Protocol of the Session on March 8, 2007

(Ministerin Christa Thoben: Nein, das habe ich nicht gesagt!)

Davon werden die besonderen Aufwendungen abgezogen, die für die Kohlerückzugsgebiete für die Zechenstandorte nötig sein werden. Das ist ein noch schmalerer Grat als das, was sonst immer Strukturhilfe für die Region war.

Dann haben Sie ausgeführt, es gäbe genügend Gewerbeflächen, Flächen seien nicht das Problem in der Region. Wir reden nicht allein von Gewerbeflächen an den Zechenstandorten, sondern davon, dass es keine Identität an qualitätvoll aufbereiteten Flächen und vorhandenen Flächenreserven im Ruhrgebiet gibt.

(Zuruf von Lothar Hegemann [CDU])

Sie haben selbst darauf hingewiesen, dass die Rückzugsstandorte nicht identisch sind mit den Standorten, wo heute schon Flächenreserven bestehen. Wir legen gerade Wert darauf, dass die Flächen eben nicht unkoordiniert, regional nicht abgestimmt am Markt untergebracht werden, sondern dass sie qualitativ aufgewertet und regional abgestimmt am Markt platziert werden. Da

muss die öffentliche Hand ihre Verantwortung übernehmen und darf sie nicht ablegen.

(Ilka von Boeselager [CDU]: Das hat sie doch gerade gesagt!)

Die Ruhrkohle AG ist natürlich das A und O bei diesem Flächenmanagement. Warum? – Weil die Ruhrkohle AG Immobilienflächeneigentümer im Verhältnis 10:1 ist. Alle nachfolgenden Immobilieneigentümer im Ruhrgebiet an den Standorten sind zehnmal kleiner als das, was die RAG als Fläche vorrätig hält. Nachdem die RAG selbst erklärt hat, ihre Immobilienperspektive sei vorrangig die der Bestandspflege, wird deutlich, dass man in einer gemeinsamen öffentlich-privaten Verantwortung Bestands- und Flächenentwicklung forcieren muss und dass man die Flächen nicht brachfallen lassen darf.

Herr Hovenjürgen hat gesagt, der Strukturwandel sei falsch gestaltet worden. Er hat dabei immer auf Bedenkenträgereien hingewiesen, ohne das einmal dingfest und namhaft zu machen. Der einzig real existierende Bedenkenträger, der in diesem Haus anwesend ist, ist der Kollege Weisbrich, der nämlich Bedenkenschürer und -träger beim Ausbau von Flughafeninfrastruktur in diesem Land ist und sich dazu auch bekennt. Vereinnahmen Sie nicht die Bedenkenträgerei, wenn außer dem Kollegen Weisbrich niemand darauf Anspruch erheben kann.

Herr Priggen hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir für die Haushaltssicherungsgemeinden gesonderte Konditionen brauchen, um die Notwendigkeiten des Strukturwandels kommunal zu flankieren. Das ist hoffentlich auch mit dem Innenminister abgesprochen und nicht nur eine gutgemeinte Perspektive der wirtschaftspolitischen Sprecher der Mehrheitsfraktionen in diesem Hause. Ich finde es richtig, wenn Herr Priggen darauf hinweist, dass wir eine öffentliche Mitverantwortung sowohl im Land wie auch kommunal bei der Flächenentwicklung in den Rückzugsgebieten konstatieren müssen. Da sind wir sehr nahe beieinander.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Später. – Herr Brockes zählt zu denen, die auf den Antrag überhaupt nicht Bezug genommen haben, sondern die im Grunde fabuliert haben über Cluster, die von der Landesregierung neu auf den Weg gebracht würden. Herr Kollege Brockes, Sie müssten wissen, zumindest aber nachgelesen haben, dass wir seit über 30 Jahren eine Cluster-Perspektive in

diesem Land mit den ZIM- und ZIN-Programmen haben.

Wenn man dann zurückkommt auf die Landesregierung, ist eines erstaunlich: Der Ministerpräsident hat ein halbes Jahr nach der Regierungsbildung seine Regierungserklärung mit dem Hinweis abgegeben, die Landesregierung täte etwas für das Ruhrgebiet, es komme eine Initiative. Danach kam lange Zeit nichts. Dann kam das große WAZForum in Essen. Der Herr Ministerpräsident hat sich hingesetzt und geäußert, die Landesregierung täte etwas für das Ruhrgebiet mit der Zukunftsinitiative Ruhr. Nachdem ein Jahr lang aber rein gar nichts passiert ist, schickt er seine Wirtschaftsministerin vor und veranlasst sie, einen langen Sprechzettel abzulesen, wozu man festhalten kann: Außer Spesen nichts gewesen.

