Protocol of the Session on August 29, 2002

auch darum, einen pragmatischen Weg zu finden. Wir müssen einen Weg finden, der gangbar ist. Es nutzt nichts, wenn wir uns in Dogmatismus und Doktrinen verheddern. Wir müssen den Hochwasserschutz für alle Menschen herstellen.

Zur weitergehenden Hochwasservorsorge durch Flächenvorsorge und Verhaltensvorsorge: Die Diskussion über die Flächenvorsorge ist sicherlich die Diskussion, die wir vor Ort in der Kommunalpolitik mit steuern können. Der aktuelle Vorschlag für den neuen Raumordnungsplan sieht vor, dass die Tiefgestade als Vorbehaltund Vorrangflächen dem Hochwasserschutz gewidmet werden sollen. Das findet in der Kommunalpolitik nicht immer großen Anklang. Hierbei gilt es aber, in einem sachorientierten Dialog Überzeugungsarbeit zu leisten.

Dafür plädiere ich; denn es geht doch wirklich um den Schutz der Menschen in Rheinland-Pfalz. Ich warne davor, Panikmache zu betreiben und zu sagen: Schaut einmal, so würde das aussehen, wenn hier die gleiche Menge Regen fallen würde. – Das war eine außergewöhnliche meteorologische Konstellation. Das Tief, das sich über dem Mittelmeer zusammengebraut hat, konnte sich deshalb, weil es im Sommer entstanden ist – eigentlich ist das eine Konstellation für das Frühjahr oder für den Herbst –, immens mit Feuchtigkeit vollsaugen. Wir hatten eine ähnliche Konstellation 1997 bei dem Oder-Hochwasser. Das entbindet uns natürlich nicht von der Diskussion,

(Glocke des Präsidenten)

inwieweit wir Menschen Einfluss auf unser Klima nehmen. Ich hoffe, dass auf dem Umweltgipfel in Johannesburg auch diese Frage behandelt wird.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Creutzmann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Braun, ich halte es für sehr unredlich, was Sie tun. Ich will das in aller Sachlichkeit sagen. Sie haben eben Altrip angesprochen. Da gibt es einen einstimmigen Ratsbeschluss gegen den Polderbau mit den Unterschriften aller. Das, was von Ihrer Gruppierung vertreten wird und direkt die GRÜNEN unterstützt, ist auch dagegen.

(Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hören Sie doch einmal ganz ruhig zu. Lassen Sie mich doch auch einmal etwas sagen.

In der Gemeinde Neuhofen gibt es einen einstimmigen Ratsbeschluss aller Fraktionen – CDU, SPD und FDP; die GRÜNEN sind dort nicht vertreten –, die dagegen sind. Das muss man zur Kenntnis nehmen.

Das ist zwar nicht mein Wahlkreis, aber ich war in Waldsee, und ich persönlich sage den Menschen dort nichts anderes als das, was ich auch im Parlament sage. Ich habe darauf gedrungen, dass die Hördter Rheinauen als Retentionsraum aufgenommen werden. Ich habe gesagt, dass damit nicht die Illusion verbunden ist, dass dadurch die Polder in Römerberg oder in AltripNeuhofen verschwinden. Wir brauchen die 60 Millionen Kubikmeter Retentionsraum. Ich war bei den Menschen und habe gesagt, dass man sie ernst nehmen soll. Frau Ministerin, dass ist auch Appell an Sie, einen Dialog zu führen und den Menschen die Ängste zu nehmen.

