Protocol of the Session on May 25, 2007

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Frau Gebhard. – Für die CDU spricht nun Kollegin Fasse.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits bei den Schuluntersuchungen im Jahre 2004 in Nordrhein-Westfalen ist gegenüber 1993 eine Zunahme übergewichtiger Schülerinnen und Schüler

festgestellt worden. Dieser Trend hat sich bis heute nicht umgekehrt, sondern verstärkt.

Nach der jüngsten, auch für Nordrhein-Westfalen repräsentativen Kinder- und Jugendgesundheitsstudie des Berliner Robert-Koch-Instituts vom 16. Mai 2007 sind bundesweit 15 % der Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren von Übergewicht betroffen. Dabei steigt der Anteil mit zunehmendem Alter. Bei den Jüngsten im Alter zwischen drei und sechs Jahren sind 9 % übergewichtig. Von den 14- bis 17-Jährigen sind es bereits 17 %.

Die dargestellten Untersuchungsergebnisse sprechen für sich. Die Zunahme von Übergewicht und Fettsucht bei Kindern und Jugendlichen ist zu einer bedeutenden gesundheitspolitischen Herausforderung geworden. Dieser müssen wir uns jetzt alle stellen, zumal die Folgeerscheinungen von Fettsucht im Kindesalter besorgniserregend sind. Es drohen erhöhte Herz-Kreislauf-Risikofaktoren. Die Gefahr von Stoffwechselschäden steigt. Orthopädische und psychosoziale Probleme können vermehrt auftreten. Dies belastet an erster Stelle jeden einzelnen Betroffenen mit seinen persönlichen Zukunftschancen und nicht zuletzt auch unsere Solidargemeinschaft.

Um dieser bedrohlichen Entwicklung entgegenzuwirken, ist neben der Förderung ausreichender Bewegung von Anfang an für alle Kinder die Entwicklung eines gesunden Lebensstils mit ausgewogener Ernährung besonders wichtig.

Ungünstiges Ernährungsverhalten bei Kindern hat vielfältige Ursachen. Die Kollegen sind schon darauf eingegangen. Oft ist das Essverhalten in den Familien mit Alleinerziehenden oder bei Berufstätigkeit beider Elternteile ohne ausreichende Kinderbetreuung die Ursache der Gewichtszunahme. Anstelle von Obst und Gemüse werden zu energiedichte und fettreiche Nahrungsmittel und kalorienreiche Süßgetränke konsumiert.

Angebote für übergewichtige und adipöse Kinder können deshalb nur Erfolg versprechen, wenn sie sich besonders auf die Ernährung beziehen. Hierbei müssen auch die Eltern zur Mitarbeit gewonnen werden. Es muss also zu den Bewegungsangeboten für Kinder unbedingt die Anleitung zu einer ernährungsphysiologisch ausgewogenen Ernährung kommen.

Neben dem falschen Ernährungsverhalten als Ursache für Übergewicht ist es wissenschaftlich erwiesen, dass ein Zusammenhang zwischen Übergewicht und der Tatsache besteht, welchen Bevölkerungsschichten die Kinder angehören. Gewichtsprobleme treten nämlich vermehrt in den

unteren sozialen Schichten auf. Dort wird oft aus finanziellen Gründen – Frau Steffens hat schon darauf hingewiesen – weniger Geld für Frischgemüse und Obst zugunsten von Konserven und Fast Food ausgegeben.

In Nordrhein-Westfalen sind bereits vor der Veröffentlichung der Studie gegen das Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen von der Landesregierung erfolgversprechende Schritte eingeleitet worden. Danach soll bereits in den Kindergärten der Kampf gegen das Übergewicht begonnen werden.

Das Präventionsprojekt „Bewegungskindergarten mit dem Pluspunkt Ernährung“ soll schon bei kleinen Kindern spielerisch gesundheitsbewusstes Verhalten vermitteln. An diesem in der Landesgesundheitskonferenz im Dezember 2005 beschlossenen Projekt beteiligt sich unter anderem auch das MUNLV. Interessierten Kindergärten und Kindertagesstätten mit hohem Anteil an Kindern aus benachteiligten Familien wird nach entsprechender – das ist wichtig – fachkundiger Vorbereitung die Möglichkeit gegeben, das Zertifikat „Anerkannter Bewegungskindergarten mit dem Pluspunkt Ernährung“ zu erwerben.

