Protocol of the Session on September 20, 2007

(Karl Schultheis [SPD]: Dann bin ich ge- spannt, wie!)

Wir stehen zum Assistenzpraktikum. Wir wollen mehr Praxis, weil viele Lehrer, die Schwierigkeiten in der Berufsausübung hatten, nicht Defizite in der Fachlichkeit ihrer Ausbildung aufwiesen, sondern weil letzten Endes die praktischen Anforderungen

des tagtäglichen Geschehens vor Ort in der Schule für Probleme gesorgt haben.

Wir stärken den Lehrerberuf insgesamt, meine Damen und Herren. Das fängt damit an, dass die Lehrerausbildung innerhalb der Hochschulen eine bedeutendere Stellung erhält. Selbstständige Zentren für Lehrerausbildung werden ranggleich zu den Fakultäten eingerichtet. Derzeit müssen die Fachwissenschaften quasi Zuarbeiten für die Lehramtsausbildung leisten, ohne dafür die notwendigen Anreize zu bekommen.

Die Neuordnung soll fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche Inhalte nach vorne bringen, damit die neuen Lehrer nicht nur ihr Fachgebiet beherrschen, sondern vor allem wissen, wie sie es vermitteln und Schüler motivieren können.

Wir haben in Zukunft eine klare Entscheidung, wer den Hut in der Lehrerausbildung wirklich aufhat. Wir haben die klare Regelung: Bis zum Master tragen die Hochschulen die Verantwortung. Diese geht dann mit dem Referendariat auf die Zentren für schulpraktische Studien über.

Das ist ein schlüssiges Gesamtsystem, das es sich auch für die Opposition zu unterstützen lohnt. Ich meine, dass die Reform der Lehrerausbildung der letzte große Wurf, der große Reformbaustein ist, der die Serie unserer Bildungsreformen vervollkommnet.

(Beifall von FDP und CDU)

Wir haben ein neues Schulgesetz auf den Weg gebracht, mit dem wir die individuelle Förderung stärken. Wir haben das Hochschulfreiheitsgesetz auf den Weg gebracht, das ganz neue Anreize beinhaltet und Leistungsprozesse in Gang setzt. Laut Fahrplan werden wir im Oktober ein neues Kinderbildungsgesetz für dieses Land beschließen. Wir haben jetzt mit diesem großen Reformprojekt – mit diesem konzeptionellen Entwurf sind wir bundesweit führend in der Szene – auch die fachliche Unterfütterung für zukünftig mehr Qualität, für mehr Leistung, für mehr Fachlichkeit und Perspektive im Schulbereich. Ich bitte Sie herzlich, diesen Weg zu unterstützen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Witzel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht die Kollegin Dr. Seidl.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Niemand bestreitet, Frau Ministerin Sommer, dass eine Reform der Leh

rerausbildung mit stärkerem Berufsfeld und auch stärkerem Praxisbezug schon während der Hochschulzeit längst überfällig ist. Ich möchte Sie aber auch daran erinnern, dass wir bereits 2002 mit der Reform des LABG, des Lehrerausbildungsgesetzes, als erstes Bundesland im Rahmen von Modellversuchen zur gestuften Lehramtsausbildung die Weichen für eine qualitative Weiterentwicklung der Lehramtsstudiengänge gestellt haben. Das dürfen Sie nicht vergessen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich habe auch noch sehr gut in Erinnerung, meine Damen und Herren, dass die gesamte Schulseite von CDU und FDP damals eine Lehrerausbildung im Bachelor- und Mastersystem als Teufelswerk bezeichnet und strikt abgelehnt hat.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das war eine heftige Debatte. Heute können Sie sich auf der guten Vorarbeit der Modellversuche ausruhen. Sie haben jetzt die Lorbeeren geerntet. So hat auch die Baumert-Kommission den Modellhochschulen in Bielefeld, Bochum, Dortmund, Münster und Wuppertal – eine ganze Reihe wichtiger Hochschulen – ein hohes Niveau der Reformorientierung in der Lehramtsausbildung bescheinigt. Das läuft seit 2002.

