Ich komme jetzt noch einmal zur Pflegeversicherung zurück. Herr Dr. Schmitz, Sie haben inhaltlich wenig gesagt.
(Dr. Schmitz, FDP: Herr Dr. Rosenbauer, ich habe mich an Ihnen orientiert! – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist keine Überraschung!)
Man muss schon einmal sagen, warum die Situation so ist. Das liegt nicht am System der Pflegeversicherung. Zunächst einmal liegt es daran, dass wir eine hohe Arbeitslosigkeit haben. Hätten wir zwei Millionen weniger Arbeitslose, wäre die Einnahmenseite deutlich besser.
Die Bundesregierung hat die Einnahmenquellen weiter gekürzt, weil sie die Beiträge von Arbeitslosenhilfeempfängern drastisch gekürzt hat. Auch dies hat bei der Pflegeversicherung Lücken in die Kassen gerissen. So hat man die Einnahmenseite massiv gekürzt und gleichzeitig die Leistungen ausgeweitet, wofür wir alle sind. Der Hauptpunkt wird natürlich in den nächsten Jahren in der demographischen Entwicklung liegen. Da sind wir uns völlig einig. Das ist aber doch nicht überraschend. Das ist genauso überraschend, wie an jedem 24. Dezember Weihnachten vor der Tür steht. Diese Erkenntnisse sind seit vielen Jahren bekannt.
Das ist nur kein Grund für eine Aktuelle Stunde. Wir werden überlegen müssen – es gibt doch verschiedene Vorschläge –, ob man die Pflegeversicherungen und die Krankenversicherungen wieder zusammenlegt. Das kann man aber nicht übers Knie brechen. Sicherlich werden bestimmte Hemmnisse überwunden werden. Es muss aber nur sichergestellt werden, dass die Pflegeleistungen auch weiterhin gegeben sind. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Wir müssen uns jedenfalls darüber im Klaren sein, alle die heute über die Pflegeversicherung und über Konstruktionsfehler und alles schimpfen, sollen einmal sagen, wie wir heute stehen würden, wenn wir die Pflegeversicherung nicht hätten. Sie hat vieles abgefangen und in der breiten Fläche in der häuslichen Pflege geholfen. Wir sollten an diesem System unbedingt festhalten und keine Schnellschüsse machen, sondern überlegen, wie wir das Problem der demographischen Entwicklung lösen.
Wir werden einen weiteren Punkt bekommen. Wenn das DRG-System eingeführt wird, wird die Pflege sich völlig verändern, wird noch mehr auf die Pflegekassen zukommen. Dafür haben wir noch keine Antwort. Darum müssen wir uns inständig bemühen. Vielleicht wird es in Zukunft hier und da einmal möglich sein, dass man guten Vorschlägen der CDU sofort folgen kann und nicht erst später, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Geschichte der Pflegeversicherung geht schon etwas länger. 1975 gab es einen ersten Entwurf der Arbeiterwohlfahrt für die Pflegeversicherung. Seitdem diskutieren wir.
Seit 1990 waren sich alle Beteiligten einig, dass die Pflegeversicherung kommen müsse. 1994 kam das Gesetz. Herr Blüm und sein späterer Staatssekretär Jung haben sehr stark vertreten, dass es in die Richtung Versicherungslösung geht.
Wir haben die Pflegeversicherung 1995 eingeführt, 1996 auch im stationären Bereich. Seitdem gibt es natürlich eine Diskussion über viele Dinge. Es gibt eine kritische Begleitung, die bereits in den ersten Jahren einige Dinge deutlich gemacht hat. Ich möchte das, was der vierte Altenbericht 2002 gesagt hat, erwähnen, das es auf den Punkt bringt: An der Pflegeversicherung wird einmal die enge Begrenzung und Verrichtungsbezogenheit kritisiert; reine Beaufsichtigung außerhalb der beschriebenen Verrichtungen ist bisher nicht als Pflegeleistung anerkannt worden. Das Pflegeleistungsergänzungsgesetz aus dem vergangen Jahr hat in diesem Punkt allerdings einen ersten Einstieg in eine zukünftige Entwicklung gestartet.
