Protocol of the Session on June 24, 2009

Die Zielvorstellung dabei ist, dass beim Bund eine Neuverschuldung bis zu einem gewissen Umfang erfolgen kann, nämlich bis zu 0,35 % der Wirtschaftsleistung – das ist auch für die Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland ein großer Betrag –, und bei den Ländern bis 2020 ein absolutes Verbot einer Neuverschuldung besteht.

Sie wissen, es sind Ausgleichszahlungen vorgesehen. Aber das sage ich gleich dazu: Was die Ausgleichszahlungen betrifft, so ist das Land Rheinland-Pfalz ein Land, das nicht empfangen, sondern zahlen wird: 20 Millionen Euro jährlich. – Es sagt auch etwas über die Leistungskraft unseres Landes und den Stand der Verschuldung in unserem Land aus, dass wir eben nicht zu den Empfängern, sondern zu den Zahlenden gehören.

Ich weiß sehr wohl um die Kritik an der Schuldenbremse, die aus Gewerkschaftskreisen und aus Kreisen der Wissenschaft kommt. Aber ich glaube, im Sinne einer Selbstdisziplinierung von uns Parlamentarierinnen und Parlamentariern sowie der Regierungen auf der Landes- und auf der Bundesebene ist eine Schuldenbremse notwendig. Ich finde es gut, dass wir zwischen Parlament und Regierung eine Arbeitsgruppe eingerichtet haben, die sich an die Umsetzung macht.

Ich wünsche mir, dass wir einfachere Formulierungen finden, als sie auf der Bundesebene gebraucht werden, und die nötigen Freiräume dabei genutzt werden können. Ich möchte dazu etwas von Heribert Prantl aus der „Süddeutschen Zeitung“ vom 5. Mai zitieren. Er hat zu den Formulierungen gesagt: Sie lesen sich so kompliziert wie die Übersetzung der Gebrauchsanweisung für einen Computer aus dem Chinesischen. – So ähnlich ist das. Dabei sind bei 60 Jahren Grundgesetz grundsätzliche Regelungen eigentlich einfacher zu handhaben. Wir sollten es uns zur Aufgabe machen, dass uns dies bei der Landesverfassung gelingt.

(Vizepräsident Schnabel übernimmt den Vorsitz)

Aber – das will ich noch dazu sagen – wir sollten auch den Bedenken Rechnung tragen, die es in Bezug auf die Schuldenregelung gibt. Es soll keiner den Eindruck erwecken, das sei leicht zu erreichen. Wir müssen bei allem, was auf dem Bildungssektor, bei der Mobilität und angesichts der Veränderungen der Gesellschaft an nachhaltigen Aufgaben vorhanden ist, Ausgabendisziplin üben, und wir können bei der Neuverschuldung, die es beim Bund, bei den Kommunen und bei den Ländern gibt, den Menschen sicherlich auch nicht versprechen, dass wir die Entschuldung des Bundes, der Länder und der Kommunen mit schnellen Steuersenkungen erreichen.

Da haben wir eine Herkulesaufgabe zu leisten. Packen wir es an. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit den Kollegen bei der Umsetzung der Schuldenbremse.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Baldauf von der CDUFraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Anknüpfend an das, was Herr Kollege Hartloff aus

geführt hat, möchte ich zunächst sagen: Auch ich begrüße es ausdrücklich, dass wir bei dieser nicht ganz einfachen Geschichte einen gemeinsamen Antrag formuliert haben, der uns durchaus die Wege dafür offenlässt, dass wir selbst darüber entscheiden, wie sich so etwas entwickelt.

Wir können nicht leugnen, dass wir uns aufgrund der beinahe überbordenden Ausgabenpolitik der letzten 30 Jahre in einer Situation befinden, in der es darum geht, dass wir dringend einen Teufelskreis durchbrechen müssen. Wir dürfen nämlich nicht mehr nur checken, welche Einnahmen wir haben und wie groß die Differenz zu den Ausgaben ist, die wir uns leisten, und damit die Verschuldung immer weitertreiben. Ich glaube, wir haben die große Pflicht, die Verschuldung zurückzufahren. Herr Kollege Hartloff, im Übrigen gibt es in Deutschland kein Recht auf Verschuldung. Das wollen wir jetzt fixieren. Um ehrlich zu sein: Es ist schlimm genug, dass wir das fixieren müssen; denn hätten wir alle unsere bisherige Verfassung und die entsprechenden Artikel und Paragrafen so angewandt, wie es hätte sein sollen, indem wir nämlich nicht mehr ausgegeben hätten, als wir eingenommen haben, wäre es nie so weit gekommen. –

