Protocol of the Session on November 6, 2002

ter zu den Wahlen entsenden und auch finanzielle Unterstützung leisten, um den zarten Demokratisierungsprozess auf seinem Weg zu verstärken und fortzusetzen.

Danke schön. (Beifall im Hause)

Es spricht nun Herr Abgeordneter Dr. Geisen.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was haben wir mit Ruanda zu tun? Haben wir nicht selbst genug Probleme? – Diese Worte konnte ich als Reaktion auf unsere Aktivitäten in diesem Jahr mancherorts hören, aber auch sinngemäß lesen. Wären solche Äußerungen nicht als Frage formuliert, so müsste man sie als unmenschlich, unchristlich und unqualifiziert zurückweisen. So aber sind sie als Mangel an Kenntnis zu werten.

Ich konnte mich im Rahmen einer Delegationsreise im Juli dieses Jahres von dem Wert und den Erfolgen der 20-jährigen Partnerschaft überzeugen lassen. Den Initiatoren des Projekts kann man nur danken. In den 20 Jahren Partnerschaft mit Ruanda, einem der ärmsten Länder des afrikanischen Kontinents, wurden viele Partnerschaftsprojekte über das Land verteilt gestartet und entwickelt. Dabei gilt gerade die Vielzahl der Projekte als bezeichnend, da sie viele Lebensbereiche abdecken und unbürokratisch die Probleme aufgreifen.

Viele Städte, Kommunen und Schulen haben Partnerschaften gegründet. Viele Menschen der beiden Länder sind sich näher gekommen und Freunde geworden. Die überwiegend positive Entwicklung in Ruanda, die erfolgreichen Projekte geben den Initiatoren Recht. Es ist nur gut und richtig, dass wir gerade die schwächeren Länder durch Partnerschaften unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es sind in Ruanda gerade die Frieden stiftenden Beiträge, die den Menschen sehr helfen. Insbesondere die existenziellen Bereiche Gesundheit, Bildung, Trinkwasserversorgung, berufliche Bildung, Ausbildung und Landwirtschaft sowie das Sozialwesen sind in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht worden. Gerade die elementar wichtige Trinkwasserversorgung, aber auch die anderen genannten Bereiche müssen auch in Zukunft weiter ausgebaut und gefördert werden, um den Menschen in unserem Partnerland ein besseres Leben zu ermöglichen.

Es ist richtig, dass Rheinland-Pfalz immer an der Partnerschaft mit Ruanda festgehalten hat, auch während und nach dem Genozid. Dafür danken uns alle Bevölkerungsgruppen. Das Land hat gerade durch unsere ausdauernde Unterstützung innere Stabilität bewahrt und auf mehr Menschlichkeit gesetzt.

Vielen Dank. (Beifall im Hause)

Es spricht Herr Abgeordneter Wiechmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frieden, Demokratie, Rechtstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte sind die Pfeiler, auf denen die Zukunft unseres Partnerlandes aufgebaut werden muss. Herr Minister Zuber, so haben Sie es vor einigen Tagen vor der Nationalen Kommission für Einheit und Versöhnung in Kigali genannt.

Meine Damen und Herren, wenn ich diese Aufzählung ergänzen darf, würde ich gern noch die Begriffe „Solidarität“, „Toleranz“ und auch „nachhaltige Entwicklung“, die gerade auch für die Staaten der so genannten Dritten Welt als eine große Chance begriffen werden können, hinzufügen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wenn man einmal dort war, sieht man vieles mit anderen Augen. Man kommt anders zurück, als man hingefahren ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das darf ich ihnen auch aus eigener Erfahrung sagen. Mit Skepsis, zwiegespalten und auch mit ein wenig Angst trat ich ganz persönlich meine erste Reise im Juli dieses Jahres mit dem Ministerpräsidenten und einer Delegation an. Heute kann ich ihnen sagen, ich war positiv überrascht über die Entwicklung, die es in diesem Land gegeben hat. Nur acht Jahre nach einem der fürchterlichsten Völkermorde der Geschichte ist dieses wunderschöne Land sicherlich auf einem erstaunlich guten Weg.

