Protocol of the Session on March 29, 2007

Ich bin sehr froh, dass wir in die Unternehmen gehen. Auch das ist ein zusätzlicher Aspekt gegenüber den letzten Jahren. Es gibt in Unternehmen sehr perfide Ansätze, durch die sich Rechtsradikalismus breitmacht. Auch hier ist der Verfassungsschutz beratend tätig und jederzeit bereit, in Firmen zu besuchen, um sehr geschickt gespielte Ansätze kenntlich zu machen, damit man im frühen Stadium dagegen vorgehen kann.

Dies muss natürlich in eine auch mit den anderen Ministerien abgestimmte Gesamtkonzeption eingebunden sein. Darum sind wir sehr bemüht.

Im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft haben wir gesehen, dass Rechtsextremisten keinen Halt vor sportlichen Großereignissen machen. Im Gegenteil. Sie versuchen eher, die Öffentlichwirksamkeit zu nutzen. Auch da sind wir konsequent eingeschritten. Ich glaube, das muss auch so sein. Wir müssen gerade auch im sportlichen Bereich deutlich machen, dass es nicht um Ausgrenzung, sondern um Integration geht. Das ist von allen Rednern aus meiner Sicht sehr zu Recht angesprochen worden.

Es ist klar: Wenn ich einen bereits Radikalisierten habe, ist es schwer, mit einem Erziehungskonzept einzugreifen. Dann muss ich in der Tat auch repressiv tätig werden. Das tun wir.

Aber das Hauptaugenmerk wollen wir wirklich auf die Abwehr des Entstehens von rechtsradikalen Tendenzen bereits bei den Jugendlichen legen. Dazu müssen Eltern beitragen, dazu müssen Kinder beitragen. Man darf im vorschulischen Bereich eben nicht ausgrenzen; man braucht ein Miteinander und nicht ein Gegeneinander. Das muss sich in der Schule fortsetzen. Gewaltfreie und nichtextreme Erziehung muss man früh lernen.

Ich glaube, dass da alle Demokraten aufgefordert sind zusammenzustehen. Wir werden jedenfalls seitens der Landesregierung diese Kräfte noch besser bündeln, noch mehr gegen solche Straftaten vorgehen. Ich hoffe, dass wir das in der Zukunft auch gemeinsam tun werden. Es ist aus meiner Sicht ganz klar ein gesellschaftliches Phänomen und taugt nicht zur parteipolitischen Auseinandersetzung. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Wolf. – Für die Fraktion der SPD hat nun Herr Abgeordneter Dr. Rudolph das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sind neben den ungebremst wachsenden Zahlen, die alle schon genannt worden sind, vor allen Dingen zwei qualitative Momente, die uns in dieser Gesamtentwicklung beunruhigen.

Das eine Moment ist: Der Bericht ist von der Realität schon überholt. Wir erhalten Meldungen aus dem Hochsauerlandkreis, dass sich dort eine NPD-Organisation im Aufbau befindet, die in den letzten Tagen in Schmallenberg, Arnsberg und anderen Orten dieser ländlichen Region Tausende von Flugblättern verteilt hat. Das zeigt in der Tat: Man kann auch in Nordrhein-Westfalen nicht sagen, dass wir – auch wenn wir bundesweit auf dem vierten oder fünften Platz liegen sollten – auf einer Insel der Glückseligen leben. Wir müssen vielmehr zur Kenntnis nehmen, dass Rechtsextremisten offensichtlich kein Ort zu klein und kein Ort zu abgelegen ist, um nicht zu versuchen, einen organisierten Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland aufzubauen.

Das zweite qualitative Moment, das uns sehr beunruhigt, ist: Die NPD hat offensichtlich wirklich ein Konzept.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Sie nennt das Drei-Säulen-Konzept. Wenn man sich das genauer ansieht, ist man schon erstaunt, was die aus der Geschichte gelernt haben.

Die erste Säule, die sie in der Sprache, die sie pflegen, „Kampf um die Straße“ nennen, ist nämlich nichts anderes als die gezielte Zusammenarbeit mit freien Kameradschaften und ihren politischen Soldaten, die sie für ihre Demonstrationskampagnen, die wir ja alle erlebt haben, einsetzen. Früher nannte man das ganz einfach SA.

Die zweite Säule nennen sie „Kampf um die Köpfe“; das ist angesprochen worden. Wir müssen feststellen: Sie machen eine organisierte Bildungsarbeit. Sie schulen ihre Leute, auch in Versammlungen anderer zu gehen und sich dort zu Wort zu melden.

Mit „Kampf um die Köpfe“ verfolgen sie auch die Strategie, Köpfe zu zeigen. Es ist Ihnen vielleicht aufgefallen – das ist übrigens nicht nur in Ostdeutschland so –: Die Plakate der NPD für ihre Wahlkämpfe haben sich geändert. Früher standen darauf nur Buchstaben, weil sich meistens keiner getraut hat, sich als Rechtsextremist und Neonazi

erkennen zu geben. Inzwischen tragen diese Wahlplakate Köpfe von Bürgerinnen und Bürgern, die sich offensiv dazu bekennen. Wenn man das sieht, dann muss man feststellen: Auch in diesem Punkt gibt es eine neue Qualität von rechtsextremistischer und neonazistischer Arbeit.

