Protocol of the Session on November 14, 2007

Das hätte auch die SPD bei ihrem Hamburger Parteitagsbeschluss berücksichtigen müssen, wenn sie zuvor den Sachverhalt aufgeklärt hätte. Oder, verehrter Herr Kollege Römer, wollen Sie Ihre Politik sündhaft teurer Fernwärmeschienen ernsthaft fortsetzen, wenn die Zukunft erkennbar dezentralen Stromerzeugungstechnologien gehört?

Die Zukunft, meine Damen und Herren, sind Blockheizwerke von 10 kW bis 10 MW in Wohn- und Industriegebäuden, denn Raumwärme verschlingt derzeit 78 % des Energiebedarfs im Gebäudesektor. Allein in diesem Segment Raumwärme lässt sich einer McKinsey-Studie zufolge bis 2020 der Anteil der Stromproduktion aus KWK-Anlagen an der gesamten Stromerzeugung auf ca. 20 % steigern, und das zu vertretbaren CO2-Vermeidungskosten. Dieser Anteil lässt sich mit Sicherheit noch deutlich erhöhen, wenn wir den Kommunen das Recht einräumen, in ihren Neubaugebieten einen Anschluss- und Benutzungszwang für Nahwärme in örtlichen Satzungen festzusetzen.

Ich rege an, dass wir gemeinsam den Kommunen dieses Recht einräumen. Dafür brauchen wir keinen Bundesrat, das können wir selbst regeln. Ich halte das für ausgesprochen gut, denn eine weiter gehende Bundesratsinitiative, wie sie hier gefordert wird, macht zurzeit keinen Sinn, da das KWKGesetz auf Bundesebene ohnehin novelliert wird. Solange der Änderungsentwurf der Bundesregierung nicht vorliegt, wird es keine gemeinsame Stellungnahme der Bundesländer geben können. Das sollten Sie einstweilen zur Kenntnis nehmen und aus Gründen der Verfahrensökonomie Ihre guten Gedanken zur Kraft-Wärme-Kopplung aufsparen, bis ein diskussionsfähiger Entwurf der Bundesregierung vorliegt.

Weder der Antrag der Grünen noch der Entschließungsantrag der SPD sind für uns in dieser Form zustimmungsfähig. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Weisbrich. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Römer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Mit Ihrem heutigen Antrag zur KraftWärme-Kopplung und dem morgigen Antrag zum Tempolimit von 130 km/h greifen Sie – das ist völlig richtig – richtungweisende Beschlüsse auf, die der SPD-Bundesparteitag am 27. Oktober in Hamburg gefasst hat.

Unser Parteitagsbeschluss zur Kraft-WärmeKopplung ist ein wichtiger Bestandteil, Herr Kollege Priggen, eines umfassenden Beschlusses der SPD zur ökologischen Industrie- und Energiepolitik. Der Antrag der Grünen greift jedenfalls in diesem Zusammenhang gesehen viel zu kurz. Die Überschrift Kraft-Wärme-Kopplung soll doch den Eindruck erwecken, dass die Grünen für Kohlekraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung seien. Der Text ist dann allerdings wieder deutlich und entlarvend, wie es leider häufig bei den Grünen der Fall ist. Sie sagen ganz allgemein, wofür Sie sind, beschreiben dann aber konkret und ausführlich, wogegen Sie sind. Das ist auch der wahre Inhalt Ihres Antrags. Ihr Antrag dient ausschließlich dazu, den positiven Begriff Kraft-Wärme-Kopplung zu nutzen, um Ihre Ablehnung – wie Sie das gerade deutlich gemacht haben – sämtlicher aktueller Kraftwerksprojekte in Nordrhein-Westfalen zu begründen.

(Beifall von der SPD)

Mit dieser Ablehnung springen Sie, Herr Kollege Priggen – ich muss Ihnen das so deutlich sagen – , zu kurz. Dass unser richtungweisender Beschluss beim Bundesparteitag viel weiter geht, hätte sich beim vollständigen Lesen des gesamten Antrags auch Ihnen erschließen müssen. Im Gegensatz zu den Grünen ist es nicht unser Ziel, den Ersatz von alten Kraftwerken durch neue Kraftwerke zu verhindern; denn dem Klimaschutz würden wir damit einen Bärendienst erweisen.

(Beifall von der SPD)

Unserem Parteitagsbeschluss kann also nicht entnommen werden, dass die derzeit laufenden Kraftwerksprojekte in Nordrhein-Westfalen – Herr Kollege Weisbrich, da kann ich Sie beruhigen – mit den Klimaschutzzielen nicht vereinbar seien. Unserem Beschluss kann ebenfalls nicht entnommen werden, dass es sich bei Projekten wie in Krefeld nicht um Kraft-Wärme-Kopplung handeln würde. Mit unserem Entschließungsantrag stellen wir dies deshalb richtig.

