Protocol of the Session on February 16, 2017

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es steht doch außer Frage, dass Gewalttäter, die die Bühne des Fußballs missbrauchen, um hier gegenüber Fans, Funktionären und Polizei gewalttätig zu werden, eine Herausforderung sind, der wir nach wie vor begegnen müssen. Das steht doch vollkommen außer Frage. Natürlich sind auch 277 Verletzte immer noch 277 zu viel. Aber bei über 600 Spielen mit über 6 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern wollen wir doch einmal ganz klar festhalten: In NRW ist es nach wie vor sicher, ins Stadion zu gehen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie kritisieren hier einmal mehr die Einsatzkonzeption „Lageangepasste Reduzierung der polizeilichen Präsenz bei Fußballspielen“. Dabei verweisen Sie auf die Kritik der Gewerkschaft der Polizei. Allerdings äußerte sich Erich Rettinghaus, NRW-Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, zu Beginn der Pilotphase wie folgt:

„Das ist mutig und zukunftsweisend. Wir lassen keinen Zweifel daran, dass die Polizei einschreitet, wenn Straftaten passieren, aber die kräftezehrende Rundum-Betreuung wird es nicht mehr geben.“

Damit ist doch auch der Kern Ihrer Frage: „Wie will die Landesregierung Fans, Mannschaften und Einsatzkräfte bei Fußballspielen in Zukunft besser schützen?“ beantwortet. Das Rundumsorglospaket der Polizei kann es nicht geben, sondern es bedarf eines Netzwerkes, der Verantwortung aller Beteiligten, um die Sicherheit bei Fußballspielen zu gewährleisten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das ist Kern des Nationalen Konzepts Sport und Sicherheit. Das ist Kern der Beratungen im Nationalen Ausschuss Sport und Sicherheit. – Herr Sieveke, Sie schütteln den Kopf. Vielleicht besuchen Sie einmal diejenigen, die in den örtlichen Ausschüssen Sport und Sicherheit die wichtige Netzwerkarbeit leisten, und unterhalten sich mit ihnen.

Es geht darum, dass auch die Vereine ihre Verantwortung übernehmen. Da ist durchaus schon einiges Positive passiert. Allerdings sehe ich bei der Frage der Qualifizierung von Ordnerinnen und Ordnern durchaus Luft nach oben. Das ist ein wichtiger Teil; denn – ob Sie es hören wollen oder nicht – für die Sicherheit innerhalb der Stadien ist nun einmal der Verein zuständig.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die NRW-Initiative hebt ja auf die Eigenverantwortung der Fanszene ab. Auch das ist ein wichtiger Punkt. Es geht doch um Dialog bzw. darum, miteinander ins Gespräch zu kommen und vor allem im Gespräch zu bleiben. Denn es gibt einen harten Kern – das hat Kollege Körfges auch schon gesagt –, den wir wohl nicht erreichen werden.

Aber wir müssen versuchen – und das gelingt uns in vielerlei Hinsicht –, diejenigen zu bekommen, die potenzielle Sympathisantinnen und Sympathisanten, Mitläufer oder sozusagen Gelegenheitsrandalierer sind. Dafür haben wir 15 landesweit geförderte Fanprojekte und eine LAG der Fanprojekte in NRW, die genau das tun. Sie nehmen auch die Belange von Fans ernst. Sie stärken den Dialog zwischen allen Netzwerkbeteiligten. Das ist ein ganz wichtiger Kern, wenn es darum geht, präventiv zu arbeiten und Gewalt zu verhindern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zu diesem Netzwerk gehört selbstverständlich die Polizei als zentraler Anker. Sie macht ihren Job.

