Auf Bundesebene sind wir sehr ernsthaft dran. Die dort geleistete Arbeit zeigt, mit Schnellschüssen und Allgemeinplätzen kommen wir nicht weiter, sondern nur mit seriöser Arbeit.
(Kramer, CDU: Aufklärung, er kennt die Geschäftsordnung nicht! – Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte hinsichtlich der Aktualität feststellen, dass die Aktualität des Themas nach dem Eindruck des Publikums immer gegeben ist. Kaum schlägt man eine
Zeitung auf, kommt einem das Thema „Pflege“ entgegen. Kaum schaltet man den Fernseher ein, etwa die Ländersache, werden Einzelfälle auch mit einer erheblichen Verschärfung der Situation vorgetragen.
Es ist deutlich, es bewegt die Bürgerinnen und Bürger im Augenblick fast nichts so sehr wie Gesundheitspolitik und davon der Teil der Pflegeversicherung und deren Zukunft.
Abgeleitet von der Überschrift dieser Aktuellen Stunde würde ich sagen, die Pflegeversicherung hat nicht so sehr ein Finanzierungsproblem als vielmehr ein Akzeptanzproblem in ihrer derzeitigen Ausführung. Das ist unberechtigterweise so; denn seit 1995 ist eine Struktur aufgebaut worden, die nicht nur mehrere tausend neue Fachkräfte und viele neue Angebote umfasst, sondern heute gibt es 480 ambulante Anbieter in Rheinland-Pfalz und eine größere Zahl von stationären und teilstationären Angeboten. Dies ist alles aus der Finanzierungslinie entstanden, die heute bundesweit etwa 17 Milliarden Euro pro Jahr beträgt. Diese 17 Milliarden Euro – dazu im Vergleich waren die 490 Millionen Euro 2 % Defizit im Jahr 2002 – sind aber nur ein Teil des ganzen Geschehens. Man muss alles dazu nehmen, was zusätzlich aus der Trägerschaft der Sozialhilfe, aus privaten Kassen, aus dem Geld der Pflegebedürftigen und Angehörigen und auch aus Leistungen der Krankenversicherung aufgewendet wird. All diese fließen in das Geschehen der Pflege mit hinein.
Insgesamt ist es berechtigt zu sagen, wir haben in der Pflege einen Bereich, der in der Bundesrepublik mit 45 bis 55 Milliarden Euro finanziert wird. Dennoch besteht nach vielen Prognosen das Problem der demographischen Entwicklung. Wie die Herren Abgeordneten Marz und Dröscher dargestellt haben, besteht dennoch das Problem der besonderen Gruppen innerhalb der Pflegebedürftigen, wie zum Beispiel das noch nicht gelöste Problem altersdementer Personen. Es ist das Problem der Definition, das dort große Schwierigkeiten macht. Würde man jede Person, jeden Pflegebedürftigen, der das Kennzeichen der Altersdemenz aufweist, als einen Fall der Pflegeversicherung definieren, wäre die Begrenzung der Pflegeversicherung überhaupt nicht mehr einzuhalten; denn aus eigenen Erfahrungen und aus Schilderungen von Betroffenen wissen Sie, dass die Übergänge in Bereiche der Leistungen für Gerontopsychiatrie, in Konfliktstellungen innerhalb der Familie, in Probleme des Nichtverständnisses für ältere Menschen fließend sind. Dazu gehört auch das Nichtmehrakzeptierenkönnen von Verhaltensweisen. Das kann mit bestimmten Ticks und Problemen älterer Menschen einhergehen. Das kann nicht Thema der Pflegeversicherung sein. Deshalb ist es notwendig, dass wir nach wie vor Abgrenzungen vornehmen.
Die Landesregierung sieht für die Zukunft der Pflege in Rheinland-Pfalz nicht nur Risiken, sondern auch deutliche Chancen. Mit der von Ministerin Malu Dreyer initiierten Qualitätsoffensive „Menschen pflegen“ zielt die Landesregierung darauf ab, die Pflege in unserem Land
trotz großer Herausforderungen auch für die nächsten Generationen zu sichern und qualitativ zu verbessern.
