dazu: Europa in den rheinland-pfälzischen Schulen weiter stärken Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der SPD – Drucksache 15/1147 –
Es ist eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart worden. Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Enders das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir feiern in diesem Jahr das 50-jährige Jubiläum der Europäischen Union. Die Politik dieser Europäischen Union beeinflusst unser Alltagsleben unmittelbar. Im Studium und in der Lehre gehören mittlerweile Auslandspraktika schon beinahe zur Normalität. Schulische, berufliche und akademische Bildung sowie Weiterbildung tragen deswegen auch ganz wesentlich zur Verankerung des europäischen Gedankens bei.
Die Einbindung europäischer Inhalte in Lehrpläne und Bildungsziele ist geeignet, die Identifikation mit Europa zu stärken, und ermöglicht auch das europäische Verständnis.
Dabei kommt der Schule mehr als je zuvor eine Schlüsselstellung vor. Europa im Unterricht leistet einen Beitrag zur Überwindung von Vorurteilen und fördert bei jungen Menschen auch die Neugier auf das Leben in den europäischen Partnerländern. Ich habe das vor einigen Tagen beim Tag in der Schule im Rahmen der Europawoche sehr intensiv erfahren, wie interessiert junge Leute sind, mehr von Europa zu erfahren.
Dieses Zusammenwachsen Europas bringt für jeden Einzelnen auch neue Möglichkeiten und Herausforderungen mit. Das müssen die Bildungssysteme aufgreifen, um damit die jungen Menschen auf Europa vorzubereiten.
Ein Punkt unseres Antrags lautet, dass sogenannte Europaschulen ausgebaut werden sollen. Was heißt das? Das ist etwas schwierig, es gibt nämlich keine einheitliche Definition. Deswegen brauchen wir erst einmal eine verbindliche, einheitliche Qualifikation, quasi ein Profil für Europaschulen. Das muss in der Zukunft entworfen werden.
Es gibt in Rheinland-Pfalz eine Schule in Wörth, die diesen Namen „Europa“ im Namen trägt. Aber damit ist kein Standard verbunden, der das definiert.
Solche Europaschulen können einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des europäischen Gedankens leisten. In der gesamten Schulbildung ist das möglich. Wir müssen wissen, dass im Zeitalter einer zunehmend stärker vernetzten Wissensgesellschaft Schulen, die sich Europa als Profil geben, Schülern wirklich hervorragende Entwicklungschancen geben können, auch für den späteren Berufseinstieg.
Dabei vermitteln sie nicht nur interkulturelle Kompetenz und Sprachenkompetenz, sondern sie fördern auch in vorbildlicher Weise die Kenntnisse der europäischen Geschichte und des Prozesses der europäischen Integration, der auch irgendwann einmal Geschichte sein wird, und damit auch das Verständnis für die Bedeutung des europäischen Projektes für den Alltag der Menschen in jedem einzelnen Land.
Die jüngst von der Europäischen Kommission vorgestellte EUYOUPART-Studie, die die politische Bedeutung von Jugendlichen in Europa untersucht hat, unterstreicht auch ganz besonders die Relevanz von Initiativen und Einrichtungen, die junge Menschen schon sehr frühzeitig in die europäische Debatte mit einbeziehen und ihnen dabei helfen, ein Bewusstsein für die Bedeutung des europäischen Integrationsprozesses zu entwickeln.
Wir meinen, in diesem Zusammenhang sind zu definierende Europaschulen ein wichtiger Baustein, um das politische Interesse im europäischen Kontext auch zu verstetigen. Da halten wir es für besonders wichtig, dass für diese Definition der Europaschulen Schulen aller Schulformen gewonnen werden, die für alle jungen
Dazu gehört aber auch unabhängig von einer Europaschule die Förderung der Sprachkompetenz, wenn wir davon sprechen, die Europafähigkeit der Schulen zu stärken. Das ist wichtig, um junge Menschen stärker für die europäische Idee zu begeistern. Da ist es wichtig, dass Sprachbarrieren abgebaut werden. Wir haben sie an den Landesgrenzen zu Frankreich, Luxemburg und Belgien natürlich weniger, aber Rheinland-Pfalz ist größer. Neben der Möglichkeit zur Teilnahme an Austauschprogrammen lässt sich unserer Ansicht nach Fremdsprachenkompetenz vor allem durch bilingualen Unterricht stärken. Bilingualer Unterricht ist das Wort.
