Protocol of the Session on November 15, 2007

(Unruhe)

Herr Minister, ich darf Sie ganz kurz unterbrechen. – Ich möchte auf eine Sache hinweisen. Das Betreten und Verlassen des Raumes geht üblicherweise auch etwas leiser. Für den Redner und auch für uns im Präsidium ist es sehr schwierig, der Debatte zu folgen. Wenn vom Kollegen Jäger auf geografische Besonderheiten hingewiesen wird, dann mag das mit einem Blick in die Runde jedem selbst eine Erkenntnis geben.

Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Aus dem Jahresüberschuss der Wohnungsbauförderungsanstalt sollen im Haushaltsjahr 2008 insgesamt 82 Millionen € sowie in den Haushaltsjahren 2009 bis 2011 jeweils 60 Millionen € an den Landeshaushalt abgeführt werden. Die Einnahme von 82 Millionen € ist im Entwurf des Landeshaushaltes 2008 im Einzelplan des Ministeriums für Bauen und Verkehr, Kapitel 14 500, Titel 121 00, etatisiert. In dem Betrag sind 22 Millionen € enthalten, die im Haushaltsjahr 2008 gemäß § 18 Abs. 3 Wohnungsbauförderungsgesetz aus dem Jahresüberschuss der Wfa für Zwecke des Grundstücksfonds Nordrhein-Westfalen an

den Landeshaushalt abgeführt werden. Korrespondierend hierzu sieht der Entwurf des Landeshaushaltes 2008 eine Erhöhung des Ausgabeansatzes des Grundstücksfonds Nordrhein-Westfalen um 22 Millionen € vor.

Außerdem wurde im Haushaltsentwurf der Ansatz der Städtebauförderung um 9,5 Millionen € heraufgesetzt. Da in diesem Bereich zugleich eine Einsparung in Höhe von 30,5 Millionen € realisiert wird, bedeutet die Abführung aus dem Jahresüberschuss der Wfa somit insgesamt eine Mittelverstärkung in Höhe von 40 Millionen € für die Städtebauförderung im Einzelplan des Ministeriums für Bauen und Verkehr. In Höhe von 20 Millionen € dienen die Einnahmen aus dem Überschuss der Wfa der Entlastung des Gesamthaushaltes.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Verwendung des Jahresüberschusses setzt eine entsprechende Rechtsgrundlage im Wohnungsbauförderungsgesetz voraus. Diese Rechtsgrundlage soll mit dem Entwurf des Fünften Gesetzes zur Änderung des Wohnungsbauförderungsgesetzes geschaffen werden. Die Wfa leistet gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 Wohnungsbauförderungsgesetz aus ihrem Jahresüberschuss vorrangig den Zinsdienst für die in Anspruch genommenen Bundesfinanzhilfen für den Wohnungsbau. Die Abführung an den Landeshaushalt erfolgt aus dem nach Abzug des Zinsdienstes verbleibenden Jahresüberschuss grundsätzlich nach Abschluss des Geschäftsjahres. Soweit der nach Abschluss des Geschäftsjahres verbleibende Jahresüberschuss jedoch nicht ausreicht, den Finanzbedarf insgesamt zu decken, kann die Abführung in Höhe des Differenzbetrages aus dem nach dem Wirtschaftsplan für das laufende Geschäftsjahr erwarteten Jahresüberschuss unterjährig als sogenannte Vorabausschüttung erfolgen.

Die Inanspruchnahme der Wfa-Jahresüberschüsse ist grundsätzlich darstellbar, ohne dass die Funktion des Vermögens als haftendes Eigenkapital der NRW.BANK nach dem Kreditwesengesetz unmittelbar gefährdet ist, da kein Eingriff in die Vermögenssubstanz an sich erfolgt.

Allerdings darf die in § 16 Abs. 2 Wohnungsbauförderungsgesetz beschriebene Funktion des Wfa-Vermögens als Haftkapital der NRW.Bank auch nicht durch die vorgesehene Vorabausschüttung beeinträchtigt werden. Aus diesem Grund ist eine Rückzahlungsverpflichtung des Landes vorgesehen, sofern bei unterjähriger Abführung aus dem erwarteten Jahresüberschuss des laufenden Geschäftsjahres der tatsächliche Jahresüber

schuss nach Abschluss des Geschäftsjahres nicht ausreicht, die Entnahmen zu decken.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, durch die Inanspruchnahme des Jahresüberschusses der Wfa vermindert sich das für die Finanzierung der Wohnraumförderungsprogramme 2008 bis 2011 zur Verfügung stehende Mittelvolumen entsprechend. Dem wird bei der Aufstellung der Förderprogramme 2008 ff. Rechnung getragen.