Dort gibt es einen Landwirt, der mir sagt: Wenn wir den Retentionsraum bekommen, dann kann ich keinen Vertragsanbau mehr machen. – Man muss zur Kenntnis nehmen, dass das natürlich die Existenz des Landwirts bedeuten kann. Dennoch kann ich das nicht nachvollziehen; denn wenn ein Hochwasser kommen würde, kann ich natürlich von dort keine Ernte in den Verkehr bringen. Aber nur deshalb, weil ich dort einen Retentionsraum vorsehe, kann ich nicht sagen, es gibt dann keinen Vertragsanbau mehr, wodurch die Existenz des Landwirts in Frage gestellt wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Braun, die FDP greift die Probleme vor Ort auf und diskutiert sie mit den Menschen. Allerdings weisen wir mit aller Entschiedenheit zurück, wenn Sie in Presseerklärungen von schizophrener Politik der FDP sprechen. Deshalb sollten Sie nicht so empfindlich sein. (Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie beschweren sich über den Kollegen Hohn. Man kann darüber diskutieren, ob seine Äußerungen parlamentarisch korrekt waren. Sie wählen aber auch nicht immer eine Ausdrucksweise, dass man nicht beleidigt sein könnte.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Braun das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Creutzmann, nur zur Aufklärung: Die Tischvorlage der FDP zur Pressekonferenz, die sie mit niemandem vor Ort abgestimmt haben, ist Ihr Problem. Die FDP hat aber auf der ersten Seite zweimal die GRÜNEN mit Panikmache usw. angegriffen. Wir hätten die Absicht, mit der Not und dem Elend der Bevölkerung in Deutschland Wahlkampf zu betreiben. Damit haben Sie angefangen.

Hören Sie auf, sich angegriffen zu fühlen. Lassen Sie die Tatsachen so stehen und hören Sie auf, inhaltsleer

einfach immer nur den Versuch zu unternehmen, den Wahlkampf gegen die GRÜNEN zu führen. Wir diskutieren ein ernstes Thema. Das ernste Thema sollten wir nicht so diskutieren, wie das durch Herrn Hohn geschehen ist, sondern für dieses ernste Thema sollten wir gemeinsam nach Lösungen suchen. Genau darum ringen wir, und genau darum ringen auch die Menschen vor Ort beispielsweise beim Polderbau.

Ich will das nicht zum Zentrum machen, aber ich muss das noch einmal erklären: Bei dem Polder in Altrip handelt es sich um ein Bauwerk, das Einlass und Auslass an derselben Stelle hat. Wenn das Wasser hinein fließt, bleibt es lange im Polder stehen, bis es wieder ablaufen kann. Andere Polder sind anders gestaltet.

Der Auwald kann sich renaturieren oder sich wieder bilden, wenn der Deich zurückverlegt ist. Deshalb ist die Hördter Rheinaue als Retentionsraum durchaus diskutierenswert und mit 17 Quadratkilometern und einem Einstauvolumen von 17 Millionen Kubikmetern nach meiner Schätzung – vielleicht sind es mehr, oder vielleicht sind es auch weniger – natürlich auch in die Diskussion einzubeziehen.

Es geht aber nicht mehr – das muss in das Bewusstsein eindringen – um die Diskussion, ob ein Landwirt eventuell Äcker abgeben muss. Nein, für den Schutz, den wir benötigen, müssen viele die Äcker aufgeben. Das ist nun einmal so. Manche müssen auch ihr Campinggrundstück aufgeben. Auch das ist so. Wenn zum Beispiel bei Wörth eine Raffinerie schließt und nach Indien verkauft wird, müsste man dort renaturieren und dort Hochwassergebiete ausweisen und nicht neue Gewerbegebiete ansiedeln.

(Kramer, CDU: Das sind aber Arbeitsplätze!)

Herr Kramer, ja, da gibt es die Problematik, dass wir dann sofort wieder in die Diskussion hineinkommen, dass es sich um Arbeitsplätze handelt. Natürlich wollen wir auch Arbeitsplätze. Müssen wir die aber in den Rheinauen ansiedeln oder haben wir vernüftige Instrumentarien in den Kommunen, die woanders auszuweisen?

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Kramer, CDU)

Da entstehen dann 1.000 Arbeitsplätze. Wir können das nicht demgegenüber abwägen, dass dann wieder andere Katastrophen entstehen. Ich fordere die Sensibilität vor Ort, dass dem Rhein wieder Platz zurückgegeben wird, wenn solche Möglichkeiten bestehen. Das muss die Politik der Landesregierung sein und das muss auch die Politik des Parlaments in Einigkeit sein. Das ist meiner Meinung nach für die Zukunft sehr wichtig.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben 1998 eine ähnliche Debatte geführt. Da ging es allerdings um ein Winterhochwasser. Damals hat Herr Staatssekretär Härtel – damals noch im Umweltm inisterium – die Niederschlagsmengen genannt. Es waren keine 200 mm im Oktober, also in einem Monat. Er

merkte damals an: Das sind Mengen, die sonst nicht auf uns zukommen.

