Zunächst einmal muss ich den Begriff, den Sie, Herr Kollege Schemmer, eben im Zusammenhang mit der qualifizierten Arbeit meines Vorgängers Dr. Rommelspacher gewählt haben - ich glaube, Sie haben von Unheil gesprochen - strikt zurückweisen. Das gehört sich nicht. Sie werden ihm damit in seiner fachlichen Kompetenz nicht gerecht.
Eigentlich wollte ich mit einem Zitat anfangen, das aus der Vorgeschichte, die Sie eben einseitig dargestellt haben, stammt. Das Zitat lautet wie folgt - wenn Sie genehmigen, Frau Präsidentin -:
„Abschließend ist aus Sicht der Landwirtschaftsverwaltung zu sagen, dass sich die Verwaltungspraxis der Umnutzungsgenehmigungen in Zusammenarbeit mit den Baubehörden … grundsätzlich sehr positiv darstellt. Ich denke, dass wir auf dieser Ebene weitermachen können. Dass es im Einzelfall klemmt, dass es im Einzelfall immer wieder Schwierigkeiten gibt, ist, glaube ich, unvermeidlich, aber vom Grundsatz her meinen wir, dass die Regelung in Ordnung ist und die Verwaltungspraxis sicherlich auch funktioniert.“
Dieses Zitat stammt von Herrn Volkmar Nies, Landwirtschaftskammer Rheinland, aus der Anhörung vom 8. Januar 2003. In der gleichen Richtung hat sich auch ein Herr Grahlmann von der Landwirtschaftskammer Westfalen geäußert. Ich empfehle, wenn man hier solche Behauptungen aufstellt und solche Eindrücke vermitteln will, das noch einmal nachzulesen.
wenn sich landwirtschaftliche Betriebe frühzeitig bei den Kammern beraten lassen, eine Umnutzung der aufgegebenen landwirtschaftlichen Betriebsgebäude in nahezu allen Fällen problemlos und im Einvernehmen mit den zuständigen Baubehörden möglich war.
Wenn man das liest - das können Sie in den entsprechenden Protokollen tun -, stellt sich die Frage, worum es sich hier eigentlich handelt. Es handelt sich hier ganz offensichtlich um die „Lex Schemmer“. Deswegen hat ja auch der Kollege Schemmer zu dem Thema gesprochen.
Sie wecken hier auch falsche Erwartungen, wenn Sie den Eindruck zu vermitteln versuchen, dass Sie die Einzelfallprobleme, die es weiterhin gibt, durch die Aussetzung der Siebenjahresfrist lösen könnten. Richtig ist: Sie werden weiter Probleme bei einer Umnutzung haben - unabhängig davon, ob Sie die Siebenjahresfrist sogar dann außer Kraft setzen, wenn es sich nur um Bauvoranfragen handelt. Das prophezeie ich Ihnen.
Ich fand es sehr beeindruckend, dass die Landwirtschaftskammern in einem anderen Punkt, zu dem ich von Ihnen, Herr Schemmer, nichts gehört habe, die Interessen der landwirtschaftlichen Betriebe verfolgt haben: bei der sogenannten schädlichen Nachfolgenutzung auch teilweise in der Nachbarschaft.
Übrigens will auch diesen kleinen Widerspruch in der Angelegenheit erwähnen: Manches Mal wurde manches Grundstück von manchem Landwirt vorher an die verkauft, die sich dann hinterher über die Geruchsbelästigungen oder Ähnliches beschweren. Dass es da zu Nachbarschaftskonflikten kommt, erfährt jeder, der in der Praxis mit Baugenehmigungen zu tun hat, immer wieder.
Wenn Sie sich damit beschäftigen würden, täten Sie, glaube ich, etwas Gutes. Würden Sie sich damit auseinander setzen, dass in Zukunft Landwirtschaftskammern bei Genehmigungsverfahren von vornherein strikt zu beteiligen sind und würde sich vielleicht auch der Minister damit beschäftigen, würden Sie viel mehr für die betroffenen Landwirte tun als mit dieser - ich wiederhole es - nach meiner Auffassung ideologischen Grundhaltung, die Sie hier vortragen.
Letzte Bemerkung meinerseits: Ich glaube, dass es spannend sein wird zu sehen, wie die Verbändeanhörung verlaufen wird.
