Protocol of the Session on March 29, 2007

Frau Kollegin Düker, Herr Moron, wir erinnern uns sicherlich gemeinsam an die Debatte hier im Landtag am 22. Juni 2001. Herr Moron, Sie haben die Jahre 2000 und 2001 angesprochen. Wir haben damals, Frau Kollegin Düker, über die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage Ihrer Fraktion zum Thema Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen intensiv debattiert. Ich erwähne dies ausdrücklich, weil die neue Landesregierung nicht nur alle damals begonnenen Programme konsequent fortführt, sondern in den letzten ca. 20 Monaten eine ganze Reihe von neuen und weiteren Maßnahmen ergriffen hat.

Ein Entschließungsantrag von CDU und FDP lag bei Beginn des heutigen Tagesordnungspunkts dem Präsidium vor. Er müsste eigentlich in den nächsten Sekunden verteilt werden. Ich kann im Moment nicht beurteilen, woran es liegt, und bedauere es außerordentlich, dass er noch nicht vorliegt. Wir erwähnen in diesem Entschließungsantrag eine ganze Reihe neuer Maßnahmen, unter anderem die Aufklärungs- und Präventionsarbeit in örtlichen Vereinen, insbesondere in Sportvereinen.

Neben allen Aussteigerprogrammen aus der rechtsextremen Szene müssen wir uns allerdings mindestens ebenso intensiv damit beschäftigen, wie wir den Einstieg verhindern. Ganz sicher, verehrte Kolleginnen und Kollegen, erzielen wir in diesem Haus Einvernehmen darüber, dass gut

aufgeklärte und gut informierte Bürgerinnen und Bürger der beste Schutz gegen extremistische Ströme in unserer Gesellschaft sind. Deswegen kommen Bildung und Erziehung eine so hohe Bedeutung zu. Deswegen ist die hundertprozentige Erteilung fachversierten Unterrichts auf diesem Gebiet in den entsprechenden Fächern, und das nicht nur in der Sekundarstufe I, so wichtig.

Frau Kollegin Düker, allerdings sage ich genauso klar: Wer über Jahre hinweg eine Multikultipolitik ohne Konzept betreibt, wer über Jahre hinweg die Verfestigung von Parallelgesellschaften zulässt, wer der notwendigen Integrationsaufgabe in unserem Land nicht gerecht wird – Sie haben in Ihrem Beitrag vorhin von der Akzeptanz der Desintegration in unserer Gesellschaft gesprochen und davon, warum wir eigentlich, was aus meiner Sicht erfreulich ist, ein entsprechendes Fachministerium Integration eingerichtet haben –, wer die Beachtung von Recht und Ordnung und die Wertevermittlung treiben lässt, der darf sich über Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft nicht wundern. Ich bin Herrn Moron ausdrücklich dankbar, dass er klar und deutlich die Beachtung von Recht und Gesetz angesprochen hat.

Ich erkenne an, Frau Düker, dass auch bei den Grünen in vielen Bereichen eine neue Nachdenklichkeit begonnen hat. Sie haben in Ihrem Beitrag von der notwendigen Wertevermittlung – das hat man so lange nicht gehört – und auch von der Beachtung von Grundwerten gesprochen. Herr Moron hat den Begriff „law and order“ hier richtigerweise in den Mund genommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, wir leben insgesamt in einer stabilen Demokratie, in einem demokratischen und liberalen Rechtsstaat. Deutschland wird – ernsthaft diskutiert – weder von rechts noch von links bedroht. Wir müssen allerdings der Vermittlung und Beachtung von kulturellen und moralischen Normen und Werten, von Traditionen und Rechtsbewusstsein quer durch alle Bildungs- und Erziehungseinrichtungen mehr Beachtung schenken, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Wir bekennen uns bei der Bekämpfung des Rechts- und natürlich auch, Frau Düker, Herr Moron, bei der Bekämpfung des Linksextremismus – von der Zunahme und der Bedeutung der autonomen Zellen in Nordrhein-Westfalen ist gar nicht gesprochen worden – zu langfristig angelegter Prävention und zu kurzfristiger Repression. Wir brauchen beides, weil wir die Täter und Schläger von heute nicht durch Prävention erreichen. Die CDU-Fraktion und die neue Landesregierung werden nicht lockerlassen, wenn es in den nächs

ten Jahren um die Bekämpfung von Extremismus, Gewalt und Kriminalität geht.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kruse. – Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Engel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Moron, Frau Düker, es schaut niemand weg. Rechtsextremismus ist ein Phänomen, das viele Facetten besitzt und in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Milieus vorkommt. Liberale Politik steht diesem komplexen Phänomen, das ich heute nur skizzieren kann, wehrhaft gegenüber.

