Protocol of the Session on October 24, 2007

(Beifall von den GRÜNEN)

Als Zweites sollten wir uns die Bezugskosten für Fremdenergie anschauen. Diese kann man beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sehr schön nachsehen. Die Importpreise für Steinkohle sind gestiegen: 2006 lagen sie bei 61,76 €, 2007 bei 63,30 € je Tonne. Das entspricht einer Preiserhöhung von 2,4 %.

Die Brennstoffkosten machen aber allenfalls ein Drittel aus. Denn nur ein Drittel der Stromkosten sind Erzeugungskosten. Das heißt, die maximale Erhöhung aus Brennstoffkosten bei einem Steinkohlekraftwerk müsste deutlich unter 0,8 % liegen.

Die Importpreise für Gas sind sogar gesunken. Sie lagen 2006 bei 5,93 € pro Terajoule und 2007 bei 5,49 €. Wir haben nur einen geringen Anteil von Gas an der Stromerzeugung. Aber so weit sie eine Rolle spielen, sind sie gesunken.

Das bedeutet, aus der offiziellen Begründung – Importenergien oder erneuerbare Energien – kann ich, wenn es sehr hoch kommt, eine Stromerhöhung um 0,8 % rechtfertigen, aber auf gar keinen Fall eine von 10 %.

(Beifall von den GRÜNEN)

Woher kommen also diese mehr als 9 %, die zusätzlich gefordert werden? – Scherzeshalber könnte man sagen: Offenbar beschäftigen E.ON und andere nur Lokomotivführer und kalkulieren eine Gehaltserhöhung von 30 % ein. Aber das wird nicht der Grund sein. In der Sache ist es so, dass diese Erhöhung das vorwegnimmt, was die Stromerzeuger bei der Netzübertragung durch die Kontrolle verlieren, und dass es ansonsten eine ungerechtfertigte Bereicherung ist.

Warum ärgern wir uns über diese Erhöhungen? – Wenn Volkswagen heute ankündigen würde, man würde die Preise um 10 % erhöhen, und wenn Mercedes das ankündigte, würden wir sagen: Guckt euch die Zulassungszahlen des nächsten Jahres an! Der Kunde weicht nämlich aus. Im Strombereich kann der Kunde aber nicht nennenswert ausweichen. Die Empfehlung, von E.ON zu RWE oder zu einem anderen Unternehmen zu wechseln, führt nicht wirklich weiter, weil auf breitester Front angekündigt worden ist, dass die Preise erhöht werden. Die Hauptursache dafür ist, dass es beim Strom – beim Gas ist es noch schlimmer – keinen vernünftigen Wettbewerb und auch keinen Markt gibt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nach wie vor gibt es Behinderungen von Marktteilnehmern. Das hat eine lange Tradition.

Die Pressereaktionen der Kollegen Römer und Lienenkämper auf die Aktuelle Stunde und auf die Preiserhöhungen sehen wie folgt aus. Herr Lienenkämper sagt – ich will nur einen Satz zitieren –: „Nur durch echten Wettbewerb auf dem Strommarkt …“. Der Kollege Römer sagt in der Überschrift: „Landesregierung muss echten Wettbewerb auf dem Strommarkt ermöglichen“. Da sind Sie nicht weit auseinander. Aber die Rezepte, um tatsachlich echten Wettbewerb hinzubekommen und um neuen Marktteilnehmern die Teilnahme zu ermöglichen, bleiben Sie immer schuldig.

Ich will zwei Punkte erwähnen, die aus meiner Sicht absolut notwendig sind. Das eine ist – das hat die Europäische Union vorgeschlagen – die Trennung des Besitzes der Höchstspannungsnetze von den Erzeugungskapazitäten, so wie das in vielen europäischen Ländern schon der Fall ist. Bei uns ist das nicht so.

Bedauerlicherweise sind beide großen Fraktionen in Berlin und auch die Landesregierung an dieser Stelle jedes Mal gegen den Vorschlag der Europäischen Union und wollen nicht mithelfen, dass es tatsächlich zu mehr Transparenz und Zugangsmöglichkeiten für andere in den Markt kommt. Das ist im Strombereich negativ, im Gasbereich ist es noch schlimmer.

