Offenkundig ist es uns allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, bislang nicht gelungen, die vorhandenen Beteiligungsmöglichkeiten ausreichend und flächendeckend bekannt zu machen, und noch viel weniger gelungen, sie für alle Kinder und Jugendliche nutzbar und auch handhabbar zu machen. Wir sehen hierin eine der wesentlichen Zukunftsaufgaben. Die schon vorhandenen Strukturen müssen überprüft und gegebenenfalls ausgebaut werden.
Unsere Meinung zur Drittelparität in den Schulen hat sich übrigens, auch wenn die CDU-Fraktion die Intention des vorliegenden Antrags darauf eingrenzen will, nicht geändert. Wir wollen in Bezug auf den Antrag der Grünen-Fraktion jedoch die Chance nutzen, die sich uns allen zur Meinungsbildung in den kommenden Wochen bietet. Sowohl der Landesjugendring Nordrhein-Westfalen als auch beispielsweise die Evangelische Jugend Nordrhein-Westfalen bereiten derzeit konkrete Forderungen und Beschlüsse vor, die, so zumindest bei der Evangelischen Jugend, auf der Befragung zahlreicher beteiligter Jugendlicher beruhen. Die SPD-Fraktion wird ihre Position nach der Veröffentlichung dieser ja nicht unmaßgeblichen Mitwirkungsergebnisse festlegen.
Zum vorliegenden Antrag werden wir uns aus diesem Grund auch enthalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Hack. – Als nächster Redner hat nun für die Fraktion der FDP der Kollege Lindner das Wort.
Frau Präsidentin! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen machen mit diesem Antrag eines meiner persönlichen Steckenpferde zum Thema: die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Kommunalpolitik, an der Politik insgesamt.
Umso bedauerlicher ist es, dass die Grünen in der vergangenen Legislaturperiode den zahlreichen Gesetzentwürfen und Anträgen meiner Fraktion zu diesem Thema niemals zugestimmt haben,
obwohl die Forderungen in diesen Anträgen zum Teil deckungsgleich mit denen waren, die Sie jetzt hier vorlegen; etwa die Forderung, eine Leitstelle Partizipation einzurichten. Das haben wir vor sechs Jahren getan. Auch die Ergänzung der Gemeindeordnung haben wir vor sechs Jahren beantragt. Die Grünen waren immer dagegen. Das ist auch ein Grund, warum Sie abgewählt worden sind: Dass Sie offenbar Fachdebatten im Tempo griechischer Landschildkröten verfolgen, ist meiner Meinung nach für eine Regierungsfraktion nicht angezeigt.
Sie fordern heute, die Beteiligung junger Menschen in der Gemeindeordnung zu verankern. Ich habe schon gesagt: Das ist einer der ersten Gesetzentwürfe, die ich vorgelegt habe – aus dem Jahre 2001. An dieser Position – das will ich ausdrücklich sagen – halte ich persönlich auch fest, obgleich ich weiß, dass wir bei unserem Koalitionspartner CDU im weiteren Beratungsverfahren zur Änderung der Gemeindeordnung noch Überzeugungsarbeit werden leisten müssen. Die Grünen allerdings hielten diese Worte in der Debatte damals – um es mit den Worten des damaligen Kollegen Ewald Groth zu sagen; ich zitiere ihn – für „so überflüssig wie die Debatte um die grenzenlose Freiheit des Schaumreinigens am Sonntag“.
Plötzlich, sechs Jahre später ist das ein Anliegen der Grünen unter Ziffer 1 Ihres Antrages. Das ist unglaubwürdig.
Herr Groth, ich will, was das Zitat angeht, gerne einräumen, dass das im Zusammenhang mit einer einige Tage zuvor geführten Debatte um eine Änderung des Sonn- und Feiertagsgesetzes stand. Aber das Zitat stammt aus der Debatte über die
Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Kommunalpolitik. So viel war Ihnen das Thema damals wert: eine lumpige, polemische Formulierung. Und jetzt tun Sie so, als hätten Sie den Stein der Weisen gefunden.
Wollen Sie dem Hohen Hause erklären, dass Sie damals etwas ganz anderes beantragt haben als das, was im vorliegenden Antrag verlangt wird, dass sich diese Aussage deshalb auch darauf bezieht, dass ich das damals von Ihnen Gesagte für so überflüssig gehalten habe wie die Abschaffung des Verbotes der Schaumwäsche am Sonntag? Ich habe nämlich schon damals festgestellt und darauf gesetzt, dass es eine Vielfalt von Antworten auf die Beteiligung von Jugendlichen in Kommunen geben muss. Dazu stehe ich auch heute noch. Würden Sie das zugestehen?
Nein. Da sind Sie falsch informiert, lieber Herr Groth. Sie versuchen auch jetzt wieder zu vernebeln. Sie beziehen sich mit der Vielfalt darauf, wir hätten damals Jugendräte, also repräsentative Beteiligungsformen, festlegen wollen. Das stimmt aber nicht.
Das steht da nicht. Da steht „kann“. Sie sollen eine Beteiligung vorhalten. Die Beteiligung kann in der Form eines Jugendgemeinderates, also in einer repräsentativen Form – wie Frau Löhrmann sie ja immer begrüßt –, erfolgen. Das haben Sie damals falsch verstanden. Schlimm, dass Sie sechs Jahre gebraucht haben, um das hier einzuräumen!
