Ulrike Apel-Haefs

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Last Statements

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich kann es aufgrund der fortgeschrittenen Zeit, aber auch aufgrund des Diskussionsstandes, so wie er sich im Moment darstellt, kurz machen. Wir haben diesem vorliegenden Gesetzentwurf, der die Erweiterung der Akademie der Wissenschaften um eine Klasse der Künste vorsieht, von Anfang an nicht grundsätzlich ablehnend gegenübergestanden.
Wir hatten aber Bedenken und auch Nachfragen zum einen, was die finanziellen Rahmenbedingungen anbelangt, zum anderen, was die Akzeptanz durch die bisherigen Mitglieder der Akademie der Wissenschaften anbelangt. Von daher haben wir die Anhörung abgewartet.
Die Anhörung hat ergeben, dass die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften mehrheitlich mehr Chancen als Risiken in dieser Erweiterung sehen. Und dieser Einschätzung haben wir uns angeschlossen und werden daher dem Gesetzentwurf heute zustimmen. Allerdings werden wir sowohl Art wie auch Umfang der finanziellen Ausstattung weiterhin sorgfältig beobachten und sie gegebenenfalls nochmals zum Thema machen. – Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was haben Orchideen und kleine Fächer gemeinsam? – Sie sind selten, besonders und brauchen ein bestimmtes Biotop, um zu gedeihen.
Die Umweltbedingungen, unter denen sich die kleinen Fächer entfalten können, sind jedoch in Deutschland in ihrem Gleichgewicht zunehmend gestört, sodass sich die Sorge breitmacht, dass die kleinen Fächer auf Dauer nicht überlebensfähig sind.
Was sind kleine Fächer? – Nach der Definition, die die Hochschulrektorenkonferenz bei der Kartierung der kleinen Fächer, die sie 2007 vorgestellt hat, zugrunde legt, sind kleine Fächer die Sammelbezeichnung für etwa 120 Fächer, die jeweils über wenige Lehrstühle verfügen, auch ansonsten wenig Personal haben und nur an wenigen Standorten vertreten sind. Das Spektrum reicht von Afrikanistik über kognitive Neurolinguistik bis hin zu vorderasiatischer Archäologie.
Sie sind in ihrer Vielfalt ein ganz spezifisches Merkmal der deutschen Hochschullandschaft und genießen in der Regel – ähnlich wie die deutschen Geisteswissenschaften, zu denen sie auch überwiegend gehören – international ein hohes Renommee.
2007 war das Jahr der Geisteswissenschaften. Die Geisteswissenschaften und damit auch die sogenannten Orchideenfächer standen im Fokus der Medien und der Debatten. Anträge zur Stärkung der Geisteswissenschaften wurden im Bundestag gestellt und verabschiedet, Untersuchungen zur Situation der Geisteswissenschaften in Auftrag gegeben und erstellt. Der ehemalige Rektor der Heinrich-Heine-Universität hier in Düsseldorf, Gert Kaiser, hat die Geisteswissenschaften einmal als eine Art gesellschaftliches Grundnahrungsmittel bezeichnet. Das Motto des Jahres der Geisteswissenschaften lautete: „Die Geisteswissenschaften. ABC der Menschheit“.
Gerade die kleinen Fächer tragen in ihrer Vielfalt dazu bei, die Komplexität menschlichen Denkens und Handelns sichtbarer und begreifbarer zu machen. Leider ist es so, dass man ein Jahr häufig einer Spezies widmet, die zu den bedrohten Arten zählt. Das trifft auf die Geisteswissenschaften im Allgemeinen und auf die kleinen Fächer im Besonderen zu.
Sie sind doch gleich dran, Herr Lindner. – Ihre große wissenschaftliche und kulturelle Bedeutung steht in einem krassen Widerspruch zu der erkennbaren Tendenz, sie derzeit vorrangig aus der Perspektive möglicher Kürzungs-, Einsparungs- und Streichungsmaßnahmen zu betrachten. Ich darf an dieser Stelle die Hochschulrektorenkonferenz zitieren:
„Damit brechen umfangreiche Wissensbestände und Forschungspotenziale weg, und es entstehen Verluste, die die gesamte Hochschullandschaft in einem Bereich schwächen, der traditionell zu ihren besonderen Stärken gehört.“
Nein, ich möchte jetzt erst einmal meine Ausführungen beenden. – Ist ein kleines Fach erst einmal von der wissenschaftlichen Landkarte verschwunden, lässt es sich auf international wettbewerbsfähigem Niveau – wenn überhaupt – allenfalls mittel- bis langfristig reetablieren. Es gibt verschiedene Ursachen, die dafür verantwortlich sind. Eine Förderungspraxis, die sich nahezu ausschließlich an Drittmittelquoten und Absolventenzahlen orientiert, wird der spezifischen Arbeitsweise der kleinen Fächer nicht gerecht. Gerade deren Forschung ist häufig langfristig angelegt, was kurzfristigen Renditeerwartungen entgegensteht.
In Zeiten von Globalhaushalten geraten die kleinen Fächer auch innerhalb der Hochschulen unter zunehmenden Legitimationsdruck. Unter dem Druck von Profilbildung im nationalen und internationalen Wettbewerb werden bei der Mittelverwendung vielfach die anwendungsorientierten ökonomischen Mehrwert versprechenden Fächer bevorzugt. Dass eine solche Prioritätensetzung vielfach parallel und ohne überregionale Koordination vollzogen wird, verschärft die Gefährdung der kleinen Fächer zusätzlich.
Hohe Akkreditierungskosten bei einer unter rein ökonomischen Gesichtspunkten ungünstigen Professoren/Studenten-Relation verstärken die Tendenz zur Konzentration kleiner Fächer an wenigen Hochschulen. Für die häufig interdisziplinär arbeitenden Fächer bedeutet das die Gefahr, aus dem notwendigen wissenschaftlichen Umfeld herausgebrochen zu werden.
Eine Projektgruppe der HRK hat sich im letzten Jahr mit dieser Problematik beschäftigt. Die Studie „Die Zukunft der Kleinen Fächer – Potenziale, Herausforderungen, Perspektiven“ kommt zu dem Ergebnis, dass es im Wesentlichen zwei Bereiche gibt, in denen politisches Umdenken erforderlich ist, um die kleinen Fächer in ihrer Existenz und in ihrer Struktur zu erhalten. Zum einen bedarf es einer finanziellen Förderung weg von quantitativen und drittmittelbestimmten Kriterien, hin zu einer Förderung auf der Basis spezieller qualitativer Ziel- und Leistungsvereinbarungen. Zum anderen ist Unterstützung auf Bundes- und Länderebene bei der Koordinierung einer möglichst vielfältigen Präsenz der kleinen Fächer in den deutschen Hochschulen erforderlich. Wir als SPD-Fraktion schließen uns diesen Forderungen an und erwarten von der Landesregierung entsprechende Maßnahmen.
Sie, Herr Minister Pinkwart, haben im letzten Jahr Ihre Absicht erklärt, die kleinen Fächer nicht nur zu erhalten, sondern zu stärken. Eine von Ihnen in Auftrag gegebene Untersuchung zur Situation der kleinen Fächer liegt uns jedoch noch nicht vor, obwohl ihre Fertigstellung bereits für Ende letzten Jahres angekündigt war.
Ich bin mit meiner Rede gleich fertig. – Ich hoffe jedoch, dass Ihr Bekenntnis zu den kleinen Fächern nicht ausschließlich seiner Medienwirksamkeit im Jahr der Geisteswissenschaften geschuldet war, sondern dass Sie den Ankündigungen auch Taten folgen lassen. Die Antwort Ihres Ministeriums auf meine Kleine Anfrage von Anfang des Jahres, wie das Land die kleinen Fächer 2008 unterstützen wolle, macht mich allerdings skeptisch. Der Verweis auf das Globalbudget der autonomen Hochschulen ist nämlich nicht genau das, was die kleinen Fächer zu ihrer Unterstützung brauchen.
Ich folge dem weisen Ratschlag des Präsidenten und sage an dieser Stelle nur noch: Ich bin gespannt auf die Diskussion im Ausschuss.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrter Herr Minister Pinkwart! Spätestens seit dem Gespräch mit der Sprechergruppe der Titelgruppe 73 im November letzten Jahres ist klar – Sie, Herr Minister haben das moderat, in diplomatischem Ton, aber hart in der Sache deutlich gemacht –: Nach Ihren Plänen hat die Titelgruppe 73 in der bisherigen Konstellation keine Zukunft.
Titelgruppe 73 – zugegeben ein recht sperriger Name, ein Überbleibsel aus der Zeit, als man 13 förderungsbedürftige technische Institute in einer Haushaltsstelle, eben Titelgruppe 73, zusammen
fasste und sie, versehen mit einem gemeinsamen Budget, in den Wettbewerb schickte. Wer mehr Drittmittel einwirbt, bekommt mehr. Nach ein paar Jahren schaut man nach und stellt fest, dass sich die Institute, die dieser Gruppe noch angehören, unter diesen Voraussetzungen außerordentlich gut entwickelt haben.
