Protocol of the Session on May 4, 2007

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Wolf. – Als nächster Redner spricht nun für die SPD-Fraktion der Kollege Körfges.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie ein bisschen mehr Ihre eigene Identität gewahrt hätten, dann hätten Sie sich meine Wortmeldung erspa

ren können, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP. Die Wendehalsvorstellung, die Sie gegeben haben, ist kaum noch nachvollziehbar, obwohl wir eigentlich hochzufrieden sein müssten. Das, was der Kollege Bovermann eben gesagt hat, was dann nach wissenschaftlichen Exkursionen der Parlamentsmehrheit von Ihnen festgestellt worden ist, entspricht fast wörtlich dem, was die SPD-Landtagsfraktion und die SPD in Nordrhein-Westfalen seit Jahr und Tag zu Kumulieren und Panaschieren sagen. – Willkommen im Klub. Nur, meine Damen und Herren, Sie müssen sich allen Ernstes fragen lassen, wie Sie das mit Ihren Aussagen bis hin zum Koalitionsvertrag in Übereinstimmung bekommen wollen.

(Beifall von der SPD)

Insoweit kann ich nur sagen: Wenn es um Eiskunstlaufen ginge, bekämen Sie für die Pirouetten, die Sie gedreht haben, Höchstwertungen.

(Beifall von der SPD)

Darüber hinaus will ich mir zur aus unserer Sicht entscheidenden Frage – von daher ist mit Anlehnung nicht so viel, Herr Minister Wolf – der Stichwahl noch eine kleine Anmerkung erlauben. Ich zitiere etwas, was ich im Internet gefunden habe:

„Der zweite Wahlgang verschafft dem späteren Amtsinhaber ein Wahlergebnis von über 50 %. Dadurch ist er wesentlich besser legitimiert als ein im ersten Wahlgang mit vielleicht 30 % gewählter. Deshalb muss die bewährte Stichwahl erhalten bleiben.“

Herr Dr. Wolf, das ist die Stellungnahme der bayerischen FDP zum Versuch des bayerischen Ministerpräsidenten, der CSU angehörig, die Stichwahl abzuschaffen.

(Beifall von der SPD)

Meiner Ansicht nach wären Sie gut beraten, sich auch dort zu informieren. Wenn jemand als gestandener Jurist versucht, dem geneigten Publikum und der Fachöffentlichkeit klarzumachen, dass eine Mehrheitswahl und eine personalisierte Verhältniswahl gleichzusetzen sind, dann ist das beinahe ein Verstoß gegen die guten Sitten innerhalb der juristischen Fachwelt.

Meine Damen und Herren, das, was Sie miteinander vergleichen, lässt sich nicht miteinander vergleichen. Eine Bundestagswahl mit der Wahl eines einzelnen Bewerbers, einer einzelnen Bewerberin in einer direkten Persönlichkeitswahl zu vergleichen, ist beinahe eine Frechheit und macht deutlich, dass es sich bei Ihnen nur um Taktik,

Parteipolitik und Machtinteresse handelt. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Nun hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen noch einmal Kollege Becker das Wort.

Herr Minister Wolf, zunächst einmal möchte ich Ihnen gerne mit auf den Weg geben – vielleicht denken Sie einmal darüber nach –, dass die vorderste Aufgabenstellung der Opposition nicht darin besteht, Gesetzentwürfe so einzubringen, dass Sie damit zufrieden sind. Wenn Sie uns darauf hinweisen, dass wir Ihnen nicht gefolgt sind, wenn Sie den Wegfall der Stichwahl vorschlagen, dann ist das – das muss ich so sagen – ein derartiges Ausmaß an Arroganz, was ich selten erlebt habe.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Zweite Bemerkung, die ich Ihnen gerne auf den Weg geben möchte. Die gilt auch für die Redner von FDP und CDU. Wer über die Wahlbeteiligung in der Stichwahl fabuliert und deren Wegfall damit begründet, dass da die Wahlbeteiligung niedriger sei als im ersten Wahlgang, wer den bürokratischen Aufwand in Zusammenhang mit Wahlen im Munde führt und gleichzeitig die Wahlbeteiligung im ersten verringert, weil er Wahlen entkoppelt und damit den bürokratischen Aufwand in die Höhe treibt, der muss sich vorhalten lassen, dass er zumindest, gelinde gesagt, nicht konsequent ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dritte Bemerkung: Wer wie die CDU in der letzten Wahlperiode in Drucksache 13/25 ausdrücklich – ich sage es noch einmal – kumulieren und panaschieren vom Gesetzgeber fordert und das als Stärkung der Bürgerrechte und der Demokratie benennt und jetzt sagt, dass, wenn die Grünen das beantragen, das ein Akt von Bürokratie wäre und dass das alles nicht vernünftig wäre, dass alles nicht umzusetzen sei, weil NRW so unvergleichbar groß sei, den frage ich, …

