Herr Kutschaty, Sie müssen zur Kenntnis nehmen: Die nordrhein-westfälische Polizei – und gerade die Polizeibeamten in den Hundertschaften und ihre jeweiligen Hundertschaftsführer und Abteilungsführer – werden bei solchen großen Demos bundesweit angefragt. Ich nenne hier ausdrücklich die Bereitschaftspolizei in Brühl mit Abteilungsführer Tom Sanders. Das ist ein Markenzeichen bei den sogenannten Links-Rechts-Demos. Frau Düker nickt. Sie wird das bestätigen; sie kennt sich da ja auch aus.
Fazit: Es gibt gar keinen Raum für eine Gesetzesinitiative. Die Regelungen reichen aus. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Als nächste Rednerin hat nun Frau Kollegin Düker für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kutschaty, Ihr Antrag enthält drei Forderungspunkte. Im ersten Punkt wollen Sie ein modernes Versammlungsrecht. „Modern“ ist immer gut; dagegen kann keiner etwas haben. Das bedeutet aber nicht gleich viel Substanz, worum es denn nun gehen soll.
Im Punkt 2 geht es um die einheitliche Ausgestaltung der Versammlungsgesetze der Länder. Das ist auch immer gut. Es kann nicht sein, dass in Bayern anders demonstriert werden darf als in Schleswig-Holstein.
Den dritten Punkt finde ich wirklich etwas problematisch. Herr Lohn hat ihn zu Recht kritisch kommentiert, wie ich finde. Da muss ich Ihnen, Herr Lohn, ausnahmsweise recht geben, was ausnahmsweise alle paar Jahre einmal passiert. Ich zitiere aus dem Antrag:
„… den Versammlungsbehörden ein geeignetes Versammlungsgesetz an die Hand zu geben und insbesondere“
Herr Kutschaty, leider haben Sie in der Rede das Gegenteil von dem, was Sie im Antrag schreiben, begründet. Wenn es Ihnen darum geht, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, die ein sehr liberales Versammlungsrecht bestätigt, stärken zu wollen, dann können Sie nicht gleichzeitig die Forderung erheben – darauf läuft es ja hinaus –, eine Ausweitung von Versammlungsverboten auszusprechen, und dies dann auch noch nach Gesinnung. Das passt für
Die Rechtsprechung – darauf haben alle Redner hingewiesen – ist für mich hier eindeutig und klar. Es geht um kommunikative Grundrechte für demokratische Willens- und Meinungsbildung. Diesem Gut hat das Bundesverfassungsgericht immer wieder einen sehr hohen Stellenwert eingeräumt.
Wir erinnern uns: Es gab in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren zahlreiche Versuche örtlicher Behörden, Aufzüge von Neonazis zu verbieten. Aus der örtlichen Situation ist es, wenn man den dritten oder vierten Aufmarsch im Jahr gehabt hat, durchaus nachvollziehbar, dass ein Polizeipräsident dann gesagt hat: So, jetzt wird er verboten.
Aber all diese Verbote sind letztendlich einen Tag vorher, wenn es bis zum BVG in Karlsruhe gegangen ist, aufgehoben worden. Das muss uns doch zu denken geben. Insofern können wir nicht gleichzeitig fordern, dass wir Versammlungsverbote in irgendeiner Form ausweiten wollen, wie es zum Beispiel der bayerische Ministerpräsident getan hat.
Es gibt also ein klares Bekenntnis zur Versammlungsfreiheit und dazu, dass die nicht rechts oder links ist, sondern dass sie an und für sich ein hohes Gut ist und geschützt werden muss. Dies sagt uns das Bundesverfassungsgericht. Von daher wissen wir eigentlich, wo es langgeht.
Herr Kutschaty, Sie sagen, viele Behördenleiter wissen nicht und keiner vor Ort weiß, wie es anzuwenden ist. Dabei haben wir, Herr Kutschaty, doch gerade in Nordrhein-Westfalen sehr viel Erfahrung mit der Rechtssprechung gehabt. Meinetwegen kann man das auch noch in ein Gesetz hineinschreiben; damit habe ich keine Schwierigkeiten. Aber eigentlich haben wir so viel Erfahrung damit, dass die Behörden eigentlich wissen müssten, um was es geht.
Von daher ist Ihr Antrag für mich in der Aussage widersprüchlich. Sie haben hier auch nicht vorgestellt, was Sie substanziell an neuen Regelungen in das Versammlungsrecht schreiben wollen. Das ist mir auch nicht ganz klar gewesen.