Ich gehe davon aus, dass Sie eine Verbändeanhörung durchführen, zumindest wünsche ich mir, dass Sie das tun; denn ich glaube, es ist nötig, dass wir zu dem Thema die Verbände hören.
Vielen Dank, Herr Kollege Becker. - Als nächster Redner hat jetzt für die FDP-Fraktion der Kollege Rasche das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Jung, lieber Herr Becker, natürlich greifen die Koalition und die Regierung Probleme auf, die in diesem Land auf dem Tisch liegen. Das sind mal die großen und mal die kleinen. Aber wir werden beide behandeln - sowohl die großen als auch die kleinen. Dass Koalition und Regierung dabei eng zusammenarbeiten, halte ich für förderlich. Wenn wir das nämlich nicht tun, kommt am Ende nicht das heraus, was wir gerne möchten.
In diesem Fall möchte die FDP die Nutzungsänderung von landwirtschaftlichen Gebäuden unabhängig vom Zeitpunkt der Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung ermöglichen. Deshalb werden wir die Möglichkeiten des Baugesetzbuches nutzen und die Siebenjahresfrist bis zum 31.12.2008 aussetzen.
Herr Rasche, warum wählen Sie als Koalitionspartner den längeren Verfahrensweg, sprich: dass die Landesregierung und nicht die Koalitionsfraktionen diesen Gesetzentwurf einbringen? Sie wissen doch ganz genau, dass Sie damit Anhörungen durchführen müssen, die dieses Verfahren verzögern.
Als Abgeordneter dieses Hauses wehre ich mich nicht gegen Anhörungen. Die gehören zur Demokratie dazu. Ich glaube, dass wir für diese Vorgehensweise in Nordrhein-Westfalen einen so breiten Konsens haben - hoffentlich auch mit Ihrer Fraktion, Herr Jung -, dass wir das relativ schnell auch auf diesem Weg bewerkstelligen können. Aber grundsätzlich eine Vorgehensweise zu wählen, um Anhörungen zu vermeiden, wie Sie gerade sagen, ist nicht der Weg, den dieses Haus gehen sollte.
Meine Damen und Herren, bisher hat NordrheinWestfalen beziehungsweise die alte Landesregierung diese Möglichkeiten nicht in vollem Umfang genutzt. In der Gesetzesbegründung des Bundes werden folgende Argumente für eine vollständige Umsetzung der Ermächtigung aufgeführt, die durch die Anhörung im November 2004 ausdrücklich bestätigt wurden.
Erstens. Der anhaltende Strukturwandel in der Landwirtschaft soll unterstützt werden; das heißt: Erleichterung der Umstellung auf eine nicht privilegierte Nutzung.
Drittens. Die Einschränkung in der NRW-Regelung über die Landschaftspläne ist im Bundesrecht nicht vorgesehen. Die Anhörung hat ergeben, dass diese Einschränkung nach Ansicht des Bundesbauministeriums gegen Bundesrecht verstößt.
Im Agrarausschuss herrschte in der Vergangenheit Übereinstimmung darüber, die Umnutzung landwirtschaftlicher Gebäude nicht zu behindern. Das alte MUNLV - wir lagen mit ihm nicht immer auf einer Linie - lag in diesem Fall aber wirklich auf unserer Linie. Ich möchte, Herr Becker, Ihren früheren Staatssekretär, Herrn Griese, zitieren, der am 3. April 2003 sagte:
Ich möchte vorausschicken, dass wir uns einig sind - das hat die Landesregierung an verschiedenen Stellen zum Ausdruck gebracht, übrigens auch im Rahmen des AgendaProzesses -, dass die Umnutzung ehemals landwirtschaftlicher Gebäude sinnvoll ist, gerade auch um zusätzlichen Flächenverbrauch oder Flächeninanspruchnahme zu vermeiden.
