Vielen Dank, Herr Unruhe. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Kollege Ellerbrock das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Unruhe, ich bin sicher, dass unser Minister unsere Interessen gut vertreten wird. Ich glaube, da können wir guten Mutes sein. Das Vertrauen zeigt sich ja auch darin, dass wir hier einen gemeinsamen Antrag hinbekommen haben. Ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg.
Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000 ist ein Instrument, das auf breiter Basis auch von der FDP begrüßt worden ist. Wir überwinden damit eine Kleinstaaterei und kommen zu großen Flussgebietseinheiten, die wir einheitlich bewerten und letztendlich auch hinsichtlich der Einleitungserlaubnisse und Einleitungsbedingungen gemeinsam steuern können. Das verlangt von allen Beteiligten natürlich viele Anstrengungen.
Die Politik hat mit der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie auch eine Menge Verantwortung übernommen. Ich darf einmal zitieren:
„Der Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung von Gewässern müssen stärker in andere politische Maßnahmen der Gemeinschaft integriert werden, so zum Beispiel in die Energiepolitik, die Verkehrspolitik, die Landwirtschaftspolitik, die Fischereipolitik, die Regionalpolitik und die Fremdenverkehrspolitik. Diese Richtlinie
soll die Grundlage für einen kontinuierlichen Dialog und für die Entwicklung von Strategien für eine stärkere politische Integration legen.“
Deshalb ist es ja nur folgerichtig gewesen, dass die verschiedenen Bundesländer untereinander eine Verwaltungsvereinbarung geschlossen haben, wie man dies verwaltungstechnisch behandelt.
Auf der anderen Seite darf man natürlich auch nicht verkennen: Wir agieren hier nicht in einem luftleeren Raum. Wir haben Vorbelastungen, wir leben in einer Industriegesellschaft, wir leben in einer Agrargesellschaft, und diese Rahmenbedingungen müssen wir natürlich auch beachten.
Die Existenz des Unternehmens Kali + Salz – wie Sie auch gesagt haben, Herr Kollege Unruhe, und Herr Kollege Ortgies – kann man ja nicht einfach übersehen. Das Unternehmen mit 6.000 Arbeitsplätzen, bedeutender regionaler Arbeitgeber, hat aber auch Rechtstitel. Das dürfen wir auch nicht verkennen, und das macht das alles nicht leichter.
Deswegen begrüße ich ausdrücklich, dass wir hier gemeinsam einen Antrag gefunden haben, der nicht besserwisserisch Verwaltungskollegen in Hessen Vorschriften macht, die wir aus Nordrhein-Westfalen aus einer gewissen Distanz heraus ganz anders treffen können als vor Ort. Deshalb ist das schon eine gute Sache.
„In Fällen, in denen sich menschliche Tätigkeiten oder die natürlichen Gegebenheiten auf einen Wasserkörper in einer Weise auswirken, die es unmöglich oder äußerst kostspielig erscheinen lässt, einen guten Zustand zu erreichen,“
„sind gegebenenfalls weniger strenge Umweltziele anhand geeigneter, eindeutiger und transparenter Kriterien festzulegen, wobei alle praktikablen Vorkehrungen getroffen werden müssen, um einer weiteren Verschlechterung des Gewässerzustandes vorzubeugen.“
In diesem Spannungsfeld zwischen ambitionierten Umweltschutzzielen und einer vernünftigen Wirtschafts- und Agrarpolitik bewegen wir uns. Damit wird, finde ich, in unserem gemeinsamen Antrag ganz vernünftig umgegangen.
Lassen Sie mich eindeutig sagen: Hinsichtlich dessen, was von der Sache her gesagt worden ist, kann ich nur auf den Kollegen Friedhelm Ort
gies verweisen, der das sehr umfassend dargestellt hat. Sie sind letztendlich in die gleiche Argumentation gegangen, sonst hätten wir ja auch nicht einen gemeinsamen Antrag zustande bekommen.
Wir unterstützen die Bemühungen unserer Kollegen im hessischen Landtag, im dortigen Umweltausschuss einen gemeinsamen Lösungsweg mit allen Beteiligten zu finden. Der auch von verschiedenen Initiativen gefundene Weg, an einem runden Tisch das Problem der Lösung zuzuführen, trifft auf breite Zustimmung. Ich kann meinem hessischen Kollegen, dem Herrn Heidel, als Vorsitzenden des Umweltausschusses einfach nur Dank sagen, dass er versucht, uns vernünftig mit einzubinden.
Meine Damen und Herren, dieser runde Tisch, lassen Sie mich das so deutlich sagen, ist eine vernünftige Sache. Wer die Anhörung in Hessen, in Kassel, mitverfolgt hat, kann nur sagen, dass das Unternehmen K + S dringend der Begleitung bedarf. Dringend!