Unser Hamburger Parteitagsbeschluss enthält im Zusammenhang mit der Kraft-Wärme-Kopplung

drei klare Bekenntnisse, die gemeinsam gesehen werden müssen: erstens das klare Bekenntnis zum weiteren Einsatz von Kohle in der Stromversorgung – da unterscheiden wir uns –, zweitens das klare Bekenntnis zu mehr Wettbewerb bei der Stromerzeugung in Deutschland und drittens das klare Bekenntnis zu einer noch stärkeren Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung. Dabei wissen wir, dass die Kraft-Wärme-Kopplung, Herr Kollege Priggen, theoretisch energetische Wirkungsgrade von bis zu 90 % ermöglicht. Kraft-WärmeKopplung – das ist unstreitig – ist der effizienteste Weg, Abwärme zu vermeiden und diese Wärme zu Heizzwecken zu nutzen.

(Reiner Priggen [GRÜNE]: Theoretisch!)

Derzeit werden – das beklagen wir gemeinsam – noch viel zu viele Wohnungen, Büros, Schulen und Universitäten mit wertvollem Öl und Gas beheizt, während gleichzeitig Wärme aus Kraftwerken nutzlos abgegeben werden muss. Das wollen und das müssen wir ändern. Für eine tatsächliche CO2-Einsparung müssen wir möglichst viele Wärmeverbraucher mit Kraftwerken in KraftWärme-Kopplung verbinden. Das geht aber nicht per Knopfdruck.

Dennoch: Die Ausgangsbedingungen in Nordrhein-Westfalen, um dieses zu erreichen, sind sehr gut. Wir haben in den 80er-Jahren die Weichen für den Ausbau der Fernwärme richtig gestellt. Besonders in Nordrhein-Westfalen besteht also deshalb die Chance, die Kraft-WärmeKopplung nach vorne zu bringen. Dazu sind die Nah- und die Fernwärmenetze verstärkt weiter auszubauen.

Eine entscheidende Rolle kommt dabei den Kommunen und den Stadtwerken zu. Ich bin einmal gespannt darauf, wie die Kolleginnen und Kollegen der CDU- und der FDP-Fraktion auf diese Vorgehensweise reagieren werden. Wir werden jedenfalls den Dialog mit den Kommunen und mit den Stadtwerken in diesem Zusammenhang führen.

Mit unserem Antrag setzen wir deshalb vier klare Zeichen.

Erstens. Wir unterstützen eine Änderung des KWK-Gesetzes im Sinne des Beschlusses des SPD-Bundesparteitags, und wir fordern die Landesregierung auf, über den Bundesrat entsprechend aktiv zu werden, um das auch mit zu unterstützen.

Zweitens. Wir begrüßen, dass die Bundesregierung im Meseberger Energie- und Klimaprogramm den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung auf 25 %

bis zum Jahre 2020 anstrebt und dass Investitionszuschüsse für den Ausbau der Nah- und der Fernwärme in das Umlageverfahren des KWKGesetzes aufgenommen werden sollen. Das wird der Kollege Weisbrich auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass das von der CDU-mitgeführten Bundesregierung auf den Weg gebracht wird.

Drittens. Wir fordern die Landesregierung auf, den Ausbau der Nah- und Fernwärmenetze aktiv zu unterstützen. Das geht durch eine Förderung der Analyse von Wärmepotenzialen und durch den Einsatz von Fern- und Nahwärme in Verwaltungsgebäuden, in Krankenhäusern, in Universitäten.

Viertens. Wir fordern die Landesregierung auf, einen umfassenden Bericht zu den Fernwärmepotenzialen und möglichen prioritären Projekten in Nordrhein-Westfalen vorzulegen. Das würde uns ja allen helfen, auf diesem Weg weiterzukommen.

Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. Er setzt die Impulse, damit wir unsere Spitzenstellung in Nordrhein-Westfalen bei der Kraft-Wärme-Kopplung, Herr Priggen, halten und auch weiter ausbauen können. Vielleicht können ja die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen über ihren Schatten springen und gemeinsam mit uns vorgehen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Brockes das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die relevanten Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Auskopplung von Wärme in fossilen Kraftwerken stellen, werden von den Grünen in bekannter Manier schlicht ignoriert, Herr Kollege Priggen.

Ist man gewillt, sich seriös mit einem verstärkten Ausbau von Kraft-Wärme-Kopplung auseinanderzusetzen, so muss zunächst einmal geklärt werden, ob erstens die potenziellen Wärmenachfrager aus der Industrie, dem verarbeitenden Gewerbe und den Haushalten überhaupt Fernwärme beziehen möchten und wie zweitens eine wettbewerbsfähige und gleichzeitig nicht marktverzerrende Wärmeversorgung gestaltet werden kann.

Meine Damen und Herren, den Grünen stellt sich diese Frage überhaupt nicht, da sie den Bürger generell für unmündig halten und auf die Souveränität der Konsumenten noch nie Rücksicht genommen haben. Stattdessen wollen sie einen An

schluss- und Benutzungszwang gesetzlich verankern.