Herr Minister, wenn Sie diese bewährten, erfolgreichen Strukturen jetzt auflösen wollen, würde ich Ihnen und der schwarz-gelben Koalition gerne ideologisches Handeln unterstellen. Aber selbst Ideologie setzt ein gewisses stringentes Denken voraus. Das aber kann ich bei diesen Plänen beim besten Willen nicht erkennen. Im Gegenteil: Diese Pläne erscheinen so abstrus und widersinnig und entsprechen darüber hinaus so wenig dem, was gerade Sie immer als Ziel und Zweck Ihrer Innovationspolitik postuliert haben, dass Sie mich ziemlich ratlos sehen bei dem Bemühen, Sie zu verstehen.
Diese Institute der Titelgruppe 73 haben sich bereits erfolgreich dem gestellt, was Sie nicht müde werden, in allen Bereichen zu fordern: Konkurrenz, Wettbewerb, Kontrolle durch ständig wechselnde Anforderungen des Marktes und unmittelbarem Technologietransfer im KMU-Bereich. Die Institute sind geradezu ein Paradebeispiel für das Förderprinzip „Leistung muss sich lohnen“. Sie haben heute eine Förderdrittmittelrelation von 1:3. Davon können andere Forschungseinrichtungen nur träumen. Ein effizienteres Investment für Fördergelder lässt sich kaum denken.
Die Institute haben eine wissenschaftliche Reputation weit über NRW hinaus. Und das Modell als solches hat das Interesse sowohl BadenWürttembergs als auch Bayerns geweckt. Die Institute haben sich längst von einer Gruppe von sogenannten Übriggebliebenen emanzipiert hin zu Unternehmen, die forschungsnah und wirtschaftsnah das umsetzen, was viele Hochschulen erst noch lernen müssen. Innovationen sind ja kein Selbstzweck. Sie müssen umgesetzt werden, sie müssen am Markt ankommen. Erst die erfolgreiche Umsetzung von Ideen und neuem Wissen schafft Wachstum und auch neue Arbeitsplätze.
Dass deutsche Unternehmen hier in den letzten Jahren an Boden verloren haben und der Anteil von echten Neuheiten am Markt rückläufig ist, muss einem zu denken geben. Es mangelt vielerorts an der Fähigkeit zur Potenzialabschätzung von Innovationen und daher auch an Risikobereitschaft.
Das Institut für angewandte Innovation, ebenfalls Mitglied der TG 73, hat diese Zusammenhänge
anschaulich analysiert. Gerade aber an dieser wichtigen Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und Produktentwicklung arbeiten die erfolgreichsten Institute der TG 73.
Ich darf an dieser Stelle Prof. Kurz zitieren:
„Denn das, was heute in der Grundlagenforschung an den Universitäten an neuen Erkenntnissen massenweise vorliegt, müssen Sie erst filtern, um es sinnvoll für die wirtschaftliche Verwendung vorzubereiten.“
An diesem Transfer hakt es besonders in Nordrhein-Westfalen, aber auch in Deutschland, eigentlich in ganz Europa. Man müsste also das Modell der Titelgruppe 73 da, wo es Sinn macht, auf die Hochschulen übertragen, anstatt die Institute in den Hochschulbetrieb integrieren zu wollen und ihnen damit ihr ganz spezifisches Profil zu nehmen. Die Sprecher der Gruppe haben ausdrücklich und nachvollziehbar deutlich gemacht, dass ihr ganz spezifisches Erfolgsinstrumentarium wie Marktorientiertheit, Flexibilität und die Fähigkeit zu zeitnahen Entscheidungen mit dem trägeren System universitärer Entscheidungsstrukturen nicht kompatibel ist.
Sie, Herr Minister, und Ihre Mitstreiter von CDU und FDP haben argumentiert, dass eine solche Eingliederung heute unproblematisch sei, da die in Freiheit entlassenen Hochschulen jetzt flexibler seien. Formaljuristisch mag das stimmen. Aber glauben Sie eigentlich selbst, dass aus einem schweren Dampfer eine rassige Rennjacht wird, nur weil er mehr Mitspracherecht bei der Kursbestimmung hat? Was also wollen Sie eigentlich, Herr Minister?
Das Argument, den Instituten bessere Entwicklungschancen zu eröffnen, zieht nicht – es sei denn, man beschneidet sie ihnen zuvor. Wollen Sie vielleicht der einen oder anderen Hochschule eine Art Innovationsfusion anlegen und damit die bisher eher mageren Ergebnisse Ihrer Innovationspolitik etwas verbessern? Sie müssten wissen, dass das nur ein sehr kurzfristiger Erfolg wäre.
Allerdings lässt sich vorstellen, dass die eine oder andere Hochschule an einem solchen Deal durchaus Interesse hätte, wenn sie nämlich die Drittmittel des Instituts für die leistungsorientierte Mittelverwendung geltend machen könnte und die Unterstützung für das Institut direkt an die Uni flösse.
Gibt es da vielleicht schon Absprachen oder Versprechungen? Oder haben die Stellungnahmen des Landesrechnungshofs Sie, Herr Minister, so beeindruckt, dass Sie meinen, dort bald Vollzug
melden zu müssen? Stellungnahmen wie: Das Konzept der Titelgruppe sei nicht förderungswürdig, so etwas gehöre in die Universitäten und diene auch nicht den Landesinteressen.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, falls demnächst der Landesrechnungshof die Wissenschaftspolitik macht, sollte man uns das vielleicht rechtzeitig mitteilen. Dann können wir uns die ganzen Ziel- und Strategiediskussionen hier sparen.
Nochmals die Frage an Sie, Herr Minister Pinkwart: Was bezwecken Sie eigentlich mit der Strategie, bewährte Strukturen zu zerstören? Unter welchem Aspekt man dieses Vorgehen auch betrachtet: Keine Überlegung macht die Sache rund. Es ergibt einfach keinen Sinn. Sie propagieren ein Rückholprogramm für Wissenschaftler aus dem Ausland und vertreiben gleichzeitig fähige Wissenschaftler durch mangelnde Planungssicherheit für die Institute. Sie propagieren Wettbewerb, Kreativität und wirtschaftliches Know-how und bremsen sie gleichzeitig aus. Sie, Herr Minister, haben Ihre Innovationspolitik unter anderem damit definiert – hier darf ich Sie zitieren –: Wir setzen auf die Gestaltungsfreiheit und Gestaltungskraft der Akteure. – Herr Minister, dann tun Sie das doch auch! Wir nehmen Sie da beim Wort. Erhalten Sie die erfolgreiche TG 73 in ihrem Bestand und in ihrer Eigenständigkeit und geben Sie ihr die dafür notwendige Planungssicherheit! – Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Es stimmt: Es gibt nationale Forscherkonferenzen mit ausschließlich deutschen Teilnehmern, in denen ausschließlich englisch gesprochen wird. Auch bei internationalen Konferenzen mag man es den ausländischen Teilnehmern nicht zumuten, sich der Möglichkeiten der Simultanübersetzung zu bedienen, sondern man stellt seine Weltläufigkeit und wissenschaftliche Seriosi
tät unter Beweis, indem man englisch spricht, zum Teil auch das, was man darunter versteht.
Ich habe neulich an der Eröffnung einer internationalen Schule mit nahezu ausschließlich deutschem bzw. deutsch sprechendem Publikum teilgenommen. Aber alle Festredner ließen es sich nicht nehmen, ihre Reden in bestem Schulenglisch zu halten. Ich muss sagen, das war ein noch deutlich geringeres Vergnügen, als solche Festreden es in der Regel sowieso schon sind.
Dennoch muss man ganz klar sagen: Englisch ist die Weltsprache. Die Sprache der internationalen Verständigung ist die Lingua franca. Deshalb wird sich auch kein Forscher von dieser internationalen Verständigungsebene ganz zurückziehen können. Ein Forscher, der nicht in Englisch agiert und publiziert, wird außerhalb des eigenen Sprachraums kaum noch wahrgenommen. Deshalb sind auch Forderungen, man müsse die frühere Bedeutung von Deutsch als Wissenschaftssprache zumindest in Deutschland zurückgewinnen, ebenso populistisch wie illusionär. Es soll hier auch nicht der Provinzialität das Wort geredet werden. Deutsch als dominierende Wissenschaftssprache – das ist spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg vorbei.
