin Frau von der Leyen zu dem Schluss, dass ohne eine Änderung des Grundgesetzes eine für die betroffenen Menschen befriedigende Verwaltungslösung nicht erreichbar sei.
Zu Frage 2: Der Aufwand für die betreuten Langzeitarbeitslosen und für die beiden Träger der Grundsicherung wird sich erhöhen. Daran wird auch eine auf vertraglicher Vereinbarung beruhende Kooperationsvereinbarung nichts ändern.
Zwar sind die Fallmanager bei der Bundesagentur für Arbeit angesiedelt, die psychosozialen Leistungen müssen jedoch über die Kommunen erbracht werden. Dazu
bedarf es ständiger Abstimmungen und Rückkoppelungen, sodass sich der Zeitraum für die Eingliederung der betroffenen Menschen verlängern wird.
Fraglich ist auch, ob und in welchem Umfang die Kommunen sich künftig noch im Bereich der Arbeitsmarktpolitik engagieren können. Das beginnt schon damit, ob es künftig noch Beschäftigungs- und Qualifizierungsträger mit kommunaler Beteiligung geben wird oder in welchem Umfang Kommunen künftig noch Stellen für Zusatzjobs bereitstellen werden.
Zu Frage 3: Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Kooperation der Träger vor Ort ist aus Sicht der Landesregierung weder geeignet noch praktikabel. Neben ungeklärten verfassungs- und datenschutzrechtlichen Fragen bei der Zusammenarbeit stellt sich auch die Frage nach den Kosten und den konkreten Vorteilen für die Kommunen.
Bereits in der Vergangenheit gab es Probleme beim Einkauf von Leistungen bei der Bundesagentur für Arbeit. Ich erinnere dabei nur an die Dienstleistungskataloge und die undurchsichtige Preisgestaltung der Bundesagentur für Arbeit.
Neben diesen noch relativ einfach zu klärenden Fragen stellen sich aber auch Fragen hinsichtlich der Qualität von Leistungen, wenn zum Beispiel ein Servicecenter der Bundesagentur für Arbeit Fragen zu den Kosten der Unterkunft und Heizung beantworten soll. Auch ist es mit Risiken verbunden, wenn die Bundesagentur für Arbeit für die Kommunen Kosten der Unterkunft und Heizung bescheiden und auszahlen will.
Sicher lassen sich noch viele Fragen im Rahmen des Prozesses klären; dennoch halte ich die getrennte Aufgabenwahrnehmung mit der vorgeschlagenen Kooperation für die schlechteste aller vorgeschlagenen Lösungen.
Alles spricht deshalb dafür, die beiden Gesetzentwürfe zu beschließen, die Rheinland-Pfalz gemeinsam mit Bremen und Berlin Ende des Jahres 2009 in den Bundesrat eingebracht hat. Das ist Wort für Wort der Text, auf den sich im Frühjahr 2009 Bundesarbeitsminister Scholz mit den Ministerpräsidenten Beck und Rüttgers verständigt hat.
Diesen Text haben alle Länder unterstützt. Ich hoffe sehr, dass sich diese gemeinsame Linie der Vernunft am Ende doch noch durchsetzt.
Zu Frage 4: In den vorliegenden Arbeitsentwürfen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über das Gesetz zur Einführung einer eigenverantwortlichen und kooperativen Aufgabenwahrnehmung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind aktuell noch keine konkreten Zahlen genannt. Die Bundesregierung geht aber davon aus, dass es zu Mehrausgaben für Personal- und Verwaltungskosten kommen wird.
Im Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hat sie die Verwaltungskosten gegenüber dem ersten Regierungsentwurf für das Jahr 2011 um 300 Millionen Euro erhöht. Dazu kommen Kosten für die Entflechtung der Systeme und für dauerhaft veränderte Verwaltungsstrukturen.