An der Elbe oder an den Flüssen, die in die Elbe münden, waren es nun 400 mm verteilt über mehrere Tage, aber konzentriert an einem Tag über 300 mm. Wir mögen davon profitieren, dass wir mit den Vogesen eine andere Lage als im Erzgebirge haben, aber ein solches Ereignis in Rheinland-Pfalz oder am Rhein muss uns zum Umdenken zwingen. Der technische Hochwasserschutz würde nichts mehr nützen. Wir müssen all das, was wir in Zukunft tun, auch darauf ausrichten, dass wir so bauen, die Kommunen so erweitern und die Deiche so ertüchtigen, dass solch verheerende Überschwemmungen bei uns nicht passieren können. Wir brauchen also Platz für Rheinauen, wir müssen renaturieren, und wir können das Hochwasser nicht mit technischen Bauwerken steuern.

Insgesamt ist es wichtig – das sollte die Diskussion noch einmal deutlich machen –, die Nachhaltigkeit in den Vordergrund zu stellen. Das gilt nicht nur für die Arbeitsplätze in den Rheinauen, sondern auch für die Energiepolitik. Wir müssen jetzt umsteuern. Es ist ohnehin schon fast fünf nach zwölf. Wenn wir jetzt nicht umsteuern, werden wir das nicht mehr lenken können, was auf uns zukommt.

Die Rückversicherer sind inzwischen anscheinend die Freunde der GRÜNEN. Sie haben nämlich ausgerechnet, welche Schäden für das Bruttosozialprodukt entstehen, wenn wir so weiter machen. Die Rückversicherer haben in einer Studie festgestellt, dass in 50 Jahren das Schadensvolumen durch Wetterkatastrophen – wenn wir den Weg nicht ändern – das Bruttosozialprodukt der Welt übersteigt.

(Glocke des Präsidenten)

Das ist also ein Weg, den wir nicht mehr gehen können. Wir wollen keine ideologische Debatte, sondern wir wollen eine Vernunftdebatte führen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Licht das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich setze bei Ihrem Appell an, den Sie an die Union gerichtet haben. Es ist meiner Meinung nach auch ein untauglicher Versuch und man wird der Debatte nicht gerecht, wenn Sie gerade als Ministerin an dieses Pult treten und Gemeinsamkeit in wichtigen Fragen einfordern, aber wenn Sie dann selbst versuchen, Keile in die Gemeinsamkeit hineinzutreiben.

(Beifall der CDU)

Sie wissen genau – ich muss das in aller Deutlichkeit sagen –, dass es vor Ort natürlich auch Christdemokraten gibt, die anders denken. Das gilt aber vor allen Dingen auch – wir haben es gehört – für die FDP. Wir wissen auch, dass es Sozialdemokraten gibt, die dort anders denken.

(Kramer, CDU: SPD-Bürgermeister! – Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Selbst GRÜNE!)

Herr Kollege Braun, richtig, selbst GRÜNE. Wir wollen einmal festhalten, dass es auch um Empfindlichkeiten vor Ort geht, zum Beispiel um das Kehren vor der eigenen Haustür. Wir wollen das überhaupt nicht ausschließen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir sprechen über RheinlandPfalz und darüber, dass es beispielsweise über den Einbezug der Hördter Rheinauen - das haben wir von fast allen Seiten gehört - seit über sieben Jahren Einigkeit im Parlament gibt. Sie haben aber bis heute diese Frage nicht geprüft. Das stand bereits 1996 in Ihrem Koalitionsvertrag. Sie geben keine Antwort darauf, ob Sie dies tun oder nicht und in die Verhandlungen vor Ort einfließen lassen. In diesem Zusammenhang erwähne ich auch die Erhöhung der Deiche, die vor Ort gefordert wird.

Es ist unseriös, wie Sie damit umgehen. Sie sagen vor Ort, Geld spielt keine Rolle. So werden Sie in der Zeitung zitiert. Ist das so? Wissen das Ihr Finanzminister und Ihr Kabinett?

(Beifall des Abg. Jullien, CDU)

Sie machen es sich ein bisschen zu einfach.