Meine Damen und Herren, mehr Richter und Staatsanwälte: Da haben Sie die FDP voll an Ihrer Seite. Das hatten wir ja schon für den Haushalt 2016 gefordert, insbesondere zur Verfahrensbeschleunigung. Damals wurde es von Ihnen abgelehnt, jetzt haben Sie umgeschwenkt, ohne allerdings die Amtsanwälte als die mit Abstand höchst belastete Laufbahn der Justiz zu bedenken.
Auch unsere Forderung zur Umsetzung des besonders beschleunigten Verfahrens stieß im letzten Jahr bei Rot-Grün noch auf taube Ohren. Nun stehen Sie vor der Problematik, wie Sie überhaupt über 500 ausreichend qualifizierte Juristen gewinnen wollen. Im
Jahr 2015 hatten Sie 301 Stellen für Richter und Staatsanwälte zu besetzen. Nur rund 350 Absolventen haben im Jahr 2015 in NRW ein „vollbefriedigend“ oder einen besseren Abschluss erreicht. Nun kommen 200 Stellen obendrauf, sprich: 2016 gilt es mehr als 500 Stellen zu besetzen. Wie wollen Sie da das gute Niveau halten?
Ähnlich ist es im Polizeibereich. Da sollen es 250 Lebensarbeitszeitverlängerungen richten, sprich Pensionäre. Allerdings belegt der Expertenbericht „Bürgernahe Polizei“, dass vier Jahre vor dem Ruhestand die vorzeitigen Zurruhesetzungen im Polizeibereich sprunghaft ansteigen, nur 50 % die reguläre Altersgrenze von 60 bis 62 Jahren erreichen. Man darf skeptisch sein, wie viele Beamte freiwillig bleiben werden.
Meine Damen und Herren, mehr Polizei auf der Straße und in den Kommissariaten, schnellere Verfahren, bessere Zusammenarbeit von Polizei, Justiz und anderen Behörden – das sind genau die Forderungen der Freien Demokraten schon lange vor der Silvesternacht. Ihre Versäumnisse versuchen Sie jetzt zu heilen: ein überfälliger Richtungswechsel als ein erster Schritt.
Umgerechnet rund 10.000 Polizeikräfte stehen derzeit in Nordrhein-Westfalen für die Wahrnehmung polizeilicher Kernaufgaben gar nicht zur Verfügung. Weitere über 1.000 unbesetzte Stellen entstehen in den Kreispolizeibehörden durch unterjährige Abgänge. 1.500 Stellen drohen in den nächsten Jahren sukzessive wegzufallen. Das alles offenbart und kritisiert Ihre eigene Expertenkommission und gibt konkrete Handlungsvorschläge.
So könnten Sie Hunderte Stellenäquivalente ad hoc im Polizeibereich für mehr Präsenz generieren. Trotzdem bleiben Sie weitgehend untätig. Und Sie verschweigen, wo Beamte für neue Bereitschaftspolizeien und mobile Einsatzkommandos herkommen. Tatsächlich drohen hier dauerhafte Personalverlagerungen zulasten zahlreicher Polizeibehörden insbesondere des ländlichen Raums.
Zurecht setzt schließlich § 15a Polizeigesetz für die Videoüberwachung im öffentlichen Raum enge Grenzen. Mit 5,5 Millionen € könnte man 110 Polizeibeamte zusätzlich bezahlen. Das wäre sicherlich effektiver. Zudem fragt sich natürlich bei § 15a Polizeigesetz – die Voraussetzungen gelten ja nicht erst seit gestern, und es wundert einen schon, dass offensichtlich Kriminalitätsbrennpunkte jetzt vom Himmel fallen –, warum diese Maßnahmen, wenn denn die Voraussetzungen des § 15a Polizeigesetz schon vorgelegen haben, dann nicht in der Vergangenheit bereits durchgeführt wurden.
Meine Damen und Herren, nicht nur die Ausgabenplanungen, auch die Einnahmeansätze werfen erhebliche Fragen auf. Der Verlauf der Steuereinnahmen wurde vom Finanzminister im Jahr 2015 falsch eingeschätzt. Bei Lohnsteuer und Umsatzsteuer gab es Mindereinnahmen. Am Ende des Jahres 2015 waren rund 500 Millionen € zu wenig in der Kasse.
Was ich Ihnen vorwerfe: Sie haben diese Lücke nicht im Nachtragshaushalt 2016 berücksichtigt. In Ihrer Vorlage 16/3495 beschreiben Sie es selbst, Herr Finanzminister. Sie weichen von den Erwartungen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ nach oben ab. Ihre Begründung: Die Istwerte in NRW entwickeln sich so positiv. Das haben die Steuerschätzer nicht gewusst. Deshalb unterstellt die Landesregierung für 2016 einen Basiseffekt von rund 1 Milliarde € mehr.
Heute wissen wir aber: Bereits 2015 wurden die Ansätze nicht erreicht. Somit kann der Basiseffekt insoweit auch nicht in das Haushaltsjahr 2016 fortwirken. Die Basis ist an dieser Stelle weggebrochen. Der Ansatz müsste, wenn man Ihrer Argumentation folgt, Herr Finanzminister, nach unten korrigiert werden. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute Morgen habe ich überlegt, ob ich eine Krawatte umbinde. Ich habe das gelassen.
Es ist nämlich kein Festakt, den wir heute bei Einbringung dieses ersten Nachtragshaushalts 2016 erleben.
Ich habe eine Menge Krawatten und sehr schöne. Eigentlich hätte ich eine schwarze Krawatte anziehen müssen. Denn die Glaubwürdigkeit dieser Landesregierung wird eigentlich heute zu Grabe getragen, und nicht das erste Mal.
