Protocol of the Session on April 24, 2002

Wenn ich das so sage, dann ist das keine diffamierende Äußerung. 800 Millionen DM am Parlament vorbei einzusparen. Wer entscheidet denn in Ihrem Ministerium? – Ein Beispiel aus dem Landwirtschaftsbereich haben wir in den letzten Tagen erfahren. Irgendwelche nicht unverantwortlich handelnde, aber dafür nicht legitimierte Beamten entscheiden, wo eingespart wird.

Wenn das Haushaltsrecht noch einen Sinn hat, dann doch den, dass das Parlament über diese Frage entscheidet. Das ist unsere Kritik.

(Anhaltend Beifall der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Thomas.

Meine Damen und Herren, Herr Finanzminister Mittler, wissen Sie, ich rede lieber mit Leidenschaft und vielleicht dann auch mit dem einen oder anderen schärferen Begriff über Finanzpolitik und Haushaltspolitik

(Staatsminister Mittler: Bosheit!)

als mit einer vordergründig vorgetragenen Sachlichkeit, bei der Sie schon wieder mit falschen Zahlen jonglieren und falsche Eindrücke in die Öffentlichkeit geben.

(Staatsminister Mittler: Reine Bosheit!)

Ich will Ihnen das an einem Beispiel erläutern. Sie sagen, das Ausgabenvolumen in diesem Jahr 2001 würde sich um 0,7 % erhöhen. Sie haben dann gesagt, über die Einsparungen würde es noch reduziert werden. Schauen Sie in die Unterlagen, die Sie beim Haushalt eingebracht haben. Da stand 0,9 % Ausgabenerhöhung. Wenn Sie sich dann noch einmal vor Augen führen, was Sie bei der abschließenden Debatte gesagt haben, dass nämlich das eigentliche Ausgabenvolumen nicht um 0,9 %, sondern um 1,5 % steigt, dann ist das nur ein Beispiel für Ihre Zahlenjonglage. Ich will Ihnen als Zweites sagen: Sie sagen, ab 1997 bis heute sind wir unter den empfohlenen Steigerungsquoten geblieben, haben wir die Ausgabensteigerung vom Finanzplanungsrat eingehalten.

Sie wissen genau, dass 1997 ein Nachtragshaushalt auf massives Drängen der Opposition eingebracht und verabschiedet werden musste. Damals mussten Sie wegen rapide zurückgehender Steuereinnahmen die Ausgaben drosseln; denn sonst hätten Sie schon damals den Karren an die Wand gefahren. Mit einem negativen Ausgabenwachstum 1997 können Sie heute eine Rechnung aufmachen. Aber wenn Sie nur ein Jahr zurückgehen, also auf 1996, sieht die Sache ganz anders aus. Ich nenne Ihnen die Zahl, die Sie damals erreicht haben: Das Ausgabenwachstum machte 6,2 % aus. Sofort wäre

Ihr ganzer Schnitt weg. Das ist Ihre vorgeschobene Sachlichkeit, mit der Sie argumentieren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann tun Sie doch so, als seien die Zahlen Neuigkeiten, die Sie heute verkündet hätten. Es waren keine Neuigkeiten, die Sie verkündet haben, dass die Bundesregierung mit anderen Wachtumsprognosen rechnete als die Landesregierung. Das haben wir im Dezember des vergangenen Jahres bei der Einbringung des Haushalts diskutiert. Heute sagen Sie, da müssten wir vielleicht nachkorrigieren. Das wussten wir schon im Dezember. Wir wussten auch schon im Zusammenhang der Haushaltsberatungen, und zwar noch in den Ausschussberatungen, dass es massive Einbrüche, also Ausfälle bei den Einnahmen über den Länderfinanzausgleich und bei den Bundesergänzungszuweisungen gibt.

(Hartloff, SPD: Deshalb: Haushalts- aufstellung als permanenter Prozess!)

Auch das wussten wir schon. Haushaltsaufstellung als permanenter Prozess! – Das war ein schönes Stichwort von Ihnen.

Wissen Sie, am liebsten wäre es Ihnen doch, wenn Sie überhaupt keine Entscheidung mehr treffen müssten, wenn Sie dies der Landesregierung überlassen würden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU – Zuruf von der SPD: Nein!)

Genauso haben Sie sich in den Haushaltsberatungen gebärdet.

Ich will Ihnen einmal sagen, wie die Diskussion verlaufen wäre, wenn dies von Herrn Mittler mit Fug und Recht, in Zahlen, Euro und Cent, benannt, nun wirklich auf den Tisch gelegt worden wäre.

Dann frage ich Sie, ob Sie so ohne weiteres entschieden hätten, dass wir in den nächsten Jahren ein ArpMuseum mit einem Volumen von 30 Millionen bauen. Ich frage Sie, ob Sie einfach durch das Land ziehen und sagen, na ja, wir sind zwar von den Einnahmen her betrachtet nicht so gut bestückt, aber wir versprechen den Ausbau von zwei Fußballstadien innerhalb des Landes, und so weiter und so fort.

Sie ziehen doch mit den vollen Tüten durch das Land und erwecken immer noch den Eindruck, als könnten Sie Ihre Versprechen auch alle einhalten.