Gleichwohl sind Überlegungen, wie man Deutsch in der Wissenschaft erhalten kann, wie man das Profil der eigenen Sprache wieder schärfen kann, lohnenswert und meines Erachtens auch notwendig. Wenn nämlich die Entwicklung, von der auch zunehmend die Geisteswissenschaften betroffen sind, so weitergeht – und vieles spricht dafür –, wird Deutsch innerhalb von Forschung und Lehre irgendwann aussterben. Eine Sprache, die nicht mehr gesprochen und nicht mehr gedacht wird, ist tot.
Meine Damen und Herren, Sprache ist viel mehr als reine Wissensvermittlung. Sprache ist auch ein wesentliches Instrument auf dem Weg hin zum Wissen, zur Erkenntnis. Jede Argumentation, jede Rhetorik, jedes Sichherantasten an neue Erkenntnisse ist zunächst in dem Denken verwurzelt, das durch die Muttersprache geprägt ist. Jede Nivellierung von Sprache birgt dagegen auch die Gefahr der Nivellierung des Denkens – eine Gefahr ganz besonders für die Geisteswissenschaften. Man kann eine Fremdsprache noch so gut beherrschen: Man wird in ihr niemals die eigenen Gedanken in der Komplexität, Differenziertheit und Nuanciertheit ausdrücken können, wie man das in der eigenen Muttersprache kann. Verliert man Sprache, verliert man auch kulturelle Identität.
Der Verlust an demokratischer Teilhabe an Wissenschaft und Forschung – auch das ist ein gewichtiges Argument für die Pflege von Deutschsprachigkeit im Wissenschaftsbetrieb. Wie sollen Wissenschaft und Forschung Gehör und Verständnis in einer Gesellschaft finden, mit der sie überwiegend nicht mehr in derselben Sprache sprechen? Selbst in Ländern, in denen die Zweisprachigkeit wesentlich intensiver gefördert wird als bei uns, gibt es inzwischen Untersuchungen, die belegen, dass Leistungen messbar besser ausfallen, wenn sie in der eigenen Muttersprache erbracht werden.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, es gibt also ausreichend und gute Gründe, um Deutsch als eine wichtige Sprache der Wissenschaft zu erhalten. Wenn ich mir allerdings Ihren Beschlussvorschlag ansehe, habe ich erhebliche Zweifel, ob Sie Ihren eigenen Antrag überhaupt ernst nehmen oder ob das mal wieder ein Antrag ist nach dem Motto: Gut, dass wir mal drüber geredet haben! – Gut für eine Schlagzeile, aber ohne Substanz!
Vielleicht wollen Sie auch nur von der Tatsache ablenken, dass gerade Sie mit Ihrer Hochschulpolitik dazu beitragen, dass ausgerechnet die Geistes- und Kulturwissenschaften, in denen Deutsch noch eine gewisse Bedeutung hat bzw. selbst zum Forschungsgegenstand wird,
immer mehr unter Druck geraten.
Will man die deutsche Sprache in der Wissenschaft fördern, dann muss man gerade bei diesen Wissenschaften anfangen. Gerade für ihre wissenschaftliche Erkenntnis ist sprachliche Vielfalt eine unverzichtbare Ressource des wissenschaftlichen Komplexitätsaufbaues, ist Sprache kein beliebig austauschbares Instrument der Präsentation von Wissen, sondern in vielfältiger Hinsicht Instrument der Erkenntnisproduktion selbst.
Aber Ihre Hochschulpolitik mit Ihren Paradigmen von Effizienz und Exzellenz, die eine Förderpraxis nach Anzahl von Papern betreibt – selbstredend in englischsprachigen Journalen; Publikationen in der Muttersprache zählen da ja nicht mehr –, die Drittmittelwerbung als wesentliche Bewertungsgrundlage für staatliche Belohnung festschreibt, die Exzellenz nur noch in groß angelegten Clustern fördert, gerade diese Hochschulpolitik ist es doch, die langsam, aber sicher die Geisteswissenschaften ins Abseits treibt,
jedenfalls die Geisteswissenschaft, die sich in den letzten Jahrzehnten zu einer international anerkannten Stärke gerade des deutschen Universitätssystems entwickelt hat.
Ich darf an dieser Stelle Prof. Nida-Rümelin zitieren:
Letztendlich mündet diese Entwicklung in eine Art Selbstkolonialisierung der reichhaltigen und vielfältigen geisteswissenschaftlichen Landschaften.
Und:
Die spezifische Wissenschaftskultur der Geisteswissenschaft ist gefährdet.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie wollen also einen Preis ausloben. Da wird die Wissenschaftswelt aber beeindruckt sein. Ein Preis – der taugt vielleicht für einen neuen, netten Pressetermin mit dem Ministerpräsidenten oder dem Minister.
Dem komplexen Problem, mit dem wir es hier zu tun haben, wird er aber nicht im Mindesten gerecht.
Darf ich weitersprechen? – Danke schön.
Wenn man Deutsch ernsthaft als eine Sprache der Wissenschaft erhalten will, braucht man ein Konzept, das auf breiter Ebene Anreize für den deutschen Sprachgebrauch bietet, beispielsweise durch Kopplung an Fördermittel. Dann muss man auch mit der DFG und der Hochschulrektorenkonferenz ins Gespräch kommen. Dann braucht man aber auch ein Konzept für den Erhalt der Geisteswissenschaft im Wissenschaftsbetrieb in Nordrhein-Westfalen, und man muss ihnen den Freiraum schaffen, ihre Internationalisierung auch im Wege der Mehrsprachigkeit zu betreiben.
Kommen Sie jetzt nicht wieder mit dem Argument, dass das ein Eingriff in die Freiheit der Hochschulen sei! Zwischen bürokratischer Gängelung und dem Einfordern von gesellschaftlicher Verantwortung besteht ein großer Unterschied.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, wir werden dieses Thema im Ausschuss weiterberaten. Vielleicht gelingt es uns dort, zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen, die dem Anliegen gerecht werden. Dann könnte auch von Nordrhein-Westfalen eine Signalwirkung auf die anderen Bundesländer ausgehen. Denn die Erhaltung von Deutsch als Wissenschaftssprache ist letztendlich ein nationales Problem. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Eine Erkenntnis der Reise des Wissenschaftsausschusses im August letzten Jahres in die USA und nach Kanada war, dass der Austausch von jungen Wissenschaftlern zwischen Nordrhein-Westfalen und dem nordamerikanischen Raum sich meist als Einbahnstraße herausstellt. In vielen Gesprächen mit ConRuhr, DFG und DAAD wurde deutlich, dass zwar viele Deutsche aus Nordrhein-Westfalen den Weg an ame
rikanische oder kanadische Hochschulen finden, amerikanische oder kanadische Studenten oder Wissenschaftler an nordrhein-westfälischen Hochschulen jedoch eher selten anzutreffen sind.
Sicherlich gibt es vielfältige Gründe dafür, dass die ohnehin eher binnenbezogenen Amerikaner das Ausland als mögliches Studienland weniger im Fokus haben. Ein Grund ist auf jeden Fall, dass sie überhaupt keine Vorstellung von Nordrhein-Westfalen haben. Fragt mich selbst ein gut ausgebildeter Amerikaner nach meiner Herkunft, antworte ich zunächst mit „Germany“. Das kommt meistens gut an, weil fast jeder Onkel oder Tante aus „good old Germany“ hat. Die nächste Frage ist in der Regel: „Woher in Deutschland?“ Die Antwort „Korschenbroich“ mute ich natürlich keinem Amerikaner zu, sondern versuche es zunächst mit „a little town near Düsseldorf“. Die nächste Stufe ist dann „Cologne“ und „Rhine“ – manchmal, aber selten mit einem gewissen Erfolg.
Wenn ich auf die Frage nach dem Beruf mit „Member of State Parliament of North RhineWestphalia“ antworte, erhalte ich in der Regel ein freundlich-höfliches Nicken, was mir signalisiert: keine Ahnung.
Warum also sollte ein amerikanischer Wissenschaftler in ein Bundesland kommen, das er nicht kennt und von dem er häufig noch nicht einmal weiß, dass es existiert?
Sicherlich, es existieren Kontakte zwischen einzelnen Hochschulen. ConRuhr hat es durch intensive Öffentlichkeitsarbeit und Kontaktpflege geschafft, gute Ergebnisse zu erzielen. – Zwischenfrage: Warum haben sich da wohl drei Universitäten zusammengeschlossen? – Aber insgesamt ist Nordrhein-Westfalen als Hochschulstandort für Amerikaner ein weißer Fleck auf der Landkarte.
Was spricht also dagegen, mit Unterstützung des Landes eine offensive Vermarktungsstrategie des Wissenschafts- und Forschungsstandortes Nordrhein-Westfalen zu starten? Unsere Gesprächspartner in den USA haben uns das durchweg nahegelegt. Die ablehnenden Begründungen vonseiten der Mehrheitsfraktionen und der Landesregierung sind diesbezüglich mehr als dürftig und lassen sich in der Aussage zusammenfassen: Die Hochschulen sollen selbst initiativ werden.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, mit dieser ideologischen Festlegung auf ein „Privat vor Staat“ vergeben Sie Chancen in unverantwortlicher Weise.