Was dort dargestellt worden ist an Scheinalternativen, mit welcher Lässigkeit andere Faktoren hier Einfluss genommen haben, um letztendlich zu einem vorhersehbaren Ziel zu kommen, nämlich die Einleitungserlaubnis zu bekommen, das habe ich in Verhandlungen 1975 mit der Montanindustrie, mit dem Bergbau, hier in Nordrhein-Westfalen erlebt: Wir sind hier, wir haben Arbeitsplätze, wir haben Rechtstitel. Das läuft so, wie wir uns das vorstellen. – Das war ein Verhalten, was einem so großen Unternehmen einfach nicht würdig ist. Das waren Verhaltensweisen nicht aus dem letzten Jahrhundert, sondern aus dem vorletzten Jahrhundert.
Hier ist das Unternehmen in der Pflicht, den von der Bevölkerung, von Betroffenen, von Kommunen vorgebrachten Argumenten, auch hinsichtlich von Alternativen, und scheinen sie noch so fadenscheinig zu sein, ganz solide nachzugehen und nachzuweisen, warum Alternativen ausscheiden und letztendlich drei, vier konkrete Lösungen, die genehmigungsfähig sein können, möglich sind. Es gibt nicht nur eine Lösung, es gibt tausend andere, und das muss so ein Unternehmen auch anerkennen und dieses transparent nachweisen. Was da vom Unternehmen geleistet worden ist, war schlimm. Der runde Tisch ist der richtige Schritt in die richtige Richtung. Unser Antrag soll diese Funktion begleiten.
ist unserem Bundesland als Industrieland würdig. Ich finde es schön, dass wir eine gemeinsame Position gefunden haben. Dafür danke ich den Kolleginnen und Kollegen. – Danke schön.
Danke schön, Herr Ellerbrock. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Herr Kollege Remmel.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt wenige Debatten – die ich häufig auch mit Herrn Kollegen Ellerbrock bestreiten muss und darf –, bei denen ich als Redner nach Herrn Ellerbrock sagen würde, die Beschreibung der auf das Unternehmen bezogenen Zustände hätte ich nicht besser ausdrücken können.
Dafür bedanke ich mich ausdrücklich. Genauso war und ist es nämlich. Da tritt ein Unternehmen in einer herrschaftlichen Weise auf, wie ich sie lange nicht mehr wahrgenommen habe. Ich habe gedacht, auf Wirtschaftsseite hat man mittlerweile gelernt, sich auch auf Bürgeranfragen und auf Fragen der Politik einzustellen. Auch die Darstellungsweise war völlig unterirdisch.
Inhaltlich interessanter ist, dass auch keine Alternativen ernsthaft geprüft worden sind. Es gibt in diesem Fall Alternativen. Sie sind möglicherweise teurer. Das ist klar. Es sind aber auch Abwägungen auf der anderen Seite in die Waagschale zu werfen. Ich meine den Anspruch, möglichst sauberes Wasser, saubere Gewässer zu haben.
Es ist richtig und wichtig, dass in Hessen, Niedersachsen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen gemeinsam Druck auf das entsprechende Unternehmen ausgeübt wird. Es sind nicht die Politikerinnen und Politiker, die in der ersten Linie stehen und Druck ausüben. Die Menschen an Weser und Werra können nicht verstehen, dass die Gewässer im Jahr 2007 erneut in einen solchen Zustand hineinzukommen drohen, in dem sie nach dem Zusammenbruch der DDR waren. Das ist ein Anachronismus. In der anschließenden Zeit sind Werra und Weser sauberer geworden. Die jetzige Entwicklung können die Menschen nicht verstehen. Das können wir nicht verstehen. Deshalb darf es auch nicht so kommen.
Die Anhörung, die wir in Hessen gemeinsam durchgeführt haben, ist zusammen mit dem heutigen Antrag ein wichtiger Teil auf der Strecke.
Wir dürfen aber nicht stehenbleiben. Es ist die formulierte gemeinsame Position der politischen Fraktionen in Hessen und Nordrhein-Westfalen. Ich gehe davon aus, dass es in Niedersachsen ähnliche Bewegungen gibt, wenn es dort auch nicht zu einem gemeinsamen Antrag kommt.
Es ist aber der gemeinsam formulierte Wille. Das muss das Unternehmen zur Kenntnis nehmen. In der Folge müssen die Behörden ihn auch tatsächlich umsetzen. Es kann nicht sein, dass wir nur einen schönen Antrag im Landtag formulieren, der dann keine Konsequenzen hat. Wir werden sehr genau überprüfen müssen, ob die Landesregierung den Antrag umsetzt.
Nun steht nicht die Landesregierung in NordrheinWestfalen in erster Linie in der Verpflichtung. Die Überprüfung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie kann und muss auch in den Behörden in Nordrhein-Westfalen stattfinden.
Ich glaube, die Wasserrahmenrichtlinie ist kein stumpfes Instrument. Sie wird nicht sofort wirken. Wenn man sich aber entlang des Flusses zusammensetzt und aufgrund der Bestandsaufnahme einen gemeinsamen Maßnahmenkatalog entwickelt, der sich an den Zielen orientieren muss, kann diese Einleitung eigentlich nicht Gegenstand der Maßnahmen bleiben.
