Protocol of the Session on October 24, 2007

(Ministerin Christa Thoben: Haben Sie schon einmal mit ihnen geredet?)

Frau Ministerin, offensichtlich haben Sie bei Ihrer Aufforderung übersehen oder überhaupt noch nicht gemerkt, dass die Möglichkeiten der Verbraucherinnen und Verbraucher, den Anbieter zu wechseln, sehr begrenzt sind. Das liegt an der Anbieterstruktur.

Die Frage der Strompreisaufsicht zu thematisieren, reicht überhaupt nicht aus. Die meisten Anbieter sind nicht in der Lage, den Strom selbst herzustellen. Sie sind darauf angewiesen, bei einem der vier großen Konzerne Strom zu kaufen. Echte Alternativen für die Verbraucherinnen und Verbraucher sind derzeit noch rar.

Die Pressemitteilung von Herrn Brockes von der FDP hat mit der Lebenswirklichkeit überhaupt nichts zu tun. Wer jetzt Ökosteuer und erneuerbare Energien für ungerechtfertigte Strompreiserhöhungen verantwortlich macht,

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

hat entweder keine Ahnung von der Sache, oder er spielt der Preistreiberei unmittelbar in die Karten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Kollegin Svenja Schulze wird gleich auf die Bedeutung der erneuerbaren Energien aus Verbrauchersicht eingehen.

Meine Damen und Herren, es gibt nur einen Bestandteil der Strompreise, der kontinuierlich steigt, nämlich die Gewinne der vier großen Energieversorger.

(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN)

Das hat einen Grund: Offensichtlich funktioniert der Markt noch nicht; es gibt noch keinen echten Wettbewerb auf dem Strommarkt.

Ich will das wiederholen: Die Strompreiserhöhungen der Energiekonzerne sind ungerechtfertigt. Sie sind nicht durch gestiegene Stromherstellungskosten – ich wiederhole: Herstellungskosten – begründet. Der Verweis von E.ON auf gestiegene Strombeschaffungskosten versucht davon abzulenken, dass E.ON den Strom bei E.ON kauft.

Die Herstellung des Stroms bei E.ON hat sich nicht in diesem Maße verteuert. Weder die Löhne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch die Kapitalkosten noch die Brennstoffkosten sind um 10 % gestiegen. Hinzu kommt, dass auf der anderen Seite, Herr Weisbrich, durch die Regulierung der Netze eine Senkung der Netzkosten herbeigeführt wird. Daher gibt es keinen Grund, dieser Strompreiserhöhung zuzustimmen.

Politisches Ziel muss deshalb sein, einen echten und fairen Wettbewerb zu ermöglichen. Daher komme ich zu folgenden Schlussfolgerungen:

Erstens. Privat vor Staat – das sage ich Ihnen zum wiederholten Male – ist kein Lösungskonzept, mit dem wir einen echten Wettbewerb für eine preisgerechte Stromversorgung erreichen,

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

auch wenn dies mit dem Dogma „Privat vor Staat“, Herr Weisbrich, nicht zur Deckung zu bringen ist: Fairer Wettbewerb entsteht nicht dadurch, dass man den Markt unreguliert sich selbst überlässt. Fairer Wettbewerb braucht staatliche Leitplanken, sonst sind die Verbraucherinnen und Verbraucher am Ende die Dummen, sonst ist die auf Energiebezug angewiesene Wirtschaft die Leidtragende. Das ist der entscheidende Punkt. Wir wollen das nicht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Zweitens. Nur starke Wettbewerber können für echten Wettbewerb auf dem Strommarkt sorgen. Wirksamstes Mittel auf dem Weg zu mehr Wettbewerb ist es, neuen Wettbewerbern neue Marktchancen einzuräumen und ihnen möglichst gute Startchancen zu bieten. Ich sehe niemand anderen als starke Stadtwerke, die in der Lage wären, dem Oligopol der vier großen Stromerzeuger Paroli zu bieten. Auch deshalb müssen wir die Position der Stadtwerke stärken und nicht schwächen, Frau Thoben, wie Sie das tun.