(Martin Börschel [SPD]: Wenn Sie Ihre Garde- robe immer dem Tagesordnungspunkt anpas- sen, dann ist das gut!)
Folgen der Silvesternacht werden hier als Grund für die Einbringung dieses ersten Nachtragshaushalts 2016 angeführt. Ja, es ist sicherlich wichtig, Hilfe für Opfer zu stärken, aber nicht erst seit diesem Zeitpunkt. Es ist sicher notwendig, die innere Sicherheit im Land Nordrhein-Westfalen zu stärken, aber nicht
erst seit diesem Zeitpunkt. Es ist sicherlich auch notwendig, eine Ordnung in den Asylverfahren herbeizuführen, aber nicht im Vorgriff auf das, was das Asylpaket II, welches wir von den Piraten jedenfalls ablehnen, hier schon an, ich sage mal, Vorboten innerhalb dieses Nachtragshaushalts entfaltet.
Es ist auch sicher wichtig, die Integration vor Ort zu stärken und zu verbessern. So muss ich Sie zitieren, Herr Finanzminister, aus Ihrer Einbringungsrede. Sie sagten eben: Es war absehbar, wie teuer und groß die Herausforderungen in 2016 sind. – Ja, Herr Finanzminister, es war absehbar.
Es war aber nicht erst absehbar seit der Silvesternacht, sondern es war bereits absehbar zum Zeitpunkt der Aufstellung des Landeshaushalts 2016. Da hätten Sie reagieren bzw. im Vorgriff darauf, was an Herausforderungen auf das Land Nordrhein-Westfalen zukommt, eingreifen müssen, und sicherlich angesichts des Gesamtvolumens des Haushalts 2016 nicht mit einem Brosamen von rund 47 Millionen €.
Das ist nichts mehr als ein Feigenblatt und soll den Menschen im Land vorgaukeln, es würde in Nordrhein-Westfalen etwas zur Stärkung der Sicherheit und inneren Ordnung geschehen wie aber auch am System des Rechtsstaats verbessert. Maßnahmen wie 100 Richterinnen und Richter, 100 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte mehr einzustellen, können sicherlich nicht nur eine Folge der Silvesternacht sein. Dafür müsste man überhaupt erst einmal die Täter haben. Aber ich brauche weder 100 Richter noch 100 Staatsanwälte, um diese Täter, derer man dann habhaft werden konnte, zu verurteilen.
Es liegt also auch in diesem Punkt ein Indiz dafür vor, dass der Landeshaushalt 2016 und auch schon vorangegangene Landeshaushalte nicht nur – wie sagten Sie, Herr Kollege Dr. Optendrenk? – auf Kante gestrickt sind, sondern sie sind unzureichend, genauso wie auch dieser Nachtragshaushalt, der nichts weiter ist als ein Feigenblatt, ein Feigenblatt, welches, wie gesagt, den Menschen das Gefühl vermitteln soll, dass hier im Lande Nordrhein-Westfalen seitens dieser Landesregierung etwas unternommen wird.
Aber das Kritikfähige und Negative dieses Landeshaushalts bzw. des Nachtrags überwiegt. Es ist die fiskalische Manifestation des 15-Punkte-Plans – das wurde bereits mehrfach erwähnt – der Landesregierung vom 14. Januar des Jahres. Er ist aber auch darüber hinaus nichts weiter als Law and Order mit pseudo-linksgrünem Anstrich. Es ist ein Angsthaushalt.
Dieser Nachtragshaushalt wird in die Annalen NRWs als eine der teuersten Imagekampagnen dieser Regierung eingehen.
Ausweitung der Videoüberwachung: Davon ist die Rede, Herr Kollege von den Grünen, Herr Abel. Sie sind darüber hinweggegangen, dass die Landesregierung die Grünen an ihrer Seite weiß insofern, als es notwendig sei, die Videoüberwachung auszuweiten. Für uns Piraten ist es ein absolutes No-Go. Die Bevölkerung wird unter Generalverdacht gestellt, Massenüberwachung wird ausgeweitet, massenhafter Eingriff in die Privatsphäre der Bürger soll an zahlreichen Orten in Nordrhein-Westfalen erfolgen.
Herr Kollege Schulz, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Abel würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.
Herr Kollege, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Eigentlich wollte ich Ihren Beitrag nicht verlängern. Aber da Sie auch auf Twitter Falschbehauptungen verbreiten, sage ich das dann auf diesem Wege auch einmal an Ihre Pressestelle: Ich habe mich in meinem Beitrag nicht für Videoüberwachung ausgesprochen. Ich habe von dem konkreten Beispiel der Videobeobachtung am Bolker Stern in Düsseldorf, von der ich – wie ich das ausgeführt habe – mir ein Bild gemacht habe, gesprochen und habe gesagt, dass wir auf der bisherigen rechtlichen Grundlage weitere Standorte prüfen und auch die Mittel dafür bereitgestellt haben.
Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass, wenn Sie mich so zitieren, wie Sie das eben und auch im Internet getan haben, Sie mich falsch zitieren?
Lieber Herr Kollege Abel, ich weiß jetzt nicht, welchen Tweet von mir Sie da meinen. Oder meinten Sie den der Pressestelle?
In der Tat, Herr Kollege Abel, Sie haben insbesondere auf die Überwachungssituation am Bolker Stern in Düsseldorf hingewiesen, weil Sie da einmal, wohl
Sie haben aber hier die allgemeine Aussage getätigt in Bezug auf den ersten Nachtragshaushalt 2016 und der Landesregierung versichert, dass sie die Grünen im Hinblick auf die Videoüberwachung – Sie haben es allerdings auch „Videobeobachtung“ genannt – an ihrer Seite haben.