Herr Ellerbrock, ich nehme den Rechtstitel zur Kenntnis. Das bundesdeutsche und das nordrhein-westfälische Wasserrecht sehen vor, dass ausgesprochene Einleitungserlaubnisse auch zurückgenommen werden können, wenn sich Zustände bzw. Rahmenbedingungen verändern. Ich gehe davon aus, das hessische Wasserrecht ist nicht anders. Das sind alles Einleitungstitel, die auf eine bestimmte Zeit ausgerichtet sind und jederzeit bei der Änderung von Rahmenbedingungen widerrufen werden können.
Ich fordere unsere Landesregierung und die hessischen Behörden ausdrücklich dazu auf, zu überprüfen, unter welchen rechtlichen Maßgaben – ggf. auch Entschädigungsansprüchen – ein solcher Widerruf erfolgen kann. Das in einem Bericht darzulegen, gehört zur Abwägung.
Ich freue mich, dass es zu einem gemeinsamen Antrag gekommen ist. Wir haben vor einigen Monaten mit einem Antrag den Aufschlag gemacht. Daran darf ich erinnern. Ihn ziehen wir gerne zugunsten des gemeinsamen Antrags zurück. Ich hoffe, dieser gemeinsame Antrag wird auch die nötige Wirkung entfalten. – In diesem Sinne herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren, infolge der Einleitung salzhaltiger Abwässer der Kaliindustrie sind Werra und Weser seit Jahrzehnten salzbelastete Flüsse. Am nordrhein-westfälischen Weserabschnitt werden heute Chloridkonzentrationen zwischen 300 und 600 Milligramm pro Liter gemessen.
Diese Konzentrationen führen immer noch zu Einschränkungen wasserwirtschaftlicher Nutzungen. Der Chloridgehalt für Wasserentnahme und die Gewinnung von Trinkwasser ist überschritten. Die Verwendung des Weserwassers ist beispielsweise in Gewächshäusern problematisch.
Ursache sind die Einleitungen salzhaltiger Abwässer der Kaliindustrie in die Werra. Die Versalzung verursacht in Werra und Weser tiefgreifende Veränderungen des Ökosystems. Zur Reduzierung der Salzbelastung wurde 1992 ein Konzept erarbeitet und ein Verwaltungsabkommen des Bundes sowie der Länder Bremen, Hessen, Niedersachsen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen abgeschlossen. An der Umsetzung dieser Maßnahmen zur Reduzierung der Chloridfrachten hat sich das Land Nordrhein-Westfalen mit 6,1 Millionen DM beteiligt. In der Folge konnten die Salzkonzentrationen in Werra und Weser deutlich gesenkt werden. Weitere Maßnahmen sind jedoch notwendig.
Vor diesem Hintergrund müssen die geplanten Maßnahmen der Kali und Salz AG gesehen werden. Im Werk Werra der Firma Kali und Salz GmbH fallen derzeit jährlich 14 Millionen m³ Salzwasser an, die jeweils zur Hälfte in den Plattendolomit versenkt und in die Werra eingeleitet werden. Vom Kaliwerk Neuhof-Ellers bei Fulda sollen nun nach den Planungen der Firma Kali und Salz Kali GmbH über 63 km lange Rohrleitungen 0,5 bis 0,7 Millionen m³ Salzlauge zusätzlich herangeführt und in die Werra eingeleitet werden.
Die Einleitung soll unter Einhaltung der jetzigen festgesetzten Grenzwerte von 2.500 mg pro Liter Chlorid und 90 Grad für die Gesamthärte am Pegel Gerstungen erfolgen. Der geplante Bau der Salzpipeline und der zusätzlichen Einleitung von 0,5 bis 0,7 Millionen m³ Salzlaugen in die Werra berührt die Interessen der nordrhein-westfälischen Kommunen an der Weser und erschwert die Bemühungen um eine Reduzierung der Salzeinträge
in Werra und Weser. 21 Kommunen aus Hessen, Thüringen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen beabsichtigen deshalb, gegen das Vorhaben zu klagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die nordrhein-westfälische Landesregierung wird sich im Interesse der Kommunen – das kann ich wirklich auch zusagen vor dem Hintergrund dieses Antrags, der von allen vier Fraktionen eingebracht worden ist – konsequent dafür einsetzen, dass die bisherigen Sanierungsmaßnahmen nicht gefährdet werden. Es müssen im Gegenteil die jetzigen Salzeinträge weiter vermindert werden. Diese Position der Landesregierung Nordrhein-Westfalen wurde bereits mit Schreiben vom 9. Januar 2007 durch Herrn Staatssekretär Dr. Schink dem Hessischen Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz mitgeteilt.
Es ist das Ziel der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, gemeinsam mit allen betroffenen Bundesländern eine Lösung zu finden, die den wirtschaftlichen Interessen der Firma Kali und Salz GmbH und dem Umweltschutz gleichermaßen gerecht wird. Es dürfen keine Arbeitsplätze vernichtet werden, aber abgestimmte Ziele des Gewässerschutzes dürfen nicht aufgegeben werden. Die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie muss gewährleistet werden. Auch künftige Generationen, meine sehr verehrten Damen und Herren, brauchen gesunde Flüsse.