weil die Containments, die mit hoch radioaktivem Material gefüllt sind, das wiederum in sogenannten Glaskontillen eingeschweißt ist, sicherlich hohe Sicherheitsstandards haben müssen. Ich kenne die Aussagen von Atomkraftgegnern, dass diesmal mehr Radioaktivität an der Oberfläche messbar war, aber darüber liegen mir keinerlei Erkenntnisse vor. Richtig ist, dass man sich in einem Abstand dazu bewegen sollte.
Frau Ministerin, können Sie etwas zu den Mengen an radioaktiven Abfällen sagen, die bereits jetzt in den Zwischenlagern, insbesondere bei den Atomkraftwerken in Biblis und Philippsburg, lagern?
Wir haben eine Übersicht, die deutlich macht, dass in Deutschland insgesamt in sogenannten Standortzwischenlagern und auch in zwei dezentralen Zwischenlagern – wobei das Größte das zentrale Zwischenlager Greifswald ist, weil dort noch die Abfälle aus den atomaren Anlagen der ehemaligen DDR lagern – 2.293 Tonnen – so ist mein aktueller Stand – im Wesentlichen an Brennelementen oder an atomarem Material lagern. In den beiden Blöcken von Biblis liegen im Standortzwischenlager derzeit 366 Tonnen und in Philippsburg 241 Tonnen.
Ich möchte noch einmal auf die Standortfindung für ein Endlager zurückkommen. Frau Ministern, sind Ihnen alternative Standorte in der Bundesrepublik Deutschland bekannt, die thematisiert werden, und gegebenenfalls wo liegen sie?
Ich habe bereits gesagt, dass man neben Salzstöcken – das zeigen auch Gutachten – insbesondere Ton- und Granitformationen untersuchen sollte. Das ist auch das Anliegen in vielen anderen Ländern. Das geschieht in Frankreich und aktuell auch in der Schweiz so. Deshalb wäre es sicherlich nicht verständlich, wenn man sich in Deutschland vor dem Hintergrund der bekannten Probleme auf einen Salzstock festlegt.
Diese Formationen – das erklärt dann auch den Protest – liegen vor allen Dingen in Baden-Württemberg und Bayern. Ich habe vorhin schon erwähnt, dass von dort der Protest kommt. Es ist natürlich schon ausgesprochen bemerkenswert, dass die größten Befürworter der Atomenergie in Deutschland, die momentan ganz offensiv für Laufzeitverlängerungen kämpfen, noch nicht einmal zulassen, dass auf ihrem eigenen Gebiet Untersuchungen auf ein mögliches Endlager vorgenommen werden. Daran sieht man aber auch, wie redlich die Diskussion ist
und was man tatsächlich davon zu halten hat. Das sind Fakten, die durch Interventionen dieser Länder bis hin zum Kanzleramt belegbar sind.
Vor Kurzem gab es in Berlin ein sogenanntes Forum, auf dem man sich mit Endlagerkonzepten auseinandergesetzt hat. Das fand Ende Oktober/Anfang November statt. Es ging darum, dass man sich zunächst einmal auf ein Verfahren verständigt hat. Dazu muss man zunächst einmal sagen, was die Kriterien sind. Die sind zunächst einmal zu bestimmen, um Standorte vergleichen und damit auch bewerten zu können.
Zu den Gesteinen, die dabei insbesondere in Augenschein zu nehmen sind, habe ich schon einiges gesagt. Es sind dabei Anforderungen an sogenannte Langzeitsicherheitsnachweise zu stellen. Diese sind nicht nur in Deutschland zu definieren, sondern sie werden international definiert.
Bei den Langzeitnachweisen geht es darum, dass man eine Sicherheit für 1 Million Jahre hat. Sie haben es mit den gefährlichsten Stoffen zu tun, die es überhaupt gibt. Diese haben wir erst durch die Atomenergie produziert.
So sind sie in der Natur gar nicht vorhanden. Die 1 Million Jahre sind das, was im Übrigen meines Wissens derzeit in der Schweiz diskutiert wird.