Die dritte beunruhigende Säule in ihrem DreiSäulen-Konzept ist der sogenannte „Kampf um die Wähler und um den organisierten Willen“. Um diese verquaste NS-Sprache klar zu übersetzen und deutlich zu machen, worum es da geht: Sie versuchen zum ersten Mal, eine klare Vorherrschaft in einem rechtsextremistischen, völkischen, nationalistischen Spektrum in Deutschland zu gewinnen. Der erschreckende Befund an der Stelle ist: Es ist ihnen inzwischen gelungen.

Sie wissen, dass bei den letzten Wahlen zwei rechtsextremistische Parteien gleichzeitig antraten. Inzwischen gibt es ein Wahlkampfabkommen zwischen DVU und NPD. Die verständigen sich: Nur noch eine Partei tritt an und nimmt Kandidaten von der anderen Partei auf die Liste. Damit ist geklärt, was auch die NSDAP Ende der 20erJahre definitiv geklärt hat, nämlich wer sozusagen die vorherrschende, meinungsbildende Partei in diesem rechtsradikalen Sumpf ist.

Wir sollten die Zahlen natürlich entsprechend gewichten. Aber hinter den Zahlen und auch im Kleingedruckten des Verfassungsschutzberichtes liegt eine qualitative Dimension, die mich mehr beunruhigt – muss ich ehrlich sagen – als das Anwachsen der Zahlen.

Deswegen ist mein erster Rat – es wird ja gefragt, wie Demokraten darauf reagieren können – auch an den Innenminister: Sagen Sie nicht wie bei der Debatte im letzten Jahr von vornherein kategorisch Nein zu einem Verbot der NPD. Ich würde das offenhalten. Ich will dazu raten, das zu überprüfen. Ich will dazu raten, die Entwicklung bei der NPD sehr sorgfältig zu beobachten und nicht von vornherein auszuschließen, sie zu verbieten.

(Zustimmung von der SPD)

Denn sie läuft ganz eindeutig in einem Fahrwasser, dass sie eigentlich NSDAP heißen müsste.

(Beifall von der SPD)

Es ist klar, warum sie das nicht so offen tun – auch da haben sie gelernt –: Sie möchten natürlich den daraus entstehenden Folgen entgehen.

Das Bedrückende ist doch, dass trotz der Projekte, die Sie hier vorgestellt haben – ich erinnere daran, dass schon der frühere Arbeits- und Sozialminister Franz Müntefering diese Fanprojekte

eingeführt hat –, die Sie fortgesetzt haben, der Anstieg der Straftaten und das qualitative Weiterentwickeln ungebrochen sind.

Deswegen mein zweiter Rat auch an die Regierung: Lasst uns darüber sprechen, wo unser gemeinsames Handlungskonzept ist,

(Beifall von den GRÜNEN)

und zwar über die gesamte Breite. Es ist völlig richtig, was die Kollegen gesagt haben: Es ist nicht nur eine Sache der Polizei, der Strafverfolgung, im Übrigen auch nicht allein eine Sache der Schulen.

Ich stimme dem Kollegen Kruse zu: Es ist besser, ein Nichteinsteigerprogramm zu haben als aufwendige Aussteigerprogramme. Da rate ich Ihnen aber auch – wir haben gestern darüber gesprochen –, noch einmal darüber nachzudenken, ob es nicht besser gewesen wäre, Sie hätten die Mittel für die Jugendförderung und die Jugendarbeit in Nordrhein-Westfalen so erhöht, wie Sie es versprochen hatten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Denn die Jugendarbeit und die Jugendverbände machen täglich Arbeit gegen Rechtsextremisten. Für sie ist das nicht Saisonarbeit, wenn wir über einen Verfassungsschutzbericht reden, sondern Tagesaufgabe. Das verdient, meine ich, weiterhin und vielleicht auch noch stärker die politische und finanzielle Unterstützung des nordrhein-westfälischen Landtages.

Da meine Redezeit abgelaufen ist, nur noch ein abschließender Satz. Wir müssen uns angesichts des dramatischen Anstieges von antisemitischen Straftaten in NRW um fast 50 % und fremdenfeindlicher Straftaten um 32,4 % darüber verständigen, dass eines für uns alle klar ist: Wir lassen nicht zu, dass sich Neonazis in unserem Land anmaßen, bestimmen zu können, wer hier wohnen und wer hier arbeiten darf. Es darf niemals passieren, dass sie die Hoheit darüber haben, das entscheiden oder beeinflussen zu dürfen. Der liberale Rechtsstaat muss von uns allen gemeinsam verteidigt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das staatliche Gewaltmonopol darf nicht aufgegeben werden. Ich bin der Meinung, dass es in allen diesen Punkten richtig ist – ich unterstütze alle meine Vorredner darin –, die Grundrechte und Grundwerte unserer Demokratie an dieser Stelle sehr entschieden zu verteidigen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Rudolph. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Preuß das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Schwierige an der Debatte besteht darin, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, zwar zutreffende Analysen bringen, auch Situationen zutreffend beschreiben, dann – was grundsätzlich in Ordnung ist – Gegenstrategien und Handlungskonzepte fordern, ohne jedoch ein einziges Wort dazu zu sagen oder gar zu dokumentieren, welche Strategien Sie denn vorschlagen und wie nach Ihrer Ansicht Rechtsextremismus bekämpft werden soll. Wenn man sich wenigstens mit dem auseinandersetzen würde, was bereits umfassend geschieht, und wie das vielleicht weiterentwickelt und qualitativ verbessert werden könnte! Es kann nicht nach dem Motto gehen: Beantragen wir einmal eine Aktuelle Stunde; Hauptsache, wir haben darüber gesprochen.

