Sie haben gerade den Hamburger Finanzsenator zitiert. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass er in diesem Interview mit dem „Spiegel“ auch gesagt hat, dass dieses Steuerabkommen so nicht beschlossen werden könne, wenn es nicht geändert werde?
Der Hamburger Finanzsenator kommt in wesentlichen Punkten zu ähnlichen Schlussfolgerungen wie wir, was die Bewertung der Probleme, die auf dem Tisch liegen, angeht. Und wie er sich am Ende des Tages im Bundesrat verhalten wird, wollen wir alle gemeinsam abwarten. Dann verhandeln wir gegebenenfalls neu.
Natürlich hat dieses Thema auch eine außenpolitische Dimension. Denn die Regierung unterstützt im Ergebnis – jedenfalls laufen die Prozesse so – ein Geschäftsmodell, das darauf setzt und in Kauf nimmt, dass im Ausland Straftaten begangen werden. Unser Bild entspricht dem eines Deutschlands, dem die Welt vertraut,
und deshalb ist das aus unserer Sicht nicht der richtige Umgang, wie befreundete und benachbarte Staaten miteinander verfahren sollten.
Das Thema hat eine rechtsstaatliche Dimension, und dazu können gerade die Kollegen von SPD und Grünen nachlesen, was der langjährige Innenminister einer sozialliberalen Koalition, Gerhart Rudolf Baum – er wird von den Grünen heute immer noch regelmäßig als Experte für Grundrechtsfragen eingeladen –, in den letzten Tagen mit Blick auf die Diskussionen, die der Deutsche Juristentag in Kürze dazu führen wird, veröffentlich hat.
Das ist die Kernbotschaft: Der noch so legitime Zweck heiligt deshalb noch nicht jedes Mittel im Vorgehen. Wenn eine Handlung in Deutschland strafbar ist, dann muss uns das interessieren, auch wenn es vergleichbare rechtliche Regelungen im Ausland gibt. Und wenn diese Straftat, die in der Schweiz verübt wurde, in Deutschland verübt worden wäre, dann wären die Steuerbehörden gezwungen gewesen, Ermittlungsverfahren einzuleiten, um dem entsprechend nachzugehen.
Sie, Herr Finanzminister, erwarten bei der Verfolgung von Steuerdelikten Rechtshilfe von der Schweiz. Sie leisten aber selber keine Amtshilfe bei der Verfolgung von Schweizer Datendieben. Das sind Punkte, mit denen man umgehen muss und mit denen wir auch seitens der Schweiz konfrontiert werden. Die Fragen, die sich daraus ergeben, muss man beantworten.
Natürlich hat das Abkommen auch eine finanzielle Dimension. Wir können nach allen Schätzungen davon ausgehen, dass wir allein für die Landeskasse Nordrhein-Westfalen mit einem Einmalbetrag in Milliardenhöhe rechnen können und dass in den Folgejahren jährlich locker rund 500 Millionen € in unseren Landeshaushalt fließen. Angesichts der Sicherheitsmaßnahmen, Herr Finanzminister, die Schweizer Kreditinstitute für ihre Datensicherheit ergriffen haben, spricht von der Plausibilität her vieles dafür, dass eine Vollerfassung aller Tatbestände zu einem erheblich höheren Aufkommen für den Landeshaushalt führen wird als die heutige Ermittlungsarbeit von Kommissar Zufall.
Deshalb werben wir dafür, die richtige Abwägungsentscheidung zu treffen – nicht deshalb, weil man alles perfekt finden muss, was der jetzige Vertragstext vorsieht, sondern weil wir klar sagen: Wir dürfen nicht Datendiebstahl gegen Steuerhinterziehung ausspielen. Es ist besser, wir nehmen dieses Abkommen so an, als dass wir viele weitere Jahre in einem rechtlich nicht geregelten Raum agieren. Dafür werben wir, und so lautet auch unser Entschließungsantrag, der zur Abstimmung ansteht. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Piratenfraktion erteile ich nun Herrn Kollegen Kern das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebes Publikum hier im Saal und am Stream! Wir erleben in diesen Tagen und Wochen eine hoch emotionale Debatte zum Thema „Ankauf von Steuer-CDs durch das Land NRW“. Diese Emotionalität geht leider zulasten der Sachlichkeit in der Debatte. Deswegen möchte ich eines gleich zu Beginn ganz klar herausstellen – das wurde eben schon mehrmals auch von anderer Seite getan –: Wir alle hier im Saal sind uns doch darin einig, dass Steuerhinterziehung im Großen wie im Kleinen die Gesellschaft schädigt und nicht toleriert werden darf.
