Protocol of the Session on November 28, 2012

Vor allem im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs oder des öffentlichen Personenverkehrs überhaupt fehlt uns die Transparenz – uns Politikern, den Stadtplanern, allen Menschen in NRW, die sich für die Entwicklung des ÖPNV, des Verkehrs insgesamt interessieren und sich mit viel Engagement beteiligen wollen. Derzeit ist es nicht nur schwierig, spontan alle in NRW verfügbaren Einzeltickets zu verstehen; allen Akteuren fehlt die Übersicht, das System insgesamt zu erfassen.

Kosten-, Nutzungs-, Bedarfs- und Entwicklungsperspektiven: Es geht hier nicht um die Forderung nach mehr Geld. Natürlich fordere ich grundsätzlich wie alle Verkehrspolitiker die nötigen Mehrausgaben, um zumindest die vorhandene Infrastruktur zu erhalten, aber auch Investitionen in Busse und Straßenbahnen zu ermöglichen.

Nicht erst aus der kategorischen Ablehnung all unserer Haushaltsanträge schließe ich, dass wir mit mehr Geld für alles auch nicht weiterkommen. Dann allerdings sind wir in einer Situation, in der wir zusammen gänzlich neue Modelle und Finanzierungen ausprobieren sollten.

Hier im Plenum, im Ausschuss und in Diskussionsrunden habe ich schon öfter den Verkehrswandel erläutert, der auf uns zukommt, die Verkehrswende dargestellt, die wir frühzeitig in Angriff nehmen müssen. Protektionismus für die Straße und eine autozentrierte Verkehrsplanung vergangener Epochen sind überaltert.

Doch wir Piraten sind nicht in dieses Parlament gekommen, um fünf Jahre über die Versäumnisse der Vergangenheit zu schimpfen, bloß darauf hinzuwei

sen, dass Planungen und Verfahren veraltet sind und der Landesregierung der Mut und der Bundesregierung die Weitsicht fehlt. – Nein, wir Piraten wollen wirkliche Veränderungen und gemeinsam mit Ihnen daran arbeiten. Wir möchten dabei auch auf früheren Ideen aufbauen.

2003 hatte sich der Bund – zu dem Zeitpunkt mit rot-grüner Regierung – mit den umweltpolitischen Handlungsempfehlungen für die Finanzierung des ÖPNV – in einem Forschungsbericht – dieser Thematik schon einmal angenommen. Damals gelangte man übrigens auch zu der Erkenntnis, was ein ticketloser ÖPNV bundesweit kosten würde, nämlich pro Kopf 15 DM monatlich. Das sind 7,67 €. Die Datenbasis stammt aus der Zeit der Jahrtausendwende und ist folglich veraltet. Sie muss also aktualisiert werden.

Doch warum wurde das Thema damals nicht weiterverfolgt? SPD, Grüne, die, die noch da sind – fragen Sie auch die, die gerade abwesend sind –: Wir finden, das muss man wieder aufgreifen. Wir sind sehr daran interessiert, die damals auf Bundes- und Länderebene erfassten Daten nun auf Landes- und Kommunalebene, also noch deutlich detaillierter und aussagekräftiger, zu aktualisieren, zu ergänzen und auszuwerten.

Wir wollen die Nutzungs- und Finanzierungsstruktur des öffentlichen Personenverkehrs in einer Weise durchleuchtet sehen, die es ermöglicht, Optimierungspotenziale zu finden, Synergieeffekte zu aktivieren und überflüssige Verwaltungsebenen abzubauen. Ja, wir wollen Steuergeld möglichst effektiv und effizient verwenden. Deshalb wollen wir zusätzlich Einsparpotenziale im Bereich des motorisierten Individualverkehrs aufdecken, wir wollen, dass das Geld für den Verkehr so effektiv wie möglich verwendet wird. Womöglich sind einfache transparente Systeme auch kostengünstiger.

Wir wollen der These nachgehen, dass der öffentliche Personenverkehr nicht nur sozial und ökologisch die bessere Verkehrsform, sondern auch in Abwägung der gesamtgesellschaftlichen Kosten zudem die ökonomisch weitaus sinnvollere Investition ist.

