Das ist besorgniserregend. Denn die Steigerungen der Straftaten, die mit einem politisch motivierten Hintergrund begangen werden, gehen fast ausschließlich auf das Konto der Rechtsextremisten in unserem Land. Das macht allen Sorgen: denjenigen, die in den Sicherheitsorganen tätig sind, denjenigen, die in der Politik Verantwortung tragen, und natürlich vor allen Dingen den Menschen, die davon betroffen sind. Viele in unserem
Deshalb müssen wir uns diesem Thema widmen. Wir müssen uns damit auseinandersetzen. Und wir müssen fragen, was wir dagegen tun können und woher dieses Phänomen kommt.
Immer, wenn man sich mit dem Thema Rechtsextremismus auseinandersetzt, werden meistens von Journalisten zu folgenden Aspekten Fragen gestellt: Was sind die Ursachen? Wie kommt es dazu? Wie erklären Sie sich das? Der zweite Fragenkomplex lautet: Was wollen Sie dagegen tun? Was schlagen Sie vor?
Wir leben in einer schnelllebigen Gesellschaft, und die Medien verlangen immer schnelle Antworten auf alles. In Bezug auf den Rechtsextremismus sind beide Antworten nur schwer zu finden.
Wenn wir über Rechtsextremismus und über das Ansteigen des Rechtsextremismus sprechen, werden wir sicher eine Reihe von Erklärungsmustern finden. Aber es gibt nicht eine einzige, klare, alles entscheidende Erklärung.
Sicher ist: Es gibt viele vor allem jüngere Menschen, die meistens männlich sind, die in dieser Gesellschaft keinen Platz finden und die für rechtsextreme Parolen anfällig sind. – Ja, die gibt es. Sie sind auch Opfer – das sage ich ganz bewusst; die Schulministerin war eben noch hier – unseres Schulsystems und unserer Gesellschaft, die diese jungen Leute nicht mit einer entsprechenden Ausbildung ins Leben entlässt. Sie sind anfällig für rechtsextreme Parolen. Sie sind auch anfällig für Gewaltausübung, um ihre Interessen, Wünsche und Forderungen gegenüber dieser Gesellschaft durchzusetzen.
Aber wir müssen uns auch über Folgendes im Klaren sein: Mittlerweile gibt es beim Rechtsextremismus auch Leute, die hochintelligent sind, die eine gute Schulausbildung und einen guten Beruf haben, die zum Teil auch eine universitäre Ausbildung haben und die mittlerweile den intellektuellen Hintergrund und das Wissen für den rechtsextremen Sumpf in diesem Land liefern. Sie helfen den Rechtsextremen und machen sie gefährlich.
Der dritte Gesichtspunkt – damit kann und will ich nicht alles erklären – ist der, dass man mittlerweile mit rechts Geld verdienen kann. Inzwischen gibt es eine große Industrie, die vor allen Dingen im
Internet ihren Platz findet, die mit Musik, Literatur, Devotionalien und allem möglichen Zeug Geld verdient. Wenn man damit Geld verdienen kann, finden sich auch Leute, die sich dessen bedienen.
Inzwischen baut sich eine rechtsextreme Szene auf, die in dieser Gesellschaft einen festen Platz hat. Wenn wir eine Demokratie wären, die nicht wie Deutschland ihre Störungen gehabt hat, sondern wenn wir eine gewachsene Demokratie ohne Brüche wie unsere europäischen Nachbarstaaten wären, könnten wir mit diesem Phänomen wahrscheinlich gelassen umgehen.
Aber Deutschland und Nordrhein-Westfalen können das nicht. Wir werden immer mit unserer Vergangenheit konfrontiert. Die anderen Völker schauen immer auf Deutschland und fragen sich, was bei uns an antisemitischen Aktivitäten, Gewalttaten und in der rechten Szene passiert. Wie durch einen Fokus wird sehr genau beachtet, was in diesem Land passiert. Deshalb können wir nicht darüber hinweggehen und sagen: Na ja, rechts gehört zu einer demokratisierten Gesellschaft dazu. Das ist eben in Schweden oder in Dänemark anders als bei uns. Wir haben eine andere Geschichte. Wir müssen sensibler mit diesem Thema umgehen.
Wir dürfen nicht wegschauen und sagen: Das ist nicht so wild; das sind nur ein paar Verrückte. Sondern alle Demokraten zusammen müssen sich damit offensiv auseinandersetzen.
Wir müssen leider feststellen: Diese rechtsextremen Gruppen haben auch politischen Erfolg. Sie sitzen nicht nur in einigen Landtagen; sie sitzen als Ratsvertreter in einer ganzen Reihe von Stadträten. Sie machen dort ihre Politik. Wir wissen, dass sie eine schlechte Politik machen. Aber sie sind als Vertreter der Bürgerinnen und Bürger da. Damit haben sie eine politische Dimension.
Ich warne davor, liebe Kolleginnen und Kollegen, das gering zu schätzen und zu meinen: Sie sind eine Wahlperiode in den Parlamenten; dann fliegen sie aber wieder raus. – Nein, seien wir mit diesem Thema bitte etwas sensibler!
Ich habe eben versucht zu erklären, woher die Rechten kommen. Ich glaube, das war sehr unzulänglich; ich kenne auch niemanden, der das genau sagen kann.
Aber was kann man gegen die Rechten tun? Ich betone sehr deutlich – im Hauptausschuss haben wir uns auch damit beschäftigt –: Es gibt im Inter
net und darüber hinaus eine sehr große Szene, die rechtsextreme Musik verbreitet. Wenn Sie diese Videos einmal gesehen und gehört haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden Sie staunen, was alles über das Internet läuft. Was dort passiert, ist unglaublich!
