Protocol of the Session on May 3, 2007

Ich habe gestern Abend – „Vergnügen“ kann man nicht sagen – die Gelegenheit gehabt, mit mehr als 60 Vertreterinnen und Vertretern von in kommunaler und freier Trägerschaft befindlichen Kindertagesstätten zu diskutieren. Das, was die kommunalen Spitzenverbände zu diesem Gesetzesvorhaben sagen, wird auch an der Basis geteilt. Es ist nicht akzeptabel, dass das Land seine Risiken zulasten der kommunalen Familie begrenzen will, indem es seine eigene Förderung deckelt; diese Aussage ist nicht von uns, sondern von Herrn Schramma, dem Präsidenten des Städtetages Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie sanieren Ihren Haushalt durch die Streichung des Anteils der Kommunen an der Grunderwerbsteuer – und das, obwohl sich die Kommunen nach wie vor in einer dramatischen Haushaltssituation befinden.

An Ihrer Stelle wäre ich auch mit Blicken in die Vergangenheit sehr vorsichtig. Ich würde zum Beispiel dem Kollegen Lorth, aber auch der CDUFraktion insgesamt die Anträge der CDULandtagsfraktion aus der letzten Wahlperiode zur Lektüre empfehlen; die Überschriften lauten beispielsweise „Selbstverwaltung sichern – Rechte der Kommunen stärken“ und „Rettet die Kommunen“.

Ich habe auch in Plenarprotokollen nachgelesen, was Sie alles gesagt haben. Sie haben höhere Mittelzuweisungen für die Kommunen gefordert. Angesichts Ihrer konkreten Politik ist dies ziemlich schwierig, es sei denn, man rechnet den Kommunen die Einnahmen, die ihnen zustehen, gegen, greift ihnen in die Tasche und sagt: Wir lassen euch die Hälfte, und damit seid ihr gut bedient.

Wir haben darüber hinaus die Aussage gefunden, dass Aufgaben immer nur dann verlagert werden sollen, wenn auch die entsprechende Finanzierung erfolgt. Meine Damen und Herren, wenn Sie die damals von Ihnen postulierten Forderungen noch heute glaubwürdig vertreten würden, dann müssten Sie dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zustimmen. Die Überschrift übernehmen wir dann gerne: „Rettet die Kommunen – allerdings vor der schwarz-gelben Landesregierung“.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Besonders erstaunt hat mich dann eine Forderung, die seinerzeit vehement – man höre und staune – von der FDP unterstützt worden ist, Herr Wolf, nämlich die nach einer stärkeren institutionellen Teilhabe der kommunalen Spitzenverbände an kommunalrelevanten Entscheidungen des Landtags; in der Drucksache 13/182 können Sie nachlesen, was Sie damals verlangt haben. Angesichts der Art und Weise, wie Sie mit der Kritik der kommunalen Spitzenverbände hier und jetzt umgehen, würde Ihnen – das kann ich nur betonen – die Lektüre Ihrer eigenen Anträge aus der Vergangenheit sicherlich sehr gut tun.

Der Städtetag befürchtet, dass die geplante Änderung des § 107 GO NW zu gravierenden Einschränkungen des Wettbewerbs innerhalb der kommunalen Familie führt, die letztendlich zulasten der Bevölkerung, der Bürgerinnen und Bürger gehen. Meine Damen und Herren, dem ist aus unserer Sicht nichts hinzuzufügen. Sie gefährden durch die von Ihnen beabsichtigte Änderung den Lebensstandard und die Infrastruktur der Kommunen, also letztendlich die kommunale Selbstverwaltung vor Ort.

