Protocol of the Session on June 19, 2002

Meine Damen und Herren, auf wen als Informationsgeber verlassen Sie sich? Einerseits haben Sie die Information vom VCI und der BASF, die Zahlen vorrechnen, die absolut nicht haltbar sind, 20.000 Arbeitsplätze wären in der Chemieindustrie in Rheinland-Pfalz gefährdet. Es würden auf die BASF Kosten von 500 Millionen Euro insgesamt innerhalb von 10 Jahren zukommen. Das sind absolute Obergrenzen, die in einem Horrorszenario errechnet wurden.

Wir sollten uns aber nicht auf Horrorszenarien von Lobbyisten beziehen, sondern wir haben politisch zu diskutieren. Wir müssen darüber reden, wie vernünftige Politik für Verbraucherinnen und Verbraucher umgesetzt werden kann.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie uns auch darüber diskutieren, welche Chemikalien wie untersucht werden müssen. Das ist der Fortschritt in der EU, dass es endlich eine Angleichung gibt, dass 30.000 Altstoffe, die auf ihre Gefährlichkeit hin getestet werden müssen, jetzt auch getestet werden sollen.

Lassen Sie uns noch einmal darüber reden, wie die EURichtlinie vom Verbraucherschutzaspekt zu sehen ist und welche positiven Auswirkungen sie hat. Es gibt gemeinsame Richtlinien in der EU, was sehr positiv ist. Das haben wir immer gefordert. Außerdem haben Verbraucherschützer und die Verbraucher selbst Einsichtsrechte in die Unterlagen, wie die Stoffe getestet wurden.

Wir haben jetzt die hohen Kosten, die auf uns zukommen, beispielsweise für die PCB-Sanierung, Dioxine, die ganzen Unweltverschmutzungen und für die Allergien, die es gibt. Das sind doch gesundheitliche Fragen, die mit den chemischen Stoffen zusammenhängen. Dann

können Sie doch nicht in Bausch und Bogen die EUPositionen kritisieren, was absolut nicht angebracht ist.

(Beifall des BÜNDIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen, dass der Verbraucherschutz in der EU gestärkt wird. In der nächsten Runde werden wir dies noch einmal näher darlegen können. Wir wollen, dass Chemikalien untersucht werden. Wir wollen, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben. Durch Innovationen, gerade auch im Bereich von Neustoffen, die gefährliche Altstoffe ersetzen sollen, können in der EU neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Auch dieses Szenario gibt es. Wenn Sie diskutieren, dann beachten Sie bitte beide Seiten und machen sich nicht zum Lobbyvertreter einer einzigen Seite.

(Glocke des Präsidenten)

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Schwarz das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist unbestritten, dass sich die zukünftige Chemikalienpolitik, die derzeit diskutiert wird, an den Interessen der Verbraucher orientieren muss. Nicht alles, was bisher hier vorgetragen wurde und was einzelne auch nach draußen hin artikuliert haben, entspricht immer dem Anspruch, dass es um den Verbraucher geht.

Herr Dr. Gölter hat schon einen entsprechenden Hinweis gegeben. Im Augenblick ist es ein Weißbuch, ein Vorschlag. Ich stimme mit Ihnen überhaupt nicht überein, dass es dann nicht die Möglichkeit geben kann – ich sage sogar muss –, dieses Weißbuch dahin gehend zu verändern, dass es dann, wenn es eine europäische Richtlinie wird, den Ansprüchen gerecht wird, die wir formulieren.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das macht die Bundesregierung doch!)

Es hilft überhaupt nicht, wenn Sie glauben, dann wird ein Abendessen gemacht, und dann wird etwas verändert. Wir sind schon der Meinung, dass es Korrekturen geben muss.