Vor allem die Kommunen, mit oder ohne vertragliche Kooperationsvereinbarung, werden nicht unerhebliche Mehrkosten durch diese veränderte Aufgabenwahrnehmung haben. Dazu kommen noch verschiedene leistungsrechtliche Anpassungen, die bei den Kommunen zu weiteren Benachteiligungen führen können.
Frau Ministerin, sehen Sie nach dem Brief, den der Ministerpräsident aus Hessen der Arbeitsministerin geschrieben hat, erneut eine Chance, dass sich die Länder mit ihrem Wunsch nach Grundgesetzänderung durchsetzen?
Was bedeutet das für die Zeitschiene, denn die Zeit drängt? Man sagt im Moment, die Veröffentlichungen sind so, dass wir das zeitlich nicht mehr schaffen. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?
Ich persönlich bin jetzt eigentlich etwas optimistischer als in der letzten Plenardebatte. Da hielt ich es eigentlich für absolut ausgeschlossen, dass es doch noch zu einer Verfassungsänderung kommt.
Ich bin deshalb optimistischer, weil es einerseits das Schreiben der drei Bundesminister an das Kanzleramt gibt, und zwar der Bundesministerin für Arbeit, des Bundesministers des Innern und des Bundesministers der Finanzen, die ausdrücklich in diesem Schreiben an das Kanzleramt darstellen, dass sie selbst Zweifel daran haben, dass die Lösung, wie sie jetzt vorgelegt worden ist, verfassungsrechtlich tragbar ist und sie sehr stark dafür plädieren, eine verfassungsfeste Lösung anzustreben, ohne genau zu nennen, wohin die Reise geht. Aber das spricht sehr klare Worte.
Ich muss sagen, die Länder sind ja eigentlich schon immer der Auffassung, dass wir eine Verfassungsänderung brauchen. Insofern war das Vorpreschen des Kollegen Roland Koch noch einmal ganz hilfreich. Wir haben das zwar auch immer gesagt, aber ich glaube, wir haben nach wie vor einen starken Länderverbund, und wir werden uns auch die Mühe geben, gemeinsam mit
Zum Zeitplan: Wir haben absoluten Handlungsbedarf. Wir sind heute an dem Punkt, an dem wir im Jahr 2009 waren.
Es gibt keinen, null zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Wir haben alles schon tausendfach diskutiert. Das, was jetzt wieder öffentlich diskutiert wird, nämlich dass die andere Lösung verfassungsrechtlich eigentlich nicht machbar ist, wussten wir auch schon im Jahr 2009.
Es ist eine unglaubliche Belastung für die ARGEn der Zukunft, wie immer sie dann heißen und aussehen, diesen Umstellungsprozess bis Anfang 2011 wirklich hinzubekommen.
Es heißt für mich, wir müssen uns unbedingt in dem ersten Vierteljahr dieses Jahres definitiv eindeutig einigen. Ich hoffe, die Einigung geht in Richtung Verfassungsänderung.
Frau Ministerin, wie schätzen Sie die Situation der Kommunen, der Beschäftigten und derjenigen Menschen, die arbeitslos sind, vor dem Hintergrund der sich ständig wechselnden Botschaften und der politischen Richtungen ein?
Es ist bekanntermaßen eine ziemlich schwierige Situation für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den ARGEn. Viele davon suchen auch das Weite, sozusagen in der Hoffnung, irgendwo eine gesichertere Zukunft zu finden.
Was uns schon sehr stark umtreibt, ist die Frage: Was passiert mit diesem vielen kommunalen Personal? Wenn wir es nicht schaffen, zu einer Verfassungsänderung zu kommen, dann könnten die Kommunen leicht in die Situation geraten, dass sie plötzlich auf Personal sitzen, das nicht zur BA wechseln will, und sie selbst überhaupt nicht wissen, was sie damit tun sollen.
Das ist auch unter finanziellen Aspekten jenseits der menschlichen Situation, die wir im Moment haben, eine außerordentlich schwierig zu lösende Frage und auch schon immer eine Frage gewesen, die uns angetrieben hat, tatsächlich zu einer verfassungskonformen gemein