Gleichzeitig wird das Sparkassengesetz zur Reform angemeldet. Auch dagegen haben sich der

Städtetag Nordrhein-Westfalen, die kommunale Familie, die Sparkassenverbände, die Verwaltungsräte der Sparkassen in unserem Land deutlich ausgesprochen. Sie haben sich dann an den soeben so hochgelobten Herrn Minister Linssen gewandt. Er hat all die, die sich gemeldet haben, einer qualifizierten Antwort offensichtlich nicht teilhaftig werden lassen. Ich zitiere wieder wörtlich:

„Das Konzept der Sparkassenverbände und der kommunalen Spitzenverbände findet sich bislang nicht in den Planungen des Ministeriums wieder.“

Meine Damen und Herren, es ist bezeichnend, wie Sie mit dieser Kritik umgehen. Wer Stammkapital – egal, wie Sie das Kind jetzt nennen wollen – ins Sparkassengesetz hineinschreibt, der muss wissen, dass er langfristig Tür und Tor für die Privatisierung unserer Sparkassen öffnet. Auch das ist ein Anschlag auf die kommunale Familie.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Darüber hinaus möchte ich – ich will jetzt nicht alle zitieren, denn das würde den zeitlichen Rahmen erst recht sprengen – auf ein paar Stimmen aus der CDU aufmerksam machen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: O-Töne sind doch so beliebt!)

Es ist nicht nur der Duisburger oder Krefelder Oberbürgermeister, sondern es sind auch Landräte und Bürgermeister aus so ziemlich allen Gebieten unseres Bundeslandes, die sagen: Lasst ab davon. Macht Schluss mit eurer kommunalfeindlichen Politik. Lasst ab von diesem Credo „Privat vor Staat“. – Denn die Leidtragenden Ihrer Politik, meine Damen und Herren, sind die Menschen vor Ort.

Die Einheitlichkeit der Lebensbedingungen in unserem Land ist bedroht. Überall da, wo Sie großzügigerweise auf Landeszuweisungen verzichten, sind die Städte und Kommunen zum Einspringen gezwungen. Es gibt welche, die es etwas besser können, und es gibt welche, die es aufgrund ihrer finanziellen Situation gar nicht mehr können. Das bedeutet: Die Kommunen verringern die Angebote vor Ort, oder Sie treiben die Kommunen dazu, die Gebühren für die Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen.

Meine Damen und Herren, das ist kommunalfeindlich. Das ist ein unerhörtes Verhalten, wie es das Land Nordrhein-Westfalen noch nicht gesehen hat.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Und das hat Plan. Frau Kollegin Löhrmann hat darauf hingewiesen: In der Vergangenheit haben sich alle großen Änderungen, die sich auf die Kommunen bezogen haben, immer im partei- und fraktionsübergreifenden Konsens und in einem ausführlichen Dialog befunden. Sie haben den Weg dieses Konsenses verlassen.

Meine Damen und Herren, wir werden dem vorliegenden Antrag zustimmen und hoffen, dass sich auch innerhalb der größeren Regierungsfraktion vielleicht nicht hier und heute, aber im Laufe der nächsten Wochen an der einen oder anderen Stelle die Erkenntnisse, die ihre Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker vor Ort schon lange haben, durchsetzen. Es stellt sich unserer Meinung nach nicht die Frage, ob wir „Privat vor Staat“ machen. Unserer Meinung nach muss in die kommunalpolitische Situation, durch den Landtag geprägt, wieder Vernunft statt Ideologie einkehren. – Ich bedanke mich.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die Fraktion der FDP hat der Kollege Engel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Löhrmann, mit vermeintlich scharfer Waffe – könnte man glauben – wollen Sie und auch die SPD, Herr Körfges, die Koalition im Nachklapp auch mit dem Entschließungsantrag zu einem Kurswechsel zwingen. Vermutlich! Es kann Ihre Absicht sein.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Zur Vernunft bringen!)

Aber dazu braucht man natürlich ein anderes Kursbuch, mit verlässlichen Daten, nach vorne gewandt, und keinen schrillen Vortrag in der Art und Weise, wie Sie ihn gebracht haben. Wir wissen, Lautstärke ist nie ein guter Ersatz für vernünftige Argumente.

(Martin Börschel [SPD]: Einsicht reicht, Herr Kollege!)

Übrigens, Herr Körfges, gilt das in Teilen auch für Sie.

