Protocol of the Session on November 30, 2012

tät der Telekommunikation

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/1467

Ich eröffne die Beratung und erteile Herrn Herrmann von der Fraktion der Piraten das Wort. Bitte schön.

Werter Herr Präsident, danke schön. – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger auf der Tribüne und im Stream! Manchmal bin selbst ich kurz davor, zu verzweifeln.

(Zurufe: Oh!)

Ich wollte Ihnen heute unseren Antrag zum Schutz der Vertraulichkeit und Anonymität der Telekommunikation vorstellen. Das ist ein wichtiger Antrag, der die Landesregierung auffordern soll, im Vermittlungsausschuss des Bundesrates auf Veränderungen des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes einzuwirken. Eine Änderung war notwendig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Januar dieses Jahres Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt hatte.

Warum bin ich nun kurz davor, zu verzweifeln? – Ich habe erfahren, dass die Justizminister der Länder am Mittwoch im Rechtsausschuss des Bundesrates noch weitergehende Verschärfungen im Gesetz gefordert haben. Warum?

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Es wurde früher nirgendwo notiert, wann ich meine Wohnung verlasse, wo ich hingehe, wen ich besucht habe. Ich musste früher auch nicht meinen Wohnungs-, Keller- oder Briefkastenschlüssel bei der Polizei hinterlegen. Welche Zeitungen oder Bücher ich lese oder welche Musik ich höre, wurde früher auch nicht aufgeschrieben. Das wäre auch recht aufwendig und teuer gewesen, da ständig jemand mit einem Notizblock hätte neben mir herlaufen müssen. Ich – wir – haben trotzdem überlebt – auch ohne dass all diese Daten zu unserem Schutz aufgezeichnet wurden.

Aber heutzutage produzieren Smartphones diese Daten quasi als Abfall nebenbei. Statt Schlüsseln gibt es Passwörter. Der Browser speichert jeden Klick, den ich auf einer Zeitungs- oder einer anderen Website mache, automatisch ab. Jetzt, wo diese Daten einfach da sind und nur eingesammelt werden müssen, werden sie von den Behörden drin

gend gebraucht und müssen alle gespeichert werden, nur damit wir Bürger sicher sind und nicht von Terror, Pest und Cholera überrannt werden. Das ist für mich nicht logisch.

Die Justizminister der Länder haben also tatsächlich eine weitere Verschärfung des Telekommunikationsgesetzes gefordert. Sie möchten nun auch verschlüsselte Passwörter von Cloudspeichern wie „Dropbox“ oder „Google Drive“ zurücksetzen können, um unbemerkt auf die Daten der Nutzer zurückzugreifen. Einen Ausweiszwang beim Kauf von Prepaidtelefonkarten wollen Sie ebenfalls durchsetzen. Dabei kann man in den meisten EU-Staaten Prepaidtelefonkarten einfach so an jeder Ecke kaufen – das ist auch gut so – und – auch in Deutschland damit telefonieren.

Wer wird seine Daten noch in einer Cloud speichern, wenn er weiß, dass eine staatliche Hintertür eingebaut ist? Herr Kutschaty, ich bitte wirklich um eine Erklärung, wie ein solches Handeln mit grundlegenden Bürgerrechten, aber auch mit einfacher Vernunft vereinbar ist.

(Beifall von den PIRATEN)

Mit diesen neuen Entwicklungen ist unser Antrag natürlich nicht überholt – im Gegenteil: Es ist umso wichtiger, dass wir gemeinsam in den Ausschüssen darüber sprechen. Wir haben zwölf Punkte im Telekommunikationsgesetz herausgearbeitet, die zu ändern wir für unverzichtbar halten. Dazu gehören die Beschränkung des Kreises der zugriffsberechtigten Behörden, keine automatisierte Schnittstellen zur Datenabfrage und eine Beschränkung der Auslieferung von Bestandsdaten auf Einzelfälle.

Wir möchten die Strafverfolgung im Internet nicht behindern oder unmöglich machen, aber es gilt, grundsätzliche Bürgerrechte zu beachten und zu schützen.