Ich komme zu meinem letzten Punkt in der ersten Runde: Wir haben einen Antrag eingebracht: „Mehr Transparenz an der Börse“. Das heißt, der Stromhandel, bei dem die großen Unternehmen selber die Preise gestalten, wird bei uns in Leipzig anders als in Skandinavien extrem intransparent durchgeführt, nicht zeitaktuell, sondern mit einer Verspätung von Tagen und ohne die tatsächlichen

Betriebszustände der Kraftwerke zu berücksichtigen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist ein zweiter Aspekt, bei dem man wesentlich engagierter tätig werden müsste. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Priggen. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Kollege Weisbrich.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Priggen, ich habe den Antrag zunächst einmal etwas anders verstanden, als Sie es jetzt dargestellt haben. Das war eine sehr ordentliche Rede über die Hintergründe der Preispolitik der großen Konzerne.

Aus dem eigentlichen Antrag zur Aktuellen Stunde habe ich aber auch einen Vorwurf an die Landesregierung herausgelesen. Die Zielrichtung war nicht ganz klar erkennbar. Bei mir ist angekommen, es bestehe der Verdacht, dass die angekündigten Strompreiserhöhungen missbräuchlich seien. Dafür könnte die Landesregierung verantwortlich sein, weil kartellrechtliche Überprüfungen in der Vergangenheit kaum etwas bewirkt hätten. Deshalb müsse der Landtag – sprich die Grünen – die Sache jetzt richten.

Meine Damen und Herren, ganz ohne Zweifel sind die angekündigten Strompreiserhöhungen der Konzerne nicht nur für die Grünen, sondern für uns alle ärgerlich und in ihrer Begründung kaum nachvollziehbar.

(Beifall von der CDU)

Ja, man kann geradezu von einer Provokation der Verbraucher und der Politik sprechen. Aber, Kollege Priggen und meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, man kann der Landesregierung deswegen keinen Vorwurf machen. Christa Thoben hat bereits kurz nach ihrem Amtsantritt für Stromkunden in Nordrhein-Westfalen erstmals Preistransparenz hergestellt. Sie hat die Tarife sämtlicher Anbieter in Nordrhein-Westfalen nebst beantragten und genehmigten Preisanhebungen ins Internet gestellt. Angesichts dessen, wie Sie jetzt reden, verstehe ich nicht, warum Sie das in Ihrer Regierungszeit unterlassen haben.

(Beifall von der CDU)

Ich habe hier einen Zeitungsartikel aus dem Dezember 2006 mit der Überschrift „NRW kürzt

E.ON Strompreiserhöhungen um fast zwei Drittel“. Sie können mir doch nur zustimmen, dass das wirksame Preisaufsicht und wirksamer Verbraucherschutz war.

Doch gegen die Warnungen der Ministerin ist die Preisgenehmigungspflicht nach der Bundestarifordnung Elektrizität zum 30. Juni 2007 abgeschafft worden. Dafür verantwortlich ist das zweite Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 12. Juli 2005. Das war Ihr Abschiedsgeschenk an die Verbraucher, ehe Rot-Grün abgewählt wurde.

(Beifall von der CDU)

Diese Landesregierung hat das Dilemma, das wir heute alle beklagen, kommen sehen. Als einsamer Rufer in der Wüste hat sie Anfang des Jahres über den Bundesrat einen Antrag auf Verlängerung der Preisgenehmigung für Haushaltskunden gestellt, weil bereits damals 105 von 132 Stromversorgern in Nordrhein-Westfalen Preiserhöhungen beantragt hatten. Leider hatte die Mehrheit der Bundesländer nicht die gleiche Weitsicht wie diese Landesregierung, die bereits damals erklärt hat – ich darf das zitieren, Frau Präsidentin –:

Vor dem Hintergrund der Marktentwicklung ist das Instrument der Strompreisaufsicht zum Schutz der Haushaltskunden weiterhin erforderlich. Durch die Genehmigungspflicht für die Tarife bzw. allgemeinen Preise in der Stromversorgung wird gewährleistet, dass die Beschaffungs- und sonstigen Kosten der weiterverteilenden Unternehmen nur in dem tatsächlich erforderlichen Umfang an die Kunden weitergegeben werden.

Meine Damen und Herren, es wäre besser gewesen, Sie hätten damals die Landesregierung unterstützt, als jetzt scheinheilig zu fragen, was diese Landesregierung tut. Das klingt verdächtig – so leid es mir tut – nach „Haltet den Dieb“, denn Sie selbst haben während Ihrer Regierungszeit die Weichen so gestellt, dass die Zuständigkeit für die länderübergreifende Preisstrategie der Konzerne nunmehr beim Bundeskartellamt in Bonn liegt und die Landeskartellbehörde in der konkreten Situation weitgehend entmachtet ist.