Herr Kollege Becker!

… wieso er das in der letzten Wahlperiode nicht gemerkt hat. Natürlich beantworte ich gerne die Zwischenfrage, bevor ich mit meiner Rede am Ende bin.

Den letzteren Hinweis greife ich gerne auf und mache ihn mir zu Eigen. Bitte schön, der Kollege Jostmeier hat das Wort für seine Zwischenfrage.

Dafür vielen Dank, Frau Präsidentin! Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie das großzügigerweise beantworten wollen. Sie haben jetzt mehrfach auf die Drucksache 13/1325 aus der vergangenen Wahlperiode hingewiesen. Ich war an der Formulierung beteiligt, wie Sie sich denken können.

Ich weiß nicht, ob und inwieweit Sie sich mit der Geschichte und den Reden, die damals gehalten wurden, befasst haben. Ich möchte Sie Folgendes fragen: Warum hat Ihre Fraktion – das war ja ein Dachantrag, er betraf auch die Verkleinerung des Parlamentes, eine Verkleinerung der Fachausschüsse und so weiter und so fort, vieles von dem haben wir damals ins Werk gesetzt – damals mit fast exakt den gleichen Argumenten, die heute zum Beispiel von meinem Kollegen Hüsken, vonseiten der FDP und von Dr. Wolf vorgetragen worden sind, diesen Antrag abgelehnt? Warum? Hat das damit zu tun, dass jetzt ein Rollenwechsel stattgefunden hat? Mit welcher Begründung haben Sie damals Nein gesagt?

Das kann ich Ihnen beantworten. Zunächst einmal ist es kein Geheimnis, dass es auch in der alten Koalition nicht in allen Punkten Einvernehmen gab. An diesem Punkt hat sich der Koalitionspartner durchgesetzt. Sie können gleich gerne noch eine Zwischenfrage stellen. Hören Sie aber erst bis zum Ende zu!

Zweitens waren in dem Antrag insgesamt sechs Punkte, wenn ich mich richtig erinnere, ich könnte es noch mal nachschauen. Ich habe ihn hier. Nicht alle Punkte waren aus unserer Sicht zu begrüßen. Aber es waren einige Punkte zu begrüßen.

Entscheidend ist also nicht, ob wir damals innerhalb des Koalitionsvertrages Kumulieren oder Panaschieren nicht durchsetzen konnten, sondern entscheidend ist, dass Sie es erstens damals gefordert haben, dass Sie es zweitens noch im Wahlkampf gefordert haben und dass Sie es drittens noch im Koalitionsvertrag verankert haben. Und jetzt bringen Sie plötzlich Argumente, zu denen ich Ihnen deutlich sagen muss: Wenn Sie das alles damals ernst gemeint hätten, müssten Sie das auch heute durchsetzen. Sie müssten zumindest das prüfen, was Sie hier im Landtag mit Ihrem Koalitionsvertrag, als Herr Rüttgers seinerzeit angetreten ist und ihn vorgestellt hat, großzügig

versprochen haben. Und das prüfen Sie nicht, indem Sie mit Herrn Engels nach Stuttgart fahren, sondern das prüfen Sie, indem Sie im Landtag ordentliche Anhörungen durchführen und Sachverständige einladen und so Ihre Argumente auf den Prüfstand stellen, anstatt hier einen solchen Unsinn zu erzählen, wie Herr Engels das eben gemacht hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Kollege Becker, gestatten Sie noch eine weitere Zwischenfrage der Kollegin Gödecke?

