Protocol of the Session on September 20, 2007

Es entspricht einem Kuhhandel, der einen Reflex auf das Ergebnis der Stichwahl bei den letzten Kommunalwahlen beinhaltet nach dem Motto: Da hat die CDU nach der Stichwahl ganz erhebliche Probleme gehabt, also wird die Stichwahl abgeschafft, und es wird vollkommen sinnwidrig entkoppelt, und das auch noch bezogen auf die Amtszeit von Hauptverwaltungsbeamten, die nicht nur nicht zu erklären ist, sondern die in Deutschland auch tatsächlich einzigartig ist. Und damit das alles wunderbar funktioniert, hat die CDU als Gegenleistung – Herr Lux, Sie zitieren bei Schreckensszenarien immer eigene Leute – eine Verbeugung vor der FDP gemacht. Die dürfen sich jetzt an den kommunalen Unternehmen schadlos halten.

(Achim Tüttenberg [SPD]: Kuhhandel!)

Meine Damen und Herren, das machen wir nicht mit. Mir ist immer noch nicht klar, Herr Kollege Lux, wie Sie eine so fundamentale Kritik gerade aus eigenen Reihen, nämlich von Dutzenden von CDU-Hauptverwaltungsbeamten, von Dutzenden von Räten und Kreistagsfraktionen sowie von wichtigen aktuellen Politikerinnen und Politikern aus dem Lager der CDU einfach ignorieren können und wieso Sie aus Koalitionsräson vor der FDP einknicken. Meine Damen und Herren, das

entspricht nicht der großen Tradition der nordrhein-westfälischen CDU als Kommunalpartei.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Übereinstimmung besteht zwischen kommunalen Spitzenverbänden, örtlichen Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern, örtlichen Hauptverwaltungsbeamten, kommunalen Unternehmen, Gewerkschaften, Mieterbund, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und örtlichem Handwerk in der Ablehnung dieser Pläne. Sie sagen, das seien Schreckensszenarien. Ja, es sind Schreckensszenarien, die leider Realität werden können, wenn Sie von der ideologischen Politik, die Sie im Augenblick betreiben, nicht ablassen.

Es gibt – das haben wir gestern wiederholt gesagt – keinen einzigen hier benannten Fall, der nicht mit dem bis dato geltenden Gemeindewirtschaftsrecht wirkungsvoll abzustellen gewesen wäre. Ich frage nach wie vor die Landesregierung, den Herrn Innenminister: Welche Fälle meinen Sie? Wem wollen Sie mit der Verschärfung des Gemeindewirtschaftsrechtes entgegenwirken? Bedeutet das nicht, dass Sie ordnungspolitische Grundsätze à la „Privat vor Staat“ zum Selbstzweck erklären, wenn Sie die Gemeindeordnung an der Stelle derartig verschärfen?

Meine Damen und Herren, wir werden dem Änderungsantrag der Grünen zustimmen, aber nicht weil wir sagen, das sei der Königsweg. Wenn es nach uns gegangen wäre – das haben wir gestern in namentlicher Abstimmung deutlich gemacht –, wäre der § 107 unverändert geblieben. Das ist ein sachgerechter und fairer Ausgleich der Interessen der Beteiligten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Lux, das war vorhin keine schlaue Ausrede. Das, was Sie den Leuten in den kommunalen Unternehmen und ihren eigenen Kommunalpolitikern nach dem Motto „Wir tragen euren Sorgen ja Rechnung; wir machen eine nette Entschließung“ vorgaukeln wollen, nicht in den Gesetzestext aufnehmen zu wollen, ist entlarvend. Das zeigt doch, dass Sie das, was Sie den Leuten erklären, dass Sie das, was Sie zur Beschwichtigung erzählen, selber nicht glauben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich wende mich abschließend an diejenigen Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, die in Aufsichtsräten und anderen Gremien vor Ort Verantwortung tragen.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Sie sind dem Interesse Ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Funktion Ihrer kommunalen Aufsichtsratsmitgliedschaft verpflichtet. Was Sie heute mitbeschließen, meine Damen und Herren, zeigt, dass Sie dieser Verpflichtung nicht gerecht werden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich wende mich abschließend – wir haben leider nur fünf Minuten Redezeit – an all diejenigen in der CDU-Landtagsfraktion, die vor Ort – ich sehe meinen verehrten Kollegen Schittges; es gibt aber auch eine ganze Reihe von anderen Kolleginnen und Kollegen der CDU-Landtagsfraktion – vehement bei Resolutionen gegen die Änderungen des Gemeindewirtschaftsrechts gestimmt haben: Meine Damen und Herren, was Sie hier abliefern, ist gelebte politische Schizophrenie.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Heuchlerisch ist das!)