Dieses fördert nämlich eine höhere Sprachkompetenz und befähigt dazu, Sachverhalte in Unterrichtsfächern in den Fremdsprachen zu verstehen, sich zu artikulieren und sich damit auf ein europäisches Berufsfeld vorzubereiten.
Ich möchte einen dritten Punkt erwähnen. Junge Menschen müssen in der Schule europapolitische Zusammenhänge aktiv vermittelt bekommen. Das bedeutet, der europäische Gedanke darf sich nicht allein auf den Fremdsprachenunterricht reduzieren, sondern muss in die Lehrpläne aller Fächer integriert werden. Das ist vor allen Dingen wichtig für die gesellschaftspolitischen Fächer wie Sozialkunde, Politik, Geschichte und Erdkunde.
Wir bitten die Fraktionen des Landtags, sich unserem Antrag anzuschließen, damit wir auch in Rheinland-Pfalz die Möglichkeit haben, solche Schulen einzurichten und um Anstrengungen zu unternehmen, um den bilingualen Unterricht an den weiterführenden Schulen zu stärken, und zwar unabhängig von Europaschulen. Dafür bieten sich alle nicht sprachlichen Fächer an.
Ich komme zum Schluss. Dieser Antrag ist in ähnlicher Form am 15. März 2007 im Hauptausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags von allen Parteien einvernehmlich angenommen worden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir scheinen uns alle einig zu sein. Die CDU will mit ihrem Antrag die Europafähigkeit der Schulen stärken. Wir als SPDFraktion setzen uns mit unserem Alternativantrag dafür ein, Europa in den rheinland-pfälzischen Schulen weiter zu stärken. Einerseits haben wir hier die große Einigkeit.
Wir wollen alle, dass junge Menschen bessere, also überzeugtere Europäer werden. Zum Zweiten wissen wir, dass Bildung und damit auch Schulen einen entscheidenden Anteil dazu leisten. Zum Dritten wissen wir, dass Europafähigkeit aus klitzekleinen Bausteinen besteht. Das weiß jeder, der bei uns im Europaausschuss ist. Diese müssen bewusst zusammengebaut werden. Ein guter Europäer bzw. eine gute Europäerin zu werden, ist nicht leicht. So viel war das zu den Gemeinsamkeiten.
Zwischen den Anträgen gibt es aber andererseits auch Trennendes. Dafür gibt es Gründe. Herr Dr. Enders, Sie haben einen Anfang vorgelesen, der sich mit einem Antrag aus Nordrhein-Westfalen deckt, der schon 2003 eingebracht wurde. Sie haben es auch gesagt. Ich weiß nicht, ob es richtig war, dass Sie es bis auf weniges so abgeschrieben haben. Einerseits ist es nicht schlimm abzuschreiben. Ich denke, gerade als Opposition muss man das Rad nicht neu erfinden. Andererseits muss man aufpassen, ob die Voraussetzungen vergleichbar sind. Das ist hier nicht der Fall.
Rheinland-pfälzische Schulen sind mit ihrer Europafähigkeit offensichtlich viel weiter als die Schulen in Nordrhein-Westfalen.
Wir haben die rheinland-pfälzischen Aktivitäten beispielhaft in unserem Antrag unter der Überschrift „Der Landtag begrüßt“ aufgelistet. Ich darf daraus ein paar Bereiche nennen. Das sind die Projekttage zu Europa. Es gibt bilinguale Unterrichtsangebote. Wir haben Gymnasien mit bilingualem Unterricht. Die Möglichkeit, mehr davon einzurichten, besteht. Es gibt keine Hemmnisse.
Wir haben die Europavermittlung der Landeszentrale für politische Bildung. Es ist ein Ordner für alle Schulen bereitgestellt mit einem beispielhaften Multiplikatorenpaket Europa. Wer es noch nicht gesehen hat, sollte es sich einfach einmal ausleihen.
Wir haben den europäischen Wettbewerb in den rheinland-pfälzischen Schulen. Gerade in dieser Woche haben 17.700 Schülerinnen und Schüler aus RheinlandPfalz an diesem Wettbewerb teilgenommen. Viele Preise wurden ausgelobt. Es ging um die Chancengleichheit in Europa für alle. Das waren einige Beispiele dafür.
