Protocol of the Session on November 29, 2012

Fest steht auch: Der Versuch, das Modell des Aufsichtsrates eines Unternehmens eins zu eins auf Hochschulen zu übertragen, hat sich in der Praxis nicht bewährt. – Das ist eine Aussage von Frau Schulze.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Das ist eine Be- hauptung!)

Herr Berger, ich bitte Sie. Diese verbalen Stützkorsette aus Gütersloh – was bringt denn das?

(Beifall von den PIRATEN)

Die Konsequenz muss einfach sein: Das aktuelle Hochschulgesetz ist ein versalzenes Bananensoufflee. Es war ein netter Versuch, hat sich nicht bewährt, wird daher nicht gebraucht und kann in die Mottenkiste. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Schulze das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe gestern Abend hier gesagt, es gäbe Themen, bei denen es sich nicht lohne, darüber zu streiten. Deshalb sollten wir aufpassen, welche Diskussionen wir führen. Bei diesem Thema lohnt es sich aber wirklich, zu diskutieren.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Herr Berger, wir tun das in einem anderen Stil als Sie. Das Hochschulfreiheitsgesetz ist innerhalb von kürzester Zeit durch das Parlament gegangen – ohne Diskussionen. Wir knüpfen an die alten Traditionen an. Es ist nämlich guter Stil, so ein Gesetz, das wirklich für große Veränderungen sorgt, länger mit den Betroffenen und Beteiligten zu diskutieren. Das haben wir im Jahr 2000 so gemacht, das haben wir 2004 so gemacht, und das werden wir auch jetzt so machen. Das ist ein neuer Stil, an den Sie sich aber gewöhnen werden.

Was war der Hintergrund für Ihr Gesetz? Sie sind davon ausgegangen, die Hochschulen befinden sich im internationalen Wettbewerb, sie sind auf den Markt geschmissen, und auf dem Markt wirkt Adam Smith, die unsichtbare Hand, die schon dafür sorgen wird, dass auch bei den Hochschulen aus 37 Hochschulen irgendwie am Ende ein Landesinteresse entsteht.

Herr Berger, so funktioniert das nun einmal nicht. Die Hochschulen sind keine Unternehmen, die Wissenschaft ist kein Markt, und Adam Smith wirkt da genauso wenig wie auf den anderen Märkten.

Sie wissen das eigentlich doch auch. Sie wissen doch, dass ein Viertel der Studierenden Lehrerinnen und Lehrer werden wollen, und zwar nicht in China, nicht in Singapur, sondern beispielsweise in Duisburg, in Menden, hier in Nordrhein-Westfalen. Sie wissen doch auch, welche Schwierigkeiten wir heute haben. Wir haben viel zu wenig Berufskolleglehrer. Wenn 37 Hochschulen das tun, was für sie gut ist, dann entsteht eben nicht am Ende das Landesinteresse.

Übrigens auch nicht im Bereich „gute Arbeit“. Wenn Sie schon in die Unternehmen sehen. dann müssten Sie eigentlich wissen, dass die Arbeitsbedin

gungen heute ein ganz wichtiger Wettbewerbsfaktor sind. Was haben wir denn an den Hochschulen? Wir haben einen Rückfall in Arbeitsbedingungen ganz früher Zeiten. Das ist letztes Jahrhundert, was wir da haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen brauchen wir neue Steuerungsmöglichkeiten. Wir müssen die Hochschulen auch in diesem Bereich für den Wettbewerb zwischen den Hochschulen fit machen. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die dafür sorgen, dass wirklich die besten Leute nach Nordrhein-Westfalen kommen, weil sie hier sehr gute Arbeitsbedingungen vorfinden, weil sie nicht Befristungen von drei bis sechs Monaten haben, weil sie familienfreundliche Hochschule vorfinden, weil wir uns um Diversity kümmern. Das alles muss von Landesseite passieren.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Warum schaffen Sie dann den Wettbewerb ab?)

Was tun Sie jetzt hier in der Debatte? Sie bauen Pappkameraden auf. Diese Pappkameraden erlegen Sie dann mit Heldengeste in öffentlicher Diskussion. Ich sage Ihnen voraus, dass Sie damit in der Debatte nicht durchkommen werden.

(Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, eines sage ich hier ganz deutlich: Wir brauchen von Ihnen keine Belehrungen in Sachen Hochschulfreiheit und keine Belehrungen in der Frage der Autonomie.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Autonomie der Hochschulen hat Hannelore Kraft auf den Weg gebracht. Die Autonomie der Hochschulen ist eine zutiefst sozialdemokratische Idee, die dort nach vorne gebracht wurde, und kein Thema der FDP.

Wenn Ihnen das so viel wert ist, liebe Abgeordnete der FDP, dann diskutieren Sie doch einmal mit ihrem Minister Heubisch in Bayern. Der beruft noch jeden einzelnen Professor an den Hochschulen in Bayern.

(Beifall von der SPD)

Da waren wir schon seit vielen Jahren weitaus weiter.

