Protocol of the Session on May 15, 2008

Dafür gibt es Gründe, Frau Ministerin.

Die Kiesindustrie ist an diesem Punkt ausgesprochen aggressiv. Mit Unterstützung auch teilweise von Verwaltungen hat sie vor, zukünftig in Wasserschutzgebieten abzugraben. Sie hat massiv Gerichtsurteile erzwungen, die dazu führen, dass der Regionalrat eine Planung auflegen muss, die diese Diskussion tatsächlich in jede Kommune trägt.

Herr Ellerbrock, an dieser Stelle muss ich Ihnen ein Kompliment machen: Sie haben mit Ihrer Idee, mit der visionären Kraft eines Ijsselmeers am Niederrhein kongenial dazu beigetragen. In jeder Debatte, die man in der Region führt, ist das in der Tat eine Zündschnur an der emotional schon aufgeladenen Stimmung. Das zeigt, wie existenziell dieses Problem die Menschen berührt.

Hier wird in der Tat Heimat unwiederbringlich weggebaggert; hier geht Landschaft verloren. Wenn man tatsächlich den Flächenverbrauch von 15 ha auf 5 ha begrenzen will, wie es die Landesregierung proklamiert, muss man damit auch am Niederrhein ernst machen.

Zudem ist das Problem des Wassers nicht gelöst. Der größte Schatz am Niederrhein ist der Grundwasserkörper, der ständig und an vielen Stellen angebaggert wird.

Wenn man den Artenschutz ernst nimmt, muss man erkennen, dass Tiere und Pflanzen auch Flächen brauchen, die man ihnen nicht entziehen kann.

Darüber hinaus betrifft es auch die Landwirtschaft: In einer Zeit, in der Bäuerinnen und Bauern händeringend nach neuen Flächen, nach wertvollen Böden suchen, auf denen sie etwas anbauen können, wird der Boden unwiederbringlich untergepflügt bzw. abgebaggert.

Dann interessiert die Menschen natürlich, was mit dem Kies gemacht wird. Sie müssen feststellen, dass dieser Kies in großem Umfang über Land und per Schiff nach Holland transportiert wird – in ein Land, das sehr viel restriktiver mit dem Kiesabbau umgeht. Das ist den Menschen tatsächlich nicht verständlich zu machen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ellerbrock?

Bitte schön, Herr Kollege Ellerbrock.

Herr Kollege Remmel, ist Ihnen bei Ihren apokalyptischen Darstellungen hinsichtlich des Raubbaus und der Flächenvernichtung eigentlich das Spannungsfeld bewusst, in dem Sie selbst stehen? Auf der einen Seite sprechen Sie nämlich davon, dass der Nahrungsmittelproduktion landwirtschaftliche Fläche entzogen wird. Auf der anderen Seite hat gerade Ihre Partei in besonderem Maße dafür plädiert, zu extensivieren und weitere Flächen unter Naturschutz zu stellen. Irgendwie passt das doch nicht zusammen.

Herr Ellerbrock, ich bekomme aber auch nicht zusammen, wie man Extensivierung mit Abbaggern gleichsetzen kann.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Das werde ich Ih- nen gleich erklären!)

Gut. Dann bin ich sehr gespannt auf Ihre Ausführungen.

Hier haben wir es mit teilweise wertvollen Böden zu tun. Diese gehen nun einmal verloren, wenn man sie abgräbt. Das ist einfach Tatsache.

(Beifall von Horst Becker [GRÜNE])

Wie sieht die aktuelle Situation aus, in der wir uns im Moment befinden? In der Tat hat der Regionalrat einen geänderten Gebietsentwicklungsplan aufgestellt, der überall diskutiert wird. In eine solche Situation hinein, wie sie landauf, landab herrscht, gibt es einen Erlass der Ministerin. Danach werden die Planungszeiträume von zwei mal 25 Jahren auf zwei mal 15 Jahre geändert.

Jetzt stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das auf das konkrete Aufstellungsverfahren hat. Darauf müssen Sie ja eine Antwort geben. Wird das Aufstellungsverfahren des Regionalplans an dieser Stelle gestoppt, und gibt es ein neues Aufstellungsverfahren – ja oder nein? Das wollen die Menschen zurzeit wissen.

Außerdem ist zu fragen, ob dieser Erlass rechtlich tragfähig ist. Wird mit diesem Erlass wirklich das erreicht, was die Ministerin mit ihm zu bewirken versucht hat? Wir sind da ausgesprochen skep

tisch. Wir bezweifeln, dass ein Erlass ausreicht und es nicht notwendig ist, die landesplanerische Grundlage zu ändern.

