Die Stadt Dortmund ist tätig geworden und hat die Emschergenossenschaft und die Wohlfahrtsverbände einbezogen. Wenn ein prüfbarer Antrag vorliegt – seit einer Stunde gibt es einen ersten Antrag in diese Richtung –, wird das Land helfen. Das ist auch richtig, wenn die Voraussetzungen vorliegen.
Gleichwohl erlaube ich mir, mit einem Zitat auf das von meinem Vorredner angeführte Plenarprotokoll 13/31 aus dem Jahr 2001 hinzuweisen. Der damalige Innenminister Fritz Behrens meinte:
Wir sind nicht die Oberversicherung des Landes. Wir sind auch kein Ausfallbürge für alle möglichen Risiken. Das muss man aus grundsätzlichen Erwägungen bei solcher Gelegenheit auch noch einmal betonen.
Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Als nächster Redner spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Remmel. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich brauche jetzt sicherlich nicht zum vierten Mal darzustellen, vor welcher entsetzlichen Situation die Menschen in Dortmund nach diesen Ereignissen gestanden haben. Dies kann ohnehin niemand nachvollziehen, der nicht selbst dort gestanden hat. Insofern ist es gute Tradition in diesem Hause, dass wir bei Not fraktionsübergreifend helfen. Das ist selbstverständlich, und an diese gute Tradition knüpfen wir auch heute an.
Es ist auch nicht sinnvoll, sich in einer solchen Situation darüber zu streiten, wann welche Kommune, welcher Beigeordnete und welcher Bürgermeister wem geschrieben und welchen Antrag gestellt hat. Das interessiert die Menschen, die in Not sind und Hilfe brauchen, schrecklich wenig. Hier muss unbürokratisch geholfen werden. Das ist der Sinn und Zweck, aber auch der Geist dieses Antrags. Deshalb ist es gut, dass wir uns auf einen gemeinsamen Antrag verständigt haben.
Ich möchte daher über den Tag hinausgehende Betrachtungen anstellen, weil es nicht sein kann, dass wir künftig regelmäßig hier stehen und Nothilfe leisten. Wir müssen Prävention, Vorbeugung, betreiben. Ich bin Herrn Engel dankbar – das ist
für die FDP-Fraktion nicht selbstverständlich –, dass er das Problem des Klimawandels erwähnt und in die Debatte eingeführt hat. Herr Ellerbrock ist da oft ganz anderer Auffassung. Könnten wir uns an diesem Punkt annähern, wären wir durchaus ein Stück weiter.
Aber ich muss unterstreichen, dass gerade diese Landesregierung den Hochwasserschutz unter dem Gesichtspunkt des Klimawandels nicht ernst nimmt.
Das Landeswassergesetz ist aufgeweicht worden. Während es früher verboten war, in Überschwemmungsgebieten zu bauen, gibt es jetzt wieder Möglichkeiten, in solchen Gebieten Bauwerke zu errichten. Es ist in der Regionalplanung eben nicht flächendeckend durchgesetzt und umgesetzt worden, dass jede Kommune verpflichtet ist, ein Hochwasserschutzkonzept zu erstellen.
Angesichts solcher Ereignisse – das Ereignis in Dortmund wird nicht das letzte bleiben – muss jeder Kommune klar sein, dass Hochwasserschutz nicht nur eine Angelegenheit am Rhein oder an der Weser ist, sondern schon bei dem kleinsten Gewässer vor Ort, bei dem kleinsten Querbauwerk, bei der kleinsten Brücke anfängt. Bei jedem Bebauungsplan, bei jeder Bebauung vor Ort muss der Gedanke des Hochwasserschutzes Raum greifen.
Deshalb kommen wir nicht umhin, dies auch zur Pflicht zu machen. Da es sich um Prozesse handelt, die 20 Jahre dauern, bis man einen wirklich funktionierenden Hochwasserschutz in den Kommunen hat, müssen die Kommunen eine solche Verpflichtung in ihre Bauleitplanung aufnehmen. Wir müssen vielleicht sogar noch einen Schritt weitergehen und auch Hilfen dazu geben, dass an manchen Stellen Rückbauten vorgenommen werden. Gerade in Zeiten demografischen Wandels, in denen das eine oder andere Bauwerk vielleicht nicht mehr nötig ist, kann man Sünden, die in der Vergangenheit begangen worden sind, in diesem Zuge korrigieren. Auch dafür bedarf es entsprechender Unterstützung.