Auch wir Piraten tun dies nicht. Aber – und das ist der große Unterschied zum Antrag von Rot-Grün – wir Piraten stehen zum Rechtsstaat.
Ein Rechtsstaat zeichnet sich eben dadurch aus, dass die Exekutive nicht alles machen kann, was theoretisch möglich und für manche wünschenswert ist, sondern dass sie an Recht und Gesetz gebunden ist.
Sie dagegen, Herr Minister, haben den rechtsstaatlichen Weg verlassen. Sie haben sich mit dem Kauf der Steuer-CDs auf ein zwielichtiges Terrain begeben und lassen sich für diese Nummer auch noch als Robin Hood feiern. Das ist zweifellos populär, Herr Minister, aber überlassen Sie doch diese Nummer lieber Errol Flynn – dem stehen die grünen Strumpfhosen besser.
Was machen Sie tatsächlich, Herr Minister? Durch Ihre wiederholten Ankäufe und öffentlichen Ankündigungen, weiterhin Steuer-CDs kaufen zu wollen, schaffen Sie einen Schwarzmarkt für Datenhehlerei. Sie stiften damit quasi zu kriminellen Taten an.
Damit begibt sich der Staat auf die gleiche Stufe wie Kriminelle. Ich lehne das ab. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Auch das wurde heute schon mehrfach gesagt.
Dass Sie gestern zu Ihrer Rechtfertigung – heute ist das auch schon wieder geschehen – den CDUBundesfinanzminister heranziehen mussten, da der gleich gehandelt hätte wie Sie jetzt, ist äußerst schwach.
Ist Herr Schäuble jetzt Ihr Gradmesser für ethischmoralisches Handeln? Das kann doch wohl nicht wahr sein! Sowohl die Gesetze der SPD als auch die der CDU wurden und werden ständig vom Bundesverfassungsgericht kassiert. Und jetzt testiert der eine Verfassungsbrecher dem anderen Verfassungsbrecher die Rechtmäßigkeit seines Handelns?
Wenn man Ihr Handeln schon nicht aus grundsätzlichen Erwägungen heraus ablehnt, so wie ich das tue, dann ist es mindestens erforderlich, dass eine gesetzliche Grundlage für Ihr Handeln vorhanden ist. Auch die fehlt, Herr Minister. Gleichzeitig verfehlen Sie Ihr Ziel, Steuergerechtigkeit herzustellen.
Der Ankauf von Steuer-CDs entspricht einer Steuerlotterie. Eine gleichmäßige Besteuerung aller Steuerpflichtigen bekommen Sie so nicht hin.
Herr Finanzminister, warum nutzen Sie eigentlich nicht das Geld der Steuerzahler dafür, dringend benötigte Arbeitsplätze in der Steuerfahndung zu schaffen?
Warum statten Sie die Finanzämter dieses Landes nicht adäquat aus? Warum gehen Sie nicht den Weg, der eines Rechtsstaates würdig ist?
Herr Priggen und Herr Römer, Sie können ja gleich antworten. Hören Sie doch bitte auf, die Öffentlichkeit dreist zu täuschen. Sie wissen ganz genau, dass die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Ankaufs von Steuer-CDs nicht geklärt wurde,
im Gegenteil äußerst umstritten ist. Schon gar nicht wurde diese Frage vom Bundesverfassungsgericht geklärt. Lesen Sie einfach den Antrag von CDU und FDP. Darin ist die entsprechende Passage der Entscheidung des Gerichts zitiert. Ansonsten erklären Sie mir doch bitte mal, warum diese Problematik auf der nächsten Justizministerkonferenz Thema sein wird, wenn da alles ganz klar ist.
Dann gibt es in Berlin noch eine Bundesjustizministerin einer ehemaligen Bürgerrechtspartei, die den sinnvollen Vorschlag gemacht hat, den Ankauf von Steuer-CDs durch den Staat zu verbieten – genau wegen der rechtsstaatlichen Probleme, die ich hier anspreche.
Ein Wochenende und eine FDP-Präsidiumssitzung später wird die Bundesjustizministerin öffentlich zurückgepfiffen. Wenn es also darauf ankommt, spielen Rechtsstaat und Grundrechtsschutz auch in der Partei des Kollegen Lindner, in der FDP, offensichtlich keine Rolle mehr.
Denn eines ist klar: Auch Unschuldige werden auf den Steuer-CDs erfasst, und ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht wird verletzt.