Im Nachhinein durch den Ministerpräsidenten die Anerkennung von Kompetenzfeldwirtschaft im Ruhrgebiet, wie sie die Strukturpolitik der rotgrünen Landesregierungen und der JohannesRau-Landesregierungen im Grund auf den Weg gebracht haben, dadurch zu krönen, dass er 20 Jahre nach der Reise von Fritz Behrens, Johannes Rau und anderen die gleiche Reise nach Pittsburgh antritt und verkündet, es würden jetzt endogene Entwicklungsperspektiven geweckt, es werde eine neue Strukturpolitik auf den Weg gebracht, ist schon erstaunlich. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, haben Sie 20 Jahre zu spät eingeläutet.

Ich appelliere an Sie: Nutzen Sie die Ausschussberatungen, sich konkret mit unseren Antragszielen auseinanderzusetzen. Die Menschen brauchen nämlich keine Ankündigungen und keine guten Worte, sondern sie brauchen Tatkraft und Ideen, die bei Ihnen aber Mangelware sind.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Groschek. – Nun spricht für die CDUFraktion Herr Lienenkämper.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bis eben hatte ich an sich vor, mir zunächst einmal die einleitenden Bemerkungen des Kollegen Eiskirch vorzunehmen. Was Sie eben zum Schluss gesagt haben, Herr Kollege Groschek, veranlasst mich allerdings, darauf am Anfang meiner Rede einzugehen.

Sie haben dieser Landesregierung ernsthaft vorgeworfen, erstens sei ein Jahr nichts gewesen

und dann sei Christa Thoben mit einem langen Sprechzettel nach draußen gekommen.

Herr Kollege Groschek, wenn bei Ihnen nur ein Jahr lang nichts gewesen wäre, würde es unserem Land besser gehen.

(Beifall von CDU und FDP)

Bei Ihnen war es 39 Jahre lang so. In dieser Zeit war nicht nur nichts, sondern das, was gewesen ist, war auch noch schlecht. Dieses schlechte Handeln ist für die im Ruhrgebiet vorhandenen Probleme verantwortlich, nicht aber die 20 Monate Regierungszeit der neuen Regierung. Ihre Äußerung dazu ist geradezu unglaublich gewesen.

Herr Kollege Eiskirch, ich kann es mir aber nicht verkneifen, auch auf Sie einzugehen. Ich habe „Landtag intern“ gelesen. In einem Beitrag tun Sie so, als sei der Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlebergbau gar nicht vorhanden, weil die Revisionsklausel gezogen und man weiter Bergbau betreiben würde. Sie hören immer noch nicht damit auf, den Bergleuten Sand in die Augen zu streuen. Ich hatte eigentlich gehofft, das wäre zu Ende. Aber, meine Damen und Herren, das ist nicht so.

Ihr Antrag ist ein Beispiel für Politik der Vergangenheit. Immer, wenn Sie nicht weiter wissen, versuchen Sie, mit möglichst großen Summen ein Problem beiseite zu schaffen. Das machen Sie auch noch in einer Art und Weise, bei der das Eckpunktepapier nicht zutreffend oder noch nicht einmal vollständig wiedergegeben wird. Lesen Sie den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vom 8. Februar 2007. Darin ist genau aufgeschlüsselt, welche Einsparungen durch die erfolgreichen Verhandlungen der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen erreicht werden konnten: 468 Millionen € an Absatzhilfen, 272 Millionen € für Ewigkeitslasten. Hätten Sie verhandelt, wäre das dabei nicht herausgekommen. Was wir erreicht haben, war besser.

(Beifall von der CDU)

Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass es jetzt zügig weitergeht. Frau Ministerin Thoben hat eben völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass Nordrhein-Westfalen das Land ist, das als erstes das operationelle Programm für Ziel 2 vollständig vorgelegt hat, sodass es bearbeitet werden kann. Deshalb kann ich mir dazu nicht den Vorwurf gefallen lassen, es würde nichts passieren. Wir sind Vorreiter, wir sind auch bei diesem Thema vorn.

Jetzt komme ich noch zu einem ganz wichtigen Punkt: Eigenverantwortlichkeit der Region statt Ideen aus Düsseldorf, das ist die Devise unserer

Politik. Wir wissen ganz genau, dass im Ruhrgebiet das Potenzial, die Kreativität und die Fähigkeit vorhanden sind, selbst zu definieren, was gut ist. Das muss nicht alles aus Düsseldorf kommen.

(Beifall von der CDU)

Deswegen ist diese Gießkannenpolitik, die Sie immer wieder betrieben haben und jetzt weiter betreiben wollen, falsch.

Wenn Sie Frau Ministerin Thoben auch noch vorwerfen, die Mittel für das Ruhrgebiet würden bei Ziel 2 gekürzt, ist darauf Folgendes zu sagen: Bei Ziel 2 kommt es jetzt endlich dazu, dass die Qualität der Projekte durch Wettbewerb verbessert wird. Das hat dieses Land lange gebraucht.