Sie haben auf das Papier hingewiesen, dass der VCI, die Gewerkschaft und die Politik gemeinsam erarbeitet haben. Herr Kollege Ramsauer hat im Übrigen schon darauf hingewiesen, wenn Sie unser Papier lesen und lesen dann das Papier, das zwischenzeitlich auf Bundesebene vereinbart wurde, dann sehen Sie, wir sind im Grunde der Stichwortgeber für das gewesen, was dort passieren wird.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich halte es für sehr schwierig, vermessen und arrogant, wenn Sie erklären, der BASF komme es auf etwas an. In den Gesprächen, die wir geführt haben, wurde immer wieder deutlich, dass vielmehr die kleinen und mittleren Betriebe massiv unter der derzeitigen Festschreibung leiden würden.

(Beifall bei SPD und FDP)

Wenn wir über Arbeitsplätze reden, dann wissen sie, dass in Rheinland-Pfalz rund 60.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davon betroffen wären. Mindestens 60 % davon sind Beschäftigte in kleinen und mittleren Betrieben.

Wir halten es für sehr schwierig, die derzeit im Weißbuch festgeschriebene Trennung zwischen den Alt- und Neustoffen so aufrechtzuerhalten. Wenn, dann muss es zu einer einheitlichen Regelung kommen. Wir halten es auch für sehr schwierig, wenn man, wie Sie es machen, sagt, wir kommen endlich in Europa zu einer einheitlichen Gesetzgebung. Ich halte sehr viel davon, wenn man dies formuliert. Man muss es aber auch wollen. Wir haben immer artikuliert, wenn es umgesetzt wird, dann muss es zu einer einheitlichen Regelung kommen. Dann muss es einheitlich umgesetzt werden.

Wir sehen aber die Problematik in Europa. Es muss dann auch in die Richtlinie hinein. Dann geht es nur so, dass es in europäischer Hand bleibt. Ich bin durchaus der Meinung, dass dies auch dann für die Europäer einfacher werden könnte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer glaubt, durch eine bessere oder stärkere Untersuchung dem Kern näher zu kommen, der muss sich vor Augen halten, in welcher Schwierigkeit sich Produkte gerade in diesem sensiblen Bereich befinden.

Auch die kleinen Betriebe haben eine massive Angst, dass mit der jetzt geforderten Datenlage jeder andere auf ihre Rezepturen Zugriff haben könnte. Das ist ein Punkt, an dem das Weißbuch massiv schwächelt. Da muss nachgebessert werden. Daten, die für die Produktion des Produkts notwendig sind, dürfen nicht öffentlich handelbar sein, damit Produkte nicht praktisch obsolet werden, wenn jemand die Daten kennt.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Gölter, ich halte es für sehr wichtig, dass wir den Emissionshandel behandeln. Er ist im Augenblick das uns zentral bedrückende Thema. Dort steht noch in diesem Jahr eine Richtlinienverordnung an. Wenn wir nicht aufpassen, werden wir den ersten Einbruch erleben. Wir müssen dort anfangen, uns massiv zu wehren. Wir haben es am Montag erlebt. Die Kalkindustrie hat ein massives Problem und kann unter Umständen ihre Produktion aufgeben. Ich meine, wer in diesem Land über Chemikalienpolitik redet, muss diesen Emissionshandel mit einbeziehen.

Schönen Dank.

(Beifall bei SPD und FDP)

Es spricht Herr Abgeordneter Dr. Gölter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wer Emissionshandel mit einbezieht, muss von Chemiepolitik und nicht von Chemikalienpolitik sprechen. Im Antrag zur Aktuellen Stunde steht Chemikalienpolitik. Deshalb bin ich davon ausgegangen, dass Sie ausschließlich die Chemikalienpolitik und nicht die Chemiepolitik erörtern wollen.

(Zuruf von der CDU: Genau richtig!)

Ich denke, da habe ich Recht. Das muss denjenigen, die es formuliert haben, klar sein.

(Beifall bei der CDU – Hartloff, SPD: Ob Chemikalien nichts mit Chemie zu tun haben?)

Nein, so nicht, Herr Abgeordneter.

Ich nenne noch einmal die wichtigen Punkte:

1. Es ist falsch, allein auf die Eigenschaften zu setzen und daraus eine umfassende Substitution abzuleiten. Man muss auch Verwendung, Wirkung und Nutzen einbeziehen.

