Protocol of the Session on July 4, 2012

Was in der Diskussion immer wieder als Argument derjenigen, die immer noch die Fahne für ein freies Rauchen an allen Stellen hochhalten, angeführt wird, ist die Angst davor, es könne ein Kneipensterben geben. Wir haben in den Ländern und den Bundesländern, in denen es einen konsequenten Nichtraucherschutz gibt, gesehen, dass genau dies nicht der Fall ist. In Bayern sind die Umsätze nach Einführung der rauchfreien Gastronomie vielmehr gestiegen und nicht gefallen. Wo derzeit ein Kneipensterben stattfindet und in Nordrhein-Westfalen schon vor dem ersten Nichtraucherschutzgesetz stattfand, liegt das an einer normalen Fluktuation innerhalb der Gastronomie. Die Menschen wollen heute vielleicht ihren Feierabend nicht mehr so gerne am Tresen in einer verqualmten Atmosphäre verbringen, sondern das Freizeitverhalten der Menschen hat sich verändert.

Unser Gesetzentwurf ist – und auch das möchte ich hervorheben – für viele innerhalb der Bevölkerung noch ein Kompromiss. Denn wir haben Zuschriften, die viele Wünsche enthalten, die weit über das hinausgehen, was jetzt mit dem Nichtraucherschutzgesetz erfasst wird. Gewünscht wird, Großveranstaltungen unter freiem Himmel mit aufzunehmen, in denen der Raucher neben einem steht, ebenso Autos, in denen Kinder sitzen, Treppenhäuser, Mietwohnungen, Balkons. Die Liste dessen, was gewünscht wird, was alles noch zu schützen wäre, ist sehr lang und sehr umfassend. Aber klar ist: Die Grenze ist da, wo der Privatbereich des Menschen betroffen ist. Da haben wir als Staat nicht einzugreifen, und deswegen haben wir diese Gratwanderung genau hier vollzogen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Für uns ist also klar: Wir wollen einen Weg, sodass das, was alle Studien und Untersuchungen ergeben haben, auch für Nordrhein-Westfalen gilt, nämlich dass die Menschen mit einem konsequenten Nichtraucherschutz die Lösungen und die Möglichkeiten haben, geschützt zu werden. Das war bisher nicht der Fall. Wir sehen in allen Studien, dass damit die Erkrankungen und die Krankenhausaufenthalte wegen Angina Pectoris um über 13 % zurückgehen. Wir wollen, dass die Menschen in NordrheinWestfalen die notwendigen Schutzmöglichkeiten haben.

Deswegen freue ich mich auf die Auseinandersetzungen und die Diskussionen und darauf, dass wir gemeinsam den Gesundheitsschutz für die Menschen in Nordrhein-Westfalen verbessern können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Garbrecht.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will einmal ein bisschen anders anfangen. Die Geschichte des Rauchens in Mitteleuropa war immer auch eine Geschichte der Reglementierungen und Verbote.

Im 17. Jahrhundert – ich sehe hier nur wenige Kölner – sollte in Köln der Verkauf von Tabak nur in Apotheken stattfinden. Das ist eine Regelung, der sich, wenn man einmal über Deutschland hinaussieht, die Isländer gerade nähern. Der Brandschutz in den Städten bei den strohgedeckten Häusern führte zum Verbot des Rauchens im Freien. Landesfürstliche und preußische Polizei-Edikte setzten Rauchverbote in massenhafter Zahl fest.

Im Vormärz war Zigarrerauchen schier ein Akt revolutionären Tuns. Da ich gebürtiger Bünder bin, aus der Tabakstadt Bünde komme, weiß ich auch, dass die Tabakarbeiter neben den Buchdruckern die Keimzelle deutscher Gewerkschaftsbewegung waren. Also: Rauchen ist auch mit viel Symbolik verbunden. Die Zigarre erlebte einen Wandel vom revolutionären Symbol der Freiheit hin zum saturierten Bürgertum mit den Raucherzimmern als Symbol des Kapitalisten, als Symbol des Kapitalismus schlechthin. Das ist so das Bild des Rauchens, festgemacht an der Symbolik der Zigarre.

Zigarre und Rauchen als Symbol der Freiheit vom Vormärz bis zur Frauenbewegung veränderten sich bis hin zum Symbol der Unterdrückung. Es steht ja auch als suggeriertes Symbol immer noch für Freiheit und zugleich für ungesunde Lebensweise mit hohem Lebensrisiko.

Diese Vielfältigkeit kommt auch in der aktuellen Diskussion zum Tragen. Meine Damen und Herren, wir befinden uns aber nicht mehr im Vormärz, sondern sind im 21. Jahrhundert angelangt. Heute sind die Gefahren des Rauchens hinlänglich bekannt. Durch die Ratifizierung internationaler Vereinbarungen – zum Beispiel über die WHO oder die Europäische Union – ist Deutschland eingebunden, die Gefahren des Rauchens für die Gesundheit massiv einzudämmen. Der Schutz der Nichtraucher ist somit ein zwar kleiner, aber klarer Bestandteil auch der international verabredeten Strategien.