Zu Ziffer 2: Sie betonen die Notwendigkeit eines Austausches unter den Beteiligungsformen. Wie Rheinland-Pfalz haben wir das damals schon gefordert. Sie haben das abgelehnt. Wir handeln jetzt. Wir haben mit dem Haushalt 2007 ein
300.000-€-Sonderprogramm für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen eingerichtet. Das haben wir früher immer gefordert. Sie haben darüber gelacht. Wir machen das jetzt. Das Geld steht zur Verfügung, um vor Ort modellhaft bestimmte Fragen zu erproben. Es steht zur Verfügung, um die Vernetzung zu verbessern und um landesweit sinnvolle Fragen fachlich begleiten zu können.
Sie wollen – zum Dritten – die Beteiligungsmöglichkeiten von Mädchen in besonderer Weise berücksichtigt wissen. D’accord! Das ist eine Selbstverständlichkeit. Allerdings haben wir weniger ein Problem zwischen den Geschlechtern als eines zwischen bildungsbenachteiligten Kindern und Kindern, die aus einer Familie kommen, die Artikulationsfähigkeit ermöglicht. Das blenden Sie aus.
Zum Vierten: Sie fordern, das aktive Wahlalter auf Landesebene auf 16 Jahre zu senken. Das ist eine Diskussion, der wir uns nicht verschließen. Unser eigener Landesvorsitzender hat sich in dieser Weise ebenfalls eingebracht und angemahnt, dass man gerade nach dem österreichischen Beispiel darüber diskutieren müsste.
Allerdings müssen die Befürworter schon sehen, dass das politische Interesse trotz der Senkung des Wahlalters bei der Kommunalwahl nicht gestiegen ist. Im Gegenteil: Seit der Kommunalwahl 1999 ist das Interesse junger Menschen an politischen Zusammenhängen gesunken. Bezeichnenderweise – ich weiß nicht, ob Ihnen das bekannt ist – hält mehr als die Hälfte der Jugendlichen selber die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre für keine gute Idee. 23 % sagen, das sei ihnen egal – Shell-Jugendstudie 2006.
Ich weiß, Herr Vizepräsident. – Lange Rede, kurzer Sinn: Der Antrag kommt zu spät. Das, was Sie fordern, machen wir schon, und das, was wir uns noch vorgenommen haben, haben Sie in der Vergangenheit in der Regel abgelehnt. Es ist ein Showantrag. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich ein bisschen dränge, aber wir haben heute noch sehr viel zu beraten und zu entschei
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Politik für Kinder und Jugendliche steht im Zentrum der Arbeit der Landesregierung. Wir wollen Nordrhein-Westfalen zum kinderfreundlichsten Land in Deutschland machen. Dazu gehört ganz bewusst die Beteiligung von jungen Menschen an demokratischen Prozessen. Aber dazu gehört auch – heute sind allerdings nicht so viele Jugendliche auf der Tribüne des Landtages vertreten –, dass man, wenn man an das Rednerpult des Landtages tritt, Demokratie richtig erklärt. Wie funktioniert Demokratie?
Bei dem Redebeitrag von Frau Kollegin Hack habe ich noch einmal gespürt, was wir auch gespürt haben, als wir hier die Debatte über die Volksinitiative hatten. Als der Landtag von NordrheinWestfalen der Volksinitiative im Ergebnis nicht gefolgt ist, hat man gesagt, das sei eine Verhöhnung der jungen Leute, es schaffe Demokratieverdrossenheit, wenn man einer Volksinitiative nicht folge.
Aber es hätte die Anmerkung dazugehört – mich wundert, dass Frau Kollegin Hack das noch ein Jahr später hier am Pult des Landtags sagt –: Volksinitiative ist die Anregung gegenüber dem Landtag – so steht es in der Verfassung –, sich mit einem bestimmten Thema zu beschäftigen. Indem Sie so tun, als könne die Volksinitiative demokratische Entscheidungen von gewählten Gremien ersetzen, und weil sie das den Kindern und Jugendlichen auch so gesagt haben, leisten Sie einen Beitrag zur Politikverdrossenheit.
Herr Minister, entschuldigen Sie die Unterbrechung. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Remmel?
Sehr geehrter Herr Minister, da Sie so viel „Spürung“ für das empfinden, was in der Demokratie passiert, frage ich
Sie, ob Sie auch spüren könnten, dass Menschen, wenn sie sich intensiv für eine Sache einsetzen, damit aber nicht erfolgreich sind, enttäuscht sind?
Frau Asch, dass Sie es undemokratisch finden, wenn man Gespräche mit Verbänden führt, haben wir hier vor ein paar Wochen mitbekommen. Ich möchte jetzt gerne die Frage von Herrn Remmel beantworten und mich nicht mit Ihnen über Demokratie streiten. Sie wissen, dass wir in dieser Frage auf zwei unterschiedlichen Planeten stehen.
Herr Remmel, ich teile das, was Sie gerade gesagt haben. In der Tat kann ich da Enttäuschungen verstehen. Es gehört aber mit zur Demokratie, dass man in Sachzwängen steht. Das erkläre ich auch jeder Besuchergruppe. Man erleidet auch als Minister mal Enttäuschungen, man erleidet auch als Abgeordneter mal Enttäuschungen. Für die einen liegt das 39 Jahre zurück, für die anderen dauert es noch 39 Jahre.