Protocol of the Session on November 15, 2001

Herr Minister, ich frage Sie bezüglich des Verfahrens, wie Sie mit den veränderten Ergebnissen aufgrund der Steuerschätzung haushaltsrechtlich und haushaltsplanerisch umgehen wollen:

Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie die veränderten Ergebnisse der Steuerschätzung, wie sie für unser Land wirksam werden, in den Regierungsentwurf einarbeiten wollen, also den Beschluss des Kabinetts vom 31. Oktober verändern wollen, und dann aufgrund der neuen Tatsachen dem Parlament einen Entwurf vorlegen wollen?

So ist es. Der Ministerrat wird sich in seiner Sitzung, die voraussichtlich am 27. November stattfinden wird, erneut mit der Frage befassen und eine entsprechende Beschlussfassung herbeiführen, die natürlich dem Landtag bei der Vorstellung des Haushalts im Rahmen der Einbringung am 12. Dezember entsprechend vorgelegt wird.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Creutzmann.

Herr Staatsminister, zur Überraschung vieler hängt der Einbruch der Steuereinnahmen mit der Umsatzsteuer zusammen. Zurzeit wird gerätselt, worin die Gründe dafür liegen. Gibt es aus Ihrer Erkenntnis darüber hinausgehende Statements, die Sie abgeben können, was darauf zurückzuführen ist, dass die Umsatzsteuer so stark zurückgegangen ist?

Eine der Vermutungen war, dass die steigenden und sinkenden Benzinpreise zu dem großen Einbruch geführt haben.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nicht die steigenden, sondern die schwankenden Benzinpreise, Herr Creutzmann! Das sollten Sie dazu sagen! – Beifall bei der CDU)

Steigende Benzinpreise können keine geringere Umsatzsteuer zur Folge haben, sondern das Gegenteil ist der Fall. Die genauen Ursachen dieser Entwicklung kennt man nicht. Aber es gibt einige wichtige Hinweise.

Ein wichtiger Hinweis ist das Investitionsverhalten des Staates, da dieser nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist und die Investitionen bei ihm in voller Höhe zur Mehrwertsteuerveranlagung führen. Ein zweiter Aspekt ist die Wohnungsbaukonjunktur, da im Wohnungsbau natürlich der Konsument, der Endverbraucher, berührt und betroffen ist, der ebenfalls nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist.

Dies sind zwei wichtige Gründe, die auch im Arbeitskreis „Steuerschätzung“ diskutiert worden sind. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich vermute, dass es darüber

hinaus noch eine weitere wichtige Entwicklung und eine weitere wichtige Ursache gibt, die mit Steuerhinterziehung, mit Umsatzsteuerbetrug und auch mit einer Finanzierung der Unternehmen über die Umsatzsteuer zu tun hat.

Sie wissen, dass der rheinland-pfälzische Finanzminister diesem strukturell bedingten Kernübel der Berechnung der Mehrwertsteuer auf allen Stufen durch einen sehr konkreten Vorschlag zu Leibe rücken möchte. So, wie ich die bundesweite Diskussion einschätze, bis hin zu einem einmütigen Votum des Bundesrates als Aufforderung an die Bundesregierung im Sinne des Vorschlags von Rheinland-Pfalz, die Systemfrage der Mehrwert- und der Umsatzsteuer zur Disposition zu stellen, sehe ich die Chancen für eine solche Reform durchaus positiv.

Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Thomas.

Herr Mittler, die Landesregierung bemüht sich nach der Vorstellung der Eckwerte des zukünftigen Doppelhaushalts wieder um das Image einer kommunalfreundlichen Landesregierung. Das haben Sie soeben im Zusammenhang mit den Leistungen gegenüber den Kommunen dargestellt.

Könnten Sie in diesem Zusammenhang auch darstellen, wie die Landesregierung mit den Steuermehreinnahmen, die es 1999 und 2000 gab und die über den Steuerverbund auch an die Kommunen weitergeleitet werden müssen, in diesen beiden Jahren umgegangen ist?

