Protocol of the Session on February 16, 2017

Die Redezeit!

Aber jetzt der Polizei und dem Innenminister die Schuld für diese Dinge in die Schuhe schieben zu wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein untauglicher Versuch am untauglichen Objekt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Lürbke.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer neue Dimensionen der Gewalt und Tabubrüche auch im Fußball – so kann man Ihre Amtszeit fast schon zusammenfassen, Herr Minister Jäger.

(Zurufe von der SPD)

Unter Ihnen erleben wir mittlerweile im Monatstakt, dass unsere Bürger, dass Frauen und Familien oftmals fast schutzlos massiven Gefahren und Übergriffen ausgesetzt sind. Ihre Kräftepolitik bei der Polizei ist immer wieder Ursache dafür, dass in NordrheinWestfalen immer wieder diese negativen Ereignisse und Bilder entstehen. Ich erspare mir, das hier alles aufzuzählen.

(Beifall von der FDP)

Sie sind doch der zuständige Minister. Sie stehen hier in der Verantwortung, und das seit über sechseinhalb Jahren. Wenn wir jetzt den Blick nach Dortmund wenden und uns fragen, wer für das Desaster verantwortlich ist, das wir da erleben mussten, sage ich Ihnen: Die vor Ort eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten sind es nicht. Es sind auch nicht die vielen Zehntausend Fans, denen es darum ging, ein schönes Fußballspiel zu sehen. Gemacht wurde das auch nicht von der Gelben Wand, sondern von einem kleinen schwarzen Block – ohne Respekt für den Gegner, sondern von Hass geprägt.

(Zurufe von der SPD)

Schuld sind die 400 Randalierer, die 400 Chaoten, die sich am vorletzten Samstag so schändlich verhalten haben, wie sie sich eben verhalten haben, die blinden und verstörenden Hass an den Tag gelegt haben und mit Bierkästen, mit Flaschen, mit Steinen, mit Pyrotechnik auf Familien, auf Frauen, auf Kinder geworfen haben, nur weil diese einen Schal oder ein Trikot von RB Leipzig anhatten. In ihrem Kopf scheinen sie auch gar nicht mehr zu realisieren, dass in jeder Uniform eines Polizeibeamten ein Mensch steckt – ein Vater oder vielleicht auch eine Mutter.

Meine Damen und Herren, ich sage ganz deutlich: Man muss RB Leipzig nicht mögen. Aber denjenigen, der in jedem Fan dieses Vereins nicht zuerst den Menschen sieht, sondern einen Feind oder Freiwild, kann nur eine Antwort des Rechtsstaats und des Heimatvereins treffen: strafrechtlich aburteilen, Dauerkarte einziehen, Stadionverbot erteilen und dauerhaft vom Fußball fernhalten.

(Beifall von der FDP)

Natürlich ist es unsere Aufgabe als Politiker, zu hinterfragen, inwieweit das Ganze hätte verhindert werden können. Kritische Fragen müssen sich dabei nicht die Einsatzkräfte vor Ort gefallen lassen, die sich haben anspucken, treten und beißen lassen müssen und die auf dem Stadionvorplatz zum Glück noch Schlimmeres verhindert haben. Ihnen gilt vielmehr unser Dank.

(Beifall von der FDP)

Kritische Fragen müssen sich aber diejenigen stellen lassen, die für die Einsatzplanung verantwortlich sind. Da bin ich wieder ganz schnell bei Ihnen, Herr Minister. Wenn ein Innenminister doch höchstpersönlich von einem Verein im Vorfeld um Schutz gebeten und vor Übergriffen gewarnt wird, steht er natürlich selbst im Kreuzfeuer, wenn hinterher so etwas passiert.

(Beifall von der FDP)

Da reichen auch kein Schulterzucken oder gar die Umschreibung, es handele sich wieder mal um ein

neues Phänomen, wie wir es im Innenausschuss gehört haben. Kollege Sieveke hat gerade schon darauf abgestellt. Das reicht einfach nicht.