Die Kindergärten können sich dann qualifiziert und nachhaltig im Bereich Ernährung und Bewegung als Präventionsmaßnahme gegen Übergewicht im Kindesalter weiter kompetent entwickeln. Auf diese Weise wird gesunde Ernährung für die Kinder ein Teil ihrer täglichen Erlebniswelt im Kindergarten. Durch Beteiligung der Eltern wird auch dieser Teil ihrem häuslichen Lebensumfeld angeglichen. Dieses Projekt ist äußerst erfolgreich. Am 2. Februar 2007 konnte bereits das 100. Zertifikat an die Städtische Tageseinrichtung für Kinder „Ursulinenstraße“ in Duisburg-Rheinhausen verliehen werden.

Durch das MUNLV ist darüber hinaus Ende letzten Jahres als erfolgversprechende Strategie gegen Übergewicht und Fettleibigkeit bei Kindern das Projekt „NRW fördert gesunde Ernährung in Schulen“ in fünf Kommunen auf den Weg gebracht worden. Schülerinnen und Schüler sollen in der Schule eine gesunde und auch ausgewogene Ernährung erhalten können.

Damit werden zwei Ziele verfolgt. Einmal soll Übergewichtigkeit vermieden werden und zum anderen die Lernleistung erhöht werden. Im Hinblick auf den beabsichtigten Ausbau von über 200.000 Ganztagsschulplätzen im Primarschulbereich bis 2010 ist hier ein bedeutender Schritt zum gesunden Ernährungsverhalten der Schulkinder unternommen worden.

Das in Krefeld, Essen, Langenfeld, Recklinghausen und Marl begonnene Schulprojekt wird ohne Zweifel erfolgreich sein. Das MUNLV hat nämlich als Partner und Träger die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ausgewählt. Sie wissen, dieser Partner verfügt über Praxiserfahrung und ist mit seiner Gruppe Ernährung schon jahrelang an Schulen und Kindertagesstätten tätig. Auch dieses Projekt wird neben den dargestellten Aktivitäten in Kindergärten nicht ohne Einfluss auf das Ernährungsverhalten der Kinder innerhalb ihrer Familien bleiben. Durch einen Erfahrungsaustausch zwischen den Schulen, der auch vorgesehen ist, werden möglichst viele Schulkinder von dieser Initiative profitieren können.

Meine Damen und Herren, die dargestellten Projekte der Landesregierung können nur die einhellige parlamentarische Unterstützung und Zustimmung erfahren. Für uns alle ist Gesundheit und Wohlergehen der Kinder das höchste Gut. Kinder sind unsere Zukunft und die Zukunft unseres Landes. Für dieses Gut ist jede Anstrengung mehr als lohnenswert. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Fasse. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Kollege Groth.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Laumann, ich muss schon sagen: Bewegungsfreudige Schule, tägliche Sportstunde – erfunden haben Sie das ja nicht. Das haben Sie übernommen. Konzeptionell ist das von den Grünen entwickelt worden. Das ist auch eine gute Geschichte, nur Sie machen nichts weiter daraus.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie versäumen in dieser Frage die Zukunft. 25 Grundschulen in Nordrhein-Westfalen machen dieses Projekt. Sie müssen das ausweiten auf 250, auf 2.500, denn wir haben über 3.000 Grundschulen in Nordrhein-Westfalen. Das ist ein Kleckerkonzept. Sie weiten es nicht aus, Sie reformieren es nicht. Sie verpassen in dieser Frage die Zukunft.

(Beifall von den GRÜNEN)

Genauso ist das auch mit der bewegungsfreudigen Schule. Da muss man Sie zum Jagen tragen, damit dieses alles weitergeführt wird, was wir angefangen haben. Sie müssten das ausbauen. Sie müssten das auf einen Stand bringen, damit es in Nordrhein-Westfalen wirklich eine Chance für

Kinder gibt, die hier gerade im Bereich Gesundheit benachteiligt sind.

Wenn Sie über Benachteiligung in der Gesundheit reden, dann frage ich Sie: Warum ist denn der organisierte Sport immer noch nicht in der Gesundheitskonferenz vertreten?