(Beifall von der SPD)

Drittens. Wir brauchen bei der Stromerzeugung echten Wettbewerb. Neue hocheffiziente Kraftwerke müssen die Chance haben, mit abgeschriebenen CO2-Schleudern zu konkurrieren. Auch dazu brauchen wir den Emissionshandel – ja, Herr Priggen, das ist völlig richtig –, der CO2 einen Preis gibt. Sonst würde der Strom zwar billig und klimaschädlich hergestellt, aber teuer verkauft. Gegen die angekündigten drastischen Preiserhöhungen der großen Stromkonzerne ist deshalb der Bau von neuen, klimafreundlichen und hocheffizienten Kraftwerken – auch und besonders von Kohlekraftwerken mit ausgekoppelter Wärme – durch neue Marktteilnehmer das beste Rezept.

Hier bin ich – das sage ich ganz offen – den Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP dankbar, dass sie mit uns gemeinsam die Errichtung eines modernen, eines hocheffizienten Kraftwerks am Standort Krefeld unterstützen wollen. Ein solches Kraftwerk verbessert den Klimaschutz, sichert den Industriestandort, sichert Arbeitsplätze und sorgt darüber hinaus für mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt.

Viertens. Wir sind uns doch über die engagierten Ausbauziele bei den erneuerbaren Energien einig. Gleich welches Szenario wir auch diskutieren, eines ist dabei klar: Mit den erneuerbaren Energien wird bis 2020 noch nicht der überwiegende Anteil des Stroms erzeugt werden können. Wenn wir mit dem Klimaschutz ernst machen wollen, müssen alte Kraftwerke möglichst schnell vom Netz. Wir brauchen deshalb noch neue Kohlekraftwerke – das sage ich an die Adresse von Bündnis 90/Die Grünen – und möglichst leistungsstarke Marktteilnehmer. Deshalb führt kein Weg an leistungsstarken Stadtwerken und neuen hocheffizienten Kohlekraftwerken vorbei. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Römer. – Für die FDP spricht nun Herr Brockes.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In weiten Teilen der Öffentlichkeit wird die Meinung vertreten, dass die angekündigten Strompreiserhöhungen von E.ON und RWE nicht gerechtfertigt und deshalb ein Beweis für die Ausnutzung von Marktmacht sind. Und wie immer, wenn die Sympathien klar verteilt sind, finden sich in der Politik die lautesten Marktschreier, die den Versorgern Preistreiberei und räuberische Abzocke der Verbraucher vorwerfen, Herr Priggen. Insbesondere die Grünen sprechen hierbei mit gespaltener Zunge. Denn nach ihrer Weltanschauung soll der Verbraucher durch teure Energie zum sparsamen Umgang mit den Ressourcen gezwungen werden. Dies erklärt, warum die Politik der eigentliche Hauptverursacher der hohen Energiepreise ist.

SPD und Grüne haben während ihrer Regierungszeit im Bund unter maßgeblicher Mithilfe ihrer nordrhein-westfälischen Landtagsfraktionen die Steuer- und Abgabenlast auf Energie ganz bewusst auf ein nie gekanntes Rekordniveau getrieben. Es war der vom Ökosteuerwahn getriebene politische Wille von Rot-Grün, dass sich die durch den Staat verursachten Belastungen der Stromkunden seit 1998 verfünffacht haben. Allein die von Rot-Grün eingeführte Stromsteuer steht für 2 Cent des Preises einer Kilowattstunde.

(Svenja Schulze [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

Das hört sich nicht nach viel an. Das sind aber immerhin 20 € je Megawattstunde, und das bei einem Preis für Grundlaststrom, der an der Leipziger Strombörse in den vergangenen Tagen bei etwa 55 € je Megawattstunde notiert war. 20 € von 55 € entfallen auf die Stromsteuer. Auf Großhandelsebene hat die Stromsteuer den Preis somit um etwa ein Drittel verteuert.