Ohne irgend etwas beschönigen zu wollen, bin ich der festen Überzeugung, dass auch von den politisch Verantwortlichen ein guter Neuanfang gemacht worden ist, der unbedingt unterstützt und weitergeführt werden muß. Beispielhaft sei nur die Erfüllung des Friedensabkommens von Pretoria im Juli dieses Jahres erwähnt. Mittlerweile sind alle im Kongo stationierten ruandischen Truppen abgezogen worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser sehr hoffnungsvollen Entwicklung hat ohne Zweifel auch die schon seit 20 Jahren bestehende Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda einen kaum zu unterschätzenden Anteil. Diese Partnerschaft hat einen Rahmen, der in einem Modell dezentralisierter, bürgernaher und grundbedürfnisorientierter Entwicklungszusammenarbeit sowohl bei uns in Rheinland-Pfalz als auch bei unserem Partnerland Ruanda eine sehr breite Resonanz und Zustimmung erhält.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass es hier und heute angebracht ist, den zahlreichen Landkreisen, Gemeinden, Schulen, Universitäten, Kirchengemeinden und Einzelpersonen sowie auch privaten Initiativen, die gemeinsam mit uns, mit dem Landtag, mit der Landesregierung in den letzten 20 Jahren mit den ruandischen

Partnern zusammen zahlreiche Projekte umgesetzt haben, zu danken.

(Beifall im Hause)

Ohne sie alle wäre diese Entwicklung einer so partnerschaftlichen Zusammenarbeit nicht möglich geworden. Sie sind es, die diese Graswurzelpartnerschaft lebendig halten und pflegen und insbesondere auch den dezentralen Partnerschaftsansatz stärken.

Meine Damen und Herren, von dieser Partnerschaft gehen viele Signale der Hoffnung aus, die – so habe ich es wenigstens gespürt und erlebt – gleichzeitig auch die Chance bieten, den Versöhnungs- und Demokratisierungsprozess, dessen Notwendigkeit und Richtigkeit auch von der ruandischen Seite gesehen wird, weiter zu stärken. Durch diese Partnerschaft haben wir die Chance, aber wir haben eben auch die Verpflichtung, weiterhin lautstark und vehement für die Wahrung der Menschenrechte einzutreten und zur Entwicklung rechtsstaatlicher Strukturen über den eingeleiteten Versöhnungs- und Demokratisierungsprozess beizutragen,

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wie beispielsweise durch eine weitere Unterstützung beim Aufbau einer staatlichen und einer Verwaltungsstruktur.

Unser rheinland-pfälzisches Engagement muss weiterhin vor allem das Ziel haben, dieses Land auf seinem Weg hin zu mehr Demokratie und Stabilität zu unterstützen.

Hierbei kommt insbesondere der Armutsbekämpfung und der Bildung die größte Bedeutung zu.

Die Stärkung der Zivilgesellschaften und der friedensund versöhnungsbereiten Kräfte in Ruanda – dies gilt im Übrigen auch in allen anderen Konfliktregionen der Welt – muss auch weiterhin der elementarste Bestandteil der Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda sein; denn es ist der wesentliche Bestandteil jeglicher Konfliktprävention und Krisenbewältigung. Dies ist aus meiner sowie der Sicht meiner Fraktion der Schlüssel hin zu einer demokratischen und nachhaltigen Stabilität des Landes.

(Glocke des Präsidenten)

Lassen Sie uns weiterhin aktiv diesen Prozess der Versöhnung und Demokratisierung mittragen und beschleunigen. (Beifall im Hause)

Ich erteile Herrn Staatsminister Zuber das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Zeit vom 21. Oktober bis 2. November 2002 habe ich zum fünften Mal unser Partnerland Ruanda besucht.

Ziel dieser Reise war es, den Fortgang verschiedener Partnerschaftsprojekte, die in den vergangenen Jahren durchgeführt wurden, zu überprüfen und neue Projektvorhaben mit den ruandischen Partnern abzustimmen.

Ich bin zwölf Tage lang kreuz und quer durch das Land gefahren und war dabei auch in Gegenden, die ich bislang aus Sicherheitsgründen nicht besuchen konnte.

Wenn man zwölf Tage lang in Ruanda war, werden die Probleme, über die wir uns in unseren Breitengraden die Köpfe heiß reden, allenfalls zu Problemchen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ein wesentlicher Aspekt der Reise war natürlich auch die Bewertung der aktuellen politischen Situation Ruandas, zum Beispiel die Ausarbeitung der neuen ruandischen Verfassung, die Vorbereitung der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, der Beginn der traditionellen Gerichtsbarkeit „Gacaca“ in Ruanda oder aber der Stand des militärischen Konflikts mit der Republik Kongo.

Ich möchte zunächst einige Worte zur außenpolitischen Situation sagen. Ruanda hat seinen Teil des Friedensabkommens von Pretoria, das im Juli 2002 unterzeichnet worden ist, erfüllt. Alle im Kongo stationierten ruandischen Soldaten wurden abgezogen.

Nun ist die Republik Kongo gefordert, die ruandischen Milizen, die sich seit dem Genozid von 1994 auf kongolesischem Staatsgebiet aufhalten, an die ruandische Regierung auszuliefern.