Sie vergeben die Chance, Nordrhein-Westfalen als Wissenschaftsstandort in seiner ganzen Vielfalt sichtbar zu machen.
Sie sind doch mit der Koalition der Erneuerung angetreten, alles besser zu machen.
Sie tun es aber nicht.
Im Gegenteil, Sie vergeben die Chance, dass auf breiter Ebene wissenschaftlicher Austausch stattfinden kann und eben nicht nur selektiv zwischen einzelnen Hochschulen. Sie vergeben damit auch die Chance, dass ein solcher wissenschaftlicher Austausch belebend für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen wirken könnte.
Warum weigern Sie sich, auf Hochschulebene etwas zu tun, was im Bereich der Wirtschaft längst selbstverständlich ist? Hilfestellung bei Kontaktpflege und Präsenz im In- und Ausland. Haben Sie bei den Hochschulen einmal nachgefragt, ob die eine solche Hilfestellung nicht auch gerne annehmen würden? Oder kann es sein, dass sie sich im Ausland zwar gerne von einer Eliteuniversität wie Aachen begleiten lassen, Ihr Interesse an „normalen Hochschulen“ sich aber in überschaubaren Grenzen hält?
Wie es anders gehen kann, haben wir in der kanadischen Provinz Saskatchewan erlebt. Obwohl die Hochschulen dort zu einem wesentlich geringeren Grad staatlich gefördert werden als bei uns, ist es dort sowohl für die Hochschulen als auch für die Regierung selbstverständlich, gemeinsam für den wissenschaftlichen und damit auch für den wirtschaftlichen Fortschritt des Landes zu arbeiten. Zielvorgaben werden dort nicht als Gängelei, sondern als selbstverständlicher Teil gesellschaftlicher Verantwortung begriffen.
Meine Damen und Herren von den Mehrheitsfraktionen, Sie haben unseren Antrag bereits im Ausschuss abgelehnt und Sie werden auch heute diesen Antrag ablehnen. Ich finde das im Sinne einer weiteren Internationalisierung unserer nordrhein-westfälischen Hochschullandschaft außerordentlich bedauerlich.
Man sagt ja im Allgemeinen: Reisen bildet. An Ihnen scheinen die Eindrücke und Anregungen unserer Informationsreise in die USA und nach Ka
nada leider spurlos vorübergegangen zu sein. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Letztendlich könnte sich die Reaktion auf Ihren Antrag, liebe Kollegen und Kolleginnen von CDU und FDP, auf zwei Sätze beschränken: Ja, die darin angesprochenen Probleme gibt es. Nein, dieser Antrag hat dennoch hier im Landtag nichts zu suchen.
Worum geht es? – Es geht zum einen um die Tatsache, dass Europäisches Parlament, Europäischer Rat und Europäische Kommission zusammen Jahr für Jahr mehr als eine halbe Milliarde € – man muss sich diese Zahl wirklich auf der Zunge zergehen lassen – für Übersetzungsleistungen ausgeben. Es geht weiterhin darum, dass aber selbst diese Summen anscheinend nicht ausreichen, um eine allseits befriedigende Übersetzungsleistung zu gewährleisten.
Der Europäische Rechnungshof hatte daher in einer Untersuchung Ende 2006 die Übersetzungsleistungen auf EU-Ebene unter den Kriterien Management, Quantität, Qualität und Kosten geprüft und in allen Bereichen Handlungsbedarf konstatiert.
Eine überwiegend kostenorientierte Betrachtungsweise von Übersetzungsleistungen hat vor allem bei der Europäischen Kommission dazu geführt, eine zunehmend restriktive und formalistische Übersetzungspraxis zu verfolgen. Anscheinend dringend erforderliche Maßnahmen im Bereich Management stehen dagegen noch aus.
Meine Damen und Herren, grundsätzlich ist Deutsch eine von 22 gleichberechtigten Amtssprachen in der EU. Allerdings wird ihrer besonderen Bedeutung schon dadurch Rechnung getragen, dass sie neben Englisch und Französisch zu den drei Arbeitssprachen gehört, in die alle Dokumente der Europäischen Kommission übersetzt werden müssen.
Über die bereits erwähnte restriktive Übersetzungspraxis der Europäischen Kommission, durch die nun aber immer mehr wichtige Dokumente zu Arbeitsdokumenten oder zu Anhängen herabgestuft werden, für die die vollständige Übersetzungsverpflichtung dann nicht gilt, gibt es nachhaltige Verärgerung auf Bundesebene, da viele beratungs- und entscheidungsrelevante Dokumente nicht mehr auf Deutsch vorgelegt werden. Der Deutsche Bundestag sieht dadurch seine Mitwirkungsrechte in EU-Angelegenheiten nachhaltig beeinträchtigt, und die Bundesregierung sieht das genauso.
Diese Verärgerung hat nun im Juni dieses Jahres zu einem fraktionsübergreifenden Antrag im Deutschen Bundestag geführt, in dem die Bundesregierung dazu aufgefordert wird, ihren Einfluss auf europäischer Ebene dahin gehend geltend zu machen, dass die Stellung der deutschen Sprache in Europa ihrer Bedeutung entsprechend berücksichtigt und – ganz konkret – die Übersetzung aller wichtigen Dokumente ins Deutsche sichergestellt wird. Darüber hinaus wird eine Überarbeitung des sogenannten Übersetzungsregimes gefordert, in dem die politische Bedeutung von Dokumenten in Zukunft stärker berücksichtigt werden soll. Soweit zum sachlichen Hintergrund.
Für das Tätigwerden der Bundesregierung gibt es also ganz konkrete Anlässe und Gründe, die durchaus nachvollziehbar sind.
Die Gründe, die Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, veranlasst haben, heute hier im Landtag diesen Antrag vorzulegen, erschließen sich einem dagegen überhaupt nicht. Um es noch einmal klarzustellen: Wir, das Landesparlament, sollen also die Landesregierung auffordern, ihrerseits die Bundesregierung aufzufordern, auf einem Feld tätig zu werden, das die schon aus ureigenstem Interesse heraus längst ausreichend und intensiv bestellt. Ihre Parteifreunde in Berlin wirken dabei doch mit. Das müssten Sie doch wissen. So wirkt der Antrag eigentlich etwas peinlich. Aber wer kraftvoll offene Türen einrennt, fällt eben auch schnell mal auf die Nase.
Sich an Anträge und Beschlüsse der Bundesebene anzuhängen, die darüber hinaus dort überhaupt nicht strittig sind, ersetzt mit Sicherheit nicht eigenes europapolitisches Profil. Und da ist die schwarz-gelbe Landesregierung bisher auffallend blass geblieben.
Ja, sicher.
Das habe ich nicht gesagt. Aber ich halte es für überflüssig, ein Thema, das ausführlich von der Bundesebene, die einen größeren Einfluss auf die EU-Ebene hat, bearbeitet wird, auch hier zu behandeln, ohne dass eine eigene Substanz dahintersteht.
Gerne.
Ich habe dazu bereits in meiner Rede ausgeführt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht um eine willkürliche, bösartige Unterdrückung der deutschen Sprache geht, sondern dass Grund für diese restriktive Übersetzungspraxis gerade bei der Europäischen Kommission ein Finanzproblem ist.
Nicht umsonst ist dieser Antrag im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen aller anderen im Bundestag vertretenen Fraktionen beschlossen worden.
Ich komme zu meiner Rede zurück. Vielleicht möchten Sie auch dem neuen Europaminister mit diesem Antrag einen starken Auftakt ermöglichen. Ich fürchte aber, mit einem Antrag diesen Niveaus erweisen Sie ihm einen Bärendienst.
Meine Damen und Herren, lassen wir die Vertretung der deutschen Sprache in Berlin. Sie ist da in guten Händen. Dennoch stimmen wir natürlich der Überweisung des Antrags in den Ausschuss zu.
Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung am Rande: Trotz des berechtigten Interesses, die deutsche Sprache angemessen berücksichtigt zu sehen – dazu stehen wir natürlich –: Realistischerweise, ob es uns gefällt oder nicht, werden wir akzeptieren müssen, dass die Weltsprache Englisch überall da, wo es um vielfältige und konkurrierende Sprachinteressen geht, auch in Europa immer eine besondere Rolle spielen wird. In Zukunft wird es nicht nur um deutsche, sondern auch um englische Sprachkompetenz gehen. – Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben seit Kurzem einen neuen Nobelpreisträger und eine neue Eliteuniversität in NordrheinWestfalen. Ich denke, wir alle haben uns darüber gefreut. Es zeigt sich, dass Nordrhein-Westfalen als Wissenschaftsstandort auch bei Spitzenleistungen konkurrenzfähig sein kann.