Ich glaube auch, das Wichtige an dem gemeinsamen Antrag, den wir hier einbringen, ist, dass wir auf das Selbstverständnis des Landtags Wert legen: Wir entscheiden, wie wir diese Schuldenbremse haben möchten, in welcher Höhe, in welcher Form und natürlich mit dem Ziel, irgendwann keine Schulden mehr zu machen. – Das bedeutet viel Nachhaltigkeit, aber auch Generationengerechtigkeit, und es bedeutet die Möglichkeit – die ich seit 1994, seitdem ich im Stadtrat von Frankenthal sitze, niemals hatte –, nicht nur verwalten zu müssen, sondern vielleicht auch wieder einmal etwas in der Politik gestalten zu können.

All dies wird natürlich dazu führen, dass unsere Handlungsspielräume und vor allem auch unsere Begehrlichkeiten und unsere Wünsche stark zurückgefahren werden müssen. Das ist ganz klar; da müssen wir uns alle selbst disziplinieren. Umgekehrt führt es aber dazu, dass wir am Ende wieder investiv tätig sein können, statt nur Zinsen zahlen zu müssen.

Meine Damen und Herren, dieses Thema hat uns übrigens auch in den letzten drei Tagen in Potsdam bei der Fraktionsvorsitzendenkonferenz von CDU und CSU beschäftigt. Wir haben dort einen Konsens vereinbart, und wir können durchaus darüber diskutieren, ob das auch etwas für uns sein kann. Wir haben gesagt, wir wollen diese Schuldenbremse zwar auf jeden Fall eingebaut haben, möchten aber auch eine Öffnungsklausel verankern, wonach jedes Land entscheiden können, darf und muss, um wie viel es die Einnahmen erhöht oder auch nicht. Das muss jedes Land für sich entscheiden können; bei den Ausgaben darf es das aber nicht.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Das heißt nicht, dass man einer Steuererhöhung in irgendeiner Form und an irgendeiner Stelle das Wort reden sollte. Im Gegenteil, ich bin nach wie vor der Auffassung, dass die Steuern gesenkt werden müssen, um mehr Handlungsspielraum zu schaffen. Aber wir müssen uns bei den Ausgaben wesentlich stärker disziplinieren und uns fragen,

was notwendig ist und was nicht. Von den finanzpolitischen Spielräumen der Parlamente zu sprechen, bedeutet immer, dass man noch über Geld verfügen und es auch ausgeben kann. Das darf kein kreditfinanziertes Geld sein.

Herr Kollege Hartloff, deswegen freue ich mich darauf, ebenso wie wohl auch Kollege Mertin

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

er wird es gleich sagen können –, dass wir jetzt in medias res gehen und über die Umsetzung dessen, was wir hier vorhaben, sprechen. Aber das wird nicht ganz einfach werden. Das weiß ich jetzt schon. Nur, wir sollten uns stark an dem Grundsatz orientieren, dass wir nicht nur für uns, sondern auch für die nachfolgenden Generationen Politik machen. Dazu gehört schlichtweg, dass wir die Verschuldung zurückfahren. Ausnahmenbegrenzung und Einnahmengenerierung – das muss unser Ziel sein. Lassen Sie uns, anders als bei dem vorherigen Punkt der Tagesordnung, diesen Weg im Konsens gehen. Dazu bin ich bereit, keine Frage. Ich glaube, wir sind da auf einem guten Weg.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Mertin das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer sich die Haushaltssituation des Bundes und der Länder anschaut, wird feststellen, dass die bisherigen Bremsen, die einer Zunahme der Verschuldung Einhalt gebieten sollten, wohl tatsächlich nicht optimal funktioniert haben – um es vorsichtig zu sagen. Wir haben auf diesen Ebenen einen Verschuldungsgrad erreicht, der dafür sorgt, dass zukünftige Generationen jetzt schon mit einer sehr hohen Erblast belastet sind. Deshalb ist es vernünftig, hier nach Wegen zu suchen. Deshalb ist es im Grunde auch vernünftig, dass sich auf der Bundesebene die sogenannte Föderalismuskommission II auf den Weg gemacht hat, um hier Regelungen zu finden.