Der Landtag hat sich wiederholt mit diesem Thema im Plenum, in Ausschüssen und auch in Form von vielen Anhörungen beschäftigt. Die Argumente dürften also allen bekannt sein. Der Tenor der Experten war völlig eindeutig und nahezu einstimmig. Die Möglichkeit des Bundesgesetzgebers voll auszuschöpfen, bedeutet, Unklarheiten in der praktischen Auslegung vor Ort zu beseitigen. Sie bietet in vielen Fällen einen Ausweg für die betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe und ihre Familien, ohne dass negative Folgen zu erwarten sind. Sie hilft, schützenswerte Bausubstanz zu erhalten und ist somit auch ein Beitrag zum Erhalt unserer Kulturlandschaft. Sie trägt auf eine Art und Weise dazu bei, Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu erhalten, die absolut außenbereichsverträglich ist und die dem Außenbereich überhaupt nicht schadet.
Die alte Regelung im Jahre 2004 - über 1.000 Fälle in einem Jahr - hat gezeigt, dass der Bedarf groß ist. Sie macht auch deutlich, dass der Bedarf nach wie vor besteht.
In der vergangenen Legislaturperiode hat mein ehemaliger Kollege Karl Peter Brendel dieses Thema mehrfach im Plenum, in Anhörungen und in den Ausschüssen vertreten dürfen. Sein Zitat vom 20. April 2005 kann ich heute erneut bestätigen:
Wir sollten hier ökologisch vertretbare, wirtschaftlich sinnvolle Nutzungen im Interesse des Erhalts von Arbeitsplätzen - auch im ländlichen Raum - nicht erschweren, nicht boykottieren und deshalb der Verlängerung der Aussetzungsfrist zustimmen.“
Dieser Argumentation brauche ich nichts hinzuzufügen. Ich hoffe, wir bekommen für diese Vorgehensweise eine breite Mehrheit in diesem Haus. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur wenige Bemerkungen machen, weil der Kollege Becker den Eindruck hat aufkommen lassen, als wenn hier die Agrarverwaltung von Nordrhein-Westfalen Probleme
Ich kann Ihnen nur sagen: Das Ministerium unterstützt sehr nachdrücklich diesen Gesetzentwurf. Wir sind ja sozusagen auch das klassische Ministerium in Nordrhein-Westfalen für den ländlichen Raum. Wir wollen aktive ländliche Räume in Nordrhein-Westfalen haben.
Es ist in der Tat so, dass bedingt durch den Strukturwandel innerhalb der Landwirtschaft viele im Moment noch landwirtschaftlich genutzte Gebäude im Sinne der Landwirtschaft nicht mehr zu nutzen sind. Da kann man noch bestimmte Formen von Landwirtschaft betreiben, aber sie sind zum Beispiel für den Bereich der Veredelung nicht mehr zu nutzen. Wenn man mit wachem Auge durch die ländlichen Räume in NordrheinWestfalen fährt, findet man eine Vielzahl solcher Gebäude.
Deswegen ist es ja auch so wichtig, meine Damen und Herren, dass diese Siebenjahresfrist aufgehoben wird.
Die Realität sieht doch folgendermaßen aus: Ein landwirtschaftlicher Betrieb siedelt aus oder gibt seine Produktion auf. Dann dauert es oft viele Jahre, bis überhaupt eine Investitionsentscheidung fällt. Meistens wohnen die Eltern noch auf diesem früheren landwirtschaftlichen Betrieb. Zehn oder fünfzehn Jahre vergehen. Dann tritt der Erbfall ein. Dann ist die Siebenjahresfrist vorbei. Und dort steht eine Bauruine in der Landschaft, die man baurechtlich nicht mehr nutzen kann. Das möchten wir nicht.
Wir möchten, dass wir allerdings - das möchte ich hinzufügen - mit diesem Baurecht auch sensibel umgehen. Ich möchte auch deutlich machen, dass nicht jede Nutzungsform auf eine früher einmal genutzte Hofstelle passt, sondern dort vielleicht Kleingewerbe passt oder vielleicht ein bisschen Gastronomie, aber in einem sehr überschaubaren Ausmaß, damit es auch zur Landschaft passt.
Das ist kein Beitrag zur Zersiedlung der Landschaft, sondern ein Beitrag dazu, dass die vorhandene Bausubstanz, die Versiegelung, die in dem Bereich vielleicht vor über 100 Jahren schon vorgenommen worden ist - wie der Kollege Schemmer es eben auch gesagt hat -, auch in Zukunft genutzt werden kann und nicht einige Meter daneben ein neues Gebäude errichtet wird, wenn man denn eine Baugenehmigung bekommt, weil dieses Gebäude nicht mehr genutzt werden kann.