Die Pflegebedürftigkeit oder ihre Definition sind auch nach der Kritik der Fachleute zu sehr an der Mobilität und zu wenig an der Kognitivität orientiert. Dies führt zu Sicherungsdefiziten bei der Betreuung von Menschen mit demenziellen Erkrankungen.
Des Weiteren lief die Kritik über das relativ unklare Verhältnis zur Behandlungspflege und zur häuslichen Krankenpflege. In diesem Punkt gibt es allerdings auch Überlegungen, dies zu ändern.
Seehofer hat bereits in einer ersten Würdigung, einer Fünfjahreskritik, gesagt, dass das Ziel, soweit wie möglich von der Sozialhilfe abzukoppeln, zwar auf der einen Seite erfüllt war, dass es aber von Anfang an ein Mißverständnis gab. Ich glaube, das ist eines der großen Probleme der Pflegeversicherung, dass man gedacht, nicht gesagt, aber gedacht hat, dass man die finanziellen Probleme der Pflege auf Dauer und vor allem auch im Sinn der Kommunen lösen würde. Das war nicht immer der Fall.
Die derzeitige finanzielle Situation ist zunächst einmal nicht erschreckend. Wir haben bei einem Jahresumsatz von etwa 15 Milliarden Euro eine Reserve, die nicht weit von einer halben Milliarde Euro weg ist. Überschüsse aus der Anfangsphase sind also zu einem Teil noch vorhanden. Wir sehen aber, dass eine Weiterentwicklung kommt, dass ein höherer Bedarf vorhanden sein wird. Wir haben in der Vergangenheit sehr häufig darüber diskutiert, was uns in der Pflege erwartet. Wir müssen auch den qualitativen Veränderungen einer
Neujustierung der Pflegeversicherung Rechnung tragen. Wir müssen die chronisch Kranken und die demenziell Erkrankten mehr einbeziehen. Das bedeutet natürlich, dass auch mehr Kosten auf uns zukommen. Ich möchte nicht auf die Entwicklung, die das Statistische Landesamt ganz aktuell dargestellt hat, eingehen.
Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Konzepten, die von Abschaffung über Zusammenlegung mit Krankenversicherungen, über die Auszahlung – Herr Bockemühl hat vor wenigen Tagen von festen Pflegesätzen gesprochen, um damit den Familien mehr Möglichkeiten zu geben, selbst zu entscheiden – bis hin zur Einbeziehung der privaten Vermögen, also weg vom Lohnbezug gehen. Auch eine private Vorsorge und Basisleistungen, wie die FDP das vorsieht, sind besprochen worden. Es gibt sicherlich kein Patentrezept, aber es gibt Ansätze, die Hoffnung machen.
Zum einen ist auch das zu nennen, was von der Landesregierung in Richtung einer Weiterentwicklung der Pflege mit der Qualitätsoffensive „Menschen pflegen“ gemacht worden ist, was wir im Parlament mit der Anhörung „Zukunft der Pflege“ gemacht haben, was die Leitsätze zur Pflege angeht. Es ist etwas geschehen.
Wir werden es nicht nur über Geld leisten können. Die Auseinandersetzung über die finanzielle Entwicklung werden wir noch leisten müssen. Es ist angedeutet worden, das Geld wird auf Dauer sicherlich nicht reichen. Wir haben etwas Luft zu überlegen, wie es geht. Diese Luft sollten wir aber in den nächsten Jahren nutzen, um darüber auf Bundesebene und auf Landesebene zu sprechen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Schmitz, der Zeitplan des Landtagsplenums von heute sieht vor: 09:30 Uhr bis 10:30 Fragestunde, 10:30 bis 12:00 Aktuelle Stunde. Sie haben etwas verwechselt. Ihr Beitrag hat als Highlight im Grunde nur einige Fragen gehabt. Es waren nur Fragen.