Ich glaube, Herr Kollege Baldauf sprach von einem Schönheitsfehler oder vom „Selbstverständnis des Parlaments“. Ich möchte es noch eindringlicher formulieren: Der auf Bundesebene gefundene Kompromiss hat aus der Sicht eines Landesparlaments einen ganz erheblichen Schönheitsfehler. Aus der Sicht eines Landesparlaments – das muss man hier konstatieren. Ich spreche hier als Landesparlamentarier und danke an dieser Stelle ganz ausdrücklich dem Präsidenten des Hohen Hauses, Herrn Präsidenten Mertes. Ich habe sehr wohl wahrgenommen, wie Sie für die Rechte des Parlaments an dieser Stelle gestritten haben. Das muss festgehalten werden.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Dieser Kompromiss hat nämlich einen Schönheitsfehler. Darüber kann man, verfassungsrechtlich gesehen, wie immer so oder so diskutieren, aber aus Sicht eines Landesparlaments hat der auf Bundesebene gefundene Kompromiss den Schönheitsfehler, dass die Bundesebene beschließt, was wir hier demnächst zu beschließen haben. Das kann so nicht ganz richtig sein. Das Haushaltsrecht ist eines der elementarsten Rechte eines Parlaments, und das wird durch die „Modernisierung“ auf Bundesebene jetzt in einem gewissen Umfang zurückgedreht.

Trotzdem sind wir uns im Hohen Hause einig, dass an dieser Stelle auch im Land – aber aus eigener Einsicht und aus dem Respekt vor den zukünftigen Generationen – ein Weg gesucht werden soll, um die entsprechenden Schuldenbremsen einzuführen. Das wird nicht ganz einfach sein, auch wenn unsere drei Fraktionen das erklärt haben; denn über Formulierungen kann häufig im Detail gestritten werden.

Man muss auch sehen, dass auf der Bundesebene und der Landesebene Schuldenbremsen eingeführt werden. Dabei dürfen wir aber unsere Kommunen nicht vergessen. Auch sie leiden unter sehr hohen Verschuldungsgraden. Bei solchen Neuregelungen muss man auch die Kommunen mit in den Blick nehmen. Schließlich müssen auch sie künftig finanziell so ausgestattet werden, dass auch sie handlungsfähig sein können.

Insofern hoffe ich, dass es in den nächsten Wochen in der von uns verabredeten Arbeitsgruppe gelingt, Formulierungen zu finden, die – Herr Kollege Hartloff, da stimme ich Ihnen zu – nicht ganz so kompliziert und ausschweifend sind, wie sie auf der Bundesebene gefunden wurden, die aber deutlich machen, dass dieses Parlament in dieser Legislaturperiode eine Regelung treffen will, die es verhindert, dass künftige Generationen mit weiteren Erblasten der Verschuldung in die Zukunft entlassen werden. Das wird schwierig.

Es wird auch schwierig sein, das innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens zu erreichen. Das wird bei allen Beteiligten auch in den nächsten Jahren ein erhebliches Maß an Disziplin erfordern und erforderlich machen, aber ich meine, wir sollten die Gunst der Stunde nutzen und eine gute, für die Zukunft tragfähige Regelung treffen. Ich hoffe, dass es in den nächsten Wochen gelingt, eine solche Regelung gemeinsam zu verabreden.

(Beifall der FDP)

Herr Staatsminister Professor Dr. Deubel hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Landesregierung begrüßt ausdrücklich den gemeinsamen Antrag der drei Fraktionen, auch in Rheinland-Pfalz eine eigenständige neue Regel zur Begrenzung der Neuverschuldung zu finden. Das entspricht unserem gemeinsamen Selbstverständnis.

Die Landesregierung hat kürzlich im Bundesrat der Grundgesetzänderung zugestimmt mit ausdrücklichem Hinweis auf die gemeinsame Entschließung der drei Fraktionen. Sie hat dazu eine Protokollerklärung abgegeben und dabei deutlich gemacht, dass es natürlich Angelegenheit der Landesparlamente sein muss, dafür zu sorgen, dass sich die Neuverschuldung in engen Grenzen bewegt.

