Protocol of the Session on February 16, 2017

Gerne.

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Können Sie nachvollziehen, dass wir ein Problem damit haben, dass im neuen Bundesdatenschutzgesetz nichts von den bisherigen Regelungen zur Videoüberwachung wiederzufinden ist? Sie haben ja gerade auch Probleme beim Videoüberwachungsverbesserungsgesetz entdeckt. Es wird einfach das Endergebnis dieses Videoüberwachungsverbesserungsgesetzes als neuer Tatbestand festgestellt, das heißt, die Wichtigkeit. Das ist das Neue im Gesetzgebungsverfahren. Nichts von der Vorgeschichte ist mehr enthalten. Können Sie nachvollziehen, dass wir damit ein Problem haben?

Herr Kollege Herrmann, ich kann nicht alle Probleme nachvollziehen, die Sie haben.

(Heiterkeit – Frank Herrmann [PIRATEN]: Das wäre doch mal eine schöne Antwort gewesen!)

Fachlich und inhaltlich kann ich mir das hier durchaus vorstellen. Aber erstens wissen wir nicht, was am Ende bei dem Gesetzgebungsverfahren herauskommen wird.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das kommt ja auf Sie an! Deswegen haben wir den Antrag gestellt!)

Zweitens haben wir es hier mit einem Antrag zu tun, der sich mit diesen Fragen eigentlich nicht in der gebotenen Art und Weise auseinandersetzt, weil da im Prinzip nur drin steht: Datenschutz ist irgendwie auch wichtig. – Da muss man sich sehr konkret anschauen: Was dient eigentlich dem Datenschutz?

Sie haben eben in Ihrem Wortbeitrag ja die Datenschutzbehörden angesprochen, denen ja eine Aufsichtsfunktion zukommt. Da muss man sich dann einfach angucken: Wer hat denn in den letzten Jahren immer wieder den Datenschutz und die Landesdatenschutzbeauftragte in ihrer Funktion, in ihrer Arbeit gestärkt? – Das waren wir. Wir haben da für einen erheblichen Stellenaufwuchs gesorgt.

Das ist kein Ergebnis, das Frank Herrmann herbeigezaubert hat, sondern das ist eine Tatsache, die sich durch die ganzen sieben Jahre rot-grüner Regierungszeit durchgezogen hat, weil wir wissen, dass die Landesdatenschutzbeauftragte und ihre Behörde eine extrem wichtige Arbeit machen. Deshalb haben wir da für einen massiven Stellenaufwuchs gesorgt. Die Vorgängerregierung – daran darf ich noch einmal erinnern – hat da Stellen zusammengestrichen. Wir haben dafür gesorgt, dass dieses Streichkonzert nicht nur beendet wurde, sondern wir haben einen massiven Stellenaufwuchs geschaffen, weil wir eben aus den Beratungen auch wissen, dass die Videoüberwachung ein viel nachgefragtes Thema ist. Das ist ein wirklich konkreter Gewinn für den Datenschutz, der auch nicht in Berlin passiert, sondern der hier bei uns in Nordrhein-Westfalen stattfindet.

Um zu diesem Ergebnis zu kommen, lieber Kollege Herrmann – als letzter Satz –, brauchen wir auch keine Studie. Dass wir diese wichtige Behörde in ihrer wichtigen Funktion stärken mussten, das haben wir ganz alleine herausgefunden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Wedel das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf des sogenannten Videoüberwachungsverbesserungsgesetzes der Bundesregierung zielt im Ergebnis darauf ab, den notwendigen Abwägungsprozess zwischen dem Interesse einer nichtstaatlichen Stelle an der Durchführung von Videoüberwachungsmaßnahmen und insbesondere den Grundrechten betroffener Dritter zu modifizieren. Gleiches gilt für den im Zuge der Verarbeitung der einmal erhobenen Daten erforderlichen weiteren Abwägungsprozess.

Der Gesetzentwurf zielt ausschließlich auf von der Öffentlichkeit stark frequentierte, öffentlich zugängliche Großflächen wie etwa in Einkaufszentren sowie auf Stationen und Fahrzeuge des öffentlichen Personenverkehrs ab.

Er verfolgt eine doppelte Zwecksetzung: Prävention mit Blick auf ein mögliches Erkennen jene Örtlichkeiten auskundschaftender Täter und Repression durch die Lieferung von Material für die Ermittlungstätigkeit nach Straftaten.

Wenn der Antrag der Piratenfraktion einwendet, es sei problematisch, an dieser Stelle Grundrechtseingriffe durch Private auszuweiten, gilt es aus unserer Sicht, Folgendes zu bedenken:

Mit Ausnahme von privaten Einkaufszentren oder Kinos geht es bei den genannten öffentlichen Transportmitteln in der Regel um solche, deren privatrechtlich organisierte Betreibergesellschaften vollständig oder überwiegend in öffentlicher Hand sind.

Der öffentlichen Verwaltung ist die sogenannte Flucht ins Privatrecht indes verwehrt. Sie darf sich durch die Wahl der Rechtsform insbesondere nicht den ihr obliegenden Grundrechtsbindungen entziehen. Insofern sind Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Umgewichtung des Abwägungsmaterials auch weiterhin an den Maßstäben jenes Grundrechts zu messen.

Für materiell private Rechtspersonen, wie wir sie bei den erwähnten Einkaufszentren regelmäßig haben, gilt im Übrigen die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte und damit auch des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.

Die verschiedenen Generalklauseln des Zivilrechts wie Sittenwidrigkeit oder Treu und Glauben ermöglichen die Berücksichtigung grundrechtlicher Wertungen im Verhältnis von Privaten untereinander.