CDU, SPD und FDP sollten hingegen berücksichtigen, dass wir in weiten Teilen NordrheinWestfalens über ein flächendeckendes Versorgungsnetz verfügen. Herr Kollege Römer, die SPD-Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen haben in der Vergangenheit den Aufbau dieses Netzes zu Recht von der Gaswirtschaft eingefordert und politisch unterstützt.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf zwei, wie ich meine, wesentliche Aspekte hinweisen.

Erstens. Ein paralleler Leitungsbau führt überall dort, wo er nicht freiwillig erfolgt, zu einer gigantischen Geldvernichtung. Bestehende Gasnetze würden durch eine erzwungene Abnahme von Fernwärme und dem daraus resultierenden Rückgang ihrer Auslastung massiv entwertet.

Zweitens. Der Aus- und Aufbau der Netzinfrastruktur für ausgekoppelte Wärme ist mit hohen Investitionskosten verbunden. Die notwendigen Investitionskosten, die der Wärmeversorgung zugerechnet werden müssen, verschlechtern allerdings die Wettbewerbsfähigkeit von Fernwärme gegenüber Konkurrenzenergien wie zum Beispiel leichtem Heizöl oder Erdgas. So entfallen bei der Fernwärmeversorgung rund 75 % der Gesamtkosten auf den Netzbereich.

Damit bin ich jetzt auch beim Entschließungsantrag der SPD und einem wesentlichen Grund dafür, dass wir Ihnen nicht folgen können.

Meine Damen und Herren, die SPD fordert, die immensen Kosten, die bei einem Ausbau der Nah- und Fernwärmenetze unweigerlich anfallen, über ein neues Umlageverfahren allen Stromverbrauchern in Rechnung zu stellen. Dies würde zwangsläufig den Staatsanteil an den Strompreisen weiter erhöhen und die Stromverbraucher noch mehr zusätzlich belasten. Dies lehnen wir ganz klar ab. Es geht nicht, Herr Kollege Römer und Herr Kollege Priggen, dass Sie sich mittwochs hier hinstellen und neue Steuern und Abgaben auf Strom und Wärme fordern und sich freitags über die hohen Energiekosten beklagen.

(Beifall von FDP und CDU)

Den Zorn der Verbraucher würde wieder einmal die Versorgungswirtschaft zu spüren bekommen, da die Netzbetreiber die erhöhten KWK-Abgaben an die Energieverbraucher weiterreichen müssten.

Dies sind sicherlich keine guten Voraussetzungen, wenn man es von politischer Seite ernst meint mit einem Energiepakt für Deutschland.

Wenn die Bundesregierung der Auffassung ist, dass sie bestimmte Technologien aus Klimaschutzgründen fördern muss, dann sollte sie endlich den Mut aufbringen, die erforderlichen Ausgaben transparent zu machen. Hierzu wäre es jedoch erforderlich, die Subventionen für erneuerbare Energien oder für den Ausbau der Wärmenetze in den allgemeinen Bundeshaushalt einzustellen und nicht über das Erneuerbare-EnergienGesetz und das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz den Stromverbrauchern aufzubürden.

Leider sieht die derzeitige Situation so aus, dass die Bundesregierung Beschlüsse fasst, aber nicht bereit ist, die Verantwortung für die finanziellen Folgen beim Bürger zu übernehmen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: In den Fällen, in denen die Voraussetzungen für eine Auskopplung der Wärme nicht gegeben sind, verschlechtert sich nicht nur der Wirkungsgrad von KWK-Anlagen, sondern auch ihre Wirtschaftlichkeit. Deshalb und wegen des von Ihnen durchgesetzten Ausstiegs aus der Kernenergie werden wir auch in absehbarer Zukunft nicht auf Kondensationskraftwerke verzichten können. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Der nächste Redner ist der fraktionslose Abgeordnete Sagel.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Linke und ich sind gegen den Neubau von Kohlekraftwerken.

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

Mittelfristig müssen wir aus der klimaschädlichen Kohleverstromung aussteigen. Braunkohle ist der größte Klimakiller. Knapp ein Drittel – rund 90 Millionen t CO2 – werden durch die vier Kohlegroßkraftwerke emittiert. Der schnellstmögliche Stopp des Braunkohleabbaus und die Stilllegung aller Braunkohlekraftwerke ist daher die vordringliche Aufgabe und somit umgehend zu realisieren.

Wir müssen aber auch vermeiden, neue klimaschädliche Kraftwerke zu planen und zu bauen. Letztlich helfen sie uns in der Klimakrise nicht weiter.

Wir müssen ganz entschieden auf erneuerbare Energien und Energieeinsparung setzen. Die bisherigen Anstrengungen der Landesregierung dazu sind aus meiner Sicht völlig unzureichend.

Was die Grünen allerdings mit diesem Antrag bezwecken, ist mir ähnlich wie dem Kollegen von der SPD sehr schleierhaft geblieben. Nach der Überschrift „Wenn fossile Kraftwerke, dann als KWK-Anlagen“ ist die grüne Fraktion jetzt offensichtlich für fossile Kraftwerke, wenn sie als KWKAnlagen gebaut werden. So müsste man das verstehen. Bisher habe ich die grüne Fraktion immer anders verstanden; deswegen ist das sehr irritierend.