In diesem Zusammenhang gibt es auch schon Gutachten vonseiten der Kiesindustrie – soweit Sie sie nicht kennen, kann ich sie Ihnen gerne zugänglich machen –, die eindeutig zu dem Schluss kommen …

(Ministerin Christa Thoben: Das sind Ihre Kronzeugen?)

Ja. In der Konsequenz kommen wir zu dem gleichen Ergebnis, Frau Ministerin. Dem müssen Sie sich stellen. Wir kommen nämlich zu dem Schluss, dass in der Tat die landesplanerischen Grundlagen geändert werden müssen; denn der ganze Landesentwicklungsplan atmet den Gedanken, dass Rohstoffe unbegrenzt zur Verfügung gestellt werden sollen. An dieser Stelle gibt es also keine nachhaltige Sicherung der Rohstoffe für mehrere Generationen. Hier findet eine bedarfsorientierte und keine restriktive Planung statt. Deshalb muss nach unserer Meinung die landesplanerische Grundlage geändert werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist der Gegenstand unseres heutigen Antrages. Wir fordern von der Landesregierung, nicht nur Erlasse herauszugeben, sondern dann auch konsequent zu sein und die Grundlagen zu verändern. Hier müssten das Landesplanungsgesetz, das Landesentwicklungsprogrammgesetz und der LEP geändert werden. Diesen Auftrag wollen wir heute an die Landesregierung auf den Weg bringen, damit die Menschen am Niederrhein endlich wieder in Ruhe schlafen können. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und Svenja Schulze [SPD])

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Frau Fasse das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gewinnung der für die Bauwirtschaft wichtigen Rohstoffe Kies und Sand stellt seit langen Jahren einen Konflikt zwischen der Gewinnungsbranche, den betroffenen Kreisen und den Umweltverbänden dar. Nutzungskonflikte mit anderen Belangen, insbesondere jenen des Natur-, Landschafts- und Wasserschutzes, sind beim Abbau dieser Rohstoffe unvermeidlich.

Aus der Überschrift des vorliegenden Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Raubbau an

Kies und Sand stoppen – Heimat der Menschen nicht rücksichtslos wegbaggern – Restriktive Bedarfsprüfung und Nachhaltigkeit verankern“ könnte leicht ein falscher Schluss gezogen werden. Maßlosigkeit ohne jegliche Verantwortung für andere schützenswerte Belange und reiner Egoismus der Bauindustrie ohne Rücksicht auf die betroffene Bevölkerung waren niemals Entscheidungsgrundlagen für den Abbau dieser wichtigen Rohstoffe. Sie werden es auch in Zukunft nicht sein.

Wenn die Landesregierung von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag als bisher handlungsunfähig gegenüber der Kiesindustrie dargestellt wird, so kann sich dieser Vorwurf doch wohl nur gegen die früheren rot-grünen Regierungen richten. Der Abbau und die Genehmigungsverfahren erfolgen bislang auf Rechtsgrundlagen, die unter rot-grüner Regierungsverantwortung geschaffen worden sind. Der Landesentwicklungsplan stammt aus dem Jahre 1995. Auch die einschlägigen Landesgesetze waren beim Regierungswechsel bereits in Kraft.

Wenn es aufgrund dieser Vorgaben zu bedauerlichen Missständen beim Kiesabbau am Niederrhein gekommen sein sollte, so ist dies allein den Vorgängerregierungen zuzuschreiben. Hier sollte sich insbesondere die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an ihre eigene Nase fassen.

Die von den damaligen Regierungen mit zu verantwortenden Missstände waren sicherlich ein entscheidender Anstoß dafür, dass im März 2005 in Anröchte eine Fachtagung abgehalten wurde. Die Natur- und Umweltschutz-Akademie NRW, der BUND NRW und der Arbeitskreis Steine und Erden NRW haben diese Fachtagung über nachhaltige Entwicklung und Abgrabungen initiiert. Damals wurde ein Grundstein für den Dialog zwischen der Rohstoffindustrie und den Umweltverbänden gelegt.

Dieser Dialog wurde im Februar 2007 in Krefeld fortgesetzt. Das Forum „Kiesabbau am Niederrhein – Quo vadis?“ war ein weiterer Schritt zur Lösung von Zielkonflikten bei der Rohstoffgewinnung. Frau Ministerin Thoben hatte die Schirmherrschaft über diese Veranstaltung übernommen und damit seitens der Landesregierung einen Beitrag zum damals begonnenen Dialog zwischen Wirtschaft und Umwelt geleistet.

Eine Lösung der eingangs angedeuteten Zielkonflikte beim Kiesabbau kann nur dann erfolgreich sein, wenn der Industrie notwendige Planungssicherheit gegeben wird, der Schutz von Bevölkerung, Natur und Landschaft beachtet wird und ei

ne Rekultivierung der Abbauflächen mit entsprechenden Nachfolgenutzungen sichergestellt wird.