Man muss wohl formulieren, wie wir mit diesen Steuermehreinnahmen umgehen werden. Dazu gibt es einen sehr konkreten Vorschlag im Rahmen des Doppelhaushalts, dass die Abrechnung der Jahre 1999 und 2000 im Doppelhaushaltsjahr 2002/2003 entsprechend berücksichtigt wird. Das Haushaltsrecht sieht vor, dass spätestens im dritten Jahr die Verrechnung zu erfolgen hat.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jullien.

Herr Finanzminister, nach Zahlen aus Ihrem Hause liegen die Steuereinnahmen des Landes Ende Oktober um rund 670 Millionen DM niedriger als im Vorjahr. Können Sie einmal darlegen, wie Sie diesen Einnahmeausfall bis zum Jahresende auffangen wollen?

Herr Kollege Jullien, es war nie daran gedacht, diesen Einnahmeausfall aufzufangen. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass wir für dieses Jahr aufgrund der Steuerreform mit beträchtlichen Einnahmeausfällen gerechnet haben und dafür auch eine Rücklage zum 31. Dezember 1999 und zum 31. Dezember 2000 gebildet hatten.

(Jullien, CDU: Die reicht aber nicht aus!)

Wir haben in diesem Jahr die Steuerreform mit beträchtlichen Einnahmeausfällen zu verkraften. Bis Ende August konnten wir davon ausgehen – ich kann die Zahlen gern auch einmal detailliert referieren –, dass wir unter Berücksichtigung dieser Rücklage mit der Einnahmeerwartung, die wir für dieses Jahr hatten, nachdem die Steuerreform im Sommer des vergangenen Jahres verabschiedet worden ist, so liegen würden, dass wir einen beträchtlichen Ausfall haben würden, der aber genau in der Bandbreite dessen lag, was wir erwartet hatten.

(Jullien, CDU: Aber Ende Oktober sieht es doch anders aus! Sagen Sie doch einmal, welche Maßnah- men Sie ergreifen wollen!)

Verehrter Herr Jullien, wir haben im Oktober einen eklatanten Einbruch in allen Ländern. Zu Beginn des Jahres 2001 hatten wir bereits eine haushaltswirtschaftliche Maßnahme ergriffen. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie man im Oktober oder November auf eine nicht geahnte, nicht abschätzbare und auch nicht vorhersehbare Steuereinnahmeentwicklung aufgrund der besonderen Ereignisse reagiert, die wir an den terroristischen Vorkommnissen festmachen müssen. Darauf kann man nicht kurzfristig reagieren, allenfalls bei den Investitionsausgaben. Genau das wollten wir nicht machen. Wir wollten Ende Oktober/Anfang November in das Haushaltsgeschehen nicht dergestalt eingreifen, dass wir die Investitionsausgaben beschneiden. Dies musste vermieden werden, um die signifikante Lage der Bauwirtschaft nicht noch weiter zu verschärfen.

(Jullien, CDU: Also, Sie tun nichts und leben von dem Prinzip Hoffnung!)

Herr Kollege Jullien, es ist nicht vorgesehen, dass während der Fragestunde ein Dialog stattfindet.

Ich erteile der Abgeordneten Frau Schmidt das Wort.

Herr Staatsminister, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass das damalige Mitglied der Sachverständigenkommission der Wirtschaftsweisen, Herr Professor Dr. Peffekoven, diese Entwicklung genau vorhersagte

und nun leider nicht mehr dem Rat der Wirtschaftsweisen angehört?

(Hartloff, SPD: Nostradamus hat das schon vor 500 Jahren gesagt!)

Haben Sie sich mit dieser Situation befasst? In welcher Weise haben Sie auf diese Voraussage reagiert?

Welche Voraussage meinen Sie?

(Kuhn, FDP: Das ist doch egal, irgendeine!)