Bei den Behältnissen geht man auf mehrere Hundert Jahre. In Deutschland wird derzeit diskutiert, dass sie über rund 500 Jahre sicher sein müssen. Ich nenne diese Zahl jetzt einmal, aber endgültig ist sie noch nicht festgelegt. Das bedeutet, 500 Jahre sicheren Einschluss von wärmebildendem und wärmeproduzierendem Material, von strahlendem Material, wobei man überhaupt noch nicht weiß – damit Sie auch das Problem sehen, das sich ergibt, wenn man mit diesen Stoffen umgeht –, welche Versprödungseffekte sie wiederum auf die Containments haben. Das dürfte die Probleme ausmachen.
Wenn man sich aber die gesamte Atomenergiedebatte ansieht, stellt man fest, dass man in einem fahrenden Zug sitzt. In den haben wir durch den Ausstieg jetzt zumindest einmal Bremsen eingezogen, aber wir haben nach wie vor – das ist richtig – noch kein Konzept, was wir mit der gefährlichen Fracht machen. Deshalb ist doch als Erstes geboten, dass man die Menge der gefährlichen Fracht nicht noch weiter erhöht.
Wie bewertet die Landesregierung den Vorstoß, Demonstranten an den Kosten zu beteiligen, die durch ihre Blockaden, zum Beispiel durch Anketten an Schienen, entstehen?
Ich habe dazu eine ganz persönliche Meinung, weil ich die Geschichte der Antiatomkraftbewegung sehr gut kenne. Ich sage deutlich: Es gibt sicherlich Punkte, gegen die der Staat vorgehen muss, oder Protestformen, wie wir sie jetzt erlebt haben, die er nicht akzeptieren kann. Ich weiß aber auch – das hat die Geschichte gezeigt –, dass nicht eine Beteiligung an den Kosten das Kriterium ist, wie man insgesamt mit diesem Protest, der in der Öffentlichkeit begründet wird und der legitim ist, umgehen sollte. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man eine solche Debatte ernsthaft führt, müsste man auch eine Kostenumlagedebatte zu anderen Schutzkonzepten, die die Polizei umsetzt, führen. Ich halte persönlich nicht viel davon.
Frau Ministerin, teilen Sie meine Auffassung, dass wir in Deutschland ein Endlager brauchen, und zwar völlig unabhängig von der Frage, ob jetzt am Atomausstieg festgehalten wird oder wir die Laufzeiten der bestehenden Kernkraftwerke um ein paar Jahre verlängern?
Da wir eine Verantwortung für unheimlich große Mengen von atomarem Müll haben, der – so meine Erkenntnisse –, sogar wenn man die Restlaufzeiten der Atomreaktoren einbezieht, die gesetzlich festgelegt sind, insgesamt über 20.000 m³ hoch radioaktiven Materials ausmachen wird, ist es sicherlich notwendig, dass wir in Deutschland dafür ein Endlager brauchen.
Ich sage dazu aber auch – dazu kenne ich die politische Diskussion viel zu lange –: Wir werden in Deutschland an keinem Standort eine Akzeptanz für ein Endlager finden, egal wo es ist – ungeachtet der bayerischen oder baden-württembergischen opportunistischen Proteste, die es dazu gibt –,
wenn die Menschen nicht wissen, dass ein solches Endlager, das notwendig ist, auch mit einem Ausstieg aus dieser Risikotechnologie verbunden ist. Das hat man bei diesen Protesten auch gesehen.
Dass es jetzt mehr geworden sind, ist auch eine Reaktion auf die Tatsache, dass einige diesen Ausstiegskonsens, den es gegeben hat, jetzt wieder aufkündigen wollen.
Frau Ministerin, eine wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit und auch die Zulassung dieser Frage im Rahmen der Fragestunde war der Umstand, dass dargelegt wurde, dass dieser Atommülltransport rheinlandpfälzisches Gebiet durchfahren hat. Frau Ministerin, wie wollen Sie in diesem Zusammenhang sicherstellen, dass die diesbezüglich vom Kollegen Gebhart gestellte Frage nach den Kosten, die das verursacht hat, durch die
Landesregierung kompetent beantwortet wird? Wird der Herr Innenminister nach Ihnen diesbezüglich für die Landesregierung antworten, oder wie soll das sichergestellt werden?
Der Herr Innenminister wird das selbstverständlich immer machen, wenn das Parlament es wünscht. Dann bekommen Sie diese Antwort sicherlich vom Innenminister. Das ist doch selbstverständlich.