Abgesehen von der Inanspruchnahme des Jahresüberschusses der Wfa sieht der Gesetzentwurf vor, die Regelung zur Rückflussbindung nach § 17 Abs. 2 Wohnungsbauförderungsgesetz zu ändern und begrifflich an die bundesgesetzliche Zweckbindung der Kompensationszahlungen aus dem Bundeshaushalt nach dem Entflechtungsgesetz anzupassen. Ich bitte Sie, diesen Gesetzentwurf zu beraten und zu überweisen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist Frau Ruff-Händelkes von der SPDFraktion, bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Minister hat gerade einiges gesagt. Was er aber nicht gesagt hat, ist, dass der von der Landesregierung eingebrachte Entwurf der fünften Änderung des Wohnungsbauförderungsgesetzes der vorläufige Höhepunkt einer Kette von Eingriffen der letzten Jahre ist, mit denen die Wohnraumförderung und damit, meine Damen und Herren, das ganz zentrale Gestaltungsinstrument, nämlich die Wfa, geschwächt worden ist und in Zukunft weiter geschwächt werden soll.

(Beifall von der SPD)

Herr Minister, Sie haben uns eben viele Paragrafen und Zahlen genannt. Das ist sicher wichtig. Aber Sie haben nicht unseren Eindruck verhindern können, dass Sie zu verantworten haben, dass entgegen Ihrer Behauptung, es gebe keinen Abbau beim sozialen Wohnungsbau, in den letzten Jahren das Wohnraumförderungsprogramm jedes Jahr gekürzt worden ist. So ist es von 980 Millionen € im Jahre 2005, dem letzten Jahr von Rot-Grün, jetzt auf 840 Millionen € im Haushaltsjahr 2008 zurückgegangen. Meine Damen und Herren, das ist eine Kürzung von 140 Millionen € innerhalb von drei Jahren. Das sind 14,2 %.

Und, was ganz wichtig ist, die Kürzungen folgen ganz alleine der Logik des Finanzministers. Ich denke, da werden wir gleich noch mehr erfahren. Aber, Herr Minister Wittke, wo bleibt denn Ihre Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau in NRW?

Bevor nach mir die immer wiederkehrenden Ausführungen der Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen kommen: „Wir haben doch jetzt schon so viel Leerstand, wir müssen den Rückbau von Wohnsiedlungen vorantreiben“, sage ich: Meine Damen und Herren, wo Abriss stattfindet, trifft es den erschwinglichen Wohnraum und damit genau die Menschen, die Hilfe nötig haben und sich nicht am freien Wohnungsmarkt orientieren können.

Der Ministerpräsident – das müsste doch gerade Sie interessieren – hat gestern in seiner langen Rede den Schwerpunkt darauf gesetzt, dem demografischen Wandel gerecht zu werden. Ja, meine Güte, dann tun Sie das auch! Dann berücksichtigen Sie bitte den Anstieg der Haushalte und den dadurch immer stärker wachsenden Bedarf an Wohnungen, denn die Anzahl der SingleHaushalte steigt.

Jetzt denken Sie: Was haben wir denn mit Singles zu tun? Was haben Singles mit dem demografischen Wandel zu tun? Zu viele von Ihnen denken an junge Leute, an alleinlebende Menschen. Dass aber der Anteil der älteren alleinlebenden Menschen in hohem Maße kontinuierlich steigt, damit natürlich eine steigende Nachfrage auch nach preiswertem Wohnraum verbunden ist, das ist Ihnen immer noch nicht bewusst. Dies zu den Programmkürzungen des Haushalts.

Jetzt komme ich zur Wfa: Die eben genannten Kürzungen, meine Damen und Herren, waren immer das Spiegelbild von Eingriffen in den Jahresüberschuss der Wfa. Herr Minister, Sie sind eben leider viel zu wenig auf diesen Punkt eingegangen. Deswegen werde ich das jetzt nachholen.

Seit 2006 wird der Wfa jährlich und auf Dauer aus ihrem Jahresüberschuss auferlegt, die Zinszahlungen in Höhe von 25 Millionen € an den Bund zu leisten. Diese Lasten waren bisher alleine im Landeshaushalt abgebildet, führen aber jetzt doch zu einer entsprechenden Entlastung des Landeshaushaltes – das noch einmal zum Finanzminister.