Dies kann und soll nicht zur Rechtfertigung der angekündigten Strompreiserhöhungen dienen. Es ist aber geboten, sich diese Entwicklung noch einmal genau vor Augen zu führen. Dass ausgerechnet die Grünen in ihrem Antrag zu dieser Aktuellen Stunde Herrn Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher mit der Aussage „Kriegserklärung an die Verbraucher“ zitieren, verdeutlicht den blanken Populismus, mit der diese Partei Politik betreibt.

(Beifall von der FDP)

Als Anwalt der Stromverbraucher sind Sie denkbar ungeeignet, Herr Priggen. Diese Rolle werden Sie nicht glaubhaft spielen können; das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Sie sind kein Paulus, sondern ein Saulus.

Auch das Verhältnis der Grünen zur Marktwirtschaft ist mit unserem ordnungspolitischen Ansatz nicht in Einklang zu bringen. Die Regierung, egal ob im Bund oder im Land, hat in liberalisierten Märkten bei der Preisgestaltung der Unternehmen nichts verloren. Liegt der Verdacht der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung vor, so ist es Aufgabe des Kartellamts, dies zu untersuchen. Erweist sich eine Preiserhöhung als unbegründet, so wird sie vom Kartellamt rückgängig gemacht. Das Bundeskartellamt hat bereits angekündigt, die jüngsten Strompreiserhöhungen eingehend zu untersuchen.

Um die Arbeit und die Durchgriffsmöglichkeiten des Kartellamtes zu erleichtern, soll das Wettbewerbsrecht nach dem Wegfall der Tarifaufsicht überarbeitet werden. Sollte die Novelle, wie geplant, im November den Bundestag passieren und zum 1. Januar 2008 in Kraft treten, müssen die Energiekonzerne Anfang des Jahres beweisen, dass ihre Kostenrechnungen – und damit ihre Preisgestaltung – recht und billig sind.

Die Umkehr der Beweislast, die wir als Liberale unterstützen, wird auch vom neuen Präsidenten des Bundeskartellamts, Herrn Heizer, ausdrücklich begrüßt. Mit dieser Regelung bekommt die Wettbewerbsbehörde nach seiner Aussage ein neues, schärferes Schwert in die Hand. Deshalb ist die Forderung nach einem Eingreifen der Landesregierung völlig unangebracht.

Die Preiserhöhung und die damit verbundenen Preisunterschiede zwischen den einzelnen Anbietern werden dafür sorgen, dass der Mechanismus des Wettbewerbs zunehmend an Dynamik gewinnt. Die Gegenreaktionen der Verbraucher in Berlin und Hamburg auf die ebenfalls heftig kritisierten Preiserhöhungen von Vattenfall haben dies in den vergangenen Wochen eindrucksvoll gezeigt. Die Unternehmen können nach dem Fall der Gebietsmonopole und der staatlichen Preisaufsicht ihre Preise nicht länger nach Gutsherrenart festsetzen. Sie müssen vielmehr damit rechnen, dass die Stromverbraucher von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen und ihren Versorger wechseln. Deshalb ist es richtig, die Verbraucher dazu aufzurufen, die Strompreise zu vergleichen und durch das Ausnutzen von Preisvorteilen für mehr Wettbewerb unter den Versorgern zu sorgen.

Herr Kollege Priggen, Kollegen der Grünen, ich frage Sie: Haben Sie denn schon einmal den von Ihnen gezahlten Preis überprüft oder haben Sie gewechselt? – Ich habe meinen Stromanbieter gewechselt und gehe an dieser Stelle mit gutem Beispiel voran. Ich habe selbst gesehen, wie einfach und simpel es ist, sodass ich jedem Stromkunden nur empfehlen kann, dies auch zu tun.