Dies alles ist in der Politik der Landesregierung bisher nicht vorhanden. Trüge dieses Ereignis als Chance in einer Krise auch dazu bei, diesen Weg zu beschreiten, wären wir ein ganzes Stück weiter.
Zusätzlich gibt es Probleme – das hat das Beispiel Dortmund gezeigt – gerade in den Bergbauregionen.
Würde nicht gepumpt, hätten wir dort teilweise riesige Seenlandschaften. Wo über Jahre abgegraben worden ist und der natürliche Abfluss gestört ist, werden technische Hilfsmittel benötigt, die man damals aber noch nicht unter dem Vorzeichen des Klimawandels und von Starkregenereignissen berechnet hat. Das muss man jetzt unbedingt nachholen. Wir müssen diese gefährdeten Gebiete über Dortmund hinaus für solche Ereignisse ertüchtigen.
Das heißt auch – dazu fordere ich die Landesregierung hier auf –, Ansprüche gegenüber den Bergbautreibenden deutlich zu machen, da es sein kann, dass dies auch in die Folgeschäden eingerechnet werden muss. Vor 20 Jahren hat man nicht mit solchen Starkregenereignissen rechnen können. Da sich die Zeiten aber geändert haben, müssen die Anlagen gegebenenfalls ertüchtigt werden. Es kann nicht bei der öffentlichen Hand, auch nicht bei den Kommunen hängenbleiben, diese gewaltigen Anstrengungen gerade in Bergbauregionen voranzutreiben.
Dazu gehört im Übrigen ein ordnungsgemäßer Kanalbau. Über 60 % der Kanäle sind teilweise von Bergschäden betroffen. Es ist eine gewaltige Anstrengung, der wir uns gemeinsam stellen sollten.
Wenn diese Stunde der Krise dazu beiträgt, dass wir gemeinsam den Menschen in Not helfen, dann sollten wir auch alle Anstrengungen unternehmen, gemeinsam Prävention, Vorbeugung, für die Zukunft zu betreiben. Das ist keine kleine Aufgabe. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Wolf das Wort. Bitte schön, Herr Minister.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es könnte jetzt reizen, die Ausführungen von Herrn Remmel zu nutzen, um die Versäumnisse der Landesregierung in den Jahren 1995 bis 2005 intensiv zu beleuchten. Ich erinnere mich an ganz enorme Hochwasserereignisse, die Sie offensichtlich nicht verhindert haben. Aber lassen wir es sein. Wir sind heute mit einem gemeinsamen Antrag unterwegs; das ist auch gut so.
Für die Sorgen und Nöte derjenigen, die durch den Starkregen am 26. Juli 2008 Schäden und Verluste erlitten haben, habe ich großes Verständnis. Es ist gut, dass die Stadt Dortmund und
Die Maßstäbe für Landeshilfen für unwettergeschädigte Bürgerinnen und Bürger sollen selbstverständlich auch für die jetzt in Dortmund vom Starkregen Betroffenen gelten.
Sie werden sicherlich verstehen, dass sich die Landesregierung vor einer Entscheidung einen verlässlichen Überblick über das Ausmaß der Schäden verschaffen muss. Das Innenministerium hat deshalb, wie in vergleichbaren Fällen in der Vergangenheit stets üblich, zunächst die Stadt Dortmund um einen Bericht und eine Einschätzung der Situation vor Ort sowie zu Einzelheiten der entstandenen Schäden und der voraussichtlichen Schadenshöhe gebeten.
Die Stadt Dortmund hat heute einen Zwischenbericht vorgelegt, aber auch einen aussagekräftigen Bericht angekündigt, nach dessen Eingang die Landesregierung rasch entscheiden wird.
Unabhängig davon haben Bürgerinnen und Bürger, die durch das Unwetter wirtschaftliche Nachteile erlitten haben, bereits jetzt die Möglichkeit, Billigkeitsanträge bei den Finanzämtern zu stellen. Das Finanzministerium hat dazu gegenüber den nachgeordneten Behörden zum Ausdruck gebracht, dass diese bei Entscheidungen über Stundungsanträge oder Anträge auf Herabsetzung der Vorauszahlungen, die mit den Folgen des Unwetters vom 26. Juli 2008 begründet werden, ihre Ermessens- und Entscheidungsspielräume zugunsten der Steuerpflichtigen ausnutzen können.
Ich versichere Ihnen, dass die Landesregierung alles daransetzen wird, den Sachverhalt rasch zu klären. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Dr. Wolf. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratungen sind.