Dabei ist nicht zu verhehlen, dass die Nichtraucherschutzgesetzgebung bei aller Lückenhaftigkeit in den Ländern auch ein präventives Element hat. Letztendlich wäre eine bundeseinheitliche Regelung über den Arbeitsschutz vorzuziehen gewesen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Ich will den präventiven Gehalt der Nichtraucherschutzgesetzgebung nicht mindern; aber im Unterschied dazu hätte ein gesundheitliches Präventionsgesetz ganz andere Ansatzpunkte gesetzt – zum Beispiel hinsichtlich der Verfügbarkeit von Tabakerzeugnissen schlechthin. Eine solche Diskussion könnte uns im Übrigen noch bevorstehen, wenn auch nicht auf Ebene dieses Parlamentes, sondern

auf Bundesebene. Eine solche Diskussion würde natürlich gesundheits-, drogen- und suchtpolitisch geführt. Das tun wir im Hinblick auf die Nichtraucherschutzgesetzgebung des Landes NordrheinWestfalen bewusst nicht, wobei allerdings Elemente durchscheinen.

Es geht also nicht um ein Gesundheitserziehungsgesetz, wie uns einige – wahrscheinlich gleich auch einige Redner – weismachen wollen, sondern um ein Nichtraucherschutzgesetz.

Aktuelle Ergebnisse belegen, dass in der gesamten Bevölkerung weniger geraucht wird. Ich lasse mit mir als ehemaligem Raucher darüber streiten, ob das Verhältnis bei 80 zu 20 oder 70 zu 30 liegt, also 30 % oder 20 % der erwachsenen Bevölkerung noch rauchen. An der Stelle sind die Statistiken nicht ganz aussagefähig. Aber es gibt erfreuliche Tendenzen. Insgesamt wird weniger geraucht. Das ist im Hinblick auf den Gesundheitsschutz ein wichtiger Schritt, und zwar insbesondere bei Jugendlichen. Die Symbolik des Rauchens als ein Merkmal des Erwachsenseins wechselt in „Rauchen ist uncool“. Das ist eine Entwicklung, die meiner Ansicht nach gut ist.

Ich will mich abschließend kurz den Dingen widmen, die insbesondere in der politischen Diskussion eine Rolle spielen. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage: Schränkt der Nichtraucherschutz die individuelle Freiheit des Einzelnen zu sehr ein? Gilt das auch für die in Nordrhein-Westfalen vorgesehenen gesetzlichen Regelungen, die in anderen Bundesländern ja schon verankert worden sind?

Nikotin gehört wie Alkohol zu den legalen Drogen, für die man sich frei entscheidet. Wann Sucht die souveräne Entscheidungsfreiheit tangiert, werde ich an dieser Stelle einmal außer Betracht lassen und nicht vertiefen. Allerdings gilt hier auch der Grundsatz: Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt. – Mit diesen Worten beschrieb der Philosoph Immanuel Kant – vor ihm und nach ihm einige andere auch –, wie es sich mit der Freiheit und den Grenzsetzungen verhält. Also, frei nach Kant: Die Freiheit des Rauchers findet ihre Grenze bei der Freiheit des Nichtrauchers.

Denn klar ist: Passivrauchen schränkt die Freiheit der Nichtraucher ein. Es ist mit nicht unerheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden. Das ist, glaube ich, wissenschaftlich unstrittig.

Staatliche Regelungen in diesem Zusammenhang sind im Sinne der Freiheit angemessen. Noch stärker als die Freiheit des Einzelnen muss das Recht jedes Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit angesehen werden. Auch das ist schon im Grundgesetz festgeschrieben. Diesem Grundsatz ist staatliches Handeln im Prinzip auch verpflichtet, meine Damen und Herren.

Zur Raucherschutzgesetzgebung und gerade zu dieser Frage gibt es insgesamt drei Urteile des

Bundesverfassungsgerichtes. Speziell in diesem Punkt hat das Bundesverfassungsgericht eindeutig und klar bestimmt, dass es eine umfassende Legitimation staatlichen Handelns bei der Einschränkung des individuellen Handelns im Rahmen der Nichtraucherschutzgesetzgebung gibt.

Es besteht eine Schwierigkeit, mit der wir im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sicherlich zu tun haben werden: Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich zugleich auf den Gleichheitsgrundsatz sowie auf die Wettbewerbsgleichheit und die Freiheit der Berufsausübung verwiesen, wenn es Ausnahmen von diesen Rauchverboten erlässt.