Ich sage Ihnen, das ist die falsche Aufgabenteilung zwischen Regierung und Parlament. Das Parlament ist der Haushaltsgesetzgeber. Das, was Herr Mittler gerade eben wieder vorgetragen hat, ist das beste Beispiel dafür, dass es ihn eigentlich einen feuchten Kehricht interessiert, welche haushaltspolitischen Entscheidungen dieses Parlament trifft, und er das danach über Bewirtschaftungsmaßnahmen macht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Bewirtschaftung ist nicht Teufelszeug. Aber ich sage Ihnen, die Höhe, die Sie diesmal versuchen, darüber zu erwirtschaften, gab es zumindest seitdem ich diesem Parlament angehöre noch nicht. Das ist eigentlich der falsche Begriff, sondern Sie müssten Ausgaben tatsächlich zurückhalten.

Sie haben 1997 einen Nachtragshaushalt gemacht. Da hatten Sie 400 Millionen Steuereinnahmenausfall in DM erwartet. 140 oder 160 Millionen hatten Sie vorweg vorsichtiger veranschlagt, das heißt, Sie mussten 260 Millionen DM weniger ausgeben. Das war Ihnen 1997 einen Nachtragshaushalt wert. Das ist Ihnen heute im Jahr 2002 noch nicht einmal eine korrekte Veranschlagung in einem Haushalt, der noch nicht einmal fünf Wochen verabschiedet ist, wert gewesen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU – Glocke des Präsidenten)

Da sage ich Ihnen, und das sage ich Ihnen zu Recht, das ist Haushaltsfälschung, und damit führen Sie nicht nur das Parlament, sondern auch alle Zuwendungsempfänger, alle die, die auf Planungssicherheit in diesem Land setzen, an der Nase herum. Diese sollen warten bis Oktober, bis Sie entscheiden können, ob sie irgendwelche Ausgaben tätigen können.

Das kann ein Parlament, das kann eine Opposition und das kann eigentlich auch eine Regierungsfraktion nicht mitmachen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Mertes das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es steht der konkrete Vorwurf im Raum, wir würden am Parlament vorbei die Haushaltsausgaben um 1 % verändern, und unsere Haltung, Bewirtschaftungsmaßnahmen sind das Selbstverständlichste – – –

(Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich doch einmal ausreden. Ich habe ohne Streit angefangen, aber Sie lassen mich nicht einmal den ersten Satz in Sachlichkeit vortragen, bei dem ich auf das eingehe, was der Oppositionsführer gesagt hat.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Braun, versuchen Sie doch einmal eine Minute ruhig zu sein. Dann dürfen Sie wieder dazwischen rufen.

Der Vorwurf ist: Ist das – – –

(Zuruf der CDU)

Okay, andere Tour: Wir weisen den Vorwurf zurück, weil es ganz normal ist, dass eine Landesregierung einen Haushalt dann verändert, wenn sich die Param eter um den Haushalt herum verändert haben. Punkt!

(Beifall der SPD und der FDP – Unruhe im Hause)

Diejenigen, die jetzt politisch wollen, dass wir zurzeit noch mehr Steuern nachgeben, sind wohl die Unberufensten zu sagen, dass wir bei weniger Einnahmen in Schwierigkeiten geraten und um 1 % der Ausgaben streiten.

Wir haben also nur diesen einen Streit. Weshalb haben wir diesen Streit? Wir haben diesen Streit – bei Ihnen ist es heute wirklich sehr schwierig, Frau Thomas –, weil die Bundestagswahl ansteht und alle die Muskeln aufpumpen, damit die SPD das auch weiß. Als in den 80erJahren solche Bewirtschaftungsmaßnahmen durchgeführt worden sind, war es keinen Deut ruhiger und sachlicher als heute.

Die Metamorphose des Tages hat die CDU-Fraktion vorhin geliefert. Bei der Rede von Herrn Bracht war der Herr Finanzminister noch ein Verfassungsbrecher. Bei der Rede von Herrn Böhr war er schon ein Held der Sachlichkeit. Dazu kann man nur gratulieren. Über eine solche Wendung in der Bewertung innerhalb von fünfzig Minuten kann man sich nur wundern.

Damit wir dann und wann noch einen Satz austauschen und aufeinander hören: Wir sind der Meinung, dass es richtig war. Ich will Ihnen einmal das Szenario vorstellen, das wir im Kopf hatten. Wir wissen, dass die Steuerschätzung im Mai nicht so ausfallen wird, wie wir uns das im vergangenen Jahr gedacht haben. Wenn wir dann Bewirtschaftungsmaßnahmen eingesetzt hätten, hätten wir uns logischerweise an diesem Pult mit dem Vorwurf auseinander setzen müssen, dass wir zu spät gehandelt hätten, meine Damen und Herren. Also haben wir gesagt, dass wir es ab dem Moment machen, ab dem der Finanzplanungsrat vorgegeben hat, in diesem nationalen Pakt anders mit den Haushalten umzugehen.

Das war nach der Verabschiedung dieses Haushalts. Wir wussten, dass wir dafür auch gewatscht werden. Da null und null null bleibt, haben wir beschlossen, die richtige Maßnahme in dem Moment zu ergreifen, in dem wir wissen, was Sache ist. Genau das hat stattgefunden, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Nach meiner Meinung ist es das gute Recht der Oppos ition, uns dafür ordentlich zu vermöbeln und zu sagen:

An dieser Stelle ist das Haushaltsrecht tangiert, aber in Wirklichkeit ist die Marge so gering und so normal – – –

(Jullien, CDU: 800 Millionen!)

Werner Kuhn, frage bitte einmal deine Großmutter oder deine Schwiegermutter, wie das war.

Wie lange werden wohl die anderen Bundesländer warten, bis sie mit den gleichen Maßnahmen der Bewirtschaftung ihre Haushalte so steuern, dass sie den Umständen der Finanzwirtschaft des Jahres 2002 angepasst sind? Das kann ich Ihnen sagen.

(Beifall bei der SPD)