Aber der Schwerpunkt der Frage lag eindeutig bei der Endlagerung. Der Schwerpunkt lag bei der Frage: Wie geht es mit der Atomenergie in Deutschland weiter? Deswegen war das meine Zuständigkeit, und deswegen stehe ich hier. Wir haben unterschiedliche Ressortzuständigkeiten. Er ist aber für das Schutzkonzept in Verbindung mit dem Transport zuständig. Deswegen verfügt das Innenministerium über diese Erkenntnisse.
Frau Ministerin, unabhängig von der Frage des Opportunismus – in welchem Wahlkreis liegt Gorleben? – ist meine Frage: Halten Sie unter den Bedingungen, die Sie gerade geschildert haben, Gorleben für ein geeignetes Endlager?
Herr Abgeordneter Baldauf, ich bin jetzt überhaupt nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten. Ich glaube auch nicht, dass es momentan irgendjemanden gibt, der diese Frage schon so beantworten kann; denn hier können im Sinne des Prüfens von Alternativen Vergleiche angestellt werden. Mir ist allerdings bekannt – nicht durch eigenes Studium, aber durch oberflächliche Kenntnisse und durch Informationen auch vom Bund, dass es Studien dazu gibt –, dass es momentan keinen Ausschlussgrund gibt für Gorleben. Daher wird das weiter untersucht. Aber erklären Sie der Bevölkerung bitte einmal, wie man sich auf einen Salzstock festlegen soll, wenn andere Salzstöcke entgegen allen Erwartungen doch mit Wassereinbrüchen Probleme haben? Das ist eine ganz zentrale Frage der Sicherheit.
Deswegen muss man das auch vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse untersuchen. Man muss nachher ein transparentes Verfahren haben. Das muss Rechtssicherheit haben. Deswegen gehe ich auch aus Gründen
der Rechtssicherheit davon aus, es muss nachgewiesen werden, dass Alternativen geprüft werden. Auch das ist eine ganz zentrale Frage. Das heißt, wer nachher ein Endlager haben will, für das es Rechtssicherheit gibt, muss im Vorfeld Alternativen geprüft haben und neueste Erkenntnisse, auch internationaler Studien, einbeziehen. Sonst gibt es an dieser Stelle meines Erachtens nicht nur keine Akzeptanz, sondern auch keine Rechtssicherheit.
Es liegen noch zwei Wortmeldungen vor. Dann schließe ich die Rednerliste. Innenminister Karl Peter Bruch wird anschließend die Fragen von Herrn Bracht und Herrn Dr. Gebhart beantworten.
Frau Ministerin, ich habe eine kurze Frage. Welche Schlüsse sind aus Ihrer Sicht aus den offensichtlichen Missständen beim Atommülldepot Asse zu ziehen?
Die grundsätzliche Frage, die sich bei Asse stellt, habe ich genannt, dass es nicht sicher ist. Es gibt auch Hinweise darauf, dass man nicht rechtzeitig reagiert hat, als diese Erkenntnisse vorlagen. Das, was uns jetzt droht, ist, dass der Staat – d. h. der Steuerzahler – hier mit einem gigantischen Sanierungsfall konfrontiert wird, für den momentan überhaupt erst Konzeptstudien entwickelt werden, ob und wie das zu sanieren ist. Ich habe bereits gesagt, es liegen etwa 130.000 Fässer mit radioaktivem Material dort. Es gibt meines Wissens bereits eine Kontamination des Wassers durch radioaktive Caesiumionen. Deswegen wird es ein schwieriges Unterfangen sein.
Ich glaube, es gibt niemanden, der davon ausgeht, dass das in einer Größenordnung unterhalb einer Milliarde Euro liegen wird. Ansonsten wäre alles andere Spekulation. Es ist eine gigantische Herausforderung, auch was die Finanzierung betrifft. Das zeigt eigentlich, dass die ganze Debatte, auch über die Frage der Kosten von Atomenergie – dort geht es, wohlgemerkt, noch um ganz anderes Material; dort geht es um hoch radioaktive Abfälle –, völlig unredlich ist, weil sie die Endlagersicherheit über Hunderttausende von Jahren hinweg überhaupt nicht einbezieht.