Der politische Liberalismus kennt viele „Vorurteile“. Eines dieser „Vorurteile“ ist ja gerade, nüchtern und sachlich die Analyse zu gestalten, um dann politische Antworten zu finden. Zu differenzierten Antworten gehört, die Ursachen von Rechtsextremismus konsequent zu benennen, auch und gerade weil sie so vielschichtig sind.

Einigkeit besteht in der politischen Bewertung, dass vor allem Zivilcourage und politische Aufklärung notwendig sind.

Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten hat einen neuen Negativrekord erreicht. Wie das Bundesinnenministerium am Dienstag in Berlin mitteilte, hatten wir im vergangenen Jahr den höchsten Stand politisch rechts motivierter Straftaten seit der Einführung des entsprechenden Definitionssystems im Jahre 2001. Genaue Daten wird es geben, sobald die Abstimmung über die Fallzahlen mit den Ländern beendet ist.

Nach Zeitungsinformationen stieg im vergangenen Jahr die Zahl rechter Straftaten um 14 % auf mehr als 18.000 Delikte. Damit ist der bisherige Rekord von 2005 mit 15.914 Straftaten leider übertroffen worden. Auch bei den rechten Gewalttaten hat es eine Zunahme gegeben, und zwar um 8 % auf etwa 1.100 Delikte.

Ein Lied davon kann zum Beispiel auch das Land Schleswig-Holstein singen; es muss erlaubt sein, dies hier zu erwähnen. Hier hat es in den letzten acht Jahren unter einem SPD-Innenminister eine Verdreifachung der Gewalttaten von Rechtsextremen gegeben. Ich sage das nur, damit hier nicht der Versuch gemacht wird, sein ein parteipolitisches Mütchen an diesem Thema zu kühlen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und insofern bin ich froh, dass Frau Düker, Herr Moron

und der Kollege Kruse das so deutlich herausgestellt haben.

Dass die Anzahl der Gewalttaten steigt, ist eine schlimme Entwicklung; da sind wir uns alle einig. Es gibt allerdings eine Vielzahl von Projekten und Programmen gegen Rechtsextremismus. Längst ist Rechtsextremismus glücklicherweise nicht mehr allein Thema für Polizei- und Jugendarbeit. Die Strategien sind vielschichtiger geworden und setzen auf ganz unterschiedlichen Ebenen an.

Hier hat unser Innenminister mit seinem Haus bereits gute Initiativen auf den Weg gebracht. Beispielhaft sei der Comic „Andi“ genannt, der wirklich einen herausragenden Erfolg darstellt und bundesweit Anerkennung findet, sowie seine anderen Initiativen an Schulen. Dort ist Aufklärung elementar wichtig, und insbesondere dort müssen wir nach den Erfahrungen mit der unsäglichen CD-Aktion der NPD vor Schulen besonders aufpassen.

Herr Moron, Sie haben völlig recht: Wir haben uns im Hauptausschuss damit auseinandergesetzt und gestaunt, als uns der Verfassungsschutz diese rechtsextreme Musik vor allen Dingen auch im Internet vorstellte. Es war kaum zu glauben, was es da alles gibt. Gleiches gilt aber auch für die Konzepte des Innenministeriums und des Verfassungsschutzes, um dagegenzuhalten.

Ich erlaube mir, aus der Presseerklärung des Innenministeriums von gestern vier Punkte nur ganz kurz anzusprechen; der Innenminister wird dies hier sicherlich im Detail tun.

Zu den vier Punkten zählt erstens die Arbeit mit jugendlichen Fußballfans von Profi- und Amateurvereinen zur Gewaltprävention und antirassistischen Aufklärung. Der zweite Punkt beinhaltet, die bestehenden Ordnungspartnerschaften zu vertiefen. Der dritte Punkt – diesen halte ich für sehr wichtig – sieht die Analyse der konkreten Ermittlungsverfahren vor, um daraus Konzepte abzuleiten. Den vierten Punkt stellt die – so möchte ich es einmal ausdrücken – Gastdozententätigkeit von Verfassungsschutzmitarbeitern an nordrhein-westfälischen Schulen dar; mehr als 100 Schulen haben sich daran bisher beteiligt.