Wir haben den integrierten Fremdsprachenunterricht. Wir waren das erste Bundesland, das das so umgesetzt hat. Das gibt es jetzt schon auch ab Klasse 1. Wir haben den Europatag und die Europawoche. Weiterhin ist die Förderung von Schülerbegegnungen zu nennen. Das ist ganz wichtig, und das sollten wir nicht unterschätzen. Das ist etwas ganz Praktisches. Wir haben eine ganz aktive grenzüberschreitende Zusammenarbeit, sei es im Interregionalen Parlamentarier-Rat oder am Oberrhein. Was dort in der Kommission an Bildung und Weiterbildung auf die Beine gestellt wird, kann sich sehen lassen. Das ist beispielhaft. Wenn vielleicht manche Schritte
noch nicht so weit fortgeschritten sind, wie sich einige von uns das wünschen, dann hat das auch damit zu tun, dass wir immer wieder mit unterschiedlichen Bildungssystemen in den verschiedenen Ländern konfrontiert werden. Wir müssen aufeinander zugehen und dürfen keine Grenzen sehen.
Wir haben die Beteiligung der Universität KoblenzLandau am trinationalen Masterstudiengang Mehrsprachigkeit für Lehramtsstudierende mit erstem Staatsexamen. Das ist etwas, bei dem ich denke, das unterscheidet uns von dem Antrag der CDU. Wir gehen darauf ein. Wir benennen nicht nur Schulen, die Gymnasien sind, sondern wir gehen auch in den berufsbildenden Bereich hinein. Hier gibt es etwas Beispielhaftes in Rheinland-Pfalz und darüber hinaus. Das ist das EUREGIO-Zertifikat für Auszubildende. Module dazu können im Ausland abgeleistet werden. Die Sprachförderung spielt dabei im berufsbildenden Bereich eine ganz große Rolle. Das waren einige Beispiele.
Herr Dr. Enders, Sie haben ausgeführt, dass der Begriff „Europaschule“ nicht klar definiert ist. Ich denke, wir in Rheinland-Pfalz brauchen keine Europaschulen; denn wir stehen für eine ganz andere Bildungspolitik. Wir sagen, wir fördern und fordern die Profilierung der einzelnen Schulen. Jede Schule kann sich in ihr Profil „Wir sind Europaschule“ hineinschreiben.
Dabei spielt es keine Rolle, ob es die Schule in Wörth oder eine andere exzellente Schule ist. Herr Dr. Enders, Sie haben das Pamina-Schulzentrum Herxheim vergessen, da ist Europa drin. Es muss dort gar nicht draufstehen. Das ist das Wesentliche an der ganzen Sache.
Wir brauchen kein Regelungswerk, keine Zertifizierung und auch keine Verwaltungsvorschrift. Wir glauben, die Schulen können das selbst. Ich glaube, Rheinland-Pfalz steht gut da und ist auf einem guten Weg. Andere haben uns das bestätigt. Vor kurzem hat die Europäische Akademie in Berlin die Rahmenlehrpläne der Bundesländer nach der europäischen Dimension durchforstet. Bei dieser Untersuchung hat Rheinland-Pfalz nicht nur gut, sondern sehr gut abgeschnitten.
Damit will ich sagen, rheinland-pfälzische Schulen vermitteln europäische Werte und informieren über europäische Themen. Sie haben den interkulturellen Zugang. Sie haben den Zugang zu den Fremdsprachen. Das sind Bestandteile der schulischen Bildung in Rheinland-Pfalz.
Ich nenne noch eine persönliche Erfahrung zum Schluss. Es mag sein, dass man Europa in der Schule erlernen kann. Ich denke, genauso wichtig ist es, Europa zu erfahren und zu erleben. Ich will ein kleines Beispiel nennen. Ich bin seit zehn Jahren Mitglied des Oberrheinrates. Ich bin dort Präsidentin der Kommission Bildung, Jugend und Kultur. Wir hatten auf meine Initiative hin
Sie müssten einmal dabei sein, wenn sich 100 Schülerinnen und Schüler einen Tag lang begegnen. Da lernen sie viel mehr über Europa als auf die Art, die Sie vielleicht fordern.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die europäische Einigung stellt mit ihrem Fortschreiten sowohl im Rahmen der Erweiterung als auch der Integration ganz besondere Herausforderungen nicht nur an die Politik, sondern auch an jeden einzelnen Bürger und jede einzelne Bürgerin. Der Gemeinsame Markt, die Integration der neu hinzugekommenen, insbesondere osteuropäischen Mitgliedstaaten, der Einfluss von Europapolitik auf unseren Alltag und auf den Alltag jedes Einzelnen in unserem Land und auch die große Herausforderung einer Europäischen Verfassung sind Dinge, die alle Menschen hier angehen.