Im Bund wurde von Rot-Grün 2003 die Gelegenheit zur Innovation vertan. Heute haben wir sie auf Landesebene erneut. Ich nehme an, dass Ihr Angebot zur konstruktiven Zusammenarbeit ernst gemeint war. Ich nehme ebenso an, dass Sie für umwelt- und sozialpolitische Innovationen zu gewinnen sind.

Ich bitte Sie daher, dieses Anliegen gemeinsam im Ausschuss weiter zu behandeln und mit uns zu vertiefen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Kollege Tüttenberg.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal finde ich es gut, dass sich die Piraten als neue Fraktion in diesem Hause der schwierigen Materie der Infrastrukturpolitik, der Verkehrspolitik zuwenden möchten. Sicherlich ist das schwere Kost. Das sehen Sie auch an der Zahl der sich für dieses Thema nicht unbedingt vorrangig interessierenden, abwesenden Mitglieder in diesem Hause zurzeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Sie werden, wenn Sie sich diesem Thema zuwenden, auf eine Fülle von Informationen stoßen, die in verschiedener Weise erhoben werden, vorliegen, aufbereitet werden. Wir haben eine Struktur, die dezentral und regional beim ÖPNV organisiert wird.

Sie haben selber in Ihrem Antrag ausgeführt: Es gibt die Verkehrsverbünde, es gibt die Verkehrsunternehmen. Sie sind kommunal bestimmt. Dorthin entsenden die Kommunen ihre Vertreter. Sie werden auch kommunal kontrolliert. Insofern ist das durch die Zeilen schimmernde Misstrauen, dass das dort alles intransparent ablaufe, nicht zutreffend – anders, als es der Kollege Stein eben dargestellt hat. Es ist nicht kommunalfreundlich, das hier so durchschimmern zu lassen. Ich möchte deshalb ein erstes Fragezeichen daran machen.

Zum Zweiten geht es um den Straßenbau. Wir haben tatsächlich den Landesstraßenbau, der originär durch das Land finanziert wird. Wir haben den kommunalen Straßenbau, der auf der Basis des Entflechtungsgesetzes zwischen Bund und Ländern gefördert wird, wir haben den Bundesstraßenbau, der vom Landesbetrieb „Straßen NRW“ geplant wird – sicherlich auch eine Materie, der man sich mit großer Intensität zuwenden muss.

Deswegen stößt sicherlich der eine oder andere Kollege auch zeitlich an gewisse Grenzen. Für diesen Fall gibt es die Möglichkeit, wissenschaftliche Mitarbeiter bzw. den Wissenschaftlichen Dienst zu aktivieren.

Auch die statistischen Jahrbücher, die uns immer wieder ereilen, sind letztendlich nicht ausschließlich dafür da, dass man sie archiviert. Vielmehr enthalten sie umfangreiche Zahlenwerke, welche wieder aufbereitet, abgewogen und rückgekoppelt werden sollen. Insofern kann es nicht ausschließlich darum gehen, dass – und dazu stellen Sie Ihren Antrag – ein unabhängiges Expertengremium diese Arbeit machen soll. Man muss sich ein Stück weit selbst auf diesen Weg machen und die Analysearbeit, die Auswertungsarbeit und die Rückkopplungsarbeit vornehmen. Das ist die tägliche Arbeit, die eine Fraktion leistet, und dabei werden Sie auch auf

Konflikte stoßen. Das können wir Ihnen und das möchten wir auch uns selber nicht ersparen.

Insofern haben wir Bedenken, dass Sie dieses Thema in der Weise aufbereiten, wie Sie es hier formuliert haben, dass Sie nämlich zusätzlich zur Kommission, die sich mit der Zukunft des ÖPNV beschäftigt und Anfang 2013 ihre Ergebnisse vorlegen wird, ein weiteres Gremium einrichten wollen. Sie nennen es „Expertengremium“, welches dann eine Studie in Auftrag geben soll. Sie wollen also eine weitere administrative Ebene einziehen.

Ferner ist es aus meiner Sicht auch etwas unlogisch. Denn auf der einen Seite sagen Sie, dass die kommunalen Strukturen zu dezentral seien und dass diese landesweit gebündelt werden müssten. Auf der anderen Seite sprechen Sie die Bundesverkehrsinfrastruktur und sogar die Strukturförderungsmittel, die zum Teil auf der EU-Ebene laufen, an. Dann wäre es auch falsch, es auf Landesebene anzusiedeln. Sie müssten es dann konsequenterweise auf der Bundesebene ansiedeln.