Nicht reden, sondern handeln ist angesagt. Wenn man handeln will, dann muss man zunächst einmal das anerkennen, was die Landesregierung tut. Es wird auf allen Ebenen gehandelt: im Bereich der Politik, in der Schule, in den Verwaltungen, bei der Polizei und im Bereich des Verfassungsschutzes. Es ist Aufgabe aller demokratischen Kräfte, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen.

Rechtsextremismus und rechtsextreme Tendenzen, gleich, ob sie in organisierter Form ein Klima der Einschüchterung und des fremdenfeindlich motivierten Hasses erzeugen oder als rechtsextremistische Ideologien in Teilen der Bevölkerung Akzeptanz finden, sind mit allen zu Gebote stehenden rechtsstaatlichen Mitteln – dazu gehören auch Aufklärung, Information und Erziehung – zu bekämpfen.

Wir nehmen die Entwicklung, wie sie im Verfassungsschutzbericht beschrieben ist, sehr ernst. Um Strategien entwickeln zu können, müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass rechtsextremistische Organisationen ihren Nährboden gewissermaßen an der Basis bereiten und ihre Strategien, über Lokalpolitik und kommunale Verankerungen in die Parlamente – das ist eben mehrfach gesagt worden – zu gelangen, in vielfältiger Weise verstärken.

Ja, es ist richtig: Straftaten, die in Form von Propaganda, Beleidigungen, Volksverhetzungen und Gewalt begangen werden, müssen zur Anzeige gebracht werden, damit sie zeitnah und konsequent strafrechtlich verfolgt werden können.

Aber – Frau Düker, Sie haben das eben angedeutet – die besondere Gefährlichkeit rechtsextremer Tendenzen drückt sich nicht nur in Statistik aus. Besonders gefährlich ist die Unauffälligkeit der Extremen, ihr Bestreben, möglichst nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen, was auch zu deren Strategie gehört, damit sie gewissermaßen ungestört agieren können.

Meine Damen und Herren, der registrierte Anstieg der rechtsextrem motivierten Straftaten hat auch damit zu tun, dass die Bürgerinnen und Bürger aufmerksamer geworden sind und erkannte Straftaten zur Anzeige bringen. Wir Menschen sind viel sensibler geworden, was das Erkennen und Verfolgen von Straftaten anbelangt. Sie akzeptieren rechtsextreme Tendenzen und darüber hinaus politisch motivierte Straftaten nicht. Das Prinzip „Hinsehen statt Wegsehen“ funktioniert grundsätzlich. Und die Sensibilisierung der Menschen für solche Taten und ihre daraus wachsende Ablehnung sind die Voraussetzung dafür, Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und die darin liegenden Gefahrenpotenziale für die Gesellschaft zu bekämpfen.

Aber auch Aufklärung und Prävention, die insbesondere bei jungen Menschen frühzeitig ansetzen müssen, sind wesentliche Bestandteile der wirksamen Bekämpfung des Rechtsextremismus, gerade auch bei der Bildungs- und Jugendpolitik.

Wir begrüßen es daher ausdrücklich, dass die Landesregierung neue Projekte, ein ganzes Bündel von Maßnahmen gegen rechts beschlossen hat – die Einzelheiten sind eben schon aufgeführt worden –, dass der Verfassungsschutz in die Schulen geht und aufklärt, dass der Comic „Andi“ Gegenstand von Unterricht und Erziehung in Familien wurde oder dass nun Veranstaltungen mit Multiplikatoren durchgeführt werden. Das sind längst auch Schwerpunkte des Regierungshandelns und der Politik auf allen Ebenen.

Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass diese Arbeit noch verstärkt werden muss; Präventionsprojekte müssen selbstverständlich verstärkt und weiterentwickelt werden. Auch Zielgruppen wie Sportvereine und Schulen sind dabei in den Blick zu nehmen. Ganz besonders auch die Zusammenarbeit mit den bereits bestehenden Ordnungspartnerschaften muss verstärkt genutzt werden.

Wir reden nicht, meine Damen und Herren, wir handeln. Ich meine, alle demokratischen Kräfte sind dazu aufgerufen, zu handeln und gegen rechts vorzugehen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Löhrmann das Wort.