Das zweite Highlight bestand darin, dass Sie uns einige Allgemeinplätze vorgebetet haben. Die wichtigen Begrifflichkeiten waren enthalten. Das würde vielleicht für ein Proseminar in mancher Geisteswissenschaft reichen, aber nicht für eine Debatte zu einem so schwierigen Thema.
Sie haben von Versprechungen und Erwartungen gesprochen, die im Zusammenhang mit der Einführung der Pflegeversicherung geweckt worden sind. Ich möchte Sie fragen: Wer hat diese denn geweckt, wenn sie überzogen gewesen sind? Wer hat sie denn geweckt? Sie haben versucht, sich einigermaßen herauszureden und haben so getan, als hätten Sie in diesem Punkt mit der Regierungspolitik von 1995 überhaupt nichts zu tun gehabt.
Herr Ministerpräsident und meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, Sie können sich schon einmal darauf einstellen, wie die FDP mit Ihrer Regierungsarbeit umgeht, wenn sie nicht mehr mit Ihnen in der Koalition ist.
Das ist denen dann ziemlich wurscht. Da laufen die direkt von der Fahne. Darauf können Sie sich schon einstellen.
Ich habe die Tatsache bzw. die Frage mit den falschen Erwartungen deshalb erwähnt, weil natürlich auch die Panikmache zur Kategorie der Falschmeldungen gehört. Herr Dr. Schmitz, dann wollen wir einmal ein paar Fakten in die Diskussion bringen. Das Defizit der Pflegeversicherung in 2002 beträgt 400 Millionen Euro. Dafür gibt es nachvollziehbare Gründe. Die Rücklagen der Pflegeversicherung betragen 5 Milliarden Euro. Das bedeutet, dass die Versicherung natürlich gewisse Durststrecken überstehen kann, die sich ergeben haben. So ist die Versicherung auch angelegt. Sie legen sozusagen nach acht Jahren an ein solches Projekt die Säge an, nur weil einem nichts anderes einfällt und man denkt, man müsse sich äußern. Ich komme mir etwas komisch vor, weil ich eine Blüm’sche Reform zu verteidigen habe, an der Sie beteiligt waren.
Das muss man nun einmal tun. Wegen dieses Defizits von 400 Millionen Euro, das in der Struktur nachzuvollziehen ist, müssen Sie eine Aktuelle Stunde machen. Sie haben einige Fragen gestellt. Ich denke, der Herr Staatssekretär wird nachher einige beantworten.
Nein, ich sage Ihnen, er hat Fragen gestellt, und ich gebe ein paar Antworten in der Zeit, die noch bleibt.
Wichtig im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung ist nicht die Frage der 400 Millionen Euro Defizit in 2002.
Herr Creutzmann, ich weiß, dass Sie von wirklich allem eine Ahnung haben, aber eben nur eine Ahnung. Das ist häufig das Problem.
Das wichtigste Problem, das wir mit der Pflege und Betreuung in den nächsten Jahren haben werden, ist das demographische Problem.
Das haben Sie pflichtgemäß genannt, aber nicht weiter unterfüttert. Das zweite Problem ist das der Demenzkranken und ihrer Betreuung. Dieses Problem müssen wir in den Griff kriegen. Wir müssen in der Diskussion natürlich offen sein und uns nicht schlängelnd hindurch bewegen. Wenn wir die auf uns zukommenden Probleme sehen, wissen wir, dass wir mit einer vollprofessionellen Rund-um-die-Uhr-Pflege und -Betreuung nicht weiter hinkommen werden. Wer das irgendwie in die Diskussion bringt, weckt wieder falsche Illusionen. Wir müssen dahin kommen, dass wir einen Sockel einer professionellen Pflege und Betreuung haben, die diejenigen, die betreuen und pflegen, entlastet und berät und damit weiterqualifiziert. Das muss in ein seriöses Finanzierungsmodell eingebettet sein, das in den nächsten zehn bis dreißig Jahren Bestand hat. Das ist eine gute Voraussetzung.
Auf Bundesebene sind wir im Übrigen dran. Damit haben Sie wieder nichts zu tun. Das ist nichts Neues, wie wir gehört haben.