Im Herbst dieses Jahres hat die traditionelle Gerichtsbarkeit „Gacaca“ ihre Arbeit in allen Teilen Ruandas aufgenommen. Ziel dieser traditionellen Gerichtsbarkeit ist es, für die rund 120.000 immer noch im Gefängnis einsitzenden Verdächtigen nun rasch Gerichtsprozesse durchzuführen. Ich hatte während meiner Reise Gelegenheit, an einem solchen Verfahren teilzunehmen. Der Ablauf dieses Verfahrens hat mich zutiefst beeindruckt.

Nicht nur die souveräne Verhandlungsführung durch den Vorsitzenden des Gerichts – dies spricht für eine gute und intensive Vorbereitung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter seitens der Regierung –, sondern auch das überaus große Interesse seitens der Dorfbevölkerung haben mich davon überzeugt, dass es im Sinn von Aussöhnung und Gerechtigkeit das richtige Verfahren ist, um in einem realistischen Zeitrahmen die Verarbeitung der tiefen Wunden, die der Genozid geschlagen hat, bewältigen zu können.

Sicherlich müssen auch Abstriche bezüglich einer hundertprozentigen Unabhängigkeit und juristischen Korrektheit der „Gacaca“-Prozesse gemacht werden. Aber es stellt sich gleichzeitig die Frage nach einer realistischen Alternative. Es würde Jahrzehnte, um nicht zu sagen Jahrhunderte dauern, um für alle 120.000 Inhaftierten klassische Prozesse nach unseren Vorstellungen durchzuführen.

Eine Amnestie für alle Inhaftierten würde jedoch von den Überlebenden des Genozids und den Familienangehörigen der Toten zu Recht nicht akzeptiert werden können.

Insofern sind die „Gacaca“-Verfahren das einzige Instrument, um die von der ruandischen Regierung angestrebten Ziele „Gerechtigkeit“ und „Versöhnung“ zu erreichen.

In diesem Sinn bewerte ich auch die hochkarätig besuchte und mehrtägige Veranstaltung der Nationalen Kommission für Einheit und Versöhnung, bei der ich auch die Gelegenheit hatte, unseren ruandischen Partnern ein weiteres Mal die Unterstützung und Begleitung durch das Land Rheinland-Pfalz zusichern zu dürfen.

Meine Damen und Herren, der Grundsatz, die Basis direkt mit einzubeziehen und die betroffenen Menschen selbst über die Entwicklung ihrer Gemeinde und ihrer Projekte entscheiden zu lassen, hat die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen der ruandischen und der rheinland-pfälzischen Bevölkerung von jeher geprägt.

Das gilt entsprechend auch für die politische Ebene. Nur wenn Menschen unterschiedlicher politischer Auffassungen die Möglichkeit haben, sich in Parteien zu organisieren und ihre politische Meinung öffentlich zu vertreten bzw. zu publizieren, ist eine offene gesellschaftspolitische Debatte über alle Probleme des Landes möglich. Dies habe ich auch in aller Deutlichkeit vor dem Kongress gesagt.

Im Sinn der Aufrechterhaltung des inneren Friedens und für das weitere Bestreben nach Versöhnung und nationaler Einheit halte ich diese Forderung für unabdingbar, die in dem Sinnspruch gipfelt: „Die Demokratie ist die politische Form der Menschlichkeit.“

Die ruandische Regierung arbeitet derzeit an einer neuen Verfassung. In einem sehr langwierigen, weil sehr auf die Mitwirkung der Bevölkerung ausgerichteten Verfahren werden derzeit die Vorstellungen der Menschen über das zukünftige politische System des Landes erfragt. Über den endgültigen Verfassungsentwurf soll die ruandische Bevölkerung im Frühjahr nächsten Jahres in einem Referendum abstimmen.

Gleichzeitig will die ruandische Regierung im nächsten Jahr Parlaments- und Präsidentschaftswahlen durchführen.

Der Vorsitzende der ruandischen Wahlkommission hatte sich bereits Mitte Oktober bei uns in Rheinland-Pfalz bei verschiedenen Institutionen, unter anderem beim Landtag, beim Landeswahlleiter und bei der Landeszentrale für politische Bildung über inhaltliche und organisatorische Fragen einer Wahl informiert.

Meine Damen und Herren, mein Besuch hat mich ein weiteres Mal von der Ernsthaftigkeit der Bemühungen der ruandischen Regierung nach Schaffung von Demokratie und Stabilität überzeugt.

Natürlich gibt es auch viele kritische Fragen. In einem Land wie Ruanda, in dem politische Macht bislang immer auch mit wirtschaftlicher Macht einherging, ist der Weg zu demokratischen Strukturen lang und dornig.