Die Pflege ist ein wichtiger Teil neuer Dienstleistungen für Menschen. Sie hat Zukunft. Sie muss aber das Problem lösen, dass sie heute von den Menschen zum Teil nicht akzeptiert wird. Deshalb ist der qualitative Gesichtspunkt der Veränderung so wichtig. Deshalb sind die Maßnahmen, die die Landesregierung unter dieser Kampagne „Menschen pflegen“ zusammenfasst, von großer Bedeutung; denn wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur den Eindruck, sondern auch das Erlebnis vermitteln, dass Pflege unter menschenwürdigen Bedingungen stattfinden kann, dass das, was Menschen erwarten können, auch stattfindet und sie das auch heute vorfinden. Das ist auch unter den Bedingungen der nur als Teilkaskoversicherung gedachten Pflegeversicherung zu sehen. Es muss für die Zukunft eine Überzeugung hergestellt werden, dass wir mehrere Finanzierungswege brauchen und dabei auch die Rolle des eigenen Vermögens sehen müssen. Möglicherweise brauchen wir neue Vorschläge, dort zusätzliche Versicherungen zu installieren.
Aber ich denke, dass wir eines brauchen, nämlich Klarheit und Sicherheit, dass die Pflegeversicherung als solche der zentrale Bestandteil ist und sie sich bewährt hat. (Beifall der SPD und bei der FDP)
Innerhalb der Qualitätskampagne werden wir den Schwerpunkt legen auf Qualitätssicherung, auf die Verbesserung der Fachkräftesituation, auf die Frage, wie altersdementen Menschen besser geholfen werden kann, und auch auf das Thema des Verbraucherschutzes für Pflegebedürftige und für ihre Angehörigen. Diese im Zuständigkeitsbereich des Landes liegenden Ziele sind zunächst unabhängig vom Leistungssystem der Sozial- und Pflegeversicherung zu sehen, das aus dem Beitragsaufkommen der Versicherten finanziert werden muss. Mehr Qualität in der Pflege bedeutet, ein gemeinsames Qualitätsverständnis aller Beteiligten zu entwikkeln und Wege aufzuzeigen, wie ein hohes Qualitätsniveau erreicht und gesichert werden kann.
Meine Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse des Kusanus-Gymnasiums Wittlich, Mitglieder von Spontan e. V., Mitglieder der Wählergemeinschaft Limburgerhof sowie Schülerinnen und Schüler der Hauptschule Leiningerland. Herzlich willkommen im Landtag!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Frage der Aktualität besteht meines Erachtens zumindest bei diesen beiden Fraktionen große Übereinstimmung. Ich danke dem Herrn Staatssekretär noch einmal für seine Einschätzung. Herr Kollege Marz, über Ihre Beurteilungen möchte ich lieber den Mantel des Schweigens legen. Es mag sein, dass Sie sehr spät informiert waren über diese Aktuelle Stunde, das kann aber auch die Qualität Ihres Beitrags nicht komplett abdecken.
Da müssten Sie schon ein wenig tiefer in die Dinge einsteigen. Von einer vorübergehenden Durststrecke zu sprechen, wohl wissend, dass wir von Jahr zu Jahr nur die Alternative haben, entweder die Leistungen einer Teilkasko in ein „Teilkasköchen“ zurückzuführen oder zusätzliche Mittel zu akquirieren, im Sinne der GRÜNEN wahrscheinlich am besten bei Arbeitnehmern oder Arbeitgebern, also da, wo die Arbeit belastet wird, ist sicherlich nicht die Antwort, die wir suchen.
Herr Kollege Rosenbauer, auch der Vorschlag der Zusammenlegung wurde in der Öffentlichkeit schon hinlänglich kommentiert. Ich möchte das mit einem Bild vergleichen: Wenn Sie zwei Autos haben, die mit leerem Tank am Straßenrand liegen, genügt es nicht, sie mit einem Abschleppseil zu verbinden, um sie wieder fahrtüchtig zu machen.