Bitte lesen Sie das Gutachten der Wirtschaftsweisen aus dem Jahre 2000 nach, als Professor Dr. Peffekoven diesen noch angehört hat. Dort wird vorausgesagt, dass sich die steuerliche Einnahmeseite in der Art entwickeln wird, wie wir sie beim gestrigen Gutachten auch erfahren haben.

Ich kenne die konkrete Aussage von Professor Dr. Peffekoven nicht. Er macht auch in dem Gutachten keine persönlichen Ausführungen, sondern das sind immer nur die Aussagen des Gutachtergremiums, also des Sachverständigenrates als solches. Ich kann mich nicht erinnern, diese Aussage, die sich auf ein so signifikantes Ereignis bezieht, wie wir es am 11. September 2001 hinnehmen mussten und von dem die gesamte Weltwirtschaft betroffen ist, in dem Gutachten gelesen zu haben.

Frau Schmidt hatte sich noch einmal gemeldet. Ich nehme an, dass sie in diesem Sachzusammenhang noch eine Frage stellen möchte. Ich erteile Ihnen daher noch einmal das Wort.

Herr Staatsminister, die Antwort hat mich weder befriedigt noch hat sie die Sachlage getroffen.

(Heiterkeit bei SPD und FDP)

Wenn man im Jahr 2000 ein Gutachten abgibt, dann kann man auf aktuelle Ereignisse, die ein Jahr später auftreten, nicht Bezug nehmen. Deshalb hätte ich diese Verquickung nicht gewünscht.

Frau Kollegin, bitte führen Sie keinen Dialog, sondern stellen Sie eine Frage.

Gut, ich kann auch eine Frage stellen.

Bitte schön.

Herr Staatsminister, sind Sie mit mir der Ansicht, dass ein Gutachter im Jahre 2000 auf die Ereignisse am 11. September 2001 noch gar nicht Bezug nehmen kann? Sind Sie außerdem mit mir der Ansicht, dass nicht alle negativen Steuerentwicklungen auf dieses schlimme Ereignis vom 11. September 2001 zurückzuführen sind?

Beide Fragen beantworte ich mit Ja.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Bracht.

Herr Minister, ich möchte noch einmal auf die erste Frage des Herrn Kollegen Jullien zurückkommen. Verständlicherweise haben Sie ausgeführt, dass Sie nicht alle Zahlen im Kopf haben, was die Summe der Verschuldungstatbestände betrifft. Sie haben aber die Ausführung gemacht, dass Sie auf jeden Fall unter der Kreditobergrenze bleiben werden, die die Verfassungsmäßigkeit garantiert. Deshalb frage ich Sie: Können Sie uns sagen, wo nach dem von Ihnen beschlossenen Haushaltsentwurf und den Ergänzungen in etwa die Grenze liegt? Wie weit werden wir davon weg bleiben?

Unter Berücksichtigung der Mindereinnahmen aufgrund der Steuerschätzung und auch unter Berücksichtigung des Vorhabens, die Kommunen jeweils in den Jahren 2002 und 2003 nicht an den Mindereinnahmen des Landes im Rahmen des Finanzausgleichs zu beteiligen, werden wir nach aktuellen Werten in jedem Jahr in der Größenordnung von 30 Millionen Euro unterhalb der Verfassungsgrenze bleiben.

Ich möchte gerne hinzufügen, dass es eine ganze Reihe von Ländern gibt, denen es heute bereits nicht möglich ist, verfassungsgemäße Haushalte vorzulegen. Ich möchte nur am Rande darauf hinweisen.

Meine Damen und Herren, im Interesse der nachfolgenden Fragesteller muss ich jetzt einen Punkt setzen. Ich

stelle fest, dass die Mündliche Anfrage beantwortet worden ist. Vielen Dank, Herr Minister.

(Beifall bei SPD und FDP)

Bevor ich die nächste Mündliche Anfrage aufrufe, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse der Integrierten Gesamtschule Bretzenheim sowie Schülerinnen und Schüler der Karmeliter Realschule in Worms. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!