Sie und das LZPD haben doch augenscheinlich ignoriert, wie stark der Hass bei anderen gegen all das ist, wofür RB Leipzig in deren Augen steht. Das war doch eine Eskalation mit Vorgeschichte und mit klaren Vorzeichen – auch nach den Erfahrungen mit den Partien in Köln und in Leverkusen, nach den Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen. Trotzdem hatten Sie das nicht auf dem Zettel, Herr Minister.

Zur Erinnerung: Bereits beim Spiel Köln gegen RB Leipzig gab es heftigste Krawalle. Es wurden auf dem Gästeparkplatz die Reifen von Kleinbussen zerstochen. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray gegen Randalierer ein. Ein Beamter wurde verletzt; er war eine Woche lang dienstunfähig. Nach dem Abpfiff sollen 100 Kölner Hooligans versucht haben, in Richtung Gästeblock durchzubrechen, in dem sich augenscheinlich nur normale Fans von RB Leipzig befanden. Das konnte nur durch massiven Polizeieinsatz verhindert werden.

War es denn wirklich nicht vorhersehbar, dass dann auch in Dortmund für unbeteiligte, friedliche Fans eine Gefahr bestehen würde?

Ich glaube, dass bei Ihrem Konzept der Kräftereduzierung Ihre Aufgabe doch genau darin besteht, Spielbegegnungen und Einsatzlagen schon im Vorfeld richtig zu beurteilen – und nicht erst zu reagieren, wenn etwas passiert ist.

(Beifall von der FDP)

Diese Risikoeinstufung muss dann aber auch funktionieren. Wenn wir das machen, muss die Risikoeinstufung auch funktionieren. Sonst stehen wie in Dortmund, wo das offensichtlich nicht funktioniert hat, 237 Polizeibeamten 400 Randalierern gegenüber, sodass die Polizeibeamten dann in Unterzahl spielen müssen.

Wenn die Risikoeinstufung nicht funktioniert, bringt man die Zuschauer, aber auch unsere eigenen Polizeibeamten in Gefahr, die dann im wahrsten Sinne des Wortes wieder den Kopf dafür hinhalten müssen. Das geht dann ebenfalls nicht.

Ich glaube, es herrscht hier Einigkeit darüber – Herr Körfges hat es gesagt; wir diskutieren doch nicht zum ersten Mal über das Thema –, dass wir uns den Fußball nicht von einigen wenigen kaputt machen lassen wollen. Deswegen brauchen wir natürlich weiterhin den Dialog. Wir brauchen die Kommunikation zwischen der Polizei, den Fans, den Vereinen und den Fanprojekten. Ja, klar brauchen wir Prävention und Kommunikation. Aber wir brauchen eben auch die Sanktion und die Repression für diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten wollen.

Natürlich sehe ich da auch die Vereine in der Pflicht. Die Vereinsführung von Dortmund hat sich nach dem Spiel aufs Schärfste von jeder Form von Gewalt distanziert. Ich wünsche mir aber schon, dass der Verein auch bedingungslos sein Hausrecht wahrnimmt – und das auch über die Stadiondurchsage versucht –, wenn über eine ganze Tribüne hinweg Hassbotschaften verbreitet und übelste Beschimpfungen skandiert werden.

(Beifall von der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

Aber zur Wahrheit gehört auch: Die große Mehrheit der friedlichen BVB-Anhänger auf der Südtribüne war doch gar nicht daran beteiligt, sondern wurde hier instrumentalisiert. Deswegen halte ich auch gar nichts von Kollektivstrafen. 81.360 friedliche Fußballfans passen in den Signal Iduna Park – ob sie aus Dortmund, aus Leipzig oder woandersher kommen. Der ganz überwiegende Teil dieser Besucher ärgert sich vielleicht über verpasste Torchancen der Borussia – ich auch – und freut sich stattdessen dann vielleicht auf die Bratwurst im Stadion.