Das wird nicht klappen. Da stützt wirklich ein Kranker einen noch Kränkeren. Ich glaube, wir müssen konstruktiv mit den Vorschlägen umgehen, die auf dem Tisch liegen. Das sind durchaus die Vorschläge der FDP, auch unterschiedliche Kategorien auf Dauer zu bilden, um die Pflegeversicherung, so wie wir es alle beteuern, erhalten zu wollen. Ich bin vom Grundsatz her überzeugt, dass die Basis der Pflegenotwendigkeit subsidiär geregelt werden muss durch Eigenvorsorge, vielleicht auch durch Ansparmodelle, wie wir das in der Rente jetzt auch nicht optimal gelöst haben, aber wo wir uns wenigstens vom Grundsatz her verständigt haben. Ich bin überzeugt davon, dass wir statt der lohnzusatzbezogenen Finanzierung zumindest mittelfristig in ein kapitalgedecktes Verfahren müssen, und ich bin überzeugt davon, dass der Staat auch in der Pflegeversicherung irgendwo eine Rolle zu spielen hat, und zwar da, wo der Einzelne über alle Bemühungen hinaus überfordert ist. Da tritt der Staat irgendwo als Risikoabdeckung auf, also in Fällen, die so schlimm gelagert sind – monate- oder jahrelanges Wachkoma –, dass das keine Versicherung abdecken kann und auch keine Familie bewältigen kann.
Meine Damen und Herren, zu glauben – auch da darf ich noch einmal auf den Kollegen Marz eingehen –, dass wir
Zeit haben, ist eine so irrige Annahme, wie sie irriger nicht sein könnte. Herr Kollege Marz, Sie wissen doch so gut wie ich, dass die Rücklagen, die gebildet wurden, deshalb gebildet wurden, weil mit den Auszahlungen in der Pflegeversicherung gerade im teuren Bereich der stationären Pflege sehr viel später begonnen wurde, als damit begonnen wurde, das Geld über die Lohnabzüge einzusammeln.
Das ist das, was uns jetzt noch Luft zum Diskutieren gibt, aber nicht Luft zum Überleben der Pflegeversicherung auf Basis dieser Konstruktion.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Schmitz und Herr Staatssekretär Dr. Auernheimer, ich denke, bei einem so schwierigen Thema mit siebeneinhalb Minuten Redezeit zu versuchen, etwas Gescheites herüberzubringen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Damit wird man dem Thema nicht gerecht.
Man kann dann auch nicht einmal so locker nebenbei hier hinwerfen, da müsste man einmal darüber nachdenken, ob man das noch über die Erwerbskosten finanziert oder ganz anders finanziert.
Das ist aber keine adäquate Art, mit der Frage umzugehen, sie hier nur in den Raum zu werfen, Herr Dr. Schmitz.
Sie benennen die Themen. Man kann in siebeneinhalb Minuten vielleicht das Problem anreißen. Man kann allgemein Lösungswege einmal anzeigen, aber auch nur anzeigen. Ob sie jemals realistischerweise gegangen werden können, ist doch in dieser Art und Weise unmöglich zu bewältigen.
Ich halte es für ein so wichtiges Thema, dass man sich wirklich sehr ausführlich damit beschäftigen muss, aber nicht in einer Hauruck-Aktion und über das Knie gebrochen.
Wir müssen uns dafür Zeit nehmen. Ich denke, wir haben Zeit. Ihre Aktuelle Stunde heißt „Zukunft der Pflege“, zwar Zukunft der Pflege unter Berücksichtigung der finanziellen Situation der Pflegeversicherung, aber Zukunft der Pflege ist für mich bei weitem mehr als das, was wir heute in Teilen gehört haben.
Ich will dann auch wirklich ein Stück weiter schauen. Wie sieht es 2030 oder 2040 aus? Sie haben doch nur die Jahreszahl in den Raum geworfen. Es wird überall zu Recht die Demographie genannt, aber doch immer nur vor dem Hintergrund, wie wir das finanziell bewältigt bekommen. Ich will versuchen, die kurze Zeit zu nutzen, um ganz kurz einmal ein paar wenige Fakten zu dem Thema zu nennen. Wir werden nicht nur eine geringere Bevölkerungszahl in den nächsten 30 Jahren haben, sondern wir werden eine drastische Verschiebung haben in eine alte Bevölkerung hinein, der nur noch ein geringer Teil junger Bevölkerung gegenübersteht.
2001 kommen auf jeden Menschen, der 60 und älter ist, noch 2,6 Menschen in Deutschland, die im erwerbsfähigen Alter sind. Ob die erwerbstätig sind, sagen wir dabei noch nicht einmal.
2030 – das ist gar nicht so lange hin; das gilt also für alle diejenigen, die jetzt 33 Jahre alt sind – kommen auf jeden Menschen in Deutschland, der 60 Jahre und älter ist, nur noch 1,4 Personen im erwerbsfähigen Alter.