Es ist die Pflicht, verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Justiz und der Polizei, den demokratischen Staat und seine Bürger vor Rechtsextremismus zu schützen. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es auch aufgrund der Erfahrungen mit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus eine ganze Reihe juristischer Möglichkeiten, rechtsextreme Aktivitäten zu ahnden,

zum Bespiel nach dem Grundgesetz, dem Strafrecht und dem Vereinsrecht.

Hier handelt es sich um reaktive Möglichkeiten. Ein rasches und konsequentes Handeln kann die rechtsextreme Szene durchaus einschüchtern und damit Schlimmeres abwenden. Dennoch: Polizei und Justiz sind nicht alleine in der Lage – sie treten nämlich erst dann in Erscheinung, wenn etwas gesellschaftlich schief gelaufen ist –, die Herausbildung rechtsextremer Gewaltszenen auf lokaler Ebene und erst recht nicht die Entwicklung rechtsextremer Einstellungen zu verhindern. Hierbei bedarf es einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung – ja, einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung.

Für die FDP-Fraktion möchte ich klarstellen: Extremismus ist grundsätzlich zu verurteilen und zu bekämpfen. Dabei schließe ich den Linksextremismus ein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sport ist ein wichtiger Baustein zur Integration und zur Erziehung, zur Befolgung von Regeln und zur Toleranz. Dem Sport kommt daher auch bei der Frage, wie der Fremdenfeindlichkeit der Nährboden entzogen werden kann, eine wichtige Bedeutung zu. Wer erinnert sich nicht an die Fußball-WM und kürzlich an die Handball-WM, die der Welt zum einen gezeigt haben, dass Deutschland ein weltoffenes, freundliches und tolerantes Land ist, die zum anderen aber auch vielen Einheimischen die Möglichkeit gegeben haben, mit Gästen aus aller Herren Länder in Kontakt zu kommen.

Eine wirtschaftlich gute Entwicklung unseres Landes ist und bleibt nach meiner Auffassung der wichtigste Aspekt im Kampf gegen den Extremismus. Wenn wir Familien in Beschäftigung bringen, wenn Jugendliche eine Chance auf eine Ausbildung und auf einen Arbeitsplatz haben, dann haben sie Perspektiven und eben keine Zeit, sich den Parolen von Menschenfischern am rechten Rand hinzugeben. Dann empfinden sie Vielfalt als Chance und nicht als Bedrohung.

Dann entgehen sie der Einfalt, eigenes Selbstvertrauen nur aus der Abwertung und Ausgrenzung Schwächerer aufzubauen. Dann begreifen sie, dass Mitmenschlichkeit und Solidarität ein größeres Glücksgefühl und stärkere Geborgenheit bieten als unkritische Kameraderie.

Deshalb werbe ich für unseren Entschließungsantrag und danke unserem Innenminister ausdrücklich für seine Strategie und seine Projekte, Rassismus und Demokratiefeindlichkeit erfolgreich Paroli zu bieten. Ein Aussteigerprogramm für

Rechtsextremisten gehört dazu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Engel. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Innenminister Dr. Wolf das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren! SPD und Grüne haben auf die Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes und darauf reagiert, dass ich sehr deutlich eine besorgniserregende Entwicklung dargelegt habe.

Ich habe sehr bedauert, dass von der SPD in einer ersten Reaktion versucht worden ist, die Entwicklung als ein spezifisch nordrhein-westfälisches Problem darzustellen, obwohl in allen SPDregierten und von der SPD mitregierten Ländern die gleiche Entwicklung Platz greift.

Man sollte auch nicht übersehen, dass wir im Ranking der Länder mit den wenigsten rechtsextremistischen Straftaten auf Platz fünf liegen und uns dieses Jahr wahrscheinlich auf Platz vier verbessern. Es ist nichts zu verniedlichen, es ist aber auch nicht so, wie es in einer ersten Reaktion kundgetan wurde.

Umso wohltuender war das, was Herr Moron heute Morgen ausgeführt hat. Er war nicht nur engagiert, was den Zeithorizont anbetrifft, sondern war aus meiner Sicht auch sehr ausgewogen, Herr Moron.