Deshalb halten wir es für richtig, dass der von Rot-Grün 2002 initiierte Reformversuch nach einer durchaus kritischen und auch abwägenden Auswertung jetzt in die Fläche übertragen wird. Wir halten es auch für richtig und unterstützen dies ausdrücklich, dass die beiden Phasen der Lehrerausbildung, Hochschulstudium und Referendariat, künftig besser miteinander verzahnt werden sollen.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Genau an dieser wichtigen Nahtstelle zwischen wissenschaftlicher Ausbildung und Schulpraxis fragen wir uns aber: Wie soll die engere Zusammenarbeit zwischen den Studienseminaren und den Hochschulen aussehen? Wie soll diese Zusammenarbeit institutionell abgesichert werden? Dass die bisherigen Studienseminare nun einen neuen Namen bekommen haben und jetzt Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung heißen, klingt ganz hübsch, lässt aber offen, wie die konkrete Ausgestaltung der Curricula und die sogenannte Berufseingangsphase am Ende des Vorbereitungsdienstes aussehen soll.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn das Referendariat zukünftig nur noch halb so lang sein soll, heißt das wohl auch, dass Res

sourcen bei den Studienseminaren frei werden. Auch da erwarten wir von Ihnen noch einige konkrete Konzepte, welche zusätzlichen Aufgaben in den Praxisphasen, im Studium, in der Berufseingangsphase oder auch in der Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern wahrgenommen werden können. Das ist an der Stelle nicht geklärt. Sie setzen hier Geld ein – 100 Millionen € – und die Frage ist, wofür. Geht das in diese Praxisphasen hinein? Geht das in die bessere Zusammenarbeit, oder soll das nur bedeuten, dass neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden? Was heißt das eigentlich? Das hätte ich gerne einmal aufgeschlüsselt.

Ein weiterer kritischer Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen, der in der heutigen Debatte auch offengeblieben ist, lautet: Wie wollen Sie, Herr Minister Pinkwart, ohne eine verantwortliche Landesplanung sicherstellen, dass künftig tatsächlich genügend Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet werden?

(Beifall von den GRÜNEN)

Nicht zuletzt: Woher kommen die entsprechenden Ressourcen, um allen Studierenden nach Abschluss des Bachelorstudiums auch ein Masterstudium zu ermöglichen? Fragen über Fragen!

(Ralf Witzel [FDP]: Hochschulfreiheitsge- setz!)

All diese Fragestellungen haben Sie bislang nur unzureichend beantworten können.

Deshalb sagen wir: Reformziele allein reichen nicht aus. Erst an der konkreten Ausgestaltung wird sich ein neues Konzept zur Reform der Lehrerausbildung wirklich messen lassen.

Wir freuen uns über die weitere Debatte und sehen Ihren konkreten Vorschlägen mit großer Spannung entgegen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Seidl. – Jetzt hat für die Landesregierung Herr Prof. Pinkwart das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir nehmen den gestern veröffentlichten OECD-Bericht ernst und setzen daher die Erneuerung der Bildungspolitik in Nordrhein-Westfalen, die wir vor zwei Jahren eingeleitet haben, nunmehr auch mit der Neuordnung der Lehrerausbildung engagiert und beherzt fort.

(Beifall von CDU und FDP)

Schüler können nur so gut lernen, wie sie unterrichtet werden, und Lehrer können nur so gut unterrichten, wie sie ausgebildet werden. Wir haben deshalb die Lehrerausbildung intensiv und mit Unterstützung renommierter Experten analysiert und auf der Basis dieser Ergebnisse neu gestaltet. Herr Schultheis, Sie sind herzlich eingeladen, den Baumert-Bericht mit dem zu vergleichen, was wir vorgeschlagen haben.

Oberste Maxime ist die Verbesserung der Qualität der Lehrerausbildung. Die neue Lehrerausbildung in Nordrhein-Westfalen setzt dabei ganz im Geiste des Hochschulfreiheitsgesetzes und des BolognaProzesses auf mehr Verantwortung der Hochschulen für die wissenschaftliche und strukturelle Ausgestaltung des Studiums. Mit folgenden drei Eckpunkten streben wir an, das wissenschaftliche Format der Lehrerausbildung zu erhöhen und ihr endlich eine starke Lobby innerhalb der Universität einzuräumen:

(Beifall von der CDU)

Wir wollen erstens den staatlichen Regelungsrahmen auf das notwendige und sinnvolle Maß reduzieren. Wir ersetzen das erste Staatsexamen durch den Masterabschluss, und zwar für alle Lehramtsstudiengänge. Die Qualität des Studienangebots wird in einem Akkreditierungsverfahren überprüft und gesichert. Das heißt, das Land legt fest, was Lehrerinnen und Lehrer mit bestandenem Abschluss können müssen, regelt aber nicht mehr im Detail, wie dieses Ziel von den Hochschulen in der Ausbildung zu erreichen ist.

