Protocol of the Session on June 20, 2008

Achtens. Von einer terminlichen Zusammenlegung der Wahltermine profitieren auch die Parteien, die innerhalb weniger Monate nur einmal einen Wahlkampf führen müssen.

Neuntens. In anderen Ländern ist die Zusammenlegung der Kommunalwahl mit der Europawahl längst Praxis und hat sich bewährt. Es besteht also keine Befürchtung, dass die Kommunalwahl an eigenständiger Bedeutung verliert.

Zehntens. Die beiden Wahltermine von Europa- und Kommunalwahl haben bisher zeitlich nicht weit auseinandergelegen. Die Europawahl fand immer vor den Sommerferien und die Kommunalwahl immer danach statt. Da in den Sommerferien keine kommunalen Gremien tagen, also politischer Gremienstillstand herrscht, bietet sich eine Zusammenlegung der beiden Wahltermine bereits 2009 auf. Das einmalige Nebeneinander von amtierenden und neu gewählten Bürgermeistern und Landräten bzw. Kreistags- und kommunalen Gremien bleibt kommunalpolitisch wohlgemeint folgenlos.

Elftens. Eine Verbindung der Bundestagswahl mit der Kommunalwahl kann nur einmal im Jahr 2009 erfolgen und bietet keine dauerhafte Perspektive, da die Wahlperiode des Bundestages mit vier Jahren nicht mit der Wahlperiode der Kommunalwahlen kompatibel ist. – Vielen Dank.

Herr Kollege Engel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Jäger?

Ja, immer.

Bitte schön.

Herr Engel, da die beiden Generalsekretäre von CDU und FDP, die Herren Wüst und Lindner, nicht anwesend sind, sind vielleicht Sie in der Lage, meine Frage zu beantworten. Herr Körfges hat gerade die Protokollnotiz zitiert, die im Innenministerium erstellt worden ist. Können Sie dem Parlament erklären, was die beiden Generalsekretäre unter den politischen Gründen verstehen, aus denen eine Zusammenlegung der Kommunalwahl mit der Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres verhindert werden soll?

Lieber Herr Jäger, vielen Dank für diese Frage. Sie musste ja kommen. Meine Antwort dürfte Ihnen aber auch klar sein. Damit habe ich als frei gewählter Abgeordneter dieses Parlaments nichts am Hut. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Lachen von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Als nächster Redner spricht für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Becker.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal muss man feststellen, worum es heute nicht geht. Es geht der Koalition offensichtlich nicht darum, Wahlen zusammenzulegen. Vielmehr geht es der Koalition ganz offensichtlich darum, die Zusammenlegung mit einer bestimmten Wahl, nämlich die eigentlich naheliegende Zusammenlegung von Kommunalwahl und Bundestagswahl, zu verhindern.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Beide Wahlen stehen turnusmäßig im September 2009 an. Die gesamten Argumente, die eben zur Zusammenlegung von Wahlen vorgetragen worden sind, hätten eigentlich Anlass für Sie sein müssen, keine Wahlen zu verschieben und keine Wahltricksereien vorzunehmen, sondern das zu tun, was nahelag, nämlich im September 2009 nicht an zwei Wahlterminen, sondern an einem Wahltermin die Bundestagswahl und die Kommunalwahl durchzuführen. Das wäre das normale Vorgehen gewesen.

Wenn es Ihnen darum geht, in Zukunft Europawahl und Kommunalwahl zusammenzulegen, dann gab es, wie ich es eben beschrieben habe, ein sauberes Verfahren im September 2009 mit einem ordentlichen Gesetzesvorhaben und einer ordentlichen Verkürzung der Wahlperiode, für 2014 die Zusammenlegung von Kommunalwahl und Europawahl ohne die gesamten beschriebenen Probleme durchzuführen.

Dass Sie das nicht tun, macht deutlich, dass das, was die Generalsekretäre beim Innenminister vorgetragen haben, Ihr eigentliches Motiv ist. Ihr eigentliches Motiv ist die Nichtzusammenlegung von Bundestagswahl und Kommunalwahl. Schaut man sich Ihre Begründungen seit letztem Sommer an, die übrigens mehrfach gewechselt haben, so geben sie Aufschluss über Ihre Motive und wie unsinnig Ihre Begründungen sind. Sie tragen vor, die eine Wahl, die Bundestagswahl, dürfe die andere Wahl, die Kommunalwahl, nicht dominieren. Das müsse verhindert werden.