Insofern möchte ich Ihren Antrag nicht per se dahin gehend schlechtreden, dass Sie nicht das richtige Thema angesprochen haben. Man kann ihm aber auch nicht ohne Weiteres zustimmen. Denn Sie erheben zunächst einmal lediglich die Forderung, ein weiteres Gremium zu bilden, um eine Lösung zu finden, machen aber keine eigenen Vorschläge.

Deswegen sind wir bereit, den Antrag in den zuständigen Fachausschuss zu überweisen. Dort möchten wir Ihnen auch die Gelegenheit geben, anhand des Textes und der Daten, die bereits vorhanden sind und nicht neu erhoben und bewertet werden müssen, präzise darzulegen, worauf Sie beschlussmäßig konkret hinauslaufen. Vielleicht kann man sich noch einigen. Ich hoffe, dass es eine fruchtbare Debatte geben wird. Wenn Sie über die Forderung – dies sage ich schon heute im Voraus –, das auf eine dritte Ebene zu verlagern, nicht hinausgehen wollen, möchte ich bereits jetzt ein gewisses Maß an Skepsis äußern, ob wir auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Aber lassen wir es darauf ankommen. Die Arbeit im Ausschuss kann diesbezüglich sehr erhellend wirken. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Tüttenberg. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Kollege Moritz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne! Ich bin ehrlich gesagt überrascht von Ihrem Antrag, werte Kolleginnen und Kollegen von den Piraten. Denn Sie fordern in Ihrem Antrag, Daten und Studien, die es bereits gibt und die man in kürzester Zeit und mit wenig Aufwand im Internet finden kann, herbeizu

führen. Ich habe in kurzer Zeit sechs Titelseiten ausgedruckt. Das heißt, uns fehlen nicht die Daten und Zahlen, sondern uns fehlen die Schlussfolgerungen. Also müssen die Zahlen zusammengeführt und in ein schlüssiges Gesamtkonzept gebracht werden – in ein Gesamtkonzept, welches die Antwort auf die Frage gibt, wie die Mobilität morgen aussieht.

Ich weiß, dass das Thema „Mobilität“ die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes bewegt. Dies gilt vielleicht nicht gerade in dieser Minute hier im Plenum, aber draußen vor den Türen des Landtags. Diskussionen über das Thema „Mobilität“ werden sehr emotional geführt, wenn es um Straßen, Gleise, Wasserstraßen oder gar Flughäfen geht. Wir alle möchten zwar permanent mobil sein, aber wir akzeptieren nicht die Folgen dieser Mobilität.

(Jochen Ott [SPD]: So ist es!)

Heute will niemand mehr die ganze Landschaft zubetonieren, aber es will auch niemand im Stau stehen, und erst recht will niemand den Stau vor seiner Haustür haben.

Insofern verfolgt Ihr Antrag – abgesehen von einem tendenziösen Unterton – das richtige Ziel, aber Sie wählen den falschen Weg. Denn wir benötigen ein Gesamtkonzept, und das wiederum ist die Aufgabe der Landesregierung. Das heißt, wir benötigen kein Expertengremium, welches teure Gutachteraufträge erteilt. Ich persönlich gehe davon aus, dass das Verkehrsministerium genug eigenen Sachverstand hat, um ein Mobilitätskonzept für NRW zu entwickeln, in dem Individualverkehr und ÖPNV auf einen Nenner gebracht werden können.

In der Regel ist es auch so, dass Ministerposten und Staatssekretärsposten nach Kompetenz vergeben werden.

(Zuruf von der CDU: Aber nicht in dieser Re- gierung!)

So sollte es zumindest sein.

Wir gehen davon aus, dass zumindest das Verkehrsministerium in der Lage ist, ein Konzept für ein mobiles NRW zu entwerfen.

(Jochen Ott [SPD]: Volle Kompetenz, Herr Groschek!)