Um aber direkt Wasser in den Wein der EliteEuphorie zu gießen: Bei dem, was wir uns unsere Universitäten und Studierenden kosten lassen, sind wir meilenweit von der internationalen Konkurrenz entfernt. Spitzenausgaben für Spitzenleistungen in der Forschung können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der ganz normale Alltag an den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen alles andere als spitzenmäßig ist.
Überfüllte Hörsäle und Seminare und eine absolut unzureichende Professoren-Studenten-Relation werden dazu führen, dass selbst gute Durchschnittsleistungen bald die Ausnahme sein werden.
Es sind im Wesentlichen zwei Entwicklungen, die diese Situation verschärft haben und noch verschärfen werden: die Umsetzung des BolognaProzesses und die Entwicklung der Studierendenzahlen aufgrund geburtenstarker Jahrgänge in den nächsten Jahren. Auf beide Herausforderungen hat die schwarz-gelbe Landesregierung und haben Sie, Herr Minister Pinkwart, bis heute keine oder nur unzureichende Antworten gefunden.
Wir können heute feststellen, dass im Rahmen des Bologna-Prozesses die Umstellung auf konsekutive Studiengänge von den nordrheinwestfälischen Hochschulen weitgehend umgesetzt worden ist. Die Hochschulen haben also ihre Hausaufgaben gemacht. Es war bekannt, dass diese Studienreform eine deutlich verbesserte Professoren-Studenten-Relation erforderlich machen würde und dass diese nicht aus den vorhandenen personellen Ressourcen der Hochschulen umgesetzt werden kann. Passiert ist nichts.
Sie, Herr Minister Pinkwart, haben lediglich einen Teil Ihrer Verantwortung privatisiert, indem Sie Studiengebühren eingeführt haben und dabei auch noch billigend in Kauf genommen haben, dass die soziale Auslese unseres Bildungssystems noch verstärkt wird. Den anderen Teil Ihrer Verantwortung haben Sie auf die in die sogenannte Freiheit entlassenen Hochschulen abgeschoben. Die haben jetzt die Freiheit, mit den Problemen fertig zu werden, und die Freiheit, den Mangel zu verwalten. Die Hochschulen haben auch prompt auf diese Herausforderungen reagiert – mit einer drastischen Ausweitung von lokalen Zulassungsbeschränkungen.
Erst kürzlich hat eine OECD-Studie darauf hingewiesen, dass im internationalen Vergleich in Deutschland viel zu wenige junge Menschen nach dem Schulabschluss ein Studium aufnehmen.
Wir brauchen also nicht nur einen höheren Studienanfängeranteil an den Abiturjahrgängen, sondern wir werden uns in den kommenden Jahren auch steigender Nachfrage nach Studienplätzen durch geburtenstarke Jahrgänge gegenübersehen. Der prognostizierte Mehrbedarf beträgt mindestens 26.000 Studienplätze.
Die Anhörung zum Antrag „Zukunftschancen sichern – NRW braucht eine Offensive für mehr Studienplätze“ im Januar dieses Jahres hat eindrucksvoll verdeutlicht, welche finanziellen Anstrengungen erforderlich wären, um dieser Herausforderung angemessen zu begegnen. Auch hierzu bleibt die Landesregierung bisher überzeugende Konzepte schuldig. Die Kofinanzierung der Bundesmittel aus dem Sonderprogramm 2020 sowie Prämien für zusätzliche Studienplätze sind dafür bei Weitem nicht ausreichend und bieten im Rahmen eines befristeten Hochschulpaktes auch keine Planungssicherheit.
Sicherlich: Die Hochschulen werden das Geld nehmen. Sie werden einige zusätzliche Studienplätze anbieten oder wieder einrichten. Sie werden auch zusätzliche Lehrbeauftragte einstellen – allerdings mit befristeten Verträgen, denn für mehr reicht die befristete Planungssicherheit nicht, von baulichen Maßnahmen ganz zu schweigen. Die Hörsäle werden dann eben noch ein bisschen voller, und in Seminaren wird es noch ein bisschen enger. Das hat viel mit Durchwursteln, aber wenig mit Qualität zu tun.
Wir unterstützen daher grundsätzlich die Forderung nach verbesserten Lehr- und Lernbedingungen im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. Deswegen haben wir dem Antrag im Ausschuss auch zugestimmt.
In diesem Prozess gehören jedoch für uns Forschung und Lehre zusammen; wir wollen da keine Trennung. Es ist zwar richtig, dass wir in Nordrhein-Westfalen weniger ein Problem der Forschung als vielmehr ein Problem der Lehre haben. Das liegt aber daran, dass die Anreize für gute Forschung und gute Lehre sehr unterschiedlich sind, dass vor allem die ProfessorenStudenten-Relation in den meisten Fächern so miserabel ausfällt, dass gute Forschung und gute Lehre nahezu nicht zu vereinbaren sind. Das ist der Punkt, an dem man ansetzen muss, um in der Einheit von Forschung und Lehre gute Qualität zu erreichen. Spezielle Lehrbeauftragte sind dabei
für uns lediglich eine Billigvariante, die der Not, aber nicht der erforderlichen Qualität gehorcht.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, die Freude über wissenschaftliche Spitzenleistungen darf nicht den Blick darauf verstellen, dass es überlebenswichtig für eine Gesellschaft wie die unsrige ist, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass möglichst viele Menschen durch eine bestmögliche Ausbildung die Chance auf eine vermehrte gesellschaftliche Teilnahme erhalten. Wir brauchen daher keine Zugangsbeschränkungen an den Hochschulen, sondern die weitere Öffnung und eine Qualität der Lehre auf hohem Niveau.
Diesen Anspruch umzusetzen, sind die Hochschulen durchaus allein in der Lage. Die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen ist aber Aufgabe der Politik. Dafür bedarf es einer langfristigen Strategie. Dafür muss man dann auch wirklich Geld in die Hand nehmen. DFG und Hochschulrektoren sprechen sogar von 30 % Mehrbedarf. Beides ist die Landesregierung bisher schuldig geblieben. Deshalb werden wir der Beschlussempfehlung heute auch nicht zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Es ist in der Tat so – mein Vorredner hat das schon angesprochen –,
dass die Diskussion zu diesem Staatsvertrag in seltener Übereinstimmung und Einmütigkeit geführt worden ist. Ich möchte mich deshalb heute auch darauf beschränken, auf meine Ausführungen zu verweisen, die ich anlässlich der ersten Lesung zu diesem Thema gemacht habe. Ich habe dort ausführlich inhaltlich Stellung genommen.
Wir begrüßen diesen Staatsvertrag ausdrücklich, und wir begrüßen, dass durch ihn die jüdischen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen nicht nur eine größere Eigenständigkeit, sondern auch einen größeren Spielraum bei der Bewältigung ihrer wichtigen Aufgaben bekommen werden. Ich danke Ihnen.
Herr Minister, der Herr Staatssekretär hatte in einer dieser Dienstbesprechungen auch erwähnt, dass es mehrere Rechtsgutachten gebe, die das Kronthaler-Gutachten widerlegen oder dem widersprechen würden. Nach meinem Kenntnisstand warten die Hochschulen, die gerne diese Gutachten gehabt hätten, bis heute auf diese Gutachten. Können Sie etwas zum Inhalt dieser Gutachten sagen: wie sie sich vom Kronthaler-Gutachten unterscheiden und welche Varianten es gibt?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es vorweg zu sagen: Die SPDFraktion wird dem Gesetzentwurf zu dem Gesetz zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und den jüdischen Kultusgemeinden in Nordrhein-Westfalen zustimmen, selbst wenn er heute erst in erster Lesung beraten wird. Wir bewegen uns dabei in der Tradition unserer Zustimmung zu dem Grundvertrag aus dem Jahre 1992 und zu seinen Veränderungen in den Jahren 1997 und 2001. Auch die finanzielle Unterstützung der jüdischen Kultusgemeinden ist Teil der politischen Zusammenarbeit und der sonstigen vielfältigen kulturellen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Beziehungen, die seit vielen Jahren, ganz besonders seit der Zeit von Johannes Rau, das gute, vertrauensvolle Verhältnis zwischen NordrheinWestfalen und Israel prägen.
Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal daran erinnern, dass 1987 der Landtag als erstes Länderparlament die Deutsch-Israelische Parlamentarische Gesellschaft gründete und 1988 eine Resolution für die weitere Unterstützung von Israels Aufbauleistungen unterzeichnete.
So hatte auch der Staatsvertrag von 1992, über dessen Änderung wir heute in erster Lesung beraten, das Ziel, die jüdischen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen bei der Betreuung und Eingliederung ihrer besonders nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ständig wachsenden Zahl von Gemeindemitgliedern zu unterstützen. Es ist schon gesagt worden: Heute leben über 30.000 Juden in Nordrhein-Westfalen. Das ist fast ein Drittel aller in Deutschland lebenden Juden. Neue
Synagogen sind entstanden – auch ein Stück alltägliche Normalität.