Sie führen in Ihrem Antrag aus, dass die Polizei Dortmund-Fans auf dem Weg zum Auswärtsspiel nach Darmstadt quasi hoppgenommen hat. Sie habe dort pyrotechnische und andere waffenartige Dinge beschlagnahmt. Wollen Sie ernsthaft dem Innenminister zum Vorwurf machen, dass die Polizei im Vorfeld von Spielen Gewalttäter aus dem Verkehr zieht? Das ist doch nachgerade absurd.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mehrfach ist schon angesprochen worden, was in dem Brief von RB Leipzig stand. Darin ist ausgeführt, dass der Mannschaftsbus als Symbol für dieses Vereinskonstrukt, das von vielen Fans abgelehnt wird, im Fokus stand. Uns hat der Verein bei einem Besuch des Sportausschusses auf dem Trainingsgelände ganz klar gesagt, dass es vor allem dieses Symbol des Vereins ist, das im Fokus steht.

Dieses Symbol – das geschah in Absprache mit den Verantwortlichen auch von RB Leipzig – ist in besonderer Weise geschützt worden. Das heißt im Grunde genommen nichts anderes als: Die Anforderungen von RB Leipzig an den Innenminister und an die Polizei von Nordrhein-Westfalen sind erfüllt worden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Skandalisierungspotenzial? Eher minimal. Aktuelle Stunde? An der Stelle vielleicht durchaus etwas ins Leere gelaufen.

Natürlich muss man schauen, ob es aufgrund der Ereignisse noch einmal einer Risikoanpassung bedarf. Muss man, wenn man den Bus schützt, auf der anderen Seite mit eruptiven Vorgängen rechnen, die es vorher in der Art und Weise nicht gab?

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Die Redezeit.

Ich habe es Ihnen vorhin schon kurz herübergerufen: Die Glaskugel gehört zum Glück nicht zur polizeilichen Einsatzplanung und auch nicht zur Lageeinschätzung. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von Daniel Sieveke [CDU])

Vielen Dank, Frau Kollegin Paul. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Herrmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Wieder einmal benutzt die CDU eine Aktuelle Stunde, um populistisch Wahlkampf zu machen. Wieder geht es nur um Eskalation. Um Stimmung zu machen, wird jedes Trittbrett genutzt.

(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])

Was gab es nicht alles für Vorschläge der Union, um Fußballfans vermeintlich in Schach zu halten, immer wenn bei einem Spiel eine Situation schlagzeilenträchtig eskalierte? Schnellgerichte im Stadion, ausufernde Meldeauflagen, Fußfesseln gegen Ultras; ich weiß nicht, ob das jetzt schon dabei war, aber es kommt wahrscheinlich noch.

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Immer wieder gibt es Meldungen über Gewalt im Stadion, die von Innenpolitikern der Union, aber auch von der SPD ausgeschlachtet werden, um mit noch mehr Härte gegenüber Fans vorzugehen.

Nahezu nie wird die Frage gestellt, wie die Situation jeweils entstanden ist. Da werden Fangruppen von der Bundespolizei auf dem Bahnsteig eingekesselt, ohne die Möglichkeit zu haben, zum Beispiel auf die Toilette zu gehen. Da werden Fangruppen von Gast- und Heimmannschaften von der Polizei vor dem Stadion zusammengeführt, weil die Polizeibeamten überhaupt keine Ortskenntnisse haben. Das mag unabsichtlich passieren, aber es passiert immer wieder. Dann eskaliert die Situation. Bei solchen Vorfällen erübrigt sich jedes Sicherheitskonzept.

Zum Hergang in Dortmund haben wir schon einiges gehört. Der Minister wird das sicherlich noch weiter erläutern. Klar ist schon jetzt: In Dortmund ist der von einer breiten Fanbasis getragene Vereinsfußball auf das Aushängeschild des kommerziellen Geldfußballs getroffen. Klar ist aber auch, dass strafbare Handlungen und Gewalt gegen Fans unter keinen Umständen akzeptabel sind.

Wenn das LZPD bzw. die ZIS, die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze, sagt, dass im Vorfeld keine

Erkenntnisse über Störungen vorlagen, zeugt das einmal mehr von der mangelnden Sachkenntnis der beteiligten Strukturen, der SKB und anderer bei der Polizei. Der RB Leipzig ist – ich sagte es gerade – das ultimative Feindbild der Vereinsfußballszene: pure Kommerzialisierung gegen die Stehplatzdauerkartenbesitzer. Wie gesagt: Das macht Gewalt gegen Fans der Gastmannschaft weder tolerabel noch weniger strafbar.