(Beifall von der CDU)

Das Zweite, was im Zusammenhang mit unserem Thema heute passiert, ist, dass die EFRE-Mittel des Ziel-2-Programms für die kommende Förderperiode erhöht worden sind. Das wissen Sie ganz genau; Sie sagen es nur nicht.

(Beifall von der CDU)

Deshalb ist das alles reine Symbolpolitik, die möglicherweise gut gemeint ist – das möchte ich Ihnen nicht absprechen –, aber bekanntlich ist gut gemeint tatsächlich das Gegenteil von gut. Der Antrag ist also schlecht, und ich glaube nicht, dass sie wirklich ernsthaft erwarten, dass wir schlechten Anträgen zustimmen.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Kollege Lienenkämper. – Für die FDP spricht nun Herr Kollege Witzel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegen von der SPD wären wenigstens ehrlich gewesen, wenn sie gesagt hätten: Wenn wir uns zukünftig über Verteilungsspielräume unterhalten – niemand im Haus will, dass all das, was die Region bisher auf anderen Förderwegen erreicht hat, zukünftig ersatzlos entfällt –, dann danke ich der Koalition der Erneuerung dafür, dass das Land durch die Härte der Nachverhandlungen mit dem Bund finanziell rund 750 Millionen € besser dasteht, als Sie es gemacht hätten. Das wäre eine ehrliche Auskunft gewesen.

(Beifall von FDP und CDU)

Aber bei dem Ziel, das sicherlich alle Fraktionen in diesem Hause teilen, für einen Strukturwandel zu sorgen und neue Perspektiven für die Ruhrre

gion zu schaffen, gibt es eine völlig andere Philosophie. Wir reden von der „Initiative Zukunft Ruhr“. Dahinter steckt schon die Eigeninitiative von wettbewerblichen Strukturen und Ansätzen, und Sie wollen immer Staatsprogramme.

Dabei haben Sie doch viele, viele Jahre Erfahrungen gemacht, welche Effekte das hat. Rot-Grün hat für reine Symbolpolitik Millionen verbrannt. Sie haben Leuchttürme gebaut, die dann sehr schnell abgebrannt sind wie das Trickfilmstudio HDO. Ihr Beschäftigungs- und Wachstumspakt Ruhr war nicht mehr als medienwirksam initiierter Aktionismus. Das Scheitern Ihrer landeseigenen Projekt Ruhr GmbH und der geplatzte Hollywoodtraum sind weitere Beispiele für Ihre verfehlte Politik.

Leider hat das politische Handeln von zehn Jahren Rot-Grün hier im Land eine positive Ruhrgebietsentwicklung gehemmt und die Weichen Richtung Vergangenheit gestellt. Wo würden wir denn heute stehen, wenn Sie mit Ihrem großen Herz und kleinem Verstand für die Steinkohlesubventionierung das Land nicht so positioniert hätten?

(Beifall von der FDP – Carina Gödecke [SPD]: Fanden Sie das witzig? Das ist an der Grenze der Unverschämtheit!)

Deshalb, meine Damen und Herren, haben Sie die Milliardensubventionen im Bereich der Steinkohle ökonomisch unsinnig ausgegeben, anstatt die Jugend in diesem Lande gefördert zu haben. Leistungspotenziale der Region, die entsprechend hätten gefördert werden müssen, im Bereich von Bildung, Ausbildung, Wissenschaft und Weiterbildung wurden von Ihnen stranguliert, Wirtschaftsdynamik wurde bürokratisch blockiert und Mobilitätsbedürfnisse ignoriert.

(Zuruf von Markus Töns [SPD])

Durch die Koalition der Erneuerung wird Nordrhein-Westfalen zum Land der neuen Chancen und das Revier zur Region der neuen Möglichkeiten. Wir werden das Ruhrgebiet zukünftig weniger durch Subventionen zwangsbeglücken, aber mehr berechtigen und in die Lage versetzen, die eigenen Zukunftsperspektiven selbst in die Hand zu nehmen. Deshalb stehen wir für eine eigene und selbstbewusste Regionalplanung im RVR.

Das Ruhrgebiet hat ungeachtet aller strukturellen und wirtschaftlichen Probleme enorme Entwicklungspotenziale, die es durch die Beseitigung unnatürlicher, überholter und wachstumshemmender Verwaltungsgrenzen und sonstiger Barrieren freizusetzen gilt. Deshalb haben wir als Koalition der Erneuerung eine klare Perspektive für die Region.

Denn die Ausgangsvoraussetzungen im Ruhrgebiet sind grundsätzlich gar nicht so schlecht.