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das ist ein Versäumnis, das Sie auch zu verantworten haben. Warum ist der organisierte Sport, der so viel für Prävention und Gesundheit tut, nicht im Integrationsbeirat? Das hat Herr Laschet zu verantworten. Auch Herr Wolf hat als Sportminister seine Verantwortung in dieser Frage.

Im gesamten Bereich Sport und Bewegung, der so präventiv für Kinder und Jugendliche wirkt, tun Sie nichts; Sie bauen nur ab. Was ist mit dem Projekt „schwer mobil“? Warum bauen Sie das nicht auf? Sie müssen etwas drauflegen und Konzepte entwickeln. Sie können sich nicht mehr herausreden, dass Sie irgendwann nicht regiert haben. Sie regieren schon seit zwei Jahren. Sie werden eingehen in die Geschichte als diejenigen, die das zu verantworten haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie schwächen zurzeit die Prävention und die Funktion von Sport und Bewegung bei Kindern und Jugendlichen. In diesem Bereich gibt es nur Abbau. Die erweiterte offene Ganztagshauptschule wartet darauf, dass sie ein Konzept für Sport und Bewegung bekommt. Es muss ein Rahmenvertrag mit den Sportorganisationen geschlossen werden, damit der Sport gut vertreten ist. Wir haben es damals zu rot-grüner Zeit mit den Grundschulen gemacht. Bei der erweiterten offenen Ganztagsgrundschule gibt es einen Rahmenvertrag. Da ist es organisiert, dass Sport und Bewegung im Ganztag eine Rolle spielen. Was ist mit den Hauptschulen? Handeln Sie da endlich.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Sie haben die spezielle Fortbildung für die Sportlehrer und auch für die fachfremden Lehrer gecancelt. Es gibt für Sport keinen speziellen Fortbildungstopf mehr. Sie bilden auch die fachfremden Lehrer nicht fort, damit sie Sport und Bewegung an den Grundschulen tatsächlich so in den Unterricht einbringen können, wie es für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen notwendig ist.

Sie sorgen nicht für ein angemessenes Angebot an Sportstätten, nicht für ein angemessenes Angebot an Schwimmhallen. Jetzt werden Sie sich herausreden und sagen: Dafür sind wir überhaupt

nicht zuständig; das müssen die Kommunen in Nordrhein-Westfalen machen. Nein, meine Damen und Herren, Sie sind dafür auch zuständig, denn Sie sind verantwortlich für die kommunalen Finanzen und für den Niedergang, den wir dort zu erleben haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Sylvia Löhr- mann [GRÜNE]: Sehr richtig!)

Gerade Kinder aus benachteiligten Elternhäusern können keinen Eintritt in Sporthallen und Schwimmbäder bezahlen.

(Zuruf von Marie-Luise Fasse [CDU])

Sie müssen auch bei Hartz IV darauf achten, dass mit dem wenigen Geld diese Kinder an dem Sportangebot eines Vereins teilhaben können, um gesund bleiben zu können. Auch das tun Sie nicht.

Sie sorgen auch nicht für eine angemessene Fortbildung, und Sie haben bislang Sport und Bewegung im ersten Bereich der Lehrerausbildung, im universitären Bereich, nicht angemessen verankert. Da könnten wir Herrn Pinkwart ansprechen – der ist jetzt auch weg –, auch der hat das mit zu verschulden.

(Zuruf von der FDP: Hallo, hier ist er!)

Ach, da ist er ja. Guten Morgen, Herr Pinkwart!

Wir haben auch nicht Sport und Bewegung in die zweite Phase der Lehrerausbildung integriert. Auch da wäre es unterzubringen. Sie tun also nichts in diesem Bereich.

Das Einzige, was geschehen ist, ist, dass Herr Henke da etwas auf dem Ärztetag und heute hier eingebracht hat. Dafür sind wir ihm dankbar. Aber Sie können sich nicht darauf zurückziehen, dass Sie es einbringen, Sie müssen auch etwas tun. Sie haben zwei Jahre versäumt; da haben Sie nichts getan.

(Beifall von den GRÜNEN)

Machen Sie endlich eine Konzeption für Sport, Bewegung und Gesundheit bei den Kindern. Dann werden wir anders darüber reden können, und dann beruhige ich mich auch wieder. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Groth. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Abgeordneter Lindner.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Jetzt kommt das Kampfschwein!)

Man wird’s sehen.