Auf der anderen Seite scheint ein ganz kleiner Teil der Besucher nur zufrieden zu sein, wenn er auf dem Weg zum Spiel die Bahn verwüsten, Beamte beleidigen und anfeinden sowie andere Fans angreifen oder verletzten kann. Gegen diese Idioten brauchen wir in Nordrhein-Westfalen klare Kante. Denen müssen wir endlich die rote Karte des Rechtsstaates zeigen.

(Beifall von der FDP)

Ich sage Ihnen – das ist mein letzter Punkt –: Es gilt, auch diese Idioten aus der Anonymität herauszuholen. Es kann doch nicht sein, dass sie dann am Montag wieder unerkannt an ihrem Arbeitsplatz sitzen.

Die Redezeit.

Ich würde mir wünschen, dass die Polizei dort entsprechend vorbeischaut.

Meine Damen und Herren, wir brauchen klare Kante gegen diese wenigen zum Schutz des Fußballs, zum Schutz unserer Polizeibeamten und zum Schutz des Sports insgesamt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP, der SPD und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Paul jetzt das Wort. – Sie sehen, wir haben ein kleines technisches Problem, das gerade behoben wird, sodass gleich auch die Redezeit wieder korrekt angezeigt wird. Alles klar?

Wunderbar. Frau Kollegin Paul, dann haben Sie jetzt auch das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fangen wir mit den Gemeinsamkeiten an, die uns alle hier verbinden: Gewalt im Kontext von Fußballspielen ist absolut inakzeptabel, und die Täter müssen strafrechtliche Konsequenzen ihres Handels auch zu spüren bekommen. Das steht vollkommen außer Frage. Da sind wir uns alle hier im Hause einig.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und von der FDP)

Damit sind wir uns auch beim allerwichtigsten Punkt, nämlich der Ablehnung von Gewalt im Kontext von Fußballspielen, einig. Aber dabei bleibt es dann leider auch. Denn unbestreitbar schaden – das haben ja auch alle Vorredner gesagt – Szenen wie die vor dem Spiel des BVB gegen RB Leipzig unserer Fan- und Fußballkultur. Trotzdem gilt es, noch einmal deutlich herauszustellen, dass es eine sehr kleine Minderheit von Fans ist, welche die Bühne des Fußballs für gewalttätige Ausschreitungen nutzt.

Auch die Fans haben ja ein deutliches Zeichen ihrer Ablehnung solcher gewalttätigen Handlungen gesetzt. Die Faninitiative von Borussia Dortmund hat noch einmal klargemacht: Ja, man kann gegen das Konstrukt RB Leipzig sein. Das rechtfertigt aber in keiner Weise gewalttätige Ausschreitungen. – Und es war richtig, dass die Fans dieses Zeichen gesetzt haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Allein der Titel dieser Aktuellen Stunde, „Eskalierende Fan-Gewalt“, sagt doch einiges aus; das hat sich hier noch einmal gezeigt. Sie führen eine völlig überdrehte Debatte, die Sie zu Ihren Gunsten zu nutzen versuchen. Das hat nichts mit der Sachkenntnis bzw. der tatsächlichen Situation in den Stadien von Nordrhein-Westfalen zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ein Blick in die Statistik hilft jedoch. Ausweislich des Berichts der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze, kurz: ZIS, fanden in der Saison 2015/16 in Nordrhein-Westfalen 605 Spiele statt. 6,3 Millionen Menschen haben diese Spiele besucht und verfolgt. 277 Personen wurden dabei verletzt. Zum Vergleich: Im Vorjahr bzw. in der Vorsaison sind 305 Personen verletzt worden.

2.317 Strafverfahren sind eingeleitet worden, im Vorjahr waren es 2.721. Auch die Arbeitsbelastung der Polizistinnen und Polizisten hat sich von 555.000 auf 503.000 Stunden reduziert. Das macht doch sehr deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU: Ihre skandalisierenden Beiträge, die Sie

hier auch noch einmal vorgetragen haben, halten einer statistischen Überprüfung nicht stand.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)