Ja, selbstverständlich.

Herr Kollege Becker, stimmen Sie mir zu, dass Kollege Jostmeier mit seiner Zwischenfrage noch einmal deutlich gemacht hat, dass die CDU-Fraktion nach wie vor Kumulieren und Panaschieren gerne einführen würde?

Frau Kollegin Gödecke, so gerne ich Ihnen zustimme, bei der CDU bin ich mir nie so sicher, was sich dahinter verbirgt, wenn solche Äußerungen kommen. Die einen würden gerne zustimmen und dürfen nicht; die anderen sind aber heimlich immer dagegen gewesen und durften das früher nicht und können es heute. Deswegen bin ich mir unsicher, wo da die Mehrheit ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Nun hat noch einmal für die Landesregierung Herr Minister Dr. Wolf das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal klarstellen, dass der Koalitionsvertrag ausdrücklich einen Prüfauftrag vorsah. Wie wir eine solche Prüfung durchführen, ist sicherlich unsere Sache. Das darf ich für die Koalition sicherlich sagen. Wenn ein Ergebnis vorliegt, ist das so.

Im Übrigen, Herr Becker, war entlarvend, was Herr Jostmeier Ihnen gesagt hat. Die Fraktion der Grünen ist wie ein Wackelpudding. Sie haben sich in der alten Legislaturperiode für die Entkopplung der Wahlzeiten ausgesprochen,

(Horst Becker [GRÜNE]: Schauen Sie in den Spiegel!)

davon wollen Sie gar nichts mehr wissen. Sie waren früher gegen Kumulieren und Panaschieren. Jetzt sind Sie plötzlich dafür. Wir werden nicht alle Ihre Volten mitmachen.

Was den Kollegen Körfges anbetrifft, wundere ich mich schon, wenn er plötzlich die Wahl eines Souveräns, nämlich eines Abgeordneten zum Deutschen Bundestag oder jetzt zum Landtag, plötzlich kleinredet, als ob es gar nicht darauf ankäme, er sei nicht so wichtig wie ein Bürgermeister, dann weiß ich nicht, welches Verständnis Sie haben.

(Beifall von der FDP)

Sie sind auch ein Listenabgeordneter, nicht direkt gewählt. Diejenigen, die direkt worden gewählt sind und die am Ende etwa um die 46 % erhalten haben, dann ist das doch eine deutliche Mehrheit. Wenn ein Bürgermeister im ersten Wahlgang 45 % und der Gegner 35 % erreicht, dann ist das ein demokratisch legitimierter Bürgermeister. Er wird im Zweifel von mehr Leuten gewählt worden sein als jemand heute im zweiten Wahlgang.

(Beifall von CDU und FDP)

Da hilft Ihnen alle Rabulistik nichts.

Es ist auch deutlich geworden, dass schon im alten System 75 % gar nicht in den zweiten Wahlgang gehen mussten. Also erzählen Sie doch bitte nicht, dass das sozusagen ein zwingendes Instrument zur Aufrechterhaltung der Demokratie sei. Wir haben es Ihnen dargelegt: Das ist eine politische Differenz, die uns trennt. Insofern können Sie es nicht mit dem Vorwurf juristischer Unsauberkeit – ich meine, das können Sie ja gerne immer wieder tun – verbinden.

(Zurufe von der SPD)

Es ist absolut stimmig. Bedenken Sie bitte, dass jeder Abgeordnete zum Bundestag, Landtag, Kreistag oder Stadtrat auch mit einfacher Mehrheit gewählt wird. Dass am Ende nicht überall mit geringen Prozentsätzen obsiegt werden wird, ist doch völlig klar. Denn bereits heute, also im bisherigen System, werden manchmal gemeinsame Kandidaten aufgestellt.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Man kennt sich und man hilft sich!)

Das machen Sie doch auch.