Dennoch darf ich an dieser Stelle Bundespräsident Horst Köhler zitieren:
„Es gibt Worte, an denen scheiden sich die Geister, wenn sie auf das jüdische Leben in unserem Land bezogen werden – das Wort ‚Normalität’ zum Beispiel oder ‚Selbstverständlichkeit’.“
Dieses Zitat stammt aus einer Rede anlässlich der Eröffnung der neuen Synagoge in München, die auch als weiterer Schritt in Richtung Normalität gefeiert wurde. Aber 1.500 Polizisten waren aufgeboten worden, um den Festakt, an dem 250 Gäste teilnahmen, zu sichern. Auch das eine normale Vorsichtsmaßnahme – war doch ein geplanter Anschlag anlässlich der Grundsteinlegung vor drei Jahren gerade noch rechtzeitig verhindert worden.
Der gestiegene Finanzbedarf der jüdischen Gemeinden, dem der vorliegende Gesetzentwurf mit zusätzlichen 2 Millionen € Rechnung trägt, ist mitnichten nur der steigenden Anzahl von Gemeindemitgliedern geschuldet, sondern vor allem auch den zunehmenden Kosten für Sicherheitsmaßnahmen, die die jüdischen Gemeinden demnächst selbst aus diesem Budget zu finanzieren haben.
Meine Damen und Herren, erst letztes Wochenende hat die NPD provozierend selbstbewusst in Berlin – in „ihrer Reichshauptstadt“ – getagt. Seitdem überschlagen sich wieder die Überlegungen, auf welchem Wege man doch noch ein Verbot dieser Partei erreichen könne. Egal zu welchen Ergebnissen diese Überlegungen gelangen, eines ist klar: Gesinnung lässt sich weder verordnen noch verbieten. Die jüngste Studie der FriedrichEbert-Stiftung zum Thema Rechtsradikalismus macht erschreckend deutlich, dass gerade eine rechtsextreme Gesinnung weit über rechtsextremistisch identifizierbare Parteien und Bewegungen hinaus in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen ist – in Ostdeutschland besonders, aber nicht nur dort.
Tiefgreifende soziale Umbrüche, zunehmender Vertrauensverlust in demokratische Institutionen und Partizipationsdefizite sind nur einige, aber entscheidende Ursachen dafür. So können wir uns auch in Nordrhein-Westfalen nicht mit dem Hinweis darauf beruhigt zurücklehnen, dass rechtsextremistische Parteien bei uns meilenweit von der parlamentarischen Beteiligung entfernt sind. Grundlagen für rechtsextremes Gedankengut gibt es auch hier. Die Tendenz rechtsextremistisch motivierter Straftaten ist steigend.
Meine Damen und Herren, im Jahre 2003 haben alle Fraktionen des Landtags einen gemeinsamen Entschließungsantrag verabschiedet – „Jüdisches Leben in Nordrhein-Westfalen – Mehr Wissen, mehr Vertrauen“ –, in dem sie sich verpflichtet haben, dem jüdischen Leben in NordrheinWestfalen wieder zur Normalität zu verhelfen. Die, wie ich finde, beeindruckende Diskussion, die damals stattgefunden hat, muss weitergeführt sowie Erreichtes und Nichterreichtes daraufhin überprüft werden, was zu verbessern ist.
Ich bin überzeugt davon, dass die Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf wiederum in großer Einmütigkeit der Parteien erfolgen wird, und ich wünsche mir das ebenso bei zukünftigen Diskussionen über Rechtsextremismus und die Sicherung jüdischen Lebens in NordrheinWestfalen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir haben unserem Antrag zur Beibehaltung der ZVS den Satz vorangestellt: „Jetzt erst recht!“ Das bedarf einer gewissen Erläuterung.
Zu den vielen guten Argumenten, die schon bisher für die Beibehaltung der ZVS gesprochen haben, ist ein weiteres sehr gutes hinzugekommen: Die Hochschulen wollen sie selber. Genauer: Sie fordern eine bundesweite zentrale Servicestelle, die alle Studienplatzbewerbungen registriert und verwaltet. Für uns heißt es deshalb jetzt erst recht, unser erklärtes Ziel, die ZVS zu erhalten und neuen Anforderungen entsprechend zu reformieren, nicht nur beizubehalten, sondern heute noch einmal zu bekräftigen.
Wir haben Ende September unsere Zustimmung zum Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen gegeben – aus voller Überzeugung. Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen von CDU und FDP, haben diesem Vertrag ebenfalls zugestimmt, allerdings sofort danach erklärt, dass er
für Sie nur eine Übergangssituation, sozusagen ein notwendiges Übel darstellt, das bis 2008 mit der völligen Freiheit der Hochschulen bei der Auswahl ihrer Studenten beendet werden soll.
Mir drängt sich jedoch zunehmend der Verdacht auf, dass die Hochschulen die Freiheit, die Sie meinen, gar nicht haben wollen – und zwar aus guten Gründen.
Die Hochschulen sind schon jetzt mit der Freiheit der Bewerberauswahl in den Numerus-claususFächern personell und organisatorisch überfordert. Das hat die Anhörung im letzten November ganz klar ergeben. Sie nutzen daher ihre Möglichkeiten zur Selbstauswahl noch nicht einmal zu 30 %.
Die Hochschulen haben darüber hinaus aufgrund der steigenden Anzahl von Doppelbewerbungen einen enormen finanziellen und personellen Aufwand. Die dadurch erforderlichen zeitaufwendigen Nachrückverfahren binden Ressourcen, die dann an anderer Stelle fehlen.
Die Hochschulkanzler haben deswegen auf ihrer Tagung am 28. September die Einrichtung einer bundesweiten zentralen Verwaltungsstelle für alle Hochschulbewerber gefordert. Wir wollen und wir werden die Hochschulen bei diesem Anliegen unterstützen. Was liegt da näher, als ein bereits bundesweit arbeitendes, gut funktionierendes System so weiterzuentwickeln, dass es den Serviceanforderungen der Hochschulen entsprechen kann?
Die Vorteile einer demgemäß reformierten ZVS für die Hochschulen sind evident: Entlastungen von administrativem Aufwand unter Beibehaltung der Freiheit, eigene standortspezifische Zulassungskriterien zu definieren. Dass ein solcher Service für die Hochschulen nicht kostenneutral sein wird, ist diesen bewusst und wird auch akzeptiert. Wir gehen jedenfalls davon aus, dass die Grundfinanzierung der ZVS aus öffentlichen Mitteln zu erfolgen hat und dass die gerade erst im Staatsvertrag beschlossene Rechtslage Bestand hat.
Es ist so, dass die Hochschulen selbst erkannt haben, dass eine Veränderung der Rechtsform der ZVS keine substanziellen Veränderungen zugunsten der Hochschulen hervorbringen würde. In der Anhörung am 3. November letzten Jahres wurde geäußert, dass eine hoheitliche Beleihung hin zu einer einzelnen Hochschule oder einer privatrechtlichen Institution eigentlich nur den Ort des administrativen Aufwands ändern würde, aber zum Beispiel auch den Ort der Gerichtsfolgen. Das Bedürfnis der Hochschulen, dann auch mit
rechtlichen Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Studienplatzvergabe belastet zu werden, halte sich jedoch in engen Grenzen.
Davon einmal ganz abgesehen: Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass in erster Linie der Staat die Verantwortung dafür trägt, dass nicht nur ausreichend Ausbildungsangebote an den Hochschulen für junge Menschen zur Verfügung gestellt und dass die Kapazitäten dort voll ausgeschöpft werden, sondern dass auch der Zugang zu ihnen so gerecht wie möglich erfolgt. Das setzt auch voraus, dass das Abitur seinen Wert als Nachweis der Studierfähigkeit behält.
Wir müssen die notwendigen Rahmenbedingungen dafür schaffen und sie auch auskömmlich finanzieren. Dass das gerade in den kommenden Jahren angesichts steigender Studentenzahlen keine leichte Aufgabe sein wird, ist uns allen bewusst. Auch deshalb brauchen wir eine ZVS.
Der Kollege Lienenkämper – er ist jetzt nicht mehr da – hat vorhin in einem anderen Zusammenhang gesagt: Keine Dummheit ist so groß, als dass sie sich durch Beharren nicht noch vergrößern ließe. Ich muss dem Kollegen Lienenkämper, obwohl er von der CDU ist, in diesem Fall Recht geben.