Mit Ihrem Antrag würden wir die Erstellung eines solchen Mobilitätskonzeptes um Jahre zurückwerfen. Denn erfahrungsgemäß dauert es nicht nur wenige Wochen bis zur Fertigstellung eines solchen Gutachtens, sondern in der Folge muss dieses auch noch ausgewertet werden. Genau dann beginnt die Arbeit, mit der wir eigentlich schon jetzt beginnen können, nämlich die verschiedenen Gutachten und Zahlen in einem Gesamtkonzept zusammenzuführen.

(Zuruf von den PIRATEN: Nur zu!)

So viel Zeit, wie wir bis dahin vergeuden würden, haben die Menschen in Nordrhein-Westfalen nicht, und abgesehen von dem zeitlichen Kontext können wir uns auch die Kosten für ein solches neues Gutachten sparen. Denn, wie gesagt, die Zahlen liegen schon vor, und deswegen brauchen wir zeitnah ein Gesamtkonzept für die Zusammenführung der Verkehrsträger. Aus diesem Grund fordere ich jetzt insbesondere die Landesregierung auf, diese Zahlen zu einem Gesamtkonzept zusammenzuführen, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und dann im Sinne der Bürgerinnen von Nordrhein-Westfalen ideologiefrei zu handeln. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Klocke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion der Piraten, ich würde Ihnen durchaus zustimmen, dass beim Blick auf die Verkehrsplanung die Strukturen der jeweiligen Kostenträger, der verschiedenen Verkehrsverbünde, der Bund-Länder-Kommunen-Finanzierung etc. doch recht unüberschaubar sind.

Jetzt scheint mir Ihr Antrag so ein bisschen nach folgendem Muster gestrickt zu sein: Wenn man alle Zahlen, die man so hat, irgendwie zusammenführt, in eine große Wundermaschine oben hineinwirft und das so richtig durchknetet, dann kommt unten ein gutes Gesamtverkehrskonzept heraus. – Das finde ich überhaupt nicht zielführend, aber möglicherweise kommen wir in der Ausschussdebatte noch darauf, dass doch etwas anderes dahintersteckt und dass wir möglicherweise doch zueinander kommen.

Es gab hier zum Beispiel von 1996 bis 2000 die Enquetekommission „Zukunft der Mobilität“, zu der auch ein sehr ausführlicher Abschlussbericht erschienen ist, welcher das neue Konstrukt der integrierten Gesamtverkehrsplanung enthielt. Ob uns diese sozusagen in jedem Punkt weitergebracht hat, ob das eigentliche Ziel, das dahintersteckte, nämlich den Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsträger zu ermöglichen und zu fördern, letztendlich erreicht worden ist, möchte ich infrage stellen.

Alle Zahlen und Daten liegen vor. Wir haben einen Wissenschaftlichen Dienst und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das entsprechend zusammenstellen können. Es geht immer auch um die Frage der Schlussfolgerungen, die man zieht. Wir befinden uns gerade in der Debatte um die Aufstellung des neuen Bundesverkehrswegeplans und die Debatte um das ÖPNV-Gesetz. Dort wird konkret das, was wir an Zahlenmaterial

und Erkenntnissen haben, zu einer Gesamteinschätzung oder -abwägung einfließen.

Sie wünschen sich zum Beispiel eine Offenlegung der Zahlen der Verkehrsverbünde. Das ist einerseits zwar wünschenswert, aber andererseits sind rechtlich gesehen nicht alle Betriebsergebnisse und Betriebszahlen veröffentlichbar. Die Nennung der Betriebsergebnisse war ein Grund, weshalb die Debatte um das ÖPNV-Gesetzes mehr Zeit in Anspruch genommen hat als eigentlich geplant. Wir haben nämlich die Daten aus den Unternehmen nicht bekommen, die wir eigentlich eher hätten haben wollen.

Durchaus stimme ich Ihrem Antrag grundsätzlich zu, dass Sie eine ehrliche Kostenbilanz beim motorisierten Individualverkehr, die gesellschaftlichen Folgekosten, die Kosten der Umwelt sowie Gesundheitskosten etc. haben wollen, sodass man darüber debattieren kann. Dabei handelt es sich aber lediglich um Einzelsegmente Ihres Antrags. Im Ausschuss müsste man noch einmal ausführlicher diskutieren.