Wir kommen zur Abstimmung: Die antragstellenden Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt. Ich lasse über den Inhalt des gemeinsamen Antrags aller vier Fraktionen Drucksache 14/7353 – 2. Neudruck – abstimmen. Wer dem Inhalt des Antrags zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich stelle fest,
dass dieser Antrag mit Zustimmung aller Fraktionen und des Abgeordneten Sagel angenommen worden ist.
4 Konsequenzen aus dem ICE-Achsbruch in Köln ziehen: Bei der DB AG muss Sicherheit vor Gewinnmaximierung gehen!
Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion dem Kollegen Becker das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege Becker.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal gilt es – das ist mir wichtig – festzustellen: Die Bahn ist trotz aller Debatten immer noch das wichtigste und sicherste Verkehrsmittel in Deutschland. Aber – das ist nicht zynisch gemeint – sie wäre es auch noch, hätte sich im Juli erneut ein Unfall wie seinerzeit in Eschede ereignet. Auch dann wäre sie statistisch gesehen das sicherste Verkehrsmittel in Deutschland.
Nachdem es im Juli zu diesem Unfall in Köln gekommen ist, der zunächst einmal als vermeintlich leicht angesehen worden ist, stellt sich doch zunehmend eine Reihe von Fragen. Diese Fragen stellen sich deswegen, weil es Veröffentlichungen gegeben hat und Fakten, die an die Öffentlichkeit gelangt sind, die zu diesen Fragen Anlass geben.
Ich will mit folgender Frage beginnen: Handelte die Bahn seinerzeit nach diesem Unfall angemessen? – Zunächst einmal muss ich sagen: Wer den Zeitraum zwischen dem Unfall und dem Rückruf der ICE-3-Flotte in die Werkstätten zur Kenntnis genommen hat, musste zu dem Eindruck kommen, dass die Bahn nicht adäquat schnell und auch nicht angemessen gehandelt hat. Sie hat – im Gegenteil – zunächst einmal mit dem Eisenbahnbundesamt um die Frage der Intervalle gefeilscht.
Erst als das Eisenbahnbundesamt in einem sehr harschen, schriftlichen Bericht bzw. mit einem Erlass und einer Verfügung an die Bahn herangetreten ist, hat sie reagiert.
Damit es im Protokoll ganz klar festgehalten ist, was gelaufen ist, möchte ich gerne das zitieren, Frau Präsidentin, was das EBA geschrieben hat:
Ein unveränderter Weiterbetrieb der Triebzüge BR 403/406 ist mit erheblichen Gefahren für Leib und Leben verbunden. Der Bruch einer Radsatzwelle führt unweigerlich zum Entgleisen des Zuges. Das Leben einer Vielzahl von Menschen ist unmittelbar in äußerster Gefahr. Der vorliegende Unfall hat sich glücklicherweise bei annähernd Schrittgeschwindigkeit ereignet. Wäre dasselbe Ereignis bei Streckengeschwindigkeit von bis zu 300 km/h aufgetreten, hätte sich mit nicht unerheblicher Wahrscheinlichkeit eine Katastrophe wie zum Beispiel in Eschede ereignen können.
Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund dieser Bemerkung des EBA an die Bahn zwei Tage nach dem Ereignis in Köln stellen sich die nächsten Fragen: Handelt es sich um ein grundsätzliches Problem? Was war der Bahn bekannt? – Wenn man die Veröffentlichungen der letzten Jahre zum Beispiel aus der Zeitschrift „ZEVrail“, dessen Mitherausgeber Bahnbundesvorstandsmitglied Rausch ist, zur Kenntnis nimmt – ich gehe davon aus, dass die Bahn das getan hat –, dann musste man zu dem Ergebnis kommen: Es gibt erhebliche und begründete Zweifel an der Dauerfestigkeit der Radsatzwellen, mindestens seit 2006, wahrscheinlich aber sogar schon seit 2004.
Ich darf in Erinnerung rufen, dass die ICE-3-Reihe seit dem Jahr 2000 fährt und auf dreißig Jahre Fahrbetrieb ausgelegt sein soll.
Vor dem Hintergrund, dass diese Probleme bekannt waren, stellt sich die nächste Frage: Hat die Bahn in Bezug auf diese Risiken angemessen gehandelt? Ist sie damit in den letzten Jahren angemessen umgegangen? – Diese Frage muss man verneinen. Sie ist es nicht, denn sie hat ausweislich aller Unterlagen seit 2000, insbesondere aber seit dem Jahr 2003, die Wartungsintervalle deutlich ausgedehnt, und zwar obwohl – ich hatte es eben ausgeführt – die Risiken bekannt waren.