In diesem Zusammenhang kommt dem zurzeit von der Landesregierung unter dem Leitmotiv „Raumqualität statt Flächenverbrauch – Verbesserung im Bestand“ erarbeiteten Landesentwicklungsplan 2025 die entscheidende Bedeutung zu.

Die Rohstoffsicherung ist eine Planungsleitlinie. Der Planungshorizont von derzeit rund zwei mal 25 Jahren soll verkürzt werden. Diese Kürzung ist mit Blick auf die besonderen Belastungen des Niederrheins durch Kies- und Sandabbau notwendig, damit die Rohstoffgewinnung durch die Bevölkerung auch akzeptiert wird.

Inzwischen hat Frau Ministerin Thoben durch den Erlass, auf den Herr Remmel schon eingegangen ist, die Versorgungssicherheit bei Kies von 50 Jahren auf 30 Jahre herabgesetzt. Aus diesem Grund muss der Regionalrat bei der aktuellen Änderung des Gebietsentwicklungsplans im Regierungsbezirk Düsseldorf nicht mehr 1.675 ha für den Kiesabbau reservieren, sondern nur noch 1.207 ha. Es werden also 468 ha weniger für mögliche Abgrabungen zur Verfügung gestellt.

Die Bezirksregierung will nunmehr generell auf einem Abstand von 300 m zwischen Kieswerken und Siedlungen bestehen.

Zu dem im Antrag angesprochenen Kiesexport in die Niederlande ist grundsätzlich zu sagen, dass die allseits gewollte Grenzöffnung nicht auf dem Wege des Planungsrechts wieder geschlossen werden kann. Das EU-Recht verbietet eine planrechtliche Einschränkung, die zulasten grenzüberschreitender Exporte oder zulasten eines Mitgliedslandes geht. Planerische Einschränkungen in diese Richtung widersprechen unserem Verständnis von offenen Marktbeziehungen zwischen guten Nachbarn.

Im vorliegenden Antrag weisen die Grünen auf ein vermeintliches Schlupfloch Bergrecht im Zusammenhang mit der Genehmigung des Kiesabbaus hin. Dieses Schlupfloch besteht nicht und ist deshalb auch nicht zu schließen. Das Bergrecht sieht keine geringeren Zulassungsanforderungen vor. Beantragte Vorhaben werden unter den gleichen Aspekten geprüft, wie es andere Behörden außerhalb des Bergrechts tun. Auch im Bergrecht muss geprüft werden, ob nicht überwiegende öffentliche Interessen dem beantragten Abbau entgegenstehen. Bei dieser Prüfung darf in keinem Fall von den Regionalplänen abgewichen werden. Auch diese Pläne sind für alle Behörden und öffentlichen Planungsträger verbindlich.

Der geforderten gesetzlichen Regelung des Freiraumschutzes bedarf es nicht. Durch die dargestellten Flächenreduzierungen im aktuellen Entscheidungsfall hat die Bezirksregierung Düsseldorf bei sachgerechter Interessenabwägung den Freiraumschutz ausreichend beachtet.

Anlass zur aktuellen Diskussion über den Kiesabbau ist die 51. Änderung des Regionalplans für den Regierungsbezirk Düsseldorf. In diesem Verfahren wurden nach den ersten Verfahrens- und Öffentlichkeitsbeteiligungen im Sommer und im Herbst 2007 der Planentwurf, die Begründung der Planerarbeitung, der Umweltbericht sowie die Beteiligungsliste überarbeitet.

Das Verfahren ist nunmehr in der zweiten Verfahrens- und Öffentlichkeitsbeteiligung. Im Verfahren können sich über 300 Beteiligte äußern. Kommunen, Verbände, Wirtschaftsunternehmen, Interessenvertretungen und Verwaltungen sind in das Verfahren involviert, sodass eine breite Öffentlichkeit gewährleistet ist. Auf diese Weise werden alle widerstreitenden Ansichten vor der Entscheidung gehört und berücksichtigt werden können. Für eine größtmögliche Akzeptanz des Regionalplans ist somit Sorge getragen worden.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Remmel?

Gerne, Herr Kollege Remmel.

Danke, das ist nett.

Frau Fasse, sind Sie mit mir der Meinung, dass dieses Verfahren nach dem Erlass der Ministerin neu aufgerollt werden muss, dass es also eine Neuaufstellung geben muss und das alte Verfahren obsolet ist?

Sie wissen, dass die abgrabenden Firmen die Möglichkeit haben, Rechtsmittel einzulegen.