Das muss indiziert und verboten werden! Ich füge aber auch sehr deutlich hinzu – das richtet sich an die Justiz: Das muss auch strafrechtlich verfolgt werden!
Es gibt genügend Hinweise darauf, dass das in unserem Land und in Deutschland insgesamt nicht hinreichend passiert. Es ist leider so. Das haben auch die Medien mittlerweile aufgegriffen. Es ist skandalös, dass solche Vorgänge nicht vor den ordentlichen Gerichten landen.
Wir müssen uns – das richtet sich an unsere Schulen – mit dem Thema Rechtsextremismus in den Schulen auseinandersetzen. Das wird getan, aber wir müssen mehr tun. Wir dürfen das nicht nebenbei tun, sondern das muss eine wichtige Aufgabe sein.
Wir brauchen im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch mehr Geld für politische Bildungsarbeit.
Ich halte es für völlig falsch, bei der Weiterbildung und bei der politischen Bildung Mittel – auch bei der Landeszentrale für politische Bildung – zu kürzen. Wenn sie keine Mittel hat, kann sie dem Rechtsextremismus nicht mit entsprechenden Angeboten auf ihre Weise begegnen.
Wir haben nicht den Eindruck, dass die Landesregierung der politischen Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus den entsprechenden Stellenwert einräumt.
Es kommt auch darauf an – damit wende ich mich ebenfalls an die Justiz –, rechtsextreme Straftaten konsequent zu verfolgen. Ich bin hier für Law and Order; ich sage es ganz offen.
Man darf nicht nach dem Motto handeln: Na ja, das sind so ein paar Verwirrte; wir wollen mal nicht so streng, sondern etwas gnädiger sein.
Manches Urteil, das hierzu ergangen ist – zum Glück nicht in unserem Land, aber in den ostdeutschen Ländern –, hat die Opfer von rechtsextremen Straftaten schwer irritiert und erschüttert und die Öffentlichkeit ziemlich ratlos zurückgelassen. Wir müssen konsequenter sein: schneller ermitteln und klar verurteilen.
Jetzt komme ich zu einem wichtigen Thema. – Wie ich sehe, habe ich keine Zeit mehr, verhalte mich wie die anderen Redner und überziehe meine Zeit. Deshalb werde ich demnächst ein bisschen gnädiger mit denjenigen sein, die das tun.
Lassen Sie mich das noch sagen, weil es mir sehr wichtig ist. Wir als demokratische Parteien – drei Landesvorsitzende sind Mitglieder dieses Landtags; im Augenblick ist nur Frau Kraft von der SPD da – müssen vor Ort bei unseren kommunalen Mandatsträger und unseren Parteien dringend darauf hinwirken, dass jede Zusammenarbeit mit Rechtsextremen auf kommunaler Ebene unterbleibt und wir sie als Gegner und nicht als Partner verstehen.
Es gibt in diesem Land eine Reihe von Beispielen, bei denen man sich auch der rechten Stimmen bedient hat, weil man Mehrheiten brauchte, um Personen oder bestimmte Konzepte durchzusetzen. Das dürfen wir alle gemeinsam – alle Parteien – nicht tun. Die Rechten sind für uns keine politischen Partner – in keinerlei Hinsicht, weder in Köln noch anderswo. Wir haben gerade eine aktuelle Diskussion in Köln, wo eine als rechtsextrem eingestufte Gruppierung, die sich „pro Köln“ nennt, politische Angebote macht und auch bei anderen Parteien Beachtung findet. Ich sage das sehr neutral und zurückhaltend.
Wir müssen uns einig sein, und die Generalsekretäre und die Parteivorsitzenden müssen entsprechend auf ihre örtlichen kommunalen Vertreter einwirken. Ich weiß, die gehen manchmal ihre eigenen Wege. Aber dann müssen wir konsequent durchgreifen. Das darf nicht sein. Rechts ist für uns kein politischer Partner: weder im Bund noch im Land noch in den Kommunen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Niemand bestreitet, dass uns alle der bundesweit festzustellende Trend eines Anstiegs gerade rechtsextremer Straftaten und rechtsextremer Gewalt mit Sorge erfüllen muss.
Ich glaube, wir sind uns einig darin, dass menschenverachtende Vorurteile, Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Gewalt in unserer Gesellschaft keine Chance haben dürfen.
Unser Innenminister Dr. Wolf hat bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts vor wenigen Tagen auf die unterschiedlichen Gewaltpotenziale hingewiesen, unter anderem auf die jungen, organisationsunabhängigen, häufig alkoholisierten Täter. Deswegen bleibt richtig: Erziehung in der Familie, im Unterricht und/oder in der Berufsausbildung ist in besonderer Weise gefordert, um die Bedeutung von Werten wieder stärker ins Bewusstsein zu rücken.
Frau Kollegin Düker, Herr Moron, wir erinnern uns sicherlich gemeinsam an die Debatte hier im Landtag am 22. Juni 2001. Herr Moron, Sie haben die Jahre 2000 und 2001 angesprochen. Wir haben damals, Frau Kollegin Düker, über die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage Ihrer Fraktion zum Thema Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen intensiv debattiert. Ich erwähne dies ausdrücklich, weil die neue Landesregierung nicht nur alle damals begonnenen Programme konsequent fortführt, sondern in den letzten ca. 20 Monaten eine ganze Reihe von neuen und weiteren Maßnahmen ergriffen hat.