Ich möchte Sie daher ermuntern, meine Damen und Herren von CDU und FDP: Legen Sie endlich Ihre ideologischen Scheuklappen ab! Dann können Sie die Realitäten viel besser wahrnehmen. Drängen Sie den Hochschulen nicht weiter eine Freiheit auf, die diese so gar nicht wollen, sondern arbeiten Sie mit uns ganz pragmatisch daran, eine ZVS zu entwickeln, die den Hochschulen und den studierwilligen jungen Menschen auch wirklich hilft! – Danke.
Selbst wenn der Präsident meinen Vorredner, dafür, dass er nichts gesagt hat, gelobt hat, werde ich seinem Beispiel nicht folgen.
Ich muss Sie enttäuschen, aber diese wenigen Minuten werden Sie auch noch überstehen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ob nun die CDU/FDP
Koalition die Forderung nach lebenslangem Lernen beherzigt hat oder lediglich der Druck der anderen Bundesländer zu groß war, was ich, ehrlich gesagt, eher vermute, so ist zu sagen, dass das, was uns heute als Staatsvertrag zur Abstimmung vorliegt, mit dem, was bisher vehement beide Parteien als Haltung zur ZVS verfolgten, nichts mehr zu tun, entspricht dafür aber voll und ganz den Forderungen, die wir in unserem Antrag „Chancengleichheit muss Ziel bleiben“ gestellt hatten.
Man kann sich eigentlich nur verwundert die Augen reiben, wenn man den Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen liest und sich dabei zum einen an die ständigen Anträge und Anfragen, besonders der FDP, zur Abschaffung der ZVS in der letzten Wahlperiode erinnert, wenn man an den Koalitionsvertrag denkt, in dem ebenfalls eine Abschaffung der ZVS vereinbart ist, und nicht zuletzt wenn man an Statements von CDU und FDP denkt, die zum Teil nicht einmal ein Jahr zurückliegen.
Mit Erlaubnis darf ich zitieren:
„Es ist glasklar, dass dann ein System der regulierten Verteilung, wie es die ZVS darstellt, einfach nicht mehr notwendig ist. Wir brauchen Sie dann nicht mehr. Das ist eine ganz klare Aussage. Wenn wir in dem neuen System arbeiten – das streben wir an –, dann brauchen wir keine ZVS mehr, dann haben die Hochschulen die Freiheit.“
Das war ein Zitat von Dr. Brinkmeier. Herr Lindner hat ausgeführt:
„Wir brauchen keine Zentralstelle zur Vergabe von Studienplätzen...“
Minister Pinkwart schließlich kam in der Ausschusssitzung vom 8. Dezember 2005 zu der Einschätzung:
„Es werde nicht bei der bisherigen ZVS bleiben. … Darüber hinaus gehe es darum, diese Folgeeinrichtung als Servicestelle zu begreifen, die von den Hochschulen getragen werde. … Nach seinem Eindruck werde die Kultusministerkonferenz auch in diese Richtung votieren.“
Da hat sich der Minister offensichtlich geirrt. Denn der vorliegende Staatsvertrag bekräftigt die bisherige Stellung der ZVS, was Aufgaben und Rechtsstellung anbelangt,
und trägt damit unseren Forderungen Rechnung, dass nur die Beibehaltung der bestehenden Rechtsform einen fairen Wettbewerb bei der Aus
wahl der Studierenden durch die Hochschulen ermöglichen wird.
Wir brauchen mehr Studierende in Deutschland. Das hat auch die jüngste Pisa-Studie noch einmal bekräftigt. Wir werden sie aufgrund stärkerer Schulabgängerjahrgänge in den nächsten Jahren auch haben. Vor gerade einmal zwei Wochen haben wir an dieser Stelle darüber diskutiert. Zumindest darüber bestand Einigkeit: Eine weitere Öffnung der Hochschulen und eine noch stärkere Koordination des Zugangs werden die Folge sein. Dafür brauchen wir eine ZVS.
Das sehen auch die Hochschulen mehrheitlich so, wie die Anhörung zu diesem Thema gezeigt hat. Das gilt offensichtlich ebenfalls für die anderen Bundesländer.
Nun hat also auch die schwarz-gelbe Landesregierung den Staatsvertrag unterschrieben, egal, ob aus später Einsicht oder unter Druck. Willkommen in der Realität, liebe Kollegen und Kolleginnen von FDP und CDU!
Unser Antrag zur ZVS steht weiterhin zur Beratung im Ausschuss an. Es geht nicht nur um die Beibehaltung der ZVS, sondern auch um ihre mögliche Reformierung. Da sind wir durchaus offen. Auf diese Diskussion darf man jetzt gespannt sein.
Heute sind wir zunächst mit dem vorliegenden Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen sehr zufrieden und stimmen ihm deshalb zu. – Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vieles im vorliegenden Antrag von Bündnis 90/Die Grünen beschreibt die Situation, die im Laufe der nächsten Jahre bei Schulabgang,
Hochschulzugang und Arbeitsmarktsituation entstehen wird, völlig richtig. Da sind wir ganz an Ihrer Seite.
Die Entwicklung der Studierendenzahlen in den nächsten 15 Jahren wird eine Herausforderung sein, die NRW und seine Hochschulen vor gewaltige Aufgaben und Anstrengungen stellt. Auf die Dringlichkeit des Themas haben wir bereits im Mai in unserem Antrag zum Hochschulpakt hingewiesen.
Wir werden in den nächsten Jahren nicht nur einen deutlichen Anstieg der Studierendenzahlen erleben, wir brauchen ihn auch. Die jüngste OECD-Studie hat es noch einmal bekräftigt: Will Deutschland nicht den Anschluss im internationalen Wettbewerb verlieren, muss es seine Anstrengungen, den Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften zu decken, um ein Vielfaches verstärken.
Man wird viel Geld in die Hand nehmen müssen, auf jeden Fall viel mehr als bisher. Man wird Synergieeffekte herstellen, Effizienzreserven ausloten sowie organisatorische und personelle Veränderungen vornehmen müssen.
Vor allem auch der Staat wird gefordert sein. Denn wer glaubt, dass sich all diese Probleme lösen lassen, indem man die in die sogenannte Freiheit entlassenen Hochschulen nur einem ausreichenden Konkurrenzwettbewerb aussetzt, wie das die schwarz-gelbe Landesregierung schon fast gebetsmühlenhaft wiederholt, der täuscht sich selbst und, schlimmer noch: Er entzieht sich der Verantwortung, die dem Staat nach wie vor für die Bildungs- und Berufschancen seiner Bürger obliegt.
Die SPD-Fraktion hat deshalb bereits im Mai dieses Jahres in ihrem Antrag „Für einen ehrlichen Hochschulpakt“ an die Landesregierung die Frage gestellt, mit welchen Konzepten und Zielen für einen Hochschulpakt sie in die Verhandlungen mit dem Bund gehen wolle.
Wir haben in diesem Antrag auch deutlich gemacht, welche inhaltlichen Punkte wir im Rahmen dieser Verhandlungen für unverzichtbar halten und aufgezeigt, dass dazu ein zeitlich begrenztes Hochschulsonderprogramm zur Unterstützung des dringend erforderlichen Aus- und Aufbaus von Studienkapazitäten ebenso gehört wie die Qualitätssicherung von Forschung und Lehre und die Berücksichtigung der sozialen Situation der Studierenden.
Denn auch das haben die Ergebnisse der OECDStudie noch einmal bekräftigt: Wir brauchen eine Hochschulpolitik, die möglichst vielen Schulab
gängern Mut macht, ein Studium aufzunehmen, und die quantitativen und qualitativen Voraussetzungen schafft, ihnen das zu ermöglichen.
Die Bildungspolitik der Landesregierung führt jedoch genau in die entgegengesetzte Richtung. Durch ihre Schulpolitik zementiert sie den auch von der Kultusministerkonferenz jüngst noch kritisierten viel zu engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildung und verstärkt die mangelnde Durchlässigkeit im Bildungssystem, anstatt sie zu erleichtern.
Herr Lindner, Sie sind gleich noch dran. – In ihrer Hochschulpolitik forciert sie durch das sogenannte Hochschulfreiheitsgesetz den Weg in eine Zweiklassenhochschullandschaft. Das ist gewollt, und das sehen auch die Hochschullehrer so. Je nach Universitätsstandort hört man ganz unterschiedliche Einschätzungen.
Vorbild für diese zu erwartende Aufspaltung in der nordrhein-westfälischen Hochschullandschaft in Forschungs- und Ausbildungshochschulen sind die USA. Der Traum ist das Aufschließen zu den dortigen Eliteuniversitäten, deren Zahl allerdings gering ist. Obwohl eigentlich allen Beteiligten klar sein müsste, dass die dazu erforderlichen Mittel die Möglichkeiten in Deutschland und erst recht in Nordrhein-Westfalen bei Weitem übersteigen, ist man offensichtlich bereit, die bisher auch in der Breite gute Qualität der Hochschulen in NRW für diese Fiktion zu opfern.