Schauen wir uns zunächst dieses Argument an! Wer 1994 heranzieht, als so etwas das letzte Mal stattgefunden hat, und sich die Statistik ansieht, wird feststellen, dass die Menschen sehr wohl unterschieden haben. Am gleichen Tag haben sie unterschiedlich gewählt. Die Ergebnisse der Bundestagswahl und der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen sind voneinander abgewichen.

Damit kommen wir zum aufschlussreichen Punkt, warum Sie gar nicht wollen, dass sie unterschiedlich wählen und warum Sie nicht wollen, dass die Wahlbeteiligung so hoch ist. Ich wiederhole es noch einmal, ich habe in einer früheren Debatte gesagt: 1994 hat die FDP bei der damaligen Bundestagswahl am gleichen Tag in NRW landesweit 6,3 % der Zweitstimmen, aber landesweit bei der Kommunalwahl 3,3 % der Kommunalwahlstimmen erhalten. Mit anderen Worten: Sie sind – damals gab es sogar noch die 5-%-Hürde – nahezu landesweit aus den Kommunalparlamenten verschwunden. Dieses Trauma der FDP war das eigentliche Motiv.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Jedenfalls war es kein ehrenwertes Motiv! Man kann Ihnen an einer Reihe von Ergebnissen im Einzelnen nachweisen, dass nicht die Bundestagswahl die Kommunalwahl dominiert. Das Gegenteil war der Fall. Die Leute haben sehr wohl unterschieden.

Im weiteren Verlauf haben Sie das Argument vorgetragen, nunmehr ginge es neben der dauerhaften Zusammenlegung der Wahlen darum, dass Europawahlen von der höheren Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen profitieren würden. Auch da hilft ein Blick in die Statistik und in die Wirklichkeit. Bei der letzten Kommunalwahl haben wir eine Wahlbeteiligung von knapp über 50 % – 51 bzw. 53 %, je nachdem, welche Ergebnisse man heranzieht – und bei der letzten Europawahl von 41 % gehabt.

Das heißt, Sie haben jetzt tatsächlich vor, mittels einer trickweise verschobenen Kommunalwahl – über viereinhalb Monate vom Ende der Wahlperiode weg verschoben – die Wahlbeteiligung der Europawahl um 10 % auf 51 % anzuheben. Das ist Ihr angeblich ehrenwertes Motiv, für das Sie das ganze Theater veranstalten. Das glauben Sie nicht, das glaubt die Öffentlichkeit nicht, und das glauben Ihnen auch Experten nicht.

Lassen Sie mich noch ein paar Sätze zu den Experten sagen.

Es ist immer so schön, wenn Sie sich hier so künstlich erregen.

Es wäre richtig schön, wenn Sie sich bei Anhörungen auch einmal etwas anhören und auf sich wirken lassen würden

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

und Anhörungen nicht immer wieder nur als Nachhilfeunterricht für Ihre handwerklichen Mängel bei Gesetzesvorhaben benutzen würden.

Denn genau das haben Sie gemacht. Alle Sachargumente gegen Ihr Vorgehen, alle Bedenken in Bezug auf Demokratie, auf Unmittelbarkeit von Wahlen, gegen das, was von Ihnen verursacht wird, wischen Sie beiseite. Das Einzige, was Sie aus Anhörungen herausnehmen, ist, dass Sie die Experten dafür benutzen, Ihr handwerklich unzulängliches Gesetzesvorhaben zu bearbeiten. Deswegen verändern Sie jetzt auch an einer Stelle etwas, weil sie ansonsten rechtlich sofort Schiffbruch erlitten hätten.

Sie können sich daran stören, dass ich die Art und Weise der Stellungnahme von Herrn Koch kritisiert habe; ich fand sie wirklich ausgesprochen schwach. Sie mögen sich an dem Stil reiben, Sie mögen alles Mögliche tun, aber in der Sache bleibt übrig: Alle Experten, die in der Substanz etwas zu bieten hatten, übergehen Sie mit Ihrem heutigen Vorhaben und kümmern sich „einen feuchten Kehricht“ um diese Experten. Die interessieren Sie überhaupt nicht!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Anhörungen sind für Sie eigentlich überflüssig, weil Ihr Ergebnis vorher schon immer feststeht: Sie haben recht. Wie Sie vorhin aufgetreten sind und all Ihre undemokratischen Vorhaben der letzten Zeit und das, was Sie vertreten haben, wiederholt und als große Ruhmestaten verkauft haben, wirft ein bezeichnendes Licht auf Sie. Sie machen sich das Wahlrecht, Sie machen sich die Wahltermine, Sie machen sich die Gemeindeordnung, Sie machen sich das Kommunalwahlrecht zur Beute Ihrer parteitaktischen Interessen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Lassen Sie mich stichwortartig weniges festhalten:

