Protocol of the Session on June 19, 2002

Herr Creutzmann, ja, es geht um eine bestimmte Formulierung von damals, die mich erregt hat. Vorsichtig. Da gibt es zwischen uns sicher Übereinstimmung.

Beides sind Sozialdemokraten. Eine erste Auswirkung der Diskussion ist, dass das Ganze geteilt wird, der für Industriepolitik zuständige Kommissar Liikanen aus Finnland wird das Zulassungsrecht, das „Reach“-System federführend übernehmen. Frau Wallström wird die Prüfungsfrage und die damit zusammenhängenden Fragen übernehmen. Hier ist eine erste Richtung im Sinn eines hoffentlich besseren Ergebnisses eingeschlagen worden.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, Bundesregierung hin oder her, Herr Dr. Braun, bei aller Ergriffenheit über Herrn Trittin, wie die GRÜNEN im nächsten Jahr im Europäischen Parlament stimmen werden, interessiert mich genauso wie das Abstimmungsverhältnis der Sozialdemokraten. Das sollte ganz offen mit einbezogen werden.

(Beifall der CDU)

Es spricht noch einmal Herr Abgeordneter Dr. Schmitz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Braun, der Wahrheit die Ehre. 20.000 Arbeitsplätze ist in der Tat eine Zahl, die möglicherweise nicht zutrifft. Wenn man das der Diskussion heute hinzufügt, was Ihre Partei und Sie namentlich in der Vergangenheit im Zusammenhang mit der Chlorchemie in Deutschland zum Ausdruck gebracht haben, dann würden Sie in der Tat mit 20.000 Arbeitsplätzen nicht zurechtkommen.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach Gott, jetzt kommt wieder die olle Kamelle!)

Das wären sehr viel mehr, die dann auf dem Spiel stünden.

(Beifall der FDP)

Ich bedanke mich ausdrücklich für diese verklausulierte Aussage, Herr Dr. Braun. Das haben Sie sicherlich so gemeint.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Braun, ich komme jetzt zu einem weiteren Punkt.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?)

Ich finde es perfide, wie Sie die diffusen Ängste, die mit dem Wort Chemie verbunden sind, so drehen und wenden, dass Sie den Eindruck erwecken, die Chemieindustrie sei nicht zuallererst an einem hohen Maß an Produktionssicherheit und an einem hohen Maß an Gefährdungsausschluss für ihre Mitarbeiter interessiert.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wissen doch alle, welche verheerenden Unglücke es bei der BASF in den letzten 100 Jahren gegeben hat und auf welchem Maß die Chemieindustrie von kleinen Unternehmen bis zum großen in die Betriebssicherheit, in die Unfallverhütungsvorschriften und in die Gefährdungsminderung hineingesteckt haben. Der Industrie, die dies in einem hohen Maß an Eigenverantwortung getan hat, jetzt unterjubeln zu wollen, dass sie sich doch

im Grunde im Schulterschluss mit allen anderen genau hinter dieses Weißbuch stellt, ist einfach falsch, Herr Dr. Braun. (Beifall der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Sie wissen um diese 19 eingebrachten Punkte. Warum erwähnen Sie sie mit keinem Wort? Sie tun dies, weil Sie nicht in Ihr Konzept passen. Ich erneuere es noch einmal: Das ist das Konzept diffuser Ängste. Ich bin überzeugt davon, die der Chemie nahen Organisationen wie Berufsgenossenschaft, Arbeitsschutzexperten, Arbeitsmedizinier sollten sehr wohl ein Wörtchen mitreden, wenn es darum geht, wie die Details nachher in europäischen Vorschriften auszusehen haben.

Was Ihr Parteifreund Trittin in diesem Zusammenhang anrichtet, sollte hier auch erwähnt werden. Er spielt eine unselige Rolle als Bremser und als jemand, der diese vernünftigen gemeinsamen Vorschläge, die von Politik, Arbeitnehmerschaft und Industrie – mittelständischer und Großindustrie – getragen werden, hintertreibt und vernünftige Kompromissvorschläge zunichte macht.

(Beifall des Abg. Creutzmann, FDP)

Das ist in Wirklichkeit die Rolle, die Herr Trittin spielt. Er sollte sich daran orientieren, dass er seinem Amtseid verpflichtet ist und nicht seinem Parteibuch, Herr Dr. Braun. Das sollten Sie ihm einmal mitteilen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion bedankt sich ausdrücklich bei dem Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz. Wir bedanken uns ausdrücklich bei unserem Wirtschaftsminister.

(Wirz, CDU: Das musste ja jetzt kommen!)

Ich möchte auch deutlich machen, dass die rheinlandpfälzische Umweltministerin in diesem Zusammenhang eine großartige konstruktive Rolle gespielt hat.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der SPD – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weihrauch!)

Meine Damen und Herren, selbstverständlich unterstützen wir die grundsätzlichen Ziele dieses Europäischen Weißbuchs. Natürlich sind wir uns im Ziel, für Mensch und Umwelt die Sicherheit im Umgang mit Chemikalien zu erhöhen, einig. Das ist gar keine Frage. Ich erwähne es aber noch einmal, wir wollen auch respektieren und honorieren, in welcher Art und Weise die chemische Industrie in den vergangenen zwei Jahrzehnten ein verantwortungsbewusstes Chemikalienmanagement aufgebaut und betrieben hat. Sie handelt verantwortlich im Sinn von „responsible care“. Das wurde auch von unabhängigen Stellen immer wieder betont. Wirtschaftliche Belange – das sagt die chemische Industrie – dürfen keinen Vorrang haben gegenüber Sicherheit, Gesund

heit und Umweltschutz. Das muss der Chemieindustrie niemand beibringen. Das hat sie längst gelernt.