Es sollte zu denken geben, dass der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein auch den aktuellen Entwurf ebenfalls für nicht mit unserer Verfassung vereinbar hält.

Wir würden uns freuen, wenn wir gemeinsam zu der Erkenntnis gelangten, dass der Gesetzesvorschlag der Bundesregierung im Vermittlungsausschuss des Bundesrates verändert werden muss, um den Bürgern unseres Landes noch ein Mindestmaß an Vertraulichkeit und Anonymität der Telekommunikation zuzugestehen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann. – Für die SPD-Fraktion spricht als nächster Redner Herr Kollege Schlömer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf den Besucherrängen! Der Antrag der Piratenfraktion beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit von Telekommunikationsanbietern gespeicherte Bestandsdaten durch staatliche Einrichtungen zur Verfolgung von strafbaren Handlungen genutzt werden können beziehungsweise dürfen.

Hierzu gab es bereits in der Vergangenheit zahlreiche Diskussionen. Letztlich hat das Bundesverfassungsgericht am 24. Januar 2012 ein Urteil zur Nutzung von Bestandsdaten erlassen und sich, lieber Herr Herrmann, auch damit beschäftigt, welche Arten von Daten jetzt besonders geschützt werden müssen, weil es bisher in dieser Form nicht geregelt war. Das betraf insbesondere PIN-Nummern und Code-Wörter, die ebenfalls als Bestandsdaten gespeichert sind.

Hierzu erging auch die Verpflichtung, eine neue bundesgesetzliche Regelung zu erarbeiten.

Dass es sich bei dem eigentlichen Regelungsinhalt um eine sehr ernste und sensible Thematik handelt, möchte ich an dieser Stelle deutlich unterstreichen. Es ist nicht nur wichtig, dass die Persönlichkeitsrechte der Nutzer von Telekommunikationsmitteln besonders geschützt werden. Vielmehr ist es ein grundgesetzlich verbrieftes Recht. Deshalb halte ich es für dringend geboten, darauf zu achten, dass auch bei einer zukünftigen bundesgesetzlichen Regelung diesem Schutzbedürfnis Rechnung getragen wird.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es sei mir an dieser Stelle auch eine persönliche Anmerkung gestattet. Es verwundert teilweise, dass mittlerweile fast jeder mindestens über eine, teilweise sogar über eine ganze Handvoll an Pay-back- und Kundenkarten verfügt und viele Menschen sorglos bei vielen Gelegenheiten

Adressdaten angeben, obwohl jeder weiß, dass all die erfassten Daten munter genutzt, ausgewertet und teilweise auch verkauft werden. Kein Mensch weiß, was mit diesen Daten sonst noch alles geschieht. Dass aber die Nutzung selbst von allgemeinen Bestandsdaten wie Name, Anschrift sowie Telefonnummern zur Nutzung bei der Strafverfolgung so viele Gemüter erregt, ist schon bedenkenswert.

Die moderne Telekommunikation hat sich in den vergangenen Jahren nicht nur selbst in vielen Fällen als ein neues und eigenständiges Betätigungsfeld Krimineller entwickelt, sondern spielt auch bei der Organisation und Durchführung von Straftaten eine immer größere und bedeutende, ja sogar, würde ich sagen, eine ganz entscheidende Rolle. Das ist auch der Grund, warum es zu einer erfolgreichen und zügigen Strafverfolgung unverzichtbar ist, dass alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden können, um im Rahmen des geltenden Rechts

schnell und ausreichend Zugriff auf die zulässigen und notwendigen Daten zu erhalten.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, aus diesem Grund möchte ich davor warnen, das gesamte Thema einseitig und somit fast ausschließlich mit der Brille eben dieser zu schützenden Persönlichkeitsrechte zu betrachten. Doch genau das, Herr Herrmann, ist der Tenor des Piratenantrags, der deshalb eindeutig zu kurz greift.

