Protocol of the Session on May 14, 2008

Ich eröffne die Beratung und gebe Frau ApelHaefs das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrter Herr Minister Pinkwart! Spätestens seit dem Gespräch mit der Sprechergruppe der Titelgruppe 73 im November letzten Jahres ist klar – Sie, Herr Minister haben das moderat, in diplomatischem Ton, aber hart in der Sache deutlich gemacht –: Nach Ihren Plänen hat die Titelgruppe 73 in der bisherigen Konstellation keine Zukunft.

Titelgruppe 73 – zugegeben ein recht sperriger Name, ein Überbleibsel aus der Zeit, als man 13 förderungsbedürftige technische Institute in einer Haushaltsstelle, eben Titelgruppe 73, zusammen

fasste und sie, versehen mit einem gemeinsamen Budget, in den Wettbewerb schickte. Wer mehr Drittmittel einwirbt, bekommt mehr. Nach ein paar Jahren schaut man nach und stellt fest, dass sich die Institute, die dieser Gruppe noch angehören, unter diesen Voraussetzungen außerordentlich gut entwickelt haben.

Herr Minister, wenn Sie diese bewährten, erfolgreichen Strukturen jetzt auflösen wollen, würde ich Ihnen und der schwarz-gelben Koalition gerne ideologisches Handeln unterstellen. Aber selbst Ideologie setzt ein gewisses stringentes Denken voraus. Das aber kann ich bei diesen Plänen beim besten Willen nicht erkennen. Im Gegenteil: Diese Pläne erscheinen so abstrus und widersinnig und entsprechen darüber hinaus so wenig dem, was gerade Sie immer als Ziel und Zweck Ihrer Innovationspolitik postuliert haben, dass Sie mich ziemlich ratlos sehen bei dem Bemühen, Sie zu verstehen.

Diese Institute der Titelgruppe 73 haben sich bereits erfolgreich dem gestellt, was Sie nicht müde werden, in allen Bereichen zu fordern: Konkurrenz, Wettbewerb, Kontrolle durch ständig wechselnde Anforderungen des Marktes und unmittelbarem Technologietransfer im KMU-Bereich. Die Institute sind geradezu ein Paradebeispiel für das Förderprinzip „Leistung muss sich lohnen“. Sie haben heute eine Förderdrittmittelrelation von 1:3. Davon können andere Forschungseinrichtungen nur träumen. Ein effizienteres Investment für Fördergelder lässt sich kaum denken.

Die Institute haben eine wissenschaftliche Reputation weit über NRW hinaus. Und das Modell als solches hat das Interesse sowohl BadenWürttembergs als auch Bayerns geweckt. Die Institute haben sich längst von einer Gruppe von sogenannten Übriggebliebenen emanzipiert hin zu Unternehmen, die forschungsnah und wirtschaftsnah das umsetzen, was viele Hochschulen erst noch lernen müssen. Innovationen sind ja kein Selbstzweck. Sie müssen umgesetzt werden, sie müssen am Markt ankommen. Erst die erfolgreiche Umsetzung von Ideen und neuem Wissen schafft Wachstum und auch neue Arbeitsplätze.

Dass deutsche Unternehmen hier in den letzten Jahren an Boden verloren haben und der Anteil von echten Neuheiten am Markt rückläufig ist, muss einem zu denken geben. Es mangelt vielerorts an der Fähigkeit zur Potenzialabschätzung von Innovationen und daher auch an Risikobereitschaft.

Das Institut für angewandte Innovation, ebenfalls Mitglied der TG 73, hat diese Zusammenhänge

anschaulich analysiert. Gerade aber an dieser wichtigen Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und Produktentwicklung arbeiten die erfolgreichsten Institute der TG 73.

Ich darf an dieser Stelle Prof. Kurz zitieren:

„Denn das, was heute in der Grundlagenforschung an den Universitäten an neuen Erkenntnissen massenweise vorliegt, müssen Sie erst filtern, um es sinnvoll für die wirtschaftliche Verwendung vorzubereiten.“

An diesem Transfer hakt es besonders in Nordrhein-Westfalen, aber auch in Deutschland, eigentlich in ganz Europa. Man müsste also das Modell der Titelgruppe 73 da, wo es Sinn macht, auf die Hochschulen übertragen, anstatt die Institute in den Hochschulbetrieb integrieren zu wollen und ihnen damit ihr ganz spezifisches Profil zu nehmen. Die Sprecher der Gruppe haben ausdrücklich und nachvollziehbar deutlich gemacht, dass ihr ganz spezifisches Erfolgsinstrumentarium wie Marktorientiertheit, Flexibilität und die Fähigkeit zu zeitnahen Entscheidungen mit dem trägeren System universitärer Entscheidungsstrukturen nicht kompatibel ist.

Sie, Herr Minister, und Ihre Mitstreiter von CDU und FDP haben argumentiert, dass eine solche Eingliederung heute unproblematisch sei, da die in Freiheit entlassenen Hochschulen jetzt flexibler seien. Formaljuristisch mag das stimmen. Aber glauben Sie eigentlich selbst, dass aus einem schweren Dampfer eine rassige Rennjacht wird, nur weil er mehr Mitspracherecht bei der Kursbestimmung hat? Was also wollen Sie eigentlich, Herr Minister?

Das Argument, den Instituten bessere Entwicklungschancen zu eröffnen, zieht nicht – es sei denn, man beschneidet sie ihnen zuvor. Wollen Sie vielleicht der einen oder anderen Hochschule eine Art Innovationsfusion anlegen und damit die bisher eher mageren Ergebnisse Ihrer Innovationspolitik etwas verbessern? Sie müssten wissen, dass das nur ein sehr kurzfristiger Erfolg wäre.

Allerdings lässt sich vorstellen, dass die eine oder andere Hochschule an einem solchen Deal durchaus Interesse hätte, wenn sie nämlich die Drittmittel des Instituts für die leistungsorientierte Mittelverwendung geltend machen könnte und die Unterstützung für das Institut direkt an die Uni flösse.

Gibt es da vielleicht schon Absprachen oder Versprechungen? Oder haben die Stellungnahmen des Landesrechnungshofs Sie, Herr Minister, so beeindruckt, dass Sie meinen, dort bald Vollzug

melden zu müssen? Stellungnahmen wie: Das Konzept der Titelgruppe sei nicht förderungswürdig, so etwas gehöre in die Universitäten und diene auch nicht den Landesinteressen.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, falls demnächst der Landesrechnungshof die Wissenschaftspolitik macht, sollte man uns das vielleicht rechtzeitig mitteilen. Dann können wir uns die ganzen Ziel- und Strategiediskussionen hier sparen.

(Beifall von der SPD – Christian Lindner [FDP]: Ein bisschen mehr Respekt vor dem Landesrechnungshof, bitte!)

Nochmals die Frage an Sie, Herr Minister Pinkwart: Was bezwecken Sie eigentlich mit der Strategie, bewährte Strukturen zu zerstören? Unter welchem Aspekt man dieses Vorgehen auch betrachtet: Keine Überlegung macht die Sache rund. Es ergibt einfach keinen Sinn. Sie propagieren ein Rückholprogramm für Wissenschaftler aus dem Ausland und vertreiben gleichzeitig fähige Wissenschaftler durch mangelnde Planungssicherheit für die Institute. Sie propagieren Wettbewerb, Kreativität und wirtschaftliches Know-how und bremsen sie gleichzeitig aus. Sie, Herr Minister, haben Ihre Innovationspolitik unter anderem damit definiert – hier darf ich Sie zitieren –: Wir setzen auf die Gestaltungsfreiheit und Gestaltungskraft der Akteure. – Herr Minister, dann tun Sie das doch auch! Wir nehmen Sie da beim Wort. Erhalten Sie die erfolgreiche TG 73 in ihrem Bestand und in ihrer Eigenständigkeit und geben Sie ihr die dafür notwendige Planungssicherheit! – Schönen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Für die CDU spricht nun Herr Dr. Brinkmeier.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Apel-Haefs, ich werde mit Interesse Ihren Wortbeitrag im Protokoll nachlesen; denn da gibt es einige Passagen – darauf möchte ich zum Ende meiner Rede kommen –, die vielleicht in anderem Zusammenhang auf Sie und die SPD zurückfallen werden – dann aber sicherlich im Interesse der Koalition.

Der Antrag der SPD-Landtagsfraktion beschreibt die Konstruktion der Titelgruppe 73; Sie haben sie eben auch noch einmal erläutert. Für die CDULandtagsfraktion möchte ich hier eindeutig feststellen, dass wir die Leistung der Institute der Titelgruppe 73 wertschätzen. Ich möchte nicht, dass

da ein falscher Eindruck entsteht. Aber es ist nicht so, wie Sie es, Frau Kollegin, suggeriert haben, dass die Leistung, die erbracht wird, auf Dauer einzig in der Konstruktion erfolgreich ist, in der sie seit 1999 haushaltstechnisch vollzogen worden ist.

Wie Sie das im Antrag formuliert haben, dass das nur in dieser Konstruktion gelingt und die Titelgruppe deswegen in Gänze erhalten bleiben soll, klingt das sehr apodiktisch. Dem werden wir so nicht folgen. Auch wir haben das Recht und die Pflicht, Strukturen zu hinterfragen.

Die Tätigkeit der Institute, die in der Titelgruppe 73 beheimatet sind, erfolgte seit ihrer Gründung im Jahre 1999 unter Rahmenbedingungen, die sich bis heute wesentlich geändert haben. Seinerzeit waren die Institute die einzigen, die in einem wettbewerblichen Anreizsystem bestehen mussten. Mittlerweile haben wir in NRW die gesamte Hochschullandschaft – und das ist natürlich der größte Brocken – hin zu Autonomie und Wettbewerb neu ausgerichtet. Wenn Sie, Frau Kollegin Apel-Haefs, sagen, die Hochschulen seien träge Dampfer, dann weiß ich nicht, ob das den Hochschulen Freude bereitet. Ich werde mal abfragen, ob die das auch so sehen, liefere Ihnen aber gleich die Antwort dazu: In unseren Augen haben wir es ermöglicht, dass diese Hochschulen, wenn sie zu Ihrer Regierungszeit träge Dampfer gewesen sein sollten, worüber sich ja trefflich streiten ließe, jetzt wesentlich flexibler, autonomer und zielgerichteter agieren können, und zwar aus sich selbst heraus. Das ist unsere Politik. Deswegen ist hier ein ganz neues Wettbewerbsumfeld in der Hochschul- und Forschungslandschaft entstanden. Dieser wettbewerbliche Aspekt der Titelgruppe 73 ist nun kein Alleinstellungsmerkmal mehr.

Man kann natürlich noch die Frage stellen, inwieweit wir die Institute der Titelgruppe 73 in eine Art Fraunhofer-Gesellschaft oder in eine Art Helmholtz-Gemeinschaft des Landes NordrheinWestfalen oder eben doch in die Universitäten überführen. Unsere Antwort als Koalition ist: Pragmatisch und grundsätzlich streben wir, wenn es möglich und sinnvoll ist, als Erstes eine Überführung in die Universitäten an. Alles andere wäre für die Gesamtheit der Institute der Titelgruppe 73 eher eine Existenz in einer strukturellen Nische, die unserer Meinung nach auf Dauer schwer zu halten wäre.

Das bedeutet aber nicht, dass wir nun alle Institute über einen Kamm scheren wollen. Im Gegenteil: Minister Pinkwart hat in der Ausschusssitzung im November letzten Jahres betont, dass mit den

Instituten individuell Vorschläge erarbeitet werden, die im Rahmen der durch den Haushalt gegebenen Möglichkeiten einen verlässlichen Pfad aufzeigen werden. Diese Linie unterstützt die CDU-Landtagsfraktion. Und sie wird die Forschungslandschaft in NRW dadurch sicherlich auch stärken.

Noch ein abschließendes Wort zum Thema Leistungsorientierung: Frau Kollegin Apel-Haefs, ich wäre Ihnen und Ihrer Fraktion sehr verbunden, wenn Sie die Leistungsorientierung und den wettbewerblichen Gedanken, die Sie beim Thema Drittmittel so betont haben, auch in anderen Bereichen, zum Beispiel im Bereich Hochschule, noch viel stärker betonten. Dann würden Sie unserer Linie doch sehr viel näherkommen. Ich weise nur darauf hin, dass wir die Rahmenbedingungen bei der leistungsorientierten Mittelvergabe in dieser Wahlperiode ausgeweitet haben. Wir haben natürlich kein Problem damit, mit Ihnen über diese Rahmenbedingungen und ihre Erweiterung noch näher zu sprechen. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Schönen Dank, Herr Dr. Brinkmeier. – Für die FDP spricht nun der Kollege Lindner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Abseits der üblichen Gepflogenheiten will ich eine Gruppe auf der Tribüne herzlich grüßen. Ich sehe da nämlich Spitzenvertreter der Freikirchlichen Gemeinden. Ich freue mich, dass Sie dieser wichtigen wissenschaftspolitischen Debatte hier folgen wollen.

(Dr. Michael Brinkmeier [CDU]: Grüße auch von der CDU!)

Zum Thema! Meine Damen und Herren, früher hat es Freiheit im Wissenschaftsbereich ausschließlich außerhalb der Hochschulen gegeben, weil ansonsten doch eher Bürokratie anzutreffen war. Unterdessen haben wir die Leistungsfähigkeit des Hochschul- und Forschungswesens in NordrheinWestfalen insgesamt durch eine Veränderung des Ordnungsrahmens gestärkt, innerhalb dessen sich Wissenschaftler und Forscher bewegen können.

Deshalb ist es sinnvoll und auch erforderlich, zu prüfen, welche Auswirkungen das etwa auf Institute der sogenannten Titelgruppe 73 hat. Wir sind auch gehalten, das zu tun, weil es einen entsprechenden Bericht des Landesrechnungshofs gibt. Anders als die Kollegin der Sozialdemokraten, die ihre Auffassung hierzu vorgetragen hat, nehmen

wir die Prüfberichte des Landesrechnungshofs ausdrücklich ernst.

(Beifall von der FDP)

Das ist eine Institution, die die Interessen des Steuerzahlers mit vertritt, die auch fortwährend darauf achtet, dass öffentliche Gelder effizient verausgabt werden. Das kann man nicht einfach mit dem Hinweis wegwischen, dass von dort aus dann Wissenschaftspolitik gemacht würde. Wir müssen hier die entsprechenden Anregungen und auch Monita ernsthaft diskutieren und können nicht einfach sagen: Wir nehmen sie zur Kenntnis und legen sie zu den Akten.

Deshalb beschäftigen wir uns als Koalition und auch der Fachausschuss schon länger mit der Titelgruppe 73. Wir hatten im vergangenen Jahr ein Fachgespräch hierzu. Dieses hat, wie auch Besuche, die ich gemacht habe – Wollforschungsinstitut, IMST –, klar belegt, dass die grundlegende Strategie der Koalition richtig ist, diese Institute, die ja auch An-Institute von Hochschulen sind, stärker mit ihren jeweiligen Hochschulen zu vernetzen. Es sind ungeahnte Potenziale in Forschung und Lehre möglich, wenn wir diese Stärken verbinden. Deshalb ist es richtig, außeruniversitäre Forschung mit universitärer Forschung zu verzahnen, wie es von dieser Landesregierung beabsichtigt ist.

Im Übrigen will ich darauf hinweisen, dass nicht jedes Institut der Titelgruppe 73 mit jedem anderen ohne Weiteres vergleichbar ist. Hier gibt es ganz unterschiedliche Ausgangslagen und deshalb auch ganz unterschiedliche Strategieansätze.

Ich habe gerade das IMST erwähnt, wo ich vor einiger Zeit war. Dort ist mir vorgetragen worden, dass zur Gründung des Instituts ohnehin nur eine Anschubfinanzierung vorgesehen war. Insofern ist es folgerichtig, dass die Grundförderung des Landes hier durch andere, projektbezogene Formen der Unterstützung ersetzt wird.

Wir sehen die Integration in die Hochschulen als eine zweite Strategieschiene. Nicht zuletzt gibt es ja auch – der Kollege Brinkmeier hat darauf hingewiesen – überregionale Forschungsförderung, Grundlagenforschung, in die Institute der Titelgruppe 73 überführt werden können.

Deshalb glauben wir, dass die eingeschlagene Linie der Landesregierung richtig ist und dass sie es wert wäre, auch von der Opposition differenziert wahrgenommen zu werden. Mitnichten ist beabsichtigt, Institute zu zerschlagen. Im Gegenteil: Vorhandene Stärken sollen besser genutzt

und auch weiter profiliert werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Lindner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Dr. Seidl.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es erscheint aus unserer Sicht paradox: Da stellt sich Herr Pinkwart, unser Wissenschaftsminister, hin und sagt, dass er sich starkmachen will, um Innovationen in Nordrhein-Westfalen zu befördern, dass er den Transfer von Forschungsergebnissen in Wirtschaft und Gesellschaft beschleunigen will – und nun macht er genau die Forschungsinstitute in Nordrhein-Westfalen platt, die exakt das machen, die sehr nah und anwendungsorientiert genau an der Schnittstelle von Wirtschaft und Wissenschaft arbeiten. Und Sie, Herr Lindner, Herr Brinkmeier, Sie sind mit dabei.

(Christian Lindner [FDP]: Ja!)