Mit signifikanten Einbußen beim Grundrechtsschutz rechnen wir deshalb für den Fall einer Verabschiedung des Gesetzentwurfs nicht.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das wundert mich aber!)

Dennoch möchten wir kein Loblied auf die Videoüberwachung singen. Bei dieser handelt es sich mit

nichten um ein Allheilmittel. Maßnahmen der Videoüberwachung müssen stets verhältnismäßig sein. Eine flächendeckende Videoüberwachung lehnen wir grundsätzlich ab. Nach unserer Auffassung ist es vielmehr erforderlich, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob von der Installation weiterer Videoüberwachungstechnik ein signifikanter Sicherheitsgewinn oder eine deutlich verbesserte Möglichkeit der Strafverfolgung von drohenden Straftaten zu erwarten ist.

Daher soll Videoüberwachung nur nach klar definierten Kriterien und nicht nach Gutdünken an Verkehrsknotenpunkten und Orten erhöhter Kriminalitätsgefahr erfolgen.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Ist „wichtig“ ein klar definiertes Kriterium?)

Für jeden der betroffenen ÖPNV-Bereiche und jedes betroffene Einkaufszentrum ist deshalb im Einzelfall zu prüfen, welche konkreten Sicherheitsgewinne erzielt werden können. Diese Einzelfallabwägung hat die Bundesregierung durch ihren Gesetzentwurf nicht entbehrlich werden lassen. Kameras müssen entweder mittels dauernder menschlicher Beobachtung der Bilder ein sofortiges Einschalten bei Gefahr ermöglichen oder aber signifikant die Aufklärungswahrscheinlichkeit von Straftaten erhöhen. Andernfalls ist ihre Anbringung zu unterlassen.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das steht nicht im Gesetz!)

Für die Auswertung der Daten muss dies erst recht gelten. Sie muss anlassbezogen erfolgen. Zu Ihrem Antrag werden wir uns im Ergebnis enthalten.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Danke sehr!)

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung weist noch Lücken auf. In seiner Stellungnahme vom 10. Februar 2017 hat der Bundesrat unseres Erachtens zu Recht angeregt, den Gesetzentwurf noch um eine Ausweitung der Meldepflichten bei der Aufsichtsbehörde nach § 4d BDSG zu erweitern.

Wird Videoüberwachung durch Private in größerem Umfang als bisher zugelassen, ist auch ein höheres Kontrollniveau erforderlich. Dem kann eine solche Ausweitung Rechnung tragen, die in der bisherigen Fassung jedoch noch fehlt.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Aber mehr Stel- len für die LDI sind dabei nicht inklusive!)

Im Übrigen wird es aus Sicht der Freien Demokraten darauf ankommen, trotz zu erwartender Harmonisierungseinbußen, die infolge der Datenschutzgrundverordnung zu erwarten sind, das Datenschutzniveau in Deutschland zugunsten der Bürgerinnen und Bürger im Grundsatz zu erhalten. Das sollte sich auch für den Fall der Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes durch den Deutschen Bundestag durch eine sparsame Anwendung der Neufassung des § 6b BDSG manifestieren. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Wedel. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.

(Christof Rasche [FDP]: Einfach nur: Herr We- del hat recht! – Lachen von Minister Ralf Jä- ger)

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herzlichen Dank für die juristische Einordnung, lieber Kollege Wedel. Ich glaube, das hat uns allen weitergeholfen und gutgetan. Dann kann ich diesen Teil meiner Rede weglassen und mich kürzer fassen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Videobeobachtung ist – das haben Sie auch schon gesagt, Herr Kollege Wedel – kein Allheilmittel. Es ist möglicherweise ein kleiner Baustein für mehr Sicherheit. Übrigens ist die beste Basis für mehr Sicherheit mehr Polizei. Deshalb ist es gut, dass diese Landesregierung seit 2010 deutlich mehr Polizei eingestellt hat.

Was das Gesetzgebungsverfahren des Bundes angeht, Herr Kollege Herrmann, glaube ich, dass Sie die Auswirkungen der Änderung auf die Wirklichkeit überschätzen. Es bleibt dabei, dass im Einzelfall immer eine Abwägung vorgenommen werden muss. Das hat Herr Wedel auch schon erläutert. Nur der Aspekt der Sicherheit wird zukünftig stärker gewichtet.

Herr Minister, entschuldigen Sie. Würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Ellerbrock zulassen?

Gerne, Herr Ellerbrock.

Herr Minister, Sie hatten eben dargestellt, dass Sie Ihre Rede jetzt kürzer fassen könnten. Könnten Sie dann bitte auf die Ausführungen des Kollegen Wedel hinsichtlich der mittelbaren Grundrechtswirkung, die meiner Meinung nach überzeugend waren, noch einmal näher eingehen? Wie sehen Sie die mittelbare Grundrechtswirkung? Das halte ich für eine sehr wichtige Sache – nicht, dass das unter den Tisch fällt.

Erstens. Ich glaube nicht, dass hier irgendetwas unter den Tisch fällt, weil eine solche Sitzung auch protokolliert wird.

Zweitens. Herr Ellerbrock, ich habe mich dem Teil angeschlossen, in dem Ihr Kollege, Herr Wedel, die Grundlagen für dieses Gesetz erläutert hat. Diesen

Grundlagen mit ihren juristischen Auswirkungen kann ich mich wirklich anschließen.

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

Meine Damen und Herren, es bleibt auch zukünftig dabei, dass die Aufsichtsbehörden die Videobeobachtung über den Datenschutz überprüfen. Insofern ist das Bundesgesetz ein maßvoller Beitrag, der beide Interessen, nämlich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf Sicherheit, ausgewogen berücksichtigt.

Den Rest kann ich dank Herrn Wedel weglassen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.