Aber im Wissen um diese Situation hätte die Polizei die Entscheidung, den Mannschaftsbus von RB Leipzig umzuleiten, anders treffen können bzw. überhaupt kommunizieren können. Das ist nicht passiert. So sind sechs Zuschauer und vier Polizisten verletzt worden.

Jeder Verletzte ist einer zu viel; das ist keine Frage. Bei einem Spiel, bei dem 80.000 Personen innerhalb von drei Stunden an- und wieder abreisen, ist das eine Größenordnung, die nicht für eine Eskalation taugt. Denn Fußballspiele sind schon jetzt auch für Familien mit Kindern jedes Wochenende sehr sichere Veranstaltungen, wie man an den Besucherzahlen sehen kann.

Die anhaltende Aufregung um den Vorfall erweckt bei mir allerdings etwas den Eindruck, als wolle der RB Leipzig seine Opferrolle nutzen, um sich mehr Akzeptanz in der Fanszene zu verschaffen. Ich bitte die CDU, ein bisschen aufzupassen, wie sie weiter in dieser Sache argumentiert. Das mag mein subjektiver Eindruck sein; ich gebe es zu.

Wichtig ist jetzt, keine pauschalen Verurteilungen vorzunehmen und keine pauschalen Strafen gegen ganze Fangruppen zu fordern. Solidarisierungseffekte der Fans sollen nicht provoziert werden. Einige sogenannte Fans sind massiv über die Stränge geschlagen. Aus der Szene heraus sollte und muss aufgearbeitet werden.

Körperliche Gewalt gegen Fans ist unter keinen Umständen akzeptabel. Das haben im Übrigen die Fans und auch die Spieler des BVB schon deutlich gemacht. Ich erinnere kurz an die Ansprache von Kapitän Marcel Schmelzer einige Tage später beim Spiel des BVB gegen Herta BSC. Er hat die Fans direkt angesprochen und Gewalt verurteilt. Durch viele Transparente haben es die Fans im Stadion auch gezeigt: „Halt, halt, keine Gewalt“ oder „Echte Borussen prügeln nicht“.

Das alles zeigt, dass hier eine kleine Gruppe aktiv gewesen ist. Das muss, wie gesagt, aufgearbeitet werden.

Den Verein habe ich gerade ausgenommen. Denn da muss etwas bei der Überprüfung des Ordnungsdienstes passieren. Es hilft allen, wenn die Vereinsführung da genauer hinschaut. Denn es gibt immer wieder Vorfälle mit Mitgliedern der rechten Szene in

Dortmund. Die haben beim Fußball nichts zu suchen – und nicht nur da natürlich nicht.

(Beifall von den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, am Sonntag kommt es in Mönchengladbach zum ersten Auswärtsspiel von RB Leipzig nach den Geschehnissen in Dortmund. Aus der Mönchengladbacher Fanszene kommt nun der Aufruf zu friedlichen Protesten gegen den RB Leipzig, die man sich nach den Vorfällen in Dortmund natürlich nicht verbieten lassen will.

Ich zitiere kurz aus einer Ankündigung aus der Fanszene:

„Für die Gäste ist es das erste Auswärtsspiel nach dem Gewaltexzess in Dortmund – für uns noch lange kein Grund, unsere Kritik ruhen zu lassen. Denn eine kritische Auseinandersetzung mit RB ist gefragter denn je.“

Das ist der richtige Weg, und ich bin auf das Wochenende gespannt. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann. – Für die Landesregierung spricht jetzt der Innenminister.

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Sieveke, lieber Herr Lürbke, es ist Ihnen und Ihrer Fraktion kurz vor einer Landtagswahl scheinbar nicht mehr möglich, sich mit einem Thema differenziert und sachlich auseinanderzusetzen. Sie verfallen in das regelmäßige Muster: Schelte an der Polizei, Schelte an dem Verein, Schelte am Innenministerium.