Was wollen wir nun? Wir gehen davon aus, dass man dann, wenn man Autonomie an den Hochschulen hat, selbstverständlich auch Transparenz

braucht. Dazu ist doch Ihr Gesetz auf halber Strecke steckengeblieben. Ich verstehe übrigens nicht, warum Sie sich plötzlich gegen Transparenz wehren. Ich kann mich noch gut an eine Debatte um Abgeordnetenbezüge erinnern, in der Sie für vollständige Transparenz waren. Bei vier Milliarden, die wir an die Hochschulen geben, sagen Sie: Nein, da

gucken wir nicht hinein, das wollen wir nicht wissen. – Das kann doch wohl nicht sein!

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Schauen Sie sich doch einmal den Monitoringbericht zum doppelten Abiturjahrgang an! Eine Hochschule hat sich geweigert, uns Auskünfte zu geben. Ich kann jetzt hingehen und sagen, ich sperre der Hochschule den Haushalt, wenn sie mir den Bericht nicht gibt. Aber das ist wirklich kein feines Instrument. Deswegen brauchen wir Rahmenvorgaben beim Haushalt und Rahmenbedingungen beim Personal. Das ist gut so, und das werden wir auch so auf den Weg bringen.

Jetzt zu Ihrem Pappkamerad „Hochschulrat“: Es lohnt sich, wenn man ab und zu einmal dazu Gespräche führt. Reden Sie doch einmal mit Frau Wintermantel. Frau Wintermantel hat vor vielen Jahren hier bei der Anhörung im Landtag gesagt – damals noch als Vorsitzende der HRK …

(Christian Lindner [FDP] spricht zu Minister- präsidentin Hannelore Kraft.)

Sollen wir das jetzt im Dialog weiterführen? Aber das geht in einer Aktuellen Stunde nicht.

(Christian Lindner [FDP]: Ich rede mit Ihrer Chefin!)

Gut.

Frau Wintermantel hat damals gesagt, sie fände es falsch, die Funktion der Aufsicht und der Beratung mit der Dienstvorgesetztenfunktion beim Hochschulrat zusammenzubringen. Das hat Frau Wintermantel übrigens im November, als sie in den Hochschulrat in Aachen berufen wurde, noch einmal gesagt. Mir haben auch viele Hochschulräte gesagt, dass das nicht zusammenpasst, Dienstvorgesetzter zu sein und Aufsicht und Beratung zu haben. Sie haben versucht, das Modell des Aufsichtsrates eins zu eins auf die Hochschulen zu übertragen. So funktioniert das aber nicht.

(Zuruf von der CDU: Alles Behauptungen!)

Deswegen wollen wir die Dienstvorgesetztenfunktion für das Rektorat wieder zum Land zurückholen. Der Beweis, Herr Berger, weil Sie danach immer rufen: Reden Sie einmal mit den Hochschulräten! Die haben mir im Detail dargelegt, dass das so nicht funktioniert.

Was ist das Zweite, was wir beim Hochschulrat ändern wollen? Es gibt ein Gerichtsurteil vom Verfassungsgericht in Hamburg, das sagt: Wir dürfen das Rektorat nicht allein im Hochschulrat wählen und im Senat bestätigen. Das geht so nicht mehr. Deswegen werden wir das auch ändern. Ein solches Gerichtsurteil ist bindend. Sie können ja die Augen zumachen und es nicht wahrnehmen, aber wir nehmen dieses Urteil ernst und werden es im neuen Gesetz umsetzen.

Meine Damen und Herren, zwischen der Heiligsprechung des jetzigen Gesetzes und des symbolhaften Immer-wieder-Sagens, das sei das Nonplusultra, und dem, was die Piraten machen – das ist, glaube ich, ein bisschen „copy and paste“, wenn Sie sich einmal das Gesetz der Linken aus der letzten Runde ansehen –, bewegt sich das, was wir jetzt als Landesregierung vorlegen; dazwischen bewegen sich die Eckpunkte.

Ich glaube, dass wir da auf einem sehr guten Weg sind. Es geht um die Weiterentwicklung der Hochschulen. Es geht darum, wie wir weiterhin dafür sorgen, dass junge Menschen dort wirklich gut ausgebildet werden und wie wir die besten Rahmenbedingungen für Forschung in Nordrhein-Westfalen auf den Weg bringen.

Das werden wir mit der Diskussion um die Eckpunkte jetzt in aller Ruhe tun. Wir werden das auch hier im Parlament noch mehrfach diskutieren. Denn das ist wirklich eine Debatte, die sich lohnt. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Kaiser das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zunächst möchte ich meiner Gelassenheit Ausdruck verleihen: Auch in zehn Jahren, in zwanzig Jahren oder in hundert Jahren wird es Wissenschaft und Forschung geben – selbstverständlich auch bei uns in Nordrhein-Westfalen. Die menschliche Neugier und das Bedürfnis nach Wahrheit lassen sich nicht unterdrücken.

(Karl Schultheis [SPD]: Dann lass uns das doch schon mal beschließen! – Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN)

Doch im Augenblick haben es Wissenschaft und Forschung in Nordrhein-Westfalen schwer. Sie müssen leiden.

(Ministerin Svenja Schulze: Ach! Deshalb sind sie exzellent?)

Sie werden durch eine Ministerin angegriffen, die mit ihrem staatsgläubigen Kaderdenken, das noch nicht so richtig über das Niveau einer AStAVorsitzenden hinausgekommen ist,

(Beifall von der CDU und der FDP – Wider- spruch von der SPD und den GRÜNEN)