Die Finanzreform der 60er-Jahre war gut gemeint, hat aber letztendlich ihr Ziel verfehlt, weil die bisherige Schuldenregel nur in schlechten Zeiten ihre Wirkung entfaltet hat, da in guten Zeiten eben die Möglichkeit viel zu weitgehend ausgeschöpft wurde, verfassungskonform neue Schulden bis zur Höhe der Bruttoinvestitionen zu machen.

Die neue Regel muss an der Stelle ansetzen, dass auch in guten Zeiten darauf geachtet wird, dass Haushalte konsolidiert werden. Es muss darauf geachtet werden, dass keine neuen Schulden aufgebaut werden, sondern Schulden abgebaut werden.

Vielleicht ist es ganz gut, dass gerade jetzt, wo die neuen Schulden beim Bund und bei den Ländern massiv nach oben gehen, dieser Konsens gefunden wurde und auch im Land umgesetzt wird; denn die Konsolidierungsaufgaben der nächsten Jahre sind gewaltig.

Bund und Länder werden voraussichtlich im nächsten Jahr ein strukturelles Defizit von zusammen rund 100 Milliarden Euro haben. Zwei Drittel davon entfallen auf den Bund und ein Drittel auf die Länder. Das bedeutet für den Bund eine Größenordnung von 67/68 Milliarden Euro. Der Bund hat sich vorgenommen, diese Verschuldung bis 2016 auf ca. 8 Milliarden Euro abzusenken. Das bedeutet, er muss jährlich 10 Milliarden Euro konsolidieren. Das entspricht 4,5 % seiner Steuereinnahmen. Es soll also mehr konsolidiert werden, als in normalen oder guten Zeiten jährlich zusätzlich an Steuereinnahmen entsteht.

Bei den Ländern geht es insgesamt gesehen um rund 35 Milliarden Euro, die bis 2020 zu konsolidieren sind. Das sind 3,5 % der Steuereinnahmen. Rheinland-Pfalz steht ziemlich genau im Durchschnitt. In Rheinland-Pfalz wird es um eine Größenordnung von rund 2 Milliarden Euro gehen, die bis 2020 zu konsolidieren sind. Das ist auch eine gewaltige Aufgabe. Das bedeutet, dass Jahr für Jahr ungefähr 2 % unserer Steuereinnahmen zusätzlich zu konsolidieren sind. Das bedeutet, zehn Jahre müssen dazu benutzt werden, den Haushalt dahin zu bringen, wo er 2020 sein sollte, nämlich keine neue Schulden mehr.

Das wird nur gelingen, wenn die Einnahmenbasis des Bundes und der Länder voll erhalten bleibt. Wenn das nicht realisiert wird, wird uns das nicht gelingen. Das ist einfache Rechenkunst. Das heißt, mit der neuen Regel wird man sich in den nächsten Jahren sehr genau überlegen müssen, wie man die Einnahmen der öffentlichen Haushalte sichert, um die neuen Ziele erreichen zu können.

Es ist gut, dass es die gemeinsame Arbeitsgruppe zwischen der Landesregierung und den Fraktionen gibt. Die

Landesregierung wird sich in sie selbstverständlich konstruktiv mit Vorschlägen und Hilfen einbringen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass nach dem Auftrag und dem klaren Willen aller Beteiligten, ein solches Ergebnis zu erzielen, es auch in diesem Jahr gelingen wird, in der Landesverfassung eine eigenständige Schuldenregel zu installieren, die langfristig haltbar ist. Das ist dann gelebter Föderalismus. Das ist wesentlich besser, als wenn nur im Grundgesetz eine Vorgabe steht. Ich meine, das schaffen wir gemeinsam. Ich freue mich auf die Aufgaben der nächsten Monate in diesem Jahr.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Eine Überweisung des Antrags wird nicht gewünscht. Deshalb können wir direkt über diesen Entschließungsantrag abstimmen. Wer dem Entschließungsantrag „Föderalismusreform II – Schuldenbremse für Rheinland-Pfalz“ – Drucksache 15/3468 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dieser Entschließungsantrag einstimmig angenommen.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

…tes Landesgesetz zur Änderung des Landes- finanzausgleichsgesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 15/2963 – Zweite Beratung

dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses – Drucksache 15/3507 –

Änderungsantrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/3511 –