Zu Frage 4 – dem Vorschlag der Versteigerungen –: Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Diskussion wurde vor allen Dingen durch Ministerpräsident Koch, Wirtschaftsminister Rhiel und danach auch durch Herrn Baldauf, den Fraktionsvorsitzenden der CDU im Landtag, geführt. Bei dieser Diskussion ist zunächst einmal wichtig zu wissen, dass nach europäischem Recht lediglich 10 % der Emissionsberechtigungen versteigert werden können. Damit sind alle in der Öffentlichkeit genannten Dimensionen möglicher „Einsparungen“ oder „Geschenke an Unternehmen“ infrage zu stellen bzw. zu hinterfragen.
In Rheinland-Pfalz – das möchte ich noch einmal betonen – nehmen überwiegend kleine und mittelständische Unternehmen am Emissionshandel teil, und dies unterscheidet uns auch von anderen Bundesländern. Im Gegensatz zu den oligopolartig am Markt operierenden großen Energieversorgungsunternehmen mit ihren Kraftwerkparks konnten und können die Unternehmen beispielsweise der Papier- und Keramikindustrie, aber auch der Zementindustrie in Rheinland-Pfalz Emissions
rechte, die zugeteilt wurden, nicht als so genannte Opportunitätskosten an ihre Kunden weitergeben, weil sie in der Regel in einem sehr harten internationalen Wettbewerb stehen und im Übrigen die Gewinnmargen pro Produktionseinheit dort ausgesprochen gering sind. Vor diesem Hintergrund würden sie viel härter von einer Auktionierung, also von einer Versteigerung, betroffen, weil diese echten Mehrkosten durch eine Versteigerung nicht im Markt weitergegeben werden können. Ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit auch Arbeitsplätze würden unmittelbar gefährdet und betroffen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, insgesamt würde eine Versteigerung von diesen 10 % der in Rheinland-Pfalz vergebenen Emissionszertifikaten – wir haben 8,8 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr, für die Zertifikate erteilt werden – bei einem angenommenen Zertifikatspreis von zurzeit ca. 20 Euro pro Tonne CO2 eine Mehrbelastung von ca. 18 Millionen Euro für diese Unternehmen dieser Wirtschaftszweige bedeuten. Ich möchte diese Mehrbelastung an drei typischen Beispielen festmachen:
Beispiel A: Ein Keramikbetrieb mit 24.000 Tonnen CO2-Emission pro Jahr hätte eine Mehrbelastung von 48.000 Euro pro Jahr.
Beispiel B: Ein Papierwerk in Rheinland-Pfalz mit 552.000 Tonnen CO2-Emission hätte eine Mehrbelastung von über 1 Million Euro pro Jahr.
Beispiel C: Erst recht ein Zementwerk – auch dieses steht in Rheinland-Pfalz – mit einer Jahresemission – wohlgemerkt produktionsbedingt – von mehr als 1 Million Tonnen CO2 hätte eine Mehrbelastung von 2,2 Millionen Euro pro Jahr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe absolutes Verständnis für die Verärgerung der Verbraucherinnen und Verbraucher über die unter anderem – aber im Übrigen nur unter anderem – mit dem Emissionshandel begründeten Preise der großen Energieversorger. Allerdings steht zu befürchten – dies zeigen alle Erfahrungen mit diesen Märkten –, dass mit einer 10%igen Versteigerung weitere Energiepreiserhöhungen verbunden sein würden; denn die Einpreisung war und ist bereits erfolgt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, der Wettbewerbsfähigkeit und damit auch der Arbeitsplätze der kleinen und mittelständischen Unternehmen begrüßt deswegen die rheinland-pfälzische Landesregierung den Beschluss des Bundeskabinetts, die Zertifikate, das heißt, die Emissionsberechtigungen, kostenlos zuzuteilen.
Frau Ministerin, Sie haben die Frage der Versteigerung angesprochen. Ich frage Sie, wie Sie Äußerungen einschätzen, die davon ausgehen, dass Einnahmen in Höhe von 25 Milliarden Euro zu erzielen seien und die Haushalte durch die Senkung der Stromsteuer um 70 Euro pro Jahr entlastet werden könnten. Ist es nicht vielmehr so, dass durch die Auktionierung im Gegenteil Preissteigerungen in gleichem Maß zu verzeichnen sind?
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Ramsauer, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe es nur kurz angedeutet: Die Zahlen, die in der Öffentlichkeit genannt wurden, sind vielleicht politisch implizierte Zahlen, sie sind durch die Fakten aber in keiner Weise gerechtfertigt.
Ich habe die Rechnung bei einem angenommenen Zertifikatspreis von ca. 20 Euro aufgemacht. Bei 10 %, die rechtlich nur auktioniert werden könnten, wären maximal 1 Milliarde Euro vom Staat einzunehmen.