Meine Damen und Herren, wir unterstützen diese neunzehn Punkte. Das ist ein Verbesserungsbedarf, der noch umzusetzen ist. Für uns ist es ganz klar, dass ein Rheinland-Pfalz, in dem der Chemiestandort nicht gesichert ist, ein ärmeres Rheinland-Pfalz ist, ärmer nicht nur im Bruttosozialprodukt, sondern auch ärmer in Lebensqualität und an Arbeitsplätzen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Es spricht noch einmal Herr Abgeordneter Dr. Braun.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Schmitz, ich glaube, es ist für die Debattenkultur hier wichtig, dass Sie nicht in jeder Rede anfangen und uns Perfidie unterstellen.

(Staatsminister Bauckhage: Das müssen Sie gerade sagen!)

Sie können doch nicht sagen: „Was Sie sagen wollten, ist perfide“, und dann sagen Sie, was ich hätte sagen wollen. Sie sind mit keinem Wort auf meine Rede eingegangen. Sie bauen einen Popanz auf, weil Sie unsere Argumentation nicht treffen können. Ich sage Ihnen eins, ich werde mich nicht hinreißen lassen, hier über Möllemann und andere zu reden, genauso wie Sie das machen, einfach das Thema zu wechseln, Herr Dr. Schmitz.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für das Chemikalienrecht – ich habe mich auf dieses Papier berufen, das die neunzehn Punkte der Kritik auch umfasst – stünde es meines Erachtens dem Parlament in Rheinland-Pfalz gut an, die Nachricht und die Meldung nach außen zu transportieren: Ja, wir wollen eine europäische Regelung. Ja, wir wollen eine einheitliche Regelung. – Genauso, wie das zum Beispiel auch die leitenden Angestellten der BASF formuliert haben, muss dann die Botschaft aber nach außen transportiert werden. Was wir nach außen geben, ist doch immer nur: „Europa gefährdet Arbeitsplätze durch Umweltschutzrichtlinien. Europa gefährdet den Umsatz der Chemieindustrie. Die EU vertreibt die Chemieindustrie aus Mitteleuropa.“

Meine Damen und Herren, das stimmt doch alles nicht. Das ist doch alles falsch. Das sind zukunftsfähige Argumentationen, die von der EU-Kommission kommen. Natürlich kann man sich en détail darüber unterhalten, wie die ausgestaltet werden sollen. Aber man muss nach außen doch klar machen, grundsätzlich machen uns die EU-Vorschläge konkurrenzfähig und zukunftsfähig.

In den USA gibt es die Daten bei der EPA, bei der dortigen zentralen Umweltverwaltung. Auch Japan hat sein System. Das ist ein anderes System. Es ist nicht vergleichbar, aber es ist weiter gehend als unseres.

(Dr. Schmitz, FDP: Nein!)

Es ist weiter gehend als unseres im Moment. Da können Sie nur sagen, wir haben Nachholbedarf. Wir haben vor allem auch Nachholbedarf, wenn wir einen gemeinsamen Markt haben. Denken Sie doch einmal als Wirtschaftspolitiker. Wenn wir einen gemeinsamen Markt haben, dann brauchen wir gemeinsame Richtlinien für die Dinge, die wir in diesem Markt verkaufen wollen. Da ist die EU-Richtline genau das richtige Handlungsinstrument für die Ziele, die wir angehen wollen, meine Damen und Herren. Das kann uns wirtschaftlich nur nützen. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe den Eindruck, dass viele hier in diesem Parlament, wenn es von europäischer Ebene Vorgaben gibt, die ihnen nicht in den Kram passen, diese Vorgaben einfach mit den Hinweisen ablehnen: Die Schweden oder die Finnen und andere verstehen halt nicht, was in Mitteleuropa los ist.

Meine Damen und Herren, wir machen eine gemeins ame europäische Politik. Wenn Sie das hier nicht als fortschrittlich anerkennen, dann können Sie auch keine Erweiterung diskutieren. Was machen wir denn, wenn Polen, Ungarn, Tschechien und andere Länder auch Mitglied sind? Wie sollen wir denn damit umgehen? Sollen wir sagen: Es gilt nur das, was wir in Deutschland immer gemacht haben, das ist gut, und das andere ist schlecht?

(Schwarz, SPD: Das ist Quatsch!)

Wir müssen uns einigen.

(Schwarz, SPD: Das ist doch Quatsch! Wir haben doch gar keine Richtlinien!)

Die EU-Chemikalien-Richtlinie ist ein wichtiger Schritt zur Einigung. Ich kenne doch den Tanz, den Sie hier über die FFH-Richtlinie, demnächst über die Wasserrichtlinie und über die Vogelschutzrichtlinie aufführen. Da werden Sie hier genauso opponieren wollen. Jetzt ist die Chemikalienpolitik dran.

Meine Damen und Herren, EU-Politik muss man konstruktiv begleiten.

(Dr. Schiffmann, SPD: Jetzt werden Sie doch einmal konstruktiv!)

Ja bitte, hier sofort. Diese konstruktive Begleitung heißt, hier und jetzt zu sagen: Wir wollen diese Richtlinie unterstützen. – Wir wollen, dass zum Beispiel die Zulassungsbeschränkung zeitlich überprüft wird.