Weil es in Ihrem Antrag die Tendenz gibt, hier sozusagen Instrumente zu fordern, um gegen rechtsextremistische Versammlungen besser vorgehen zu können, bleibt für mich nach wie vor eine Unsicherheit, in welche Richtung es gehen
Für die Grünen ist die Richtung klar: In dubio pro libertate – für ein liberales Versammlungsrecht, auch wenn es dem einen oder anderen, manchmal auf dieser Seite, manchmal auf der anderen Seite des Saals, wehtut und schwer auszuhalten ist. Eine Demokratie muss aber auch Positionen und Meinungsäußerungen aushalten können, die einem zum Teil auch zuwider sind oder bei denen sich einem der Magen herumdreht.
Dies auszuhalten ist die Stärke einer Demokratie. Das Verbot ist aus meiner Sicht das falsche Mittel. Von daher halten wir das Versammlungsrecht, so wie es in Deutschland praktiziert und gelebt wird, für eine Errungenschaft unseres Rechtsstaates. Und die möchten wir auch gerne so erhalten.
Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Müller-Piepenkötter das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit der Föderalismusreform ist die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht und damit die Zuständigkeit für ein ganz wichtiges Rechtsgebiet auf die Länder übergangen. Wie in anderen Fällen – der Abgeordnete Lohn hat darauf hingewiesen – gilt das bisherige Bundesrecht als Landesrecht fort. Soweit durch den Antrag suggeriert werden soll, es bestünde dringender Gesetzgebungsbedarf, stimmt dies also nicht.
Diese Bewertung entspricht auch der Haltung der Mehrzahl der übrigen Länder, wie eine Länderumfrage im Frühjahr 2007 ergab. Nur Bayern und Baden-Württemberg wollen noch bis Jahresende Referentenentwürfe vorlegen. Die werden wir uns in Ruhe ansehen. Alle übrigen Länder befinden sich noch in der Prüfungsphase.
In dem Antrag wird angesprochen, dass es wichtig sei, auf eine einheitliche Ausgestaltung der Versammlungsgesetze der Länder hinzuwirken. Warum, frage ich. Durch die Föderalismusreform wird doch gerade der föderale Wettbewerb eröffnet. Er ermöglicht, dass die Länder unterschiedliche Regelungen zur Ausgestaltung des Versammlungsrechts treffen können. Bis auf Weite
Abschließend möchte ich zur Zielrichtung des Antrages und nach den Debatten in den Ausschüssen Folgendes bemerken: Die Versammlungsfreiheit ist als Grundrecht sowie durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt. Sie ist ein elementares Bürgerrecht. Daher muss jeder, der über Änderungen im Versammlungsrecht nachdenkt, vorurteilsfrei und kritisch prüfen, ob es notwendig ist, versammlungsrechtliche Normen zu schaffen, um bestimmte Versammlungen einzudämmen, zum Beispiel solche Versammlungen, auf denen extremes politisches Gedankengut, sei es rechts- oder linksextrem, verbreitet werden soll. Allerdings müssen diejenigen, die dieses Recht missbrauchen, sei es durch Gewaltanwendung, Volksverhetzung oder ähnliche Straftaten, in ihre Schranken verwiesen werden. Das beste Beispiel für Gebrauch und Missbrauch dieses Grundrechts war G8-Gipfel.
Das Bundesverfassungsgericht lässt wegen der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit nur im Ausnahmefall das Verbot einer Versammlung zu. In der Regel fordert es lediglich beschränkende Verfügungen und Auflagen, um die Versammlung dann durchführen zu lassen. Daher wird es nicht möglich sein, bei Beachtung dieser Rechtsprechung durch Landesrecht, Voraussetzungen für ein Versammlungsverbot beziehungsweise für ein rigideres Vorgehen gegen extremistische Versammlungen zu schaffen.
Für Bundesrecht wie für künftiges Landesrecht gilt: Das Versammlungsrecht kommt ohne abstrakt generelle Regelungen nicht aus. Die zuständigen Behörden müssten auch zukünftig unbestimmte Rechtsbegriffe auslegen. Das Praxisproblem, dass Verwaltungsgerichte bei versammlungsrechtlichen Entscheidungen die Gefahrenprognose einer Versammlungsbehörde nicht mittragen, kann damit auch durch ein neues Gesetz nicht gelöst werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht vor. Wir sind am Schluss der Beratung und kommen zur Abstimmung.
Der Innenausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 14/5366, den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/4480 abzu
lehnen. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte, der möge bitte aufzeigen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der SPD und bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie Nichtanwesenheit des Kollegen Sagel angenommen und der Antrag abgelehnt.
Zur Einbringung des Gesetzentwurfes erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Wittke das Wort. Bitte schön, Herr Minister.