(Zurufe von Frank Sichau [SPD])

Statt Kurswechsel, Frau Löhrmann, die Beschreibung einer Weltuntergangsstimmung! Vermutlich meinen Sie sich aber selber. Denn die Stimmung im Land ist ja eine völlig andere: nicht pessimistisch, sondern optimistisch. Sie sprechen immer von Pessimismus.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ich spreche von falscher Politik!)

Sie sprechen von Sorgen und Nöten. Das ist alles nicht wahr.

Was soll Ihr Antrag zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich bewirken? Sie hätten ja auch sagen können: 48 Tage, 52 Wochen oder zwei Jahre. Wie auch immer: Das ist einfach nur gegriffen.

Mir scheint nur eines klar: Sie wollen sich mit diesem Antrag wahrscheinlich zuverlässig weiter von jeglicher Haushaltskonsolidierungspolitik verabschieden. Nicht mit uns, Frau Löhrmann! Ich sage Ihnen das ganz deutlich, auch Ihnen, Herr Körfges. Die im letzten Jahr einberufene Kommission zur Haushaltskonsolidierung war also tatsächlich nur Show. Sie haben offensichtlich nie die Absicht gehabt, ernsthaft an der dringend notwendigen Haushaltskonsolidierung positiv mitzuarbeiten. Mit dieser Haltung setzen Sie Ihren Kurs der Verschuldungspolitik fort. Etwas anderes kann man diesem Antrag überhaupt nicht entnehmen. Sie haben es wohl noch nicht gemerkt: Die Grünen rudern mit der SPD zurück, und das mit täglich steigender Schlagzahl. Oder ist Ihr Antrag immer noch Trauerarbeit, Trauerarbeit wegen der verlorenen Landtagswahl 2005?

(Frank Sichau [SPD]: Nein!)

Versuchen Sie doch einfach einmal, die Realität zur Kenntnis zu nehmen, der Realität ins Auge zu blicken.

(Martin Börschel [SPD]: Das treibt uns ja zur Trauer! – Weitere Zurufe)

Herr Kollege, melden Sie sich doch, dann können Sie gleich reden, statt hier dazwischenzurufen.

(Frank Sichau [SPD]: Das ist parlamentari- sche Praxis!)

Die jungen Leute und auch die etwas älteren Gäste oben auf den Zuschauertribünen hören sehr genau zu, was wir hier sagen. – Die Realität, meine sehr verehrten Damen und Herren von RotGrün, das ist Ihre Hinterlassenschaft, mit der wir uns hier rumplagen müssen.

(Beifall von FDP und CDU)

Ich sage es noch einmal – auch für die jungen Leute –: Wir müssen 13,2 Millionen € Zins und Zinseszins zahlen.

(Zurufe von der CDU: Täglich!)

Jetzt sagen Sie auf den Zuschauertribünen vielleicht: Das ist ja nicht so viel. – Meine sehr verehr

ten Damen und Herren, 13,2 Millionen täglich – täglich! – müssen wir zu den Banken tragen. Die hätten wir natürlich gerne. Das ist die Hinterlassenschaft, mit der wir uns rumschlagen müssen.

(Beifall von FDP und CDU)

Das Land Nordrhein-Westfalen, Frau Löhrmann und Herr Körfges, ist nach wie vor in einer finanziellen Notlage. Überhaupt keine Frage! Ich sage noch einmal mit Blick auf die komplett besetzten Zuschauertribünen: Wenn wir einen verfassungskonformen Haushalt verabschieden, heißt das noch immer neue Verschuldung, Nettoneuverschuldung. Es gibt nichts zu verteilen. Das geht erst, wenn wir den Haushalt ausgeglichen haben, wenn sich Einnahmen und Ausgaben also die Waage halten.

Wir würden natürlich, Herr Körfges und auch Frau Löhrmann – in Anführungszeichen –, „tolle“ Initiativen zugunsten unserer Bürgerinnen und Bürger ergreifen, insbesondere zugunsten benachteiligter Familien, wenn wir das Geld dazu hätten. Wir haben es aber nicht.

Sie sollten sich hier heute nicht so aufplustern. Vielmehr sollten Sie sich schämen, dass Sie uns so etwas hinterlassen haben.