Die Stromsteuer ist im Übrigen ein Teil der Ökosteuer. Sie hat zurzeit ein Aufkommen von ca. 6,5 Milliarden Euro pro Jahr. Wenn man diese Einnahmen nun im Sinn einer Senkung der Stromsteuer an die Verbraucher und die Verbraucherinnen weitergeben würde, so ist dies nur ein Bruchteil dessen, was die Stromsteuer zurzeit ausmacht, das heißt, eine Senkung von ungefähr 0,35 Cent bis 0,4 Cent pro Kilowattstunde.
Jeder weiß, wie die durchschnittlichen Verbrauche eines Vier-Personen-Haushalts sind, und jeder kann sich durch eine einfache Dreisatzrechnung ausrechnen, dass die maximale Entlastung, würde der Markt so reagieren, ca. 11 Euro im Jahr betragen würde und schon gar nicht in Höhe von 70 Euro liegen würde, wie dies von manchen in den Raum geworfen worden ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist nur eine fiktive, man kann sagen, sehr naive Vorstellung vom Marktgeschehen, erst recht dort, wo Strukturen wie in den Energiemärkten vorhanden sind. Ich habe deutlich gemacht – dies wird sich wie eine Kaskade fortsetzen –, dass eher mit Preissteigerungen zu rechnen sein würde, die die Verbraucher und Verbraucherinnen bezahlen.
Was darüber hinaus gar nicht berücksichtigt worden ist, ist die Tatsache, dass 90 % aus der Ökosteuer zur Entlastung der Lohnnebenkosten bei den Rentenbeiträgen verwandt werden. Man muss schon sagen, wie man diese Ausfälle in den Rentenkassen weiterfinanzieren will. Aus den Erträgen der Energiesteuer könnte man sich das vorstellen, aber es wird gleichzeitig der Vorschlag gemacht, diese Kosten des Emissionsrechtekaufs bei den Unternehmen steuermindernd den Unternehmen zurückzugeben. Dies ist also ein ausgesprochen kompliziertes System, das nicht so einfach funktioniert, wie dies öffentlich dargestellt wurde, sondern Risi
ken in sich birgt, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher, die mittelständischen Unternehmen mehrfach betroffen würden, weil letztere selbst Zertifikate erwerben müssten und darüber hinaus erhöhte Strompreise zu erwarten hätten.
Daher sollte man vor dem Hintergrund eines zu erwartenden Geschehens am Markt dringend von einer Versteigerung Abstand nehmen. Dies waren auch die Überlegungen der Bundesregierung, genau so zu entscheiden.
Frau Ministerin, interpretiere ich Ihre Ausführungen richtig, dass Sie der Auffassung sind, dass die Energieerzeuger die Preise für die Zertifikate bereits eingepreist haben, das heißt, dass die Strompreise durch die Energieerzeuger bereits so kalkuliert sind, als hätten sie die Zertifikate beim Staat bereits bezahlen müssen?
Herr Abgeordneter, das ist bedauerlich. Zu einem gewissen Teil ist es aber sicherlich richtig. Es ist nur die Frage, ob wir darauf reagieren können. Das ist eine wichtige Frage.
Wir haben das natürlich auch x-mal kritisiert und deutlich gemacht – das gehört zur Ehrlichkeit dazu –, dass man sehr wohl schauen muss, was der Staat kann und wie er lenkend eingreifen kann oder ob er überhaupt die Möglichkeit hat, steuernd einzugreifen.
Ich habe deutlich gemacht, es geht um Branchen, in denen Märkte nicht richtig funktionieren. Man kann es eigentlich übertrieben formulieren: Dort, wo wie im Energiemarkt eher ein Marktversagen vorhanden ist, können solche Opportunitätskosten eingepreist werden. Dort, wo viele kleine und mittelständische Unternehmen davon betroffen wären, die das nicht weitergeben würden, würde dies zu einer Belastung bis zur Existenzgefährdung in Deutschland führen.
Ich habe gesagt, es sind andere Regelungen wie die Expost-Betrachtung wichtig. Es ist auch die Frage der Preisaufsicht zu stellen, soweit Kartellrecht das machen kann. Aber es wird nicht möglich sein, mit einfachen oder naiven Vorstellungen davon auszugehen, dass die Senkung der Ökosteuer weitergegeben würde.
Haben Sie in der Vergangenheit schon jemals erfahren, dass bei den großen Mineralölkonzernen genauso wie bei den Energieversorgern in dem Moment, in dem sich Einstandspreise oder Anteile von Kosten, die den Preis bilden, gesenkt wurden, dies sofort an die Verbraucher und Verbraucherinnen weitergegeben wurde? Auch dies werden Sie nicht erleben und haben Sie nicht erlebt.