Eine entsprechende Bewertung und Empfehlung der Stellungnahme zu der neuen bundesgesetzlichen Regelung bedarf aus meiner Sicht – da stimmen wir wieder überein – einer genauen Auseinandersetzung mit dem Regelungsinhalt und einer Abwägung zwischen dem Schutz der Persönlichkeitsrechte und der leider bestehenden Notwendigkeit zur Nutzung von Bestandsdaten zur Strafverfolgung. Das ist der Grund, warum es wichtig ist, diese Thematik im Hauptausschuss intensiv zu erörtern. Wir stimmen daher der Überweisung zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schlömer. – Für die CDU-Fraktion erteile ich nun Frau Kollegin Korte das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Piratenfraktion! Als ich den Titel Ihres Antrages „Zum Schutz der Vertraulichkeit und Anonymität der Telekommunikation“ las, konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Es ist schon ein Stück aus dem Tollhaus, wenn ausgerechnet Sie einen Antrag zu einem Thema stellen, auf das Sie so offensichtlich keinen Wert legen. Denn was aus Ihren Reihen in den letzten Monaten öffentlich breitgetreten wurde, vor allen Dingen bei Twitter,

(Zurufe von den PIRATEN: Zum Thema!)

war alles andere als vertraulich und anonym.

(Beifall von der CDU)

Aber zugegeben: Es hatte einen gewissen Unterhaltungswert,

(Zuruf von den PIRATEN: Sie auch!)

wenn ein Abgeordneter, von Haus aus Polizist, aus dem Urlaub verkündet, dass er den letzten Tag am Pool genießt, bevor er sich wieder – ich zitiere – so einen Schwachsinn von dämlichen Innenministern – Zitat Ende – anhören muss, oder wenn eine ehemalige Lehrerin von geplatzten Kondomen bei einem One-Night-Stand berichtet und wenig später über Zungengymnastik twittert, auf die ich nicht weiter eingehen möchte.

(Zuruf von den PIRATEN: Neidisch?)

Aber nun Schluss mit der Frotzelei und zurück zur Sache!

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von den PIRATEN: Aha!)

Mit dem vorliegenden Antrag soll die Landesregierung aufgefordert werden, im Bundesrat den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft abzulehnen, da nach Auffassung der Fraktion der Piraten verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Diese kann die CDU nicht teilen.

(Oliver Bayer [PIRATEN]: Das wäre auch ein Wunder!)

Wunder geschehen immer wieder – davon abgesehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum besseren Verständnis ganz kurz einige sachliche Hintergründe zu dem eingebrachten Gesetzentwurf der Bundesregierung nennen.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Endlich!)

Am 24. Oktober 2012 – Herr Schlömer hat bereits darauf hingewiesen – hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft beschlossen und anschließend in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren gegeben.

Mit dem Entwurf soll die sogenannte Bestandsdatenauskunft der Telekommunikationsanbieter entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts neu geregelt werden.

Bislang ist die Bestandsdatenauskunft in § 113 TKG geregelt. Hiernach werden Telekommunikationsanbieter verpflichtet, den jeweils zuständigen Stellen Auskunft zu den bei ihnen gespeicherten Kundendaten zu geben, wenn – und nur dann – dieses für die Verfolgung von Straftaten, die Gefahrenabwehr oder die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes oder der Länder erforderlich ist. Nicht nur im Falle von Terrorismus ist das ein wichtiges Instrument.

Bestandsdaten sind dabei in erster Linie Name und Anschrift sowie weitere Kontaktdaten des Inhabers eines Telekommunikationsanschlusses. Es fallen aber auch die vom Provider dem Kunden zur Verfügung gestellten Zugangsdaten, zum Beispiel Handy-PIN, darunter. Nicht zu den Bestandsdaten zählen diejenigen Verbindungsdaten, die erst bei der eigentlichen Telekommunikation anfallen. Und das, wenn ich das anmerken darf, sind die wirklich sensiblen Daten. Ich behaupte einfach mal: Die meisten der vorhin genannten Daten kann jeder, der sich einer Suchmaschine bedient, auch so relativ einfach über das Internet herausfinden.