Sie bringen über 60.000 Jungwählerinnen und Jungwähler, die hätten wählen dürfen, um ihr Wahlrecht. Sie bringen Leute, die umziehen, um ihr Wahlrecht. Sie bringen sie um ihr passives Wahlrecht in den Kommunen, in die sie gezogen sind. Für eine ganz erhebliche Anzahl von Menschen besteht keine Chance mehr, an der Willensbildung in der Gemeinde mitzuwirken, obwohl die Wahlperiode eigentlich weiterläuft.

Und, um auch das zu sagen, Sie verursachen insgesamt eine Situation, in der in viereinhalb bis fünf Monaten Übergangszeit zum Beispiel Bürgermeisterinnen und Bürgermeister noch in eine Richtung handeln können, für die sie eigentlich schon abgewählt, also nicht wiedergewählt, worden sind. Oder glauben Sie ernsthaft, nur weil Sommerferien sind, stellen die alle das Arbeiten

ein? Nein, das tun die in der Regel nicht. Sie hebeln die Unmittelbarkeit von Demokratie aus, mit der Folge, dass eine Politik gemacht werden kann, die Bürgerinnen und Bürger bereits abgewählt haben und nicht wollen. – Schönen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Wolf.

Dr. Ingo Wolf*), Innenminister: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Abschluss dieser Beratung noch mal auf den Ausgangspunkt hinweisen, weswegen es überhaupt zu dieser Diskussion gekommen ist. Wir haben eine massive Häufung von Wahlterminen, vier Wahltermine innerhalb von zwölf Monaten. Wenn wir das in Relation zu der Wahlmüdigkeit setzen, ist es sicherlich mit Blick auf die allgemeine Diskussion, Wahltermine zusammenzufassen, vernünftig, etwas zusammenzufassen.

Der politische Wunsch der Opposition – das haben wir gerade noch mal gehört –, die Kommunalwahl mit der Bundestagswahl zusammenzuführen, ist erkennbar. Wir haben uns von fachlichen Einschätzungen leiten lassen und uns für die Kopplung von Kommunalwahl und Europawahl entschieden, weil wir – das ist von Herrn Engel sehr deutlich gesagt worden – damit eine dauerhafte, eine endgültige Kopplung haben, wie sie bereits in vielen anderen Ländern besteht. BadenWürttemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und SachsenAnhalt haben dies bereits gemacht, sodass es aus diesem Grunde gar nicht anfechtbar sein kann.

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

Vielleicht hören Sie zu, anstatt zu schreien. – Dort ist teilweise sogar eine Wahlzeitverkürzung vorgenommen worden, was wir aus guten Gründen gerade nicht getan haben, um die Gewählten in ihrem Amt zu belassen.

Wir haben sehr interessante Ausführungen über die Sachverständigenanhörung vernommen. Dabei gehen die Vertretern der Opposition immer wie folgt vor: Wenn ihnen das Ergebnis nicht passt, werden die Sachverständigen beschimpft. – Das kann man tun, meine Damen und Herren. Unsere Art ist das nicht! Wir schätzen den professoralen Rat in Sachverständigenanhörungen.

(Beifall von der CDU – Widerspruch von der SPD)

Die Ergebnisse sind auch nicht so, wie Sie sie dargetan haben. Es ist nicht festgestellt worden, dass das, was wir tun, verfassungswidrig ist.

Immer wieder sind sogar Bemerkungen gemacht worden, dass es sehr wohl gewichtige Gründe für ein solches Nebeneinander geben kann, das wir für einen überschaubaren Zeitraum vorgesehen haben. Herr Engel hat sehr deutlich gemacht, dass es bereits Fälle gegeben hat, in denen das unbeanstandet abgelaufen ist.

Ob es am Ende, wie von Herrn Körfges behauptet, eine feste Frist gibt, ab der etwas unzulässig ist, daran kann man große Zweifel haben.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Lesen Sie doch einmal!)

Ihr eigenes Gesetz zur Landtagswahl sieht drei Monate vor. Das heißt: Hierbei – unterstellen Sie auch noch eine Koalitionsbildung – ergibt sich allemal eine Wartezeit von vielen Monaten. Auch das nehmen Sie unproblematisch hin.

Meine Damen und Herren, was spricht fachlichsachlich gegen die Kopplung mit der Bundestagswahl? Das war Ihr Thema.