Das ist der Hintergrund, weswegen das eine relativ naive Betrachtung ist, die zwar gut gemeint ist, aber real und faktisch in die Irre führt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss sehr wohl schauen, ob die Schäden, die unter dem Strich entstehen, nicht gravierender sein werden als wohlfeile Angebote, die letztendlich zu Mehrbelastung an jeder Stelle führen würden.
Es gehört auch zur Diskussion zu sagen – das ist im Übrigen auch der Hintergrund –, dass sich in ganz Europa so gut wie kein Land mit der Auktionierung auseinander setzt. Wir können auch heute nicht so tun, als könnte sich unsere Politik und unsere Emissionsrechteverteilung von dem loslösen, was in anderen europäischen Ländern ist. Im Gegenteil, weil auch in Europa überweigend nicht auktioniert wird, können wir die deutschen und auch rheinland-pfälzischen Unternehmen im Wettbewerb zum Beispiel bei der Zementindustrie mit Spanien oder mit osteuropäischen Ländern, wo sie kostenlose Zuteilungen erfahren, nicht benachteiligen.
Frau Ministerin, sind Sie nicht der Auffassung, dass der Preis erst an der Börse in Leipzig ausgehandelt wird, unabhängig davon, ob eine Versteigerung erfolgt oder nicht?
In Bezug auf die Verbraucher hat die Verbraucherschutzzentrale eine klare Position bezogen. Sind Sie nicht der Auffassung, dass man gerade aufgrund der Situation der vier Großen diese nicht so schützen sollte, dass es zulasten der Verbraucher geht?
Herr Abgeordneter Baldauf, der Preis bestimmt sich nicht unabhängig von der Versteigerung oder nicht. Der Preis der Zertifikate bestimmt sich durch Knappheit oder durch Verfügbarkeit im Markt.
Die jetzige europaweite und auch in Deutschland erfolgte Zuteilung bedeutet zunächst einmal Knappheit. Ich
habe deutlich gemacht, dass die Unternehmen weniger zugeteilt bekommen, als sie eigentlich bräuchten. Das bedeutet, weil die Minderung durch Effizienzsteigerung nicht sofort greift, werden sie ohnehin zunächst einmal zukaufen müssen. Das heißt, der Marktpreis wird ansteigen. Weil sie ihren Bedarf nicht vollständig zugeteilt bekommen, werden viele Unternehmen sofort Kosten haben.
Wenn ich jetzt noch zusätzlich 10 % versteigern würde, würde sich diese Knappheit noch einmal verstärken. Der Preis würde sich damit nach allen Regeln des Marktes überproportional entwickeln. Er würde überproportional ansteigen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das würde dann in der Tat auch noch einmal auf die Preise durchschlagen und gerade zulasten der kleinen und mittelständischen Unternehmen gehen, die jetzt auch schon im Emissionshandel sind und natürlich auch ihre Minderungs- und damit Investitionsverpflichtungen oder Zukaufverpflichtungen haben.
Es ist deswegen nicht egal. Wir haben ein sehr sensibles System bei der Preisbildung der Emissionshandelszertifikate. Ich warne davor, daran vonseiten des Staates zu drehen. Ich habe Ihnen die Mechanismen genannt. Das ist auch der Grund, weshalb man mit solchen Vorschlägen, wie sie auf dem Tisch liegen, vorsichtig sein muss.
Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, dass die Kosten, die die Stromerzeuger in ihre Preise einrechnen und die der Stromkunde bezahlt, ausschließlich vom Marktpreis der Zertifikate abhängen und nicht davon, wer verkauft und den Verkaufspreis einstreicht, und ausschließlich davon, welche Mengen insgesamt zur Verfügung gestellt werden, und nicht, welcher Prozentsatz davon von der Regierung versteigert wird und welcher von anderen versteigert wird?
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist zumindest der erste Teil Ihrer Frage durch die Beantwortung der Frage des Herrn Abgeordneten Baldauf beantwortet.
Die Idee, dass es egal sei, ob man sich einen Preis bilden lässt, egal, ob mit oder ohne Versteigerung, stimmt definitiv nicht. Das wissen wir. Dies wird automatisch an dieser Stelle preistreibend sein, dies mit dem Effekt, manche werden dies mit Freude weitergeben,
weil sie die Marktmacht haben. Bei anderen, die die Marktmacht nicht haben, die im Wettbewerb stehen, kommt das ausschließlich als Belastung und als Wettbewerbsnachteil an. Das ist das Problem, vor dem wir dabei stehen.