Im Jahre 2007 kam die vierte Änderung des Wohnungsbauförderungsgesetzes hinzu mit der Finanzierungslast in den Jahren 2008 und 2007, jeweils 22 Millionen € für den Grundstücksfonds

NRW aus dem Jahresüberschuss der Wfa an den Landeshaushalt abzuführen.

Meine Damen und Herren, jetzt kommt die Krönung, dass mit dieser fünften Änderung der Wfa in 2008 82 Millionen € aus ihrem Jahresüberschuss genommen werden sollen. Zusammen mit den Zinslasten an den Bund – ich habe es eben gesagt – sind das 107 Millionen €, die im Jahre 2008 der Wfa abgezogen werden sollen, ohne jetzt überhaupt zu wissen, ob der Jahresüberschuss des Jahres 2007 dafür ausreicht.

Damit nicht genug. Jetzt gehen Sie, Herr Minister, mit der Gesetzesänderung so weit, dass sogar schon der Jahresüberschuss für das Geschäftsjahr 2008 verfrühstückt werden soll, obwohl erst im Frühjahr 2009 feststehen wird, ob der Jahresüberschuss der Wfa im Jahre 2008 ausreichen wird, um alle Ihre Begehrlichkeiten befriedigen zu können.

Meine Damen und Herren, das ist alles in allem ein höchst unseriöses Vorgehen.

(Beifall von der SPD)

Herr Minister, Sie stellen diese Eingriffe in die Wfa immer als temporäre, zeitlich begrenzte Maßnahmen dar. In Wahrheit wird die Vollabschöpfung der Wfa-Jahresüberschüsse zur Dauereinrichtung. Die Behauptung, das Vermögen werde nicht angetastet, sondern nur der Gewinn werde anders verwendet, ist ein Taschenspielertrick. Sie haben der Wfa erst 34 Millionen € entzogen, dann waren es 47 Millionen €, für 2008 107 Millionen €. Die Gesamtsumme, meine Damen und Herren, wird bis 2011 441 Millionen € betragen.

Es werden aber nicht nur die Fördermöglichkeiten der Wfa eingeschränkt. Viel verheerender ist, dass der dauerhafte Entzug von Ressourcen den Bedarf der Wfa an Fremdkapital erhöht. Dies wiederum erhöht den Zinsaufwand der Wfa und wird durch die gestiegenen Zinssätze weiter verschärft. Auch damit nehmen Sie eine schleichende Entwertung des Landeswohnungsbauvermögens billigend in Kauf.

Meine Damen und Herren, der einzige Ausweg wären Zinsanhebungen, die der Bauminister natürlich genehmigen müsste. Das hätte allerdings negative Auswirkungen auf dringend benötigte Investitionen der Wohnungsunternehmen im Bestand, um altersgerechte und energetisch vernünftige Wohnungen überhaupt anbieten zu können. Diese Investitionen würden unterbleiben, und dies hätte letztlich natürlich negative Auswirkungen auf die Mieter. Das ist kein guter Ausweg.

Noch einmal: Sie, Herr Minister Wittke, weichen wieder nur dem Druck Ihres Finanzministers. Sie nehmen die Wohnraumförderung als Geisel der Haushaltskonsolidierung, anstatt endlich mal eine vernünftige wohnungspolitische Bedarfsanalyse vorzulegen. Wo bleiben Ihre Aussagen darüber, wie viele Wohnungen wir in Nordrhein-Westfalen wirklich brauchen? Dies frage ich insbesondere mit Blick auf das preiswerte Segment für all diejenigen, die wie die LIDL-Kassiererin wirklich Probleme haben, sich mit ihren Einkommen eine vernünftige Wohnung leisten zu können.

Das gesamte Problem der Bestandsförderung wird von Ihnen nicht aktiv angegangen. Drei Viertel des Wohnungsbestandes sind vor 1980 gebaut worden. Auch diesen Bestand müssten wir markt- und zukunftsfähig erhalten.