Wir wollen zweitens die Lehrerausbildung in den Hochschulen insgesamt aufwerten, indem wir selbstständige Zentren für Lehrerausbildung im Range von Fakultäten einrichten. Künftig haben diese Zentren auch die inhaltliche Verantwortung für die Lehramtsstudiengänge. Bisher – das ist eines der großen Probleme gewesen – mangelt es der Lehrerausbildung an einer starken, eigenständigen Position innerhalb der Hochschulen. Wir wollen endlich ernst machen, dass der, der bezahlt, auch bestellt, dass also die für Lehramtsausbildung Zuständigen sagen, welche Qualität auch in der Fachdidaktik sie von den Fachwissenschaften erwarten.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir wollen drittens die Fachdidaktik und die empirische Bildungsforschung – hier ist über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte versäumt worden, für eine entsprechende Ausstattung und Qualität zu sorgen – deutlich stärken. Angehende Lehrerinnen

und Lehrer sollen an der Hochschule nicht nur lernen, was sie später unterrichten, sondern auch, wie sie später unterrichten. Das Studium wird deshalb künftig mehr darauf ausgerichtet sein, dass ein angehender Lehrer, eine angehende Lehrerin nicht nur die wissenschaftlichen Grundlagen des Faches beherrscht, sondern auch lernt, Unterrichtsinhalte bestmöglich und in hohem Maße motivierend zu vermitteln, gerade im Bereich der sogenannten MINT-Fächer, damit wir eine höhere Begeisterung haben und sich junge Menschen stärker auch für Mathematik, Ingenieurwissenschaften und Technik interessieren können.

Mit der Reform geht eine klare Aufteilung der Verantwortlichkeiten einher. Die Hochschulen sind für die Ausbildung der angehenden Lehrerinnen und Lehrer bis zum Masterabschluss zuständig, und die Zentren für schulpraktische Ausbildung, die bisherigen Studienseminare, sind in Zukunft für den Vorbereitungsdienst verantwortlich. Die Gestaltung der neuen Studienstruktur orientiert sich eng an den Empfehlungen der Expertenkommission unter Leitung des Bildungsforschers Prof. Baumert vom Max-Planck-Institut in Berlin, dem ich ebenso wie den Mitgliedern seiner Kommission auch im Namen der Landesregierung sehr herzlich für die geleisteten Vorarbeiten Dank sagen möchte.

(Beifall von CDU und FDP)

Lassen Sie mich abschließend zu den Ressourcen kommen, denen in Wahrheit, wenn ich es richtig wahrgenommen habe, die Hauptbedenken der Oppositionsredner galten. Es kam der Hinweis: linke Tasche, rechte Tasche. Sie haben jahrelang so regiert: linke Tasche, rechte Tasche,

(Beifall von CDU und FDP)

sodass Sie in einer solchen Debatte nichts anderes unterstellen können. Dafür habe ich großes Verständnis. Das ist aber nicht die Haltung der neuen Landesregierung in Fragen der Bildungspolitik, und das wird auch in der Lehramtsausbildung nicht so sein.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn Frau Kollegin Sommer und ich für die Landesregierung nach einer Entscheidung des Landeskabinetts – nach einer sehr fundierten und seriösen Vorarbeit, auch mit unserem Landesfinanzminister Helmut Linssen – mit der Aussage „Bis zum Jahre 2015 wird das Land NordrheinWestfalen über 100 Millionen € zusätzlich für eine qualifizierte Lehramtsausbildung zur Verfügung stellen“ vor die Presse treten, können Sie davon

ausgehen, dass die Mittel auch tatsächlich zusätzlich zur Verfügung stehen.

(Beifall von CDU und FDP)