Ich halte es für entscheidend, dass wir dieses bundesweite Phänomen gemeinsam engagiert angehen. Wenn es ein gesamtgesellschaftliches Problem in Deutschland ist, dann sollte es nicht parteipolitisch genutzt werden. Es ist völlig richtig, was der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, der SPD-Abgeordnete Edathy, gesagt hat. Er hat zu Recht von einem erschreckenden Anstieg gesprochen. Das bedeutet: Wir alle müssen das Problem ernst nehmen und alle demokratischen Kräfte zu einem gemeinsamen Handeln bündeln.

Deswegen ist keine Polarisierung, sondern eine nüchterne Analyse erforderlich. Ich gebe Herrn Moron da absolut recht: Das ist in der Tat schwierig, weil die Erklärungsmuster vielfältig sind und Schnellschussanalysen hier nicht helfen.

Herr Moron, Sie haben die Perspektivlosigkeit angesprochen. Sie haben angesprochen, dass Intellektuelle teilweise versuchen, die Szene mit pseu

dowissenschaftlicher Diskussion zu unterwandern. Natürlich spielt Geld auch eine Rolle.

Ich will für diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen aber auch sehr deutlich sagen, dass wir in diesem Land natürlich auch die Konsequenzen einer null Toleranz feststellen: Wir verfolgen, was uns bekannt wird. Wir animieren auch zu Anzeigen. – Diese null Toleranz, die wir gegen rechts und im Übrigen auch gegen Verfassungsfeindlichkeit und Gewalt von links zeigen, dokumentiert sich am Ende natürlich auch an Erfolgen wie steigender Anzeigebereitschaft und stärkerem Verfolgungsdruck.

Die unterschiedlichen rechtsextremistischen Gefahrenpotenziale sind bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes schon sehr deutlich gemacht worden. Wir haben natürlich unterschiedliche Phänomene, die heute andiskutiert worden sind. Zum einen wird versucht, Kommunalisierung von Rechtsextremismus zu betreiben, indem man sich bemüht, in die Parlamente zu kommen und dort Fuß zu fassen. Auf der anderen Seite werden Propagandadelikte und Gewalttaten begangen.

Der bundesweit festzustellende Anstieg der politisch motivierten Kriminalität ist für uns ein Anhaltspunkt dafür, dass wir uns noch stärker in der Bekämpfung engagieren müssen. Es ist ein langfristiges Problem mit entsprechender Tiefe, sodass Gründlichkeit absolut vor Schnelligkeit zu setzen ist.

Wir haben sehr wohl auf die Maßnahmen aufgebaut, die unter meinem geschätzten Vorgänger schon damals eingeleitet worden sind. Das ist heute schon mehrfach gesagt worden. Das wollen wir absolut anerkennen. Diese Dinge sind fortgeschrieben worden. Es hat an dieser Stelle gar keinen Richtungswechsel gegeben.

So, wie die Einheit der Demokraten vorher gestanden hat, steht sie aus meiner Sicht auch heute. Wir haben allerdings auch draufgesattelt, weil wir glauben, wir benötigen zusätzliche Anstrengungen.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir gerade auch im Kontext mit der notwendigen Information, Erziehung und pädagogischen Hilfestellung in Schulen sehr viel mehr erreichen als vorher. Von dem eben schon zitierten Comic, der gerade die Jugend anspricht, sind inzwischen über 160.000 im Einsatz. Er wurde auch aus anderen Bundesländern nachgefragt.

Die Verfassungsschützer aus meinem Hause stehen in sehr intensivem Kontakt mit der Schule. Ich bin sehr dankbar dafür, dass Frau Sommer dies

sehr offen aufgreift und es ohne Weiteres zulässt, dass Mitarbeiter aus den Sicherheitsbereichen in den Schulen vortragen können. Frau Sommer, vielen Dank.

Ich bin sehr froh, dass wir in die Unternehmen gehen. Auch das ist ein zusätzlicher Aspekt gegenüber den letzten Jahren. Es gibt in Unternehmen sehr perfide Ansätze, durch die sich Rechtsradikalismus breitmacht. Auch hier ist der Verfassungsschutz beratend tätig und jederzeit bereit, in Firmen zu besuchen, um sehr geschickt gespielte Ansätze kenntlich zu machen, damit man im frühen Stadium dagegen vorgehen kann.