Wir haben also drei Verfahren und Urteile des Bundesverfassungsgerichtes und befinden uns jetzt im dritten Gesetzgebungsverfahren. Deswegen haben wir, meine Damen und Herren, im Koalitionsvertrag auch formuliert, dass wir einen rechtssicheren und konsequenten Nichtraucherschutz in NordrheinWestfalen wollen.

Die Grenzen abzustecken wird Thema der parlamentarischen Beratungen sein. Es gilt ein alter Grundsatz, den ich an dieser Stelle noch einmal aufgreife: Kein Gesetz verlässt den Landtag so, wie es eingebracht worden ist.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Im Übrigen habe ich das Gefühl – das teilen auch andere –, dass fünf Jahre nach der ersten Beratung die jetzigen Beratungen zu diesem Thema viel entspannter stattfinden. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. – Meine Damen und Herren, herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Garbrecht. – Für die CDU-Fraktion erteile ich jetzt dem Abgeordneten Kollegen Preuß das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Garbrecht, zunächst einmal recht herzlichen Dank für den interessanten geschichtlichen Exkurs. Zur Geschichte gehört aber auch, dass Sie es in 39 Jahren SPD-Regierung, zuletzt mit zehnjähriger Regierungsbeteiligung der Grünen, nicht geschafft haben, überhaupt einen Schutz vor den Gefahren des Rauchens hinzubekommen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es war erlaubt, in sogenannten Raucherecken in den Schulen, in Krankenhäusern, in Gaststätten, praktisch überall zu rauchen, ohne auf Kinder, Kranke oder gesundheitsgefährdete Menschen – Nichtraucher wie Raucher, die natürlich genauso gefährdet sind – Rücksicht nehmen zu müssen.

(Zuruf von der CDU: So ist das!)

Die CDU-Fraktion war die erste politisch Kraft, die den Schutz der Nichtraucher eingeführt und konsequent durchgesetzt hat.

(Beifall von der CDU)

Die CDU-geführte schwarz-gelbe Landesregierung hat 2008 unter dem damaligen Minister Laumann ein gutes Nichtraucherschutzgesetz auf den Weg gebracht.

(Beifall von der CDU)

Gut ist es deshalb – und das ist entscheidend –, weil es Gesundheitsschutz einerseits und individuelle Lebensbedürfnisse und Lebensweisen der Bürgerinnen und Bürger andererseits in Einklang gebracht hat – ein echter Interessenausgleich.

Der Gesetzentwurf, den Sie heute vorlegen, hat nicht den Gesundheitsschutz zur Grundlage. Er ist ein Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger,

(Beifall von der CDU und der FDP)

ein Angriff auf die Freiheit, die es ermöglicht, das Leben zu genießen mit allen Genüssen und manchmal auch Eigenarten, die nicht allen passen. Dazu zählt auch die Kneipenkultur. Was wir Ihnen vorwerfen, ist ja nicht das Bemühen um einen Gesundheitsschutz, sondern dass Sie sich wieder einmal anmaßen, die Menschen zu gängeln und Ihre Vorstellung vom Leben anderen aufdrücken zu wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es gibt keinen Regelungsbedarf, der es rechtfertigt, die Gastwirte zu bestrafen und ihnen einen enormen Schaden zuzufügen. Im Vertrauen auf den Bestand des seit 2008 bestehenden Gesetzes haben Gastronomen Investitionen getätigt, bis zu

800.000 € und mehr, um Raucherräume von Nichtraucherräumen zu trennen. Das war deren Geschäftskonzept. Es geht hier um Beträge, die für einen Gastwirt existenziell sind. Sie verspielen damit wieder in bemerkenswerter Arroganz Vertrauen – Vertrauen in die Verlässlichkeit von Politik und Verlässlichkeit der Gesetzgebung.

Sie sprechen in Ihrem Gesetzentwurf von der Wettbewerbsfähigkeit. Ich meine, eher von Gleichmacherei im Gaststättenbereich zu lesen. Wettbewerb lebt aber von der Vielfältigkeit des Angebots und den unterschiedlichen Geschäftskonzepten. Aber genau das hebeln Sie für den Bereich der Gaststätten aus. Sie erwarten, dass die Gastronomen zukünftig Nachteile in Kauf nehmen und mal eben ihr Geschäftskonzept ändern, ein Geschäftskonzept, das die Basis ihrer Existenz bildet.

Sie zerstören damit eine regelrechte und vielschichtige Kneipenkultur und bevormunden Menschen, die abends in die Kneipe gehen, ein Bierchen trinken,

Konversation pflegen und dabei eine Zigarette rauchen möchten. Sie fördern das Kneipensterben, und damit setzen Sie auch Arbeitsplätze aufs Spiel,

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

die Arbeitsplätze von mehr als 3.000 Angestellten in den rund 10.000 Gaststätten mit Schwerpunkt im Getränkeausschank, meine Damen und Herren. Das muss man sich einmal vor Augen führen.