Herr Kollege, die von Ihnen erwähnten fünf Minuten sind vorbei.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Ich darf Ihnen eins versprechen. Mit der dritten Lesung des Gesetzes sind die parlamentarischen Beratungen zwar zunächst abgeschlossen, aber die politische Auseinandersetzung mit Ihrem neoliberalen Demontagekurs wird von uns zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes fortgesetzt werden. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Körfges. – Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Engel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich zitiere zu Beginn aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage des Abgeordneten Ewald Groth, Landtagsdrucksache 12/3161. Die Antwort stammt vom 15. Juni 1998.

„Wenn Kommunen bzw. kommunale Unternehmen neue Geschäftsfelder besetzen, treten sie in Konkurrenz zu privaten Unternehmen. Mögliche negative Arbeitseffekte z. B. für mittelständische Unternehmen dürfen hierbei nicht unterschätzt werden. Deshalb, aber auch zum Schutz der Gemeinden und der gemeindlichen Steuerzahler vor den Risiken einer Marktteilnahme“

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Was haben Sie mit dem Gesetz 1999 gemacht?)

„ist die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen und kommunalen Unternehmen nur unter den strengen Voraussetzungen der Gemeindeordnung zulässig. Hieran hält die Landesregierung fest, sie steht daher Forderungen nach einer generellen Ausweitung der wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten von Kommunen zurückhaltend gegenüber.“

(Horst Becker [GRÜNE]: Das war auf höchs- tem Niveau!)

Herr Kollege Becker, damals galt der dringende öffentliche Zweck.

Da Sie heute immer noch behaupten – das klang ja eben schon wieder an –, dass wir überhaupt keine Beispiele hätten,

(Horst Becker [GRÜNE]: Ja!)

will ich Ihnen heute einige Beispiele nennen.

(Lachen von Horst Becker [GRÜNE] – Zuruf von Ralf Jäger [SPD] – Lebhafte Zurufe von SPD und GRÜNEN: Ja, ja, ja!)

Nun glauben Sie nicht, dass wir mit der dritten Lesung nicht gerechnet hätten.

Herr Kollege Engel, Ihr Kollege Jäger würde Ihnen gerne eine Frage stellen.

Nein, ich trage im Zusammenhang vor.

Also keine.

(Ralf Jäger [SPD]: Das ist unsportlich!)

Wenn Sie das immer noch so behaupten, Herr Körfges oder auch Herr Becker, dann gibt es nur einen einzigen Schluss: Entweder kennen Sie die Aussagekraft der Beteiligungsberichte der Kommunen nicht, oder Sie haben sich noch nicht wirklich intensiv mit den Internetseiten der einzelnen Stadtwerke befasst.

(Beifall von der FDP)

Einen anderen Schluss kann ich nicht erkennen.

Nehmen wir mal die Beteiligungsberichte. Ein großes rheinisches Stadtwerk betreibt, vermietet, montiert und wartet über seine hundertprozentigen Töchter europaweit Mess- und Regelgeräte für den Wärme- und Wasserverbrauch und erstellt Heizkostenabrechnungen für den privaten Markt.

(Zuruf von Carina Gödecke [SPD])

Ein Stadtwerk im Ruhrgebiet betreibt mit einer Media-GmbH eine eigene Werbe- und Kommunikationsagentur.

(Dietmar Brockes [FDP]: Hört, hört!)

Ein Stadtwerk in Westfalen hat einen eigenen ITFullservice-Dienstleister und bietet über seine Spedition umfassende Logistikdienstleistungen an.

(Dietmar Brockes [FDP]: Hört, hört!)

Ein niederrheinisches Stadtwerk ist mehrheitlich an einem Reisebüro beteiligt, und ein anderes großes rheinisches Stadtwerk hat eine umstrittene Gesellschaft für modernes Gebäudemanagement.

(Dietmar Brockes [FDP]: Hört, hört!)

Es darf nicht sein – das wiederholen wir hier wie mit einer tibetanischen Gebetsmühle –, dass Steuer- und Gebührengelder von Kommunen fernab vom eigenen Gemeindegebiet dem Heimatmarkt ohne jeglichen unmittelbaren Nutzen, aber mit dem faktischen finanziellen Risiko für die eigenen Bürger eingesetzt werden, allein um Gewinn zu machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nehmen wir z. B. die Internetseiten. Dort bewirbt ein Stadtwerk seine 168 Fahrzeuge neben Carsharing ganz offen auch für preisgünstige Urlaubs-, Wochenend- und Umzugsfahrten.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])