Meine Damen und Herren, ein wesentliches Manko können allerdings weder das Kartellamt noch die Stromverbraucher beseitigen. Das Angebot an Kraftwerkskapazitäten ist seit dem Abbau von Überkapazitäten in den ersten Jahren nach der Liberalisierung mittlerweile eher knapp. Dieses Problem dürfte sich mit der Stilllegung älterer Kraftwerke sowie dem Festhalten am Atomausstieg in den kommenden Jahren noch verschärfen. Deshalb dürfen wir den Bau neuer Kraftwerke nicht verhindern – Herr Kollege Priggen, es ist ja schon das Beispiel Krefeld genannt worden; ich könnte Ihnen noch viele andere nennen oder auf Ihren Parteitagsbeschluss verweisen, keine neuen Kraftwerke mehr in Nordrhein-Westfalen zu bauen –, sondern wir müssen die Rahmenbedingungen so setzen, dass sich der zu verzeichnende Investitionsstau endlich auflöst. Die zur Jahresmitte in Kraft getretene Kraftwerksanschlussverordnung erleichtert neue Kraftwerksprojekte durch klare Verfahrens- und Kostentragungsregeln und verleiht insbesondere Projekten neuer Kraftwerksbetreiber zusätzlichen Schub.

Meine Damen und Herren, zu seriöser Energiepolitik gehören auch stabile Rahmenbedingungen und die Bereitschaft, eingeleitete Maßnahmen erst einmal wirken zu lassen und erst dann nachzusteuern. Die von Ihnen, Herr Priggen, geforderte eigentumsrechtliche Trennung von Netz und Erzeugung schafft in erster Linie Rechtsunsicherheit. Die zu erwartenden langen Rechtsstreitigkeiten würden den Liberalisierungsprozess zum Stillstand bringen. Die FDP wird der EU-Kommission bei der Enteignung der Versorger nicht die Hand reichen. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Brockes. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Thoben.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe versucht, hier zuzuhören. Der Antrag, den die Grünen gestellt haben, lautet:

„Doch in der Vergangenheit haben derartige Überprüfungen“

also kartellrechtliche –

„kaum eine erkennbare Wirkung gezeigt. Aus diesen Gründen muss der Landtag sich im Rahmen einer Aktuellen Stunde mit dem Thema beschäftigen.“

Ich habe gehört, was Sie hier alles vorgetragen haben: Ich habe nichts davon wiedergefunden. – Das ist meine erste Anmerkung.

Zweite Anmerkung. Herr Römer, ich lade Sie herzlich ein, das GuD-Kraftwerk in Hamm am kommenden Freitag mit zu eröffnen. Sie wissen, das ist der Neubau, den viele Stadtwerke zusammen realisieren. Dort können Sie alle Vertreter von Stadtwerken treffen und noch einmal fragen, ob sie auch nur entfernt mit Ihrer Einschätzung, die Sie hier heute Morgen vorgetragen haben, übereinstimmen. Sie werden merken: Sie sind ganz schön einsam.

(Beifall von CDU und FDP)

Dritte Anmerkung. Herr Priggen, man kann die Themen, die Ihnen wichtig sind, in jeden Antrag hineinpacken. Das haben Sie heute Morgen gemacht. Das ist nicht verboten. Aber in dem Antrag, den Herr Remmel unterschrieben hat, steht das alles nicht.

Ich will Ihnen nun einmal sagen, was wir wirklich tun. Wir haben als letzte Möglichkeit im Land, was die Preisüberwachung angeht, eine Missbrauchsaufsicht quasi für die kleinen Stadtwerke, also die Verteiler. Sobald sich E.ON oder RWE am Markt missbräuchlich verhalten, müssen sie – darauf werden wir auch drängen – vom Bundeskartellamt überprüft werden.

Es gibt, Herr Römer – da haben Sie Recht –, Überlegungen, das Kartellrecht zu verschärfen. Das reicht bis zu dem, was Herr Brockes hier unterstrichen hat: Umkehrung der Beweislast. Ich hätte mir gewünscht, dass man vor Aufhebung der Preisgenehmigung für Haushaltstarife die endgültige Verabredung der Verschärfung des Kartellrechts unter Dach und Fach gehabt hätte, dass man das zeitlich verknüpft und die Aufhebung der Preisaufsicht in dem Moment in Kraft gesetzt hätte, wo das neue, verschärfte Kartellrecht, bei dem noch viele Details unklar sind, Gesetzeskraft erreicht hätte.