Egal, welche Steuerforderung von der Schätzung her im Raum steht: Wie wollen Sie bis zum nächsten Datenankauf die Verjährung von Millionen und Abermillionen Steuerschulden unterbrechen?
Herr Kollege, danke für die Frage. – Wenn man mit dem Teufel den Beelzebub austreiben möchte, kann man so fragen und das insinuieren, was Sie vorhaben.
Ich könnte es mir leicht machen und sagen: Dieser faule Bundesfinanzminister hätte doch schon vor vielen Jahren ein anderes Steuerabkommen mit der Schweiz abschließen können, das das Gebot der Transparenz gebietet, das umsetzt, was die Amerikaner …
Antworte ich oder Sie? Wenn das die gleiche Qualität hat wie das amerikanische Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz, hätten wir die Probleme nicht. Dann müssten wir keine Daten kaufen, keine CDs anlegen.
Das aber ist nicht der Fall. Die Schweiz wäre schön blöd, später ein Abkommen abzuschließen, das aus ihrer Sicht eine mindere Qualität hätte, also zum Beispiel für mehr Transparenz sorgen würde.
Im Übrigen hat jede Steuerzahlerin und jeder Steuerzahler, der in Deutschland abhängig beschäftigt ist, sein Einkommen nachzuweisen und dem Finanzamt gegenüber nachprüfbar zu machen. Auch unsere Bezüge werden den Steuerbehörden gemeldet; da kann man nicht tricksen. Jeder Euro ist bereits bekannt.
Nur: Sie wollen jetzt dafür sorgen, dass das für Vermögende und diejenigen, die es ins Ausland transferieren, nicht gilt, also schon bei der Datenerfassung Unterschiede zwischen den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland gemacht werden. Das halten wir schlichtweg nicht für angemessen.
Insofern kann ich Ihnen sagen: Das ist ein sehr misslicher Umstand. Den hätte ich gerne anders. Das ist überhaupt keine Frage. Die Verjährung zu verhindern, liegt möglicherweise nicht in meiner Macht. Klar ist aber auch: Wenn wir uns dem Abkommen anschließen, haben wir für alle Ewigkeiten die Chance verspielt, mit der Schweiz ein Abkommen zu bekommen, das der Rechtsstaatlichkeit Genüge tut.
(Sigrid Beer [GRÜNE]: Im Prinzip wollen die Piraten gar nichts! Die wollen so weiterma- chen! – Lachen von den PIRATEN)
Ich komme zum Schluss meines Beitrags: Nicht der Finanzminister bewegt sich in einem bedenklichen Graubereich, sondern Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU.
Sie machen nicht deutlich, wohin die Reise gehen soll. Sie lassen sich mit einem Linsengericht abspeisen, und was noch viel schlimmer ist: Sie wollen unseren Steuerbehörden verwehren, auf der Basis vernünftiger Daten und Transparenz ermitteln zu können. Damit meine ich nicht die Daten auf den CDs, sondern die Daten, die die Vereinigten Staaten gegenüber der Schweiz erstritten haben und die nach EU-Richtlinie europäischer Standard sein und EU-weit durchgesetzt werden sollten. Dem verweigern Sie sich. Das wollen Sie hier durchsetzen.
Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Dr. Optendrenk das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erstaunlich: Seit Monaten trägt der Finanzminister des Landes die Rolle des Wahrers von Recht, Gesetz und Moral wie eine Monstranz vor sich her. Ich gebe zu: Diese Rolle spielen Sie gut! Die Inszenierung läuft immer nach dem gleichen Schema ab: Auf der einen Seite stehen die Bösen, und auf der anderen Seite stehen Sie.
Wer versucht, darauf hinzuweisen, dass es in der Politik wie im richtigen Leben nicht nur schwarz und weiß gibt, sondern viele Schattierungen, der wird sofort als Unterstützer des Bösen identifiziert, möglicherweise sogar als Unterstützer von Steuerhinterziehern.
Herr Minister, man kann diese Rolle sicherlich noch eine ganze Weile durchhalten. Aber ich glaube, sie ist weder Ihrem Amt als Finanzminister des größten Bundeslandes angemessen noch ist sie in der Sache richtig.
Ich bin sicher, dass wir in diesem Hohen Hause niemanden finden, der nicht den Satz unterschreibt: Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sie muss daher vom Staat verfolgt und bestraft werden.
es ist schon bemerkenswert, welche Risiken und Nebenwirkungen Sie, Herr Minister, nicht nur in Kauf nehmen, sondern geradezu mit direktem Vorsatz herbeiführen, wenn es um die Art und Weise geht, wie man das denn umsetzt.
Das beginnt durchaus auch mit der Verschärfung des Klimas hier in der Sommerpause in Bezug auf andere Fraktionen des Hauses, sie seien quasi die Partei der Steuerhinterzieher. Das geht mit Ihrem Verhalten auch gegenüber dem Bund weiter. In einem Bundesstaat darf sich ein Land seiner Pflicht zur Bundestreue nicht entziehen.