Objektiv betrachtet hat die Ministerin in dieser Situation jeden Spielraum ausgenutzt, der ihr noch verblieben ist. Lange vor Ihrem Antrag – Sie haben es selbst zitiert – hat Christa Thoben öffentlich kartellrechtliche Überprüfungen angemahnt. Sie hat darüber hinaus die Verbraucherinnen und Verbraucher aufgefordert, Stromanbieter konsequent zu wechseln. Sie hat ihnen den dazu benötigten Tarifrechner über das Internet zur Verfü

gung gestellt. Jeder weiß also, wo er den günstigsten Strom in Nordrhein-Westfalen beziehen kann.

Weiterhin hat sie Unternehmen, Verwaltungen und Verbraucher aufgefordert, nicht nur von der Möglichkeit des Anbieterwechsels Gebrauch zu machen, sondern zusätzlich sämtliche Energiesparpotenziale auszunutzen, um den Verbrauch zu senken und um damit vielleicht die Preise zu drücken.

Das kann man in der konkreten Situation tun. Man könnte darüber hinaus noch – von der zitierten Trennung von Netz und Erzeugung völlig abgesehen – den Bau von mehr hocheffizienten Kraftwerken unterstützen sowie vor allem für mehr Betreiber dieser Kraftwerke werben. Denn das Dilemma liegt darin, dass es zu wenige Betreiber von Kraftwerken gibt.

Auch an dieser Ecke klaffen Anspruch und Wirklichkeit bei den Grünen weit auseinander, wie ihre Ablehnung eines Kraftwerkneubaus durch Trianel in Krefeld erkennen lässt.

(Beifall von der FDP)

An dieser Stelle liegt der Hund begraben, denn die Konzerne entschuldigen sich jetzt damit, ihre Vertriebsgesellschaften hätten höhere Einkaufspreise. Aber diese höheren Preise kommen von den Erzeugungskapazitäten der gleichen Konzerne.

(Kopfschütteln von Reiner Priggen [GRÜNE])

Bei den Erzeugungskapazitäten haben sie Renditen auf ihr eingesetztes Kapital von 40 %. Das ist zumindest problematisch. Hier müssen wir ansetzen. Deswegen lautet die richtige Frage für mich nicht: Was tut die Landesregierung? Die Fragen müssten eigentlich lauten: Was tun die Grünen? Wann erkennen sie tatsächlich die Zeichen der Zeit? – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP – Johannes Remmel [GRÜNE]: Das war aber eine Pirou- ette!)

Danke schön, Herr Weisbrich. – Für die SPD spricht nun der Kollege Römer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen, die heutige und die morgige Plenarsitzung sind voll von Energiethemen: Strompreiserhöhungen – sie sind jetzt in der Debatte –, neue Kraftwerke, Klimaschutzziele, Klimaforschung und sogar Aussa

gen der Bundeskanzlerin werden uns beschäftigen.

Diese Tagesordnung macht klar: Energiewirtschaft ist ein hochpolitisches Feld; wir müssen politisch um die richtigen Lösungen ringen, notfalls auch streiten. Dies gilt gleichermaßen für die Begrenzung der Strompreise, für die Wettbewerbsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Industrie, für die Erneuerung des Kraftwerkparks und für engagierten Klimaschutz. Dabei überraschen auch nicht die unterschiedlichen Ansätze der beteiligten politischen Akteure. Das zeigt auch die Herangehensweise an die Drohung mit neuen Strompreiserhöhungen.

Die Wirtschaftsministerin, Frau Thoben – Herr Weisbrich hat darauf hingewiesen –, fordert mit großen Worten die Verbraucher auf – ich zitiere – „konsequent zu dem jeweils für sie günstigsten Anbieter zu wechseln.“ Eine solche Aufforderung ist, Frau Ministerin, im Kern richtig. Aber sie muss auch durch die entsprechenden politischen Weichenstellungen vernünftig begleitet werden.

Mit Blick auf die Ausführungen von Herrn Weisbrich sage ich: Eine solche Weichenstellung wäre, die Stadtwerke in ihren energiewirtschaftlichen Aktivitäten zu stärken und zu unterstützen und sie nicht zu schwächen, wie Sie es mit der Veränderung von § 107 Gemeindeordnung getan haben.

(Lachen von Ministerin Christa Thoben – Zu- ruf von Minister Dr. Helmut Linssen)

Um diesen Punkt wird es natürlich auch gehen.

(Ministerin Christa Thoben: Haben Sie schon einmal mit ihnen geredet?)