2. Ganz entscheidend ist: Zwischenprodukte, vor allem in geschlossenen Systemen, müssen nach einem stark reduzierten Registrierungs- und Bewertungsverfahren behandelt werden. Im Vordergrund muss die Vermarktung stehen.

3. Die starren Prüfungsanforderungen können nicht ausschließlich von der Produktionsmenge ausgehen, sondern müssen auch das Risiko mit einbeziehen.

4. Es ist falsch, zeitliche Befristungen auszusprechen. Das überfordert nicht nur die Kleinen und Mittleren, sondern auch die Großen.

5. Wir müssen wirklich auf Wettbewerbsverzerrungen achten. Dazu haben wir heute nicht die Zeit. Wir könnten sehr ausführlich das amerikanische und japanische System darstellen. Herr Dr. Braun, in der Schlussfolgerung bedeutet es doch, dass das amerikanische System ungefähr ein Zehntel der Kosten mit sich bringt, das dieses System mit sich bringen würde. Das japanische System würde nur die Hälfte der Kosten mit sich bringen, da es wesentlich stärker auf die Verwendung, auf den Vermarkter, zählt als das Weißbuch, das sich auf einem falschen Weg befindet.

Herr Dr. Schmitz hat einiges angesprochen. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von Lücken. Die Sicherheitslücke bei importierten Waren ist zu nennen. Das, was hier vorliegt, erlaubt Importe unter Verwendung von Stoffen, die bei uns in Europa überhaupt nicht mehr verwendet werden dürfen. Das heißt, so kann man nicht vorgehen.

Die Eigentumsrechte sind zu nennen. Wie weit berührt das Prüfrecht auch Eigentumsrechte und Patente? Die saubere Abgrenzung zwischen dem Hersteller und dem, der ausschließlich Produkte in einer Zwischenstufe verarbeitet, ist zu nennen.

Herr Dr. Braun hat auf die gemeinsame Position der Bundesregierung, des Verbandes der Chemischen Industrie und der Gewerkschaft IG BCE hingewiesen. Sie ist in der Tat beachtlich. Ich muss sagen, sie kommt allerdings schon reichlich spät. Wenn wir heute darüber reden, müssen wir darüber reden, dass am 15. November im Europäischen Parlament in allen wichtigen entscheidenden Abstimmungen zwei Sozialdem okraten mit der EVP-ED gestimmt haben, nämlich aus Rheinland-Pfalz einer, Herr Rothley, und Herr Hänsch und in einigen Punkten Herr Dr. Linkohr. Ich kann Ihnen das Punkt für Punkt vortragen. Beispielsweise haben bei der Mehrheitsabstimmung, dass die Chemikalien unter einer Jahrestonne nicht einbezogen werden sollen, von der SPD-Fraktion, deutsche Abgeordnete, lediglich Herr Rothley und Herr Hänsch zugestimmt.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

So kann ich Ihnen weitere Abstimmungen nennen. Es gibt in hohem Maß Koordinations-, Informations- und Gesprächsbedarf auf Ihrer Seite.

Wenn Sie das in der sozialdemokratischen Fraktion nicht leisten, sondern wenn Sie die liberale Fraktion und die größte Fraktion, die EVP-ED in dieser Sache so allein lassen, wie das am 15. November im Europäischen Parlament passiert ist, dann wird die Drohung des Nichtvorhandenseins von 314 Stimmen im Jahr 2003 ins Leere verpuffen. Es muss klar sein, dass vom Ansatz her in einer ganzen Reihe grundsätzlicher Fragen neu gedacht wird und Korrekturen im Grundsatz notwendig sind.

Ich gehöre nicht zu den Leuten, die bei dem Stichwort „Brüssel“ sofort in Schimpfkanonaden einfallen, wie es in Deutschland populär oder populistisch ist. Wir müssen aber darauf hinweisen, dass zwei Schlüsselressorts der Kommission mit einer Schwedin und einem Finnen besetzt sind.

(Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Herr Creutzmann, ja, es geht um eine bestimmte Formulierung von damals, die mich erregt hat. Vorsichtig. Da gibt es zwischen uns sicher Übereinstimmung.