Das gilt für alle Bundesländer. Außenpolitik ist Sache des Bundes, nicht des Landes. So steht es nun einmal im Grundgesetz. Und das gilt gerade auch in völkerrechtlich relevanten Angelegenheiten.
Es wäre schön, wenn wir jenseits des politischen Schlachtenlärms – auch wenn das bei diesem emotional aufgeladenen Thema in diesen Plenartagen wohl kaum noch möglich ist – uns eben auch einmal mit dem rechtlichen Rahmen und nicht nur dem Steuer- und dem Strafrecht beschäftigen würden, sondern auch mit der ganz schlichten Kompetenzordnung des Grundgesetzes als dem Fundament unseres Staates.
Es gilt, Herr Minister, dass man darüber natürlich in der Sache streiten kann und muss, ob das Steuerabkommen mit der Schweiz in seiner vorliegenden Form gut genug ist oder besser sein könnte, ob man sich etwas anderes hätte vorstellen können. Aber darum geht es offensichtlich nicht mehr. Es ist klar: So, wie es ausgehandelt worden ist, kann es entweder abgeschlossen werden, oder es wird auf absehbare Zeit keines abgeschlossen. Denn der Verweis auf Europa ist der Verweis auf die lange Bank.
Es ist allerdings schon ein sehr besonderes Staatsverständnis, zu meinen, man könne wie ein deutscher Neben-Finanzminister im Ausland auftreten, um Nachverhandlungen anzustrengen. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu schon 1952, also vor 60 Jahren, unter dem Stichwort „Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten“ seine Bemerkungen gemacht, und die waren eindeutig. Um es klar zu sagen: Das Grundgesetz gilt auch für Landesminister.
Als Herr Steinbrück, einer der Kanzlerkandidaten der SPD, seinerzeit mit der Kavallerie in die Schweiz einrücken wollte, hat er unser aller Anliegen einer umfassenden Besteuerung von Schwarzgeld keinen Dienst erwiesen. Unter zivilisierten Nationen sind völkerrechtliche Verträge nach wie vor der richtige Weg, Konflikte zu lösen. Populistische Wahlkampfrhetorik ist natürlich immer leichter als konstruktive Mitarbeit; dazu hat Herr Priggen gestern in anderem Kontext durchaus nachdenkenswerte Bemerkungen gemacht.
Aber es ist zu billig, alles nur der täglichen Schlagzeile oder der vermeintlichen Gerechtigkeit unterzuordnen. Auch Sie als Koalitionsfraktionen sollten dieses Vorgehen beenden. Sonst steht am Ende keine Heldenfigur im Scheinwerferlicht, sondern leider vielfach nur der arme deutsche Michel. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Optendrenk. – Für die FDPFraktion spricht nun Herr Kollege Witzel. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine schlichte Selbstverständlichkeit für alle Fraktionen hier in diesem Haus, dass wir Steuerhinterziehung verurteilen, dass wir Steuerhinterziehung nicht als Kavaliersdelikt betrachten. Steuerhinterziehung ist vielmehr ein Angriff auf das Gemeinwohl, der in aller Form zu ahnden ist.
Wir haben es hier bei diesem konkreten Sachverhalt mit einem Kompromiss zu tun; das bestreitet auch niemand. Niemand bestreitet den Kompromisscharakter. Das ist nicht die Positionsbeschreibung pur, die jeder Akteur einzeln für sich vornehmen würde, sondern es ist das Ergebnis langer Verhandlungen zwischen Staaten über das, was auf dem Tisch liegt. Wir kommen für uns in der Bewertung zu dem Ergebnis, dass es besser ist, diese Grundlage anzunehmen, als es scheitern zu lassen und viele weitere Jahre der Rechtsunsicherheit in Kauf zu nehmen.
Mit dieser Auffassung sind wir nicht alleine. Es gibt auch führende Sozialdemokraten, die das so sehen, zum Beispiel den Hamburger Finanzsenator der dortigen absoluten SPD-Mehrheit. Er sagt zu dem Steuerabkommen – ich darf Peter Tschentscher zitieren –:
Er führt zu den Steuer-CDs aus: Damit würde aber nur ein kleiner Teil der Straftaten aufgedeckt. Oft seien diese verjährt. Auch werde die Datenqualität angesichts gestiegener Sicherheitsvorkehrungen der Banken nicht besser. – Auch da hat der Hamburger SPD-Finanzsenator aus unserer Sicht recht.
Sie haben gerade den Hamburger Finanzsenator zitiert. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass er in diesem Interview mit dem „Spiegel“ auch gesagt hat, dass dieses Steuerabkommen so nicht beschlossen werden könne, wenn es nicht geändert werde?