Noch einmal zum demografischen Wandel: Fachleute, meine Damen und Herren – jetzt bitte ich gerade Sie von den Regierungsfraktionen, genau zuzuhören –, gehen davon aus, dass nach Ablauf der nächsten zehn Jahre ein Drittel aller Wohnungen mindestens barrierearm umgestaltet werden müssen, um den Anforderungen zu genügen. Alles in allem sind das gigantische Herausforderungen, für die zwar kein Geld im Hauhalt, aber ein Landeswohnungsbauvermögen zur Verfügung steht, das zielgerichtet auf diese Problemlagen im Land ausgerichtet sein sollte.

Was machen Sie? – Sie entziehen diesem Vermögen in den nächsten Jahren fast eine halbe Milliarde Euro. Sie fahren Programme zurück, anstatt sie umzubauen. Sie verlassen im Übrigen den jahrzehntelangen Schulterschluss zwischen allen Wohnungspolitikern. Liebe Regierungsfraktionen, bis 2005 war es unter Rot-Grün ein Tabu – ich glaube, ich habe Letztens etwas anderes gehört –, so etwas zu machen. Sie gehen hin und verfrühstücken das Geld der Wfa. Nicht einmal für Darlehen geben Sie es her. Nein, das Geld ist ein für allemal futsch. Es ist weg.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie zerstören die Grundlagen des revolvierenden Fonds. Es ist eine gute Idee, Darlehen herauszugeben und aus den Rückflüssen neue Darlehen zu ermöglichen. Es ist ein Armutszeugnis für diese Landesregierung, wenn sie nicht in der Lage ist, diesen Fonds dafür zu nutzen, die Versorgung der Bevölkerung mit nutzergerechtem, finanzierbarem und energetisch saniertem Wohnraum in Zukunft sicherzustellen.

Meine Damen und Herren, mit der SPD-Fraktion ist deshalb diese Vollabschöpfung des Jahresüberschusses der Wfa, wie im Gesetzentwurf ge

plant, nicht zu machen. Wohnraumförderung darf nicht als Steinbruch der Haushaltskonsolidierung der Landesregierung missbraucht werden. Das sollte im Rahmen einer geplanten – wie ich eben gehört habe – Sachverständigenanhörung noch einmal ganz kritisch hinterfragt werden. Ich vermute, dass dort ebenso wie in der Presse bestätigt wird: Herr Minister, Ihnen ist der soziale Wohnungsbau egal. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Kollege Sahnen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestern haben wir die eindrucksvolle Zwischenbilanz der Landesregierung durch den Ministerpräsidenten vorgetragen bekommen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Selbstbeweih- räucherung! – Horst Becker [GRÜNE]: Schemmer ist eingeschlafen! So beeindruckt war er! – Zurufe von der SPD)

Eine eindrucksvolle Leistungsbilanz wurde hier vorgetragen.

Zentrale Botschaft war, dass unser Land in den letzten zweieinhalb Jahren weiterentwickelt wurde und vor allem dass Nordrhein-Westfalen gut aufgestellt ist, um die Zukunftsaufgaben zu gestalten. Der Schlüssel hierfür ist eine solide und verantwortungsvolle Haushaltspolitik. Betrug die Neuverschuldung im Jahre 2005 noch – Herr Becker, hören Sie genau zu – 6,7 Milliarden €, so ist im Haushalt 2008 eine Nettoneuverschuldung von 1,77 Milliarden € zugrunde gelegt. Dies ist die niedrigste Rate seit mehr als 30 Jahren. Diese positive Entwicklung kommt unseren Kindern und Enkelkindern zugute.

Um diesen finanziellen Konsolidierungskurs weiter zu sichern, müssen alle Ministerien ihren Beitrag leisten – auch das Wohnungsbauministerium.

(Horst Becker [GRÜNE]: Steinbruchminister!)

Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Wohnungsbauförderungsgesetzes ist Bestandteil der Haushaltskonsolidierung. Deshalb ist eine teilweise – bewusst betone ich „teilweise“ – Inanspruchnahme des Zinsgewinns der Wfa in Höhe von 82 Millionen € vorgesehen. Von diesem Betrag werden 20 Millionen € zur allgemeinen Haushaltskonsolidierung in Anspruch genommen.

Der absolut größte Teil in Höhe von 62 Millionen € verbleibt in der Verfügungsgewalt des Ministeriums für Bauen und Verkehr. Nur dann, wenn auch wir unseren Beitrag zur finanziellen Konsolidierung leisten, wird mittelfristig die Infrastruktur unseres Landes mit den Schwerpunkten Wohnungsbau, Städtebau und Verkehr überhaupt gesichert werden können.