Wenn man sich schon ständig an den Amerikanern orientiert – ich hätte empfohlen, eher auf die Kanadier zu blicken –, sollte man sich konsequenterweise die gesamte dortige Hochschullandschaft anschauen. Dann würde man feststellen, dass die Qualität einer durchschnittlichen Universität in Nordrhein-Westfalen häufig die einer durchschnittlichen amerikanischen Hochschule weit übertrifft. In solch einem hierarchischen System gibt es eben nur einige Gewinner, aber viele Verlierer.
Beim genauen Hinsehen würde man auch die starke soziale Selektion im Hochschulbereich erkennen. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass es unter der schwarz-gelben Hochschulpolitik hier bald genauso aussehen wird.
Der Einstieg mit Studiengebühren ist gemacht. Niemand wird ernsthaft behaupten wollen, dass das nicht erst der Anfang ist. Bisher liegt die festgeschriebene Obergrenze zwar noch bei 500 €, erste Modifizierungen dieser Bestimmung existieren aber bereits, zum Beispiel in Hessen.
Besonders sogenannte Eliteuniversitäten werden zukünftig Akzeptanz für höhere Gebühren erreichen können, da dort die Nachfrage größer sein wird als das Angebot.
Das Angebot an Studienplätzen zu verringern, ist schon jetzt das erklärte mittelfristige Ziel einiger Universitäten, die sich von einer deutlichen Reduzierung der Anzahl der Studierenden die Schärfung ihres Profils als Forschungsuniversität und damit mehr Chancen im Exzellenzwettbewerb versprechen.
Das ist der Hintergrund, vor dem wir demnächst im Fachausschuss über die absolut notwendige Kapazitätserweiterung im Hochschulbereich diskutieren werden. Wir möchten diese Debatte mit unserem Antrag zum Hochschulpakt verbinden.
Wir werden dann von der Landesregierung Antworten auf die Fragen erwarten, mit welchen Maßnahmen sie es für Nordrhein-Westfalen erreichen will, dass die notwendige Kapazitätserweiterung an den Hochschulen auch stattfindet, dieser Ausbau eine wirkliche Erweiterung ist und nicht nur eine Kompensation für bis dahin weggefallene Studienplätze und jeder Studierwillige entsprechend seiner Neigung und Begabung unabhängig von seiner sozialen Situation ein Studium aufnehmen kann.
Wie gesagt, die Diagnose ist gestellt, eine Therapieempfehlung von Minister Pinkwart steht noch aus, und über Risiken und Nebenwirkungen müssen wir zu gegebener Zeit diskutieren. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die erste Frage, die ich mir bei diesem Antrag gestellt habe, war die nach der plötzlichen Intention. Warum plötzlich? Hierbei fällt mir nämlich auf, dass die grüne Fraktion diesen Antrag in NRW vorbringt - und nicht zuerst die grüne Partei. Diese Vorgehensweise ist für mich etwas befremdlich, wenn man bedenkt, dass doch gerade diese Partei in ihrer Geschichte so gerne auf der strikten Aufgabentrennung bestanden hat. Ein Gesprächsangebot an die anderen Parteien hat hier bisher aber nicht stattgefunden. Insofern muss ich das Vorgehen in erster Linie rein taktisch auffassen.
Diese Strategie kann ich ein bisschen besser verstehen, wenn ich im Koalitionsvertrag nachlese. An dieser Stelle hat sich nämlich die FDP, wie bei so vielen Punkten, gegen die CDU durchsetzen können. Aber ist das tatsächlich auch klug? Denn das Resultat für die kleinen Parteien könnte in der Zukunft ein ganz anderes sein, als sich die kleinen Parteien das heute vorstellen.
Mir ist nämlich nicht bekannt, dass irgendjemand in Deutschland das Zweistimmenwahlsystem als eine absolute Errungenschaft zur Stärkung der Demokratie bezeichnet hätte. Ganz im Gegenteil: Die bei Wahlen mittlerweile üblichen Zweitstimmenkampagnen haben immer eher dazu geführt, dass kleinere Parteien als weniger eigenständig wahrgenommen wurden.
Zudem haben solche Kampagnen bei Wahlen bei den kleinen Parteien zu einer Personalfixierung auf den Spitzenkandidaten geführt.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Bustourneen von Herrn Westerwelle und Herrn Fischer. Eine solche Personalfixierung hat in den
letzten Jahren bei den kleinen Parteien aber nicht gerade zu einer programmatischen Stärkung beigetragen.
Das führt mich zu der zweiten Frage: Warum wollen die kleinen Parteien dann noch ein Wahlsystem ändern, das sich zudem in den letzten Jahrzehnten bewährt hat? Die Antwort ist ganz profan: Sie glauben zutiefst an den taktischen Wähler.
Mir hat noch niemand beweisen können, dass die kleinen Parteien in den Ländern, in denen ein Einstimmenwahlrecht praktiziert wird - das sind neben Nordrhein-Westfalen noch Baden-Württemberg, Bremen und das Saarland -, besser oder schlechter als in Ländern mit Zweistimmenwahlrecht abgeschnitten haben. Insofern kann ich Sie beruhigen: Die SPD als große Volkspartei hat hier, wie sicherlich auch die CDU, alles andere als Angst vor Stimmenverlusten.
Meine dritte Frage besteht darin, wie sich die Einführung der Zweitstimme tatsächlich auf die Wahlbeeinflussung durch die Kandidatinnen und Kandidaten auswirkt. Diese Frage scheint mir wissenschaftlich zu wenig geklärt, um vorschnell eine Entscheidung treffen zu können. Deswegen müssen wir diese Frage im Rahmen der Ausschussberatung gründlich klären, bevor wir gemeinsam zu einer abschließenden Entscheidung kommen.
Wenn wir also als Parlament die Einführung der Zweitstimme verfolgen wollen, dann müssen wir vorab diese Punkte klären. Eine Beratung muss unter Beteiligung der Parteien stattfinden. Es müssen die Vorteile eines Zweistimmenwahlsystems für das demokratische System untersucht und dargelegt werden, bevor wir ein System ändern, das sich historisch bewährt hat. Darüber hinaus muss die Wahlbeeinflussung durch die Kandidatinnen und Kandidaten wissenschaftlich geklärt werden.
Ich freue mich auf die Beratungen und Ausführungen im Ausschuss und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Mit der im Juni 1999 in Bologna durch die Bildungsminister aus 29 europäischen Staaten unterzeichneten Erklärung zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums wurde das Ziel vereinbart, bis 2010 eine europaweite, flächendeckend einheitliche Studiengangstruktur mit konsekutiven Studiengängen und gestuften Bachelor- und Master-Abschlüssen an allen Hochschulen einzurichten.
Hinter dieser Erklärung stand der Wille, die interuniversitäre und internationale Mobilität der Studierenden, Forschenden und Lehrenden zu stärken und damit die europäische Wettbewerbsfähigkeit sowohl im globalen Bildungsraum als auch im globalen Wirtschaftsraum zu intensivieren.
Der Bologna-Prozess ist keine isolierte Initiative der europäischen Länder zur Umgestaltung des europäischen Bildungsraums, sondern die institutionellen Reformen dienen auch dem erklärten Ziel einer effizienteren Gestaltung des europäischen Arbeitsmarktes. So ist auch auf dem europäischen Konzil in Lissabon im Jahr 2000 der Zusammenhang von Arbeitsmarktproblematik und Bildung stärker betont worden, als es bis dahin der Fall war.
Allen Beteiligten ist klar, dass ein solcher Prozess nur unter der Voraussetzung der Transparenz, des Wettbewerbs und der Vergleichbarkeit erfolgreich sein wird, das heißt: europaweite Anerkennung von Leistungsnachweisen und Prüfungen durch ein einheitliches Leistungspunktesystem sowie die Einrichtung von zwei akademischen Abschlüssen - dem Bachelor nach mindestens dreijährigem Studium sowie dem Master nach weiteren zwei Jahren.
Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen liegt, wie wir alle wissen, im Herzen Europas. Durch die außerordentlich zahlreichen und intensiven Beziehungen zu allen europäischen Staaten
ist unser Land in ganz besonderer Weise in den europäischen Einigungsprozess einbezogen.
Die SPD-geführte Landesregierung hat seinerzeit daher unverzüglich auf die Bologna-Erklärung reagiert und mit der Verabschiedung des Hochschulreform-Weiterbildungsgesetzes den Hochschulen den Auftrag erteilt, ihr gesamtes Angebot an Hochschulabschlüssen bis zum Wintersemester 2007/2008 auf Bachelor und Master umzustellen.
Meine Damen und Herren, der Erfolg kann sich sehen lassen. Wir können heute feststellen, dass bisher kein Bundesland den Bologna-